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Wahlrecht-Urteil vom VerfassungsgerichtAbspeckkur mit Korrekturbedarf

Sabine am Orde
Kommentar von Sabine am Orde

Dass im Bundestag künftig rund einhundert Abgeordnete weniger sitzen, ist ein großer Verdienst der Ampel. Reformbedarf bleibt beim Wahlrecht dennoch.

Über einhundert Stühle können aussortiert werden, wenn im Bundestag nur noch 630 Abgeordnete sitzen werden Foto: Florian Gaertner/photothek/imago

K aum war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Wahlrechtsreform öffentlich, riefen CSU-Chef Markus Söder und andere Politiker der Union lautstark: „Schon wieder eine Klatsche für die Ampel!“ Das aber stimmt nur zum Teil – und auch nur zu einem kleinen. Im Kern hat Karlsruhe die Reform, die die Ampelfraktionen im März 2023 im Bundestag beschlossen haben, bestätigt. Und das ist gut so.

Damit haben SPD, Grüne und FDP es nach mehr als zehn Jahren folgenloser Diskussion endlich geschafft, die Größe des beständig anwachsenden Bundestags wirksam zu begrenzen. Und damit gezeigt, dass das Parlament in der Lage ist, sich selbst zu reformieren. Das ist ein großes Verdienst. Das im Übrigen nur möglich war, weil die CSU derzeit auf der Oppositionsbank sitzt. Die Christsozialen haben jahrelang mit der CDU im Schlepptau jede Reform blockiert, weil sie von der alten Regelung enorm profitierten.

Gut ist aber auch, dass die Rich­te­r*in­nen in Karlsruhe das neue Wahlgesetz der Ampel in einem wichtigen Punkt korrigieren: Die Streichung der sogenannten Grundmandatsklausel bei gleichzeitiger Geltung der Fünfprozenthürde erklärten sie für verfassungswidrig; jener Klausel also, nach der Parteien auch dann in den Bundestag einziehen, wenn sie zwar weniger als fünf Prozent der Stimmen erhalten, aber mindestens drei Direktmandate holen. Die Ampelparteien wollten die Klausel ursprünglich beibehalten.

Erst eine Woche vor Beschlussfassung im Bundestag wurde sie Hals über Kopf gestrichen. Damit schien sich der bis dahin verhältnismäßig faire Gesetzentwurf gegen die politische Konkurrenz zu richten. Das ist ein berechtigter Vorwurf, zumal das Wahlrecht mit einfacher Mehrheit allein der Ampel beschlossen worden war. Die Linke hatte es schließlich nur mithilfe ihrer Direktmandate 2021 wieder in den Bundestag geschafft, auch für die CSU, die bundesweit gerechnet knapp über fünf Prozent lag, hätte es künftig eng werden können.

Fünfprozenthürde sollte gesenkt werden

Für die nächste Bundestagswahl wird nun wohl die Grundmandatsklausel noch einmal gelten. Dass sich die Ampel so kurz vor der Wahl an eine Reform der Reform macht, ist eher unwahrscheinlich. Danach aber wird dies Aufgabe einer neuen Regierung sein. Wünschenswert wäre dabei zweierlei: dass die Union, die dieser vermutlich angehören wird, anders als angekündigt nicht versucht, die gesamte Reform wieder zu kippen.

Das Wahlrecht darf nicht zum Spielball von Regierungsmehrheiten werden. Und zweitens: dass bei der vom Gericht vorgeschriebenen Veränderung nicht die Grundmandatsklausel bleibt, sondern die Fünfprozenthürde abgesenkt wird. Weniger Stimmen würden verloren gehen, die Repräsentanz im Bundestag würde also erhöht. Und die Aussicht, mit Erfolg auch für kleinere Parteien zu votieren, könnte ein neuer Anreiz sein, sich an Wahlen überhaupt zu beteiligen.

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Sabine am Orde
Innenpolitik
Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.
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65 Kommentare

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  • Ich finde das Mehrheitswahlrecht im Vereinigtes Königreich ganz charmant.



    Dort werden die Mitglieder des Unterhauses nach relativer Mehrheitswahl gewählt.



    Das führt dazu, dass extreme Parteien und Splittergruppen gar nicht erst groß in das Unterhaus einziehen und es zu stabilen Regierungen kommt.

  • Vielleicht lohnt es sich jetzt besonders, Wahlkreiskandidaten kleiner Parteien zu wählen, damit die die 5%-Hürde umgehen können. Vielleicht hilft einer kleinen Partei die gezielte Erststimmen- Kampagne in wenigen Wahlkreisen.

    Ich vermute, eine Präzisierung wäre machbar oder hilfreich, dass die Grundmandatsklausel nur hilft, wenn diese Mandate auch mit Listenstimmen unterfüttert sind.

  • Das Erststimmenergebnis muss auf jeden Fall berücksichtigt werden. Ansonsten verliert die Bevölkerung jegliches Vertrauen in Wahlen.



    Beim Zweitstimmenergebnis können dagegen gerne Anpassungen erfolgen.

  • Käme stattdessen eine 3-Prozent-Hürde, würde erst recht der Verdacht der Willkür in Anlehnung an die Erwartungen der Bundestagsparteien greifen.



    Möglich wäre auch eine Anerkennung der direkt gewonnenen Mandate (z.B. drei bei der Linken), soweit durch Zweitstimmen gedeckt (also Einkürzen bei der CSU), ohne weitere Mandatszuweisung.

  • "Das aber stimmt nur zum Teil – und auch nur zu einem kleinen."

    Zum einen wäre der Wegfall fast aller Direkkandidaten eines der größten Bundesländer keine Kleinigkeit. Zum anderen hat man damit auch das ganze Gesetz vergeigt, wenn es in diesem Bundestag nicht mehr verabschiedet wird.

  • In Zukunft werden die Listenplätze der Parteien noch wichtiger. Wer dann vor Ort antritt, spielt dann eigentlich kaum noch eine Rolle.

    • @vieldenker:

      Da haben die Wähler die Mühe, die innerparteiliche Rolle ihrer Wahlkreis- Kandidaten zu bewerten. Vielleicht wählt man ja einen Kandidaten, den viele in dieser Partei gar nicht im Bundestag haben wollen, um die gegnerische Partei zu ärgern. Sei es egomane Hinterbänkler, sei es ein alter weißer Mann bei den Grünen, der deren Quoten und Identitätspolitik durcheinander bringt.



      Vielleicht kennt man sich ja auch aus der Kommunalpolitik. Dann könnte die lokalen Mächte, die bislang den CSU- Kandidaten zum Sieg verholfen haben, jetzt eine katholische Mutter von vielen Kindern das Grüne Wahlkreisticket verschaffen.

  • Wäre es nicht sinnvoll das wenn bspw. ein CDU Direkt-Kandidat nicht einziehen darf, das dann stattdessen ein SPD/Grünen Kandidat aus diesem Wahlkreis einrückt, anstatt jemand von der Liste, Em Ergebnis der Zweitstimmen wird weiterhin respekt gezollt und jeder Wahlkreis ist weiterhin vertreten.

    • @Machiavelli:

      Dann wäre die Wahl ja komplett ad absurdum geführt, weil dann ja überhaupt nicht mehr der Wahl entsprochen werden würde, außer eben dem 2.Stimmenergebnis.

      Dann wäre dem Wählerwille vor Ort ja gar nicht Rechnung getragen.

      • @Walterismus:

        Es ist so oder so absurd. Die CDU kann freie Kandidaten aufstellen, die sind CDU Mitglied, die CDU macht für die wahlkampf die dürfen dann alle zu 100% rein. Macht die CDU das mit offiziellen Kandidaten kommen die nur nach Anteil der Zweitstimmen rein.

        Jegliche Lösung außer der derzeitigen ist schlecht.

        Daher ist die beste Lösung immer noch das derzeitige System zu behalten und die Anzahl der Wahlkreise zu halbieren. Bundestag auf 299 schrumpfen und gut ist.

  • Ich versteh die ganze Aufregung nicht.



    Das Gesetz wird nur bis zur nächsten Regierung halten.



    Was gibt es da zu feiern?



    Nichts.



    Alles wird wieder zurückgedreht werden.



    Leider.

    • @So,so:

      "Das Gesetz wird nur bis zur nächsten Regierung halten."



      Ich weiß nicht, wie die nächste Regierung aussehen wird, aber sicher nicht schwarzgelb. Auch Herr Merz wird irgendeine Art von Juniorpartner links des Grabens brauchen.

  • Alle Parlamente, die keine 5 % - Hürde haben, haben eine Regierung, gegen die die Ampel ein Muster an Handlungsfähigkeit ist. Guckt euch doch mal an, was da sonst noch auf dem Wahlzettel steht. Da tummelt sich der durchgeknallte Rand. Nazis, Stalinisten, Impfgegner, Esoteriker und schlecht getarnte Lobbies.

    • @Kurt Kraus:

      Naja, in Spanien z.B. scheint es zu funktionieren. Mit dem Nebeneffekt, dass ehemals separatistische Regionalparteien eingebunden und "entschärft" werden.

      In Deutschland wäre die Tierschutzpartei eine der ersten auf der Liste der bislang Nichtvertretenen. Wenn die jetzt echt eine Chance hätten reinzukommen, dann müssten sie sich plötzlich auch um andere Themen wie Rente und Gesundheitswesen kümmern. Warum sollte sich daraus nicht eine vernünftige Kraft jenseits der Etablierten entwickeln? - Sage ich jetzt mal als Fleischfresser. :-)

  • Erneut ist das Bundesverfassungsgericht tätig geworden mit der begründeten Forderung zur "Nachbesserung".



    In (schlechter?) Erinnerung:



    spiegel.de 2012❗



    "Karlsruhe erklärt Wahlrecht für verfassungswidrig



    Das Bundesverfassungsgericht fordert deutliche Korrekturen am deutschen Wahlrecht. Die bisherige Fassung ist laut Karlsruher Urteil verfassungswidrig, sie erlaubt etwa zu viele Überhangmandate. Nun muss das Parlament noch vor der Bundestagswahl im Herbst 2013 eine Neuregelung finden."



    Immerhin wurde etwas vorgelegt, aber die BundesbürgerInnen sehen im Vergleich mit anderen Vorhaben und fiskalischen Eingriffen schon auch selbst die Unterschiede, speziell bei den persönlich wirksamen Fristen.

  • Rätselhaft bleibt das Verhalten der FDP, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts als großen Erfolg der Koalition feiert, obwohl die vorläufige Beibehaltung der 5%-Hürde sie (derzeit) in größte Lebensgefahr bringt.



    Doch die Gedanken in dieser Partei sind unergründlich. Eigentlich müsste ich mich daran gewöhnt haben.

    • @Nairam:

      Lindner und Wissing haben sich bereits ausreichend für "Rede"-Auftritte, übergut bezahlt, bei Arbeitgeberverbänden und Autoindustrie qualifiziert.



      Ansonsten wie nach dem Westerwelle-Strohfeuer auch jetzt 5 % +/- x, das kümmert nicht mehr.

    • @Nairam:

      Ich versuchs's mal:

      Die FDP hat selbst für diese Reform gestimmt und als Inhaberin des Justizressorts auch maßgeblich daran mitgearbeitet. Also kann sie schlecht nölen, wenn sich jetzt für sie gefährliche Teile davon als verfassungsgemäß herausstellen. Sachpolitisch sind ja auch die wichtigsten Teile der Reform (Wegfall der Überhang- und Ausgleichsmandate unter Abwertung der Direktmandate zu Listensortierungsvorgaben) mit fliegenden Fahnen durch die gerichtliche Prüfung gesegelt.

      Wie ich speziell Lindner kenne, verkauft er lieber das als Sieg und stachelt seine Partei an, dann halt die 5%-Hürde zu nehmen, als sich erkennbar mit dem kleinmütigen Szenario zu befassen, dass ihr das nicht gelingt. Jedenfalls gehört in seinem Buch die FDP über 5%, und da wäre es doppelt inkonsequent, das eigene Gesetz an der Stelle zu kritisieren.

      • @Normalo:

        Für die FDP ändert sich am wenigsten, da keine Direktmandate.



        Die Reform der Ampel hat die Bedeutung der Direktmandate gestärkt, denn ihr Anteil ist höher als nach bisherigem Wahlrecht, wo sie durch zahlreiche Ausgleichsmandate verwässert werden. Evtl. sollte es besonderer Rundungsregeln geben: im Zweifel aufrunden, wenn damit ein Direktmandat gewährt wird, zu Lasten von Listenplätzen derselben Partei in anderen Bundesländern.

      • @Normalo:

        Vermutlich denkt Lindner tatsächlich so, wie Sie es beschreiben. Die FDP anzustacheln, die 5%-Hürde zu nehmen, wird aber nicht ausreichen. Denn dazu braucht er vor allem Wähler.

  • An alle die einen anderen Wert als 5 haben wollen, welcher wäre denn der ihre und wieso?



    An die Weimarer Zeiten wurde schon erinnert.



    Die derzeitige Ampel zeigt doch schon jetzt die Schwierigkeiten auf, die durch eine in Regierungsverantwortung stehende Splitterpartei, die erst mitbestimmt und abstimmt, um dann national wie international in letzter Sekunde öffentlichkeitswirksam doch dagegen zu sein, dass Bild der Politik im Inland und Deutschlands in der Welt prägt.



    Jetzt stelle man sich das Bild mit einer 2%-Partei als viertem Koalitionspartner vor.



    Da schon Lindner, Geiwitz und Wissing nicht gerade die Leuchttürme deutscher Politik darstellen, was derzeit so schwer nicht wäre, stelle ich mir gerade die abgedrehten Wünsche der Vertreter der 2%-Partei vor.



    Mich fröstelt.

    • @2Cents more :

      Dass Weimar an den Splitterparteien gescheitert ist, ist eine oft wiederholte Mär, wird davon aber nicht richtiger. Viele Historiker sehen da andere Umstände (Wirtschaftskrise, Ablehnung der Demokratie in Eliten und Bevölkerung) als gewichtiger an.

      Ich fänd's gut, wenn die Hürde bei 0% läge, also man einen Sitz bekommt, wenn man genug Stimmen für einen Sitz hat (derzeit de facto dann 1/630=0,16%) . So wie im EU-Parlament. Da schließen sich auch Einzelabgeordnete ihnen nahestehenden Fraktionen an und die Arbeitsfähigkeit ist gewährleistet.

      Es ist ja niemand gezwungen, Koalitionen mit unkooperativen Idioten einzugehen, egal ob diese 1, 2 oder 13% haben.



      Ich sehe ein, dass das im Ergebnis am ehesten die Gefahr einer "ewigen" Groko erhöht, aber das wäre es mir wert um eine bessere Repräsentation hinzukriegen und es neuen Parteien einfacher zu machen.

  • Bayerische Stimmen wogen mehr als anderswo abgegebene Stimmen, der Grundsatz der Erfolgswertgleichheit der Stimmen war verletzt und die Abweichung mit sieben Prozent nicht banal. Bei einer Reduzierung der Gesamtgröße des BT gibt es auch weniger Abgeordnete aus Bayern, wenngleich die Absicherung über die Landesliste den bekannten ProtagonistInnen vielleicht ihren Einfluss und ihre Pfründe weiter sichern können wird, falls die regionale Volkspartei nicht die entsprechenden Direktmandate gewinnen kann. Die Großkopferten werden wir mit ihrem "Klatschen-Gequatsche" weiter hören können.



    Aus 2021, n. der letzten BT-Wahl (735 MdB) mit Rekord an Überhang:



    "Sieben Prozent drüber



    Wobei dank der drei ausgleichslosen Überhangmandate, die ja CSU-Mandate sind, die Christsozialen im Bundestag überrepräsentiert sind – laut Behnke mit sieben Prozent gemessen an ihrem Zweitstimmenergebnis. Er glaubt daher, dass das bei der anstehenden Verhandlung des Wahlrechts vor dem Bundesverfassungsgericht eine Rolle spielen wird. „Hier liegt ein deutlicher Verstoß gegen die Erfolgswertgleichheit der Stimmen vor. Das kann zu einem Problem in Karlsruhe werden“, sagt der Wahlrechtsexperte."



    Quelle: tagesspiegel.de

    • @Martin Rees:

      Aus der CSU werden künftig wahrscheinlich nie mehr Abgeordnete über die Landesliste in den Bundestag einziehen, weil alle Sitze der CSU locker über die gewonnenen Wahlkreise gefüllt werden können. Denn dass die CSU außerhalb der Großstädte in einem relevanten Teil Bayerns nicht mehr die stärkste Partei wäre, das wird so schnell nicht passieren, selbst wenn sie vielleicht von >45% auf nur noch 35% absacken sollte (und selbst das wird auf dem Land selten passieren).

      • @o_aus_h:

        Da sind doch auch bei den letzten Wahlen keine Abgeordneten über die Landesliste in den Bundestag eingezogen. Sonst gäbe es keine Überhangmandate.

  • Der "bis dahin faire" Gesetzesentwurf wurde kurz vor Schluss verschärft, weil die Union, obwohl wissend dass sie diesmal nicht auf der Regierungsbank sitzt, jede Kooperation verweigert hat. Kann Union machen, muss aber Konsequenzen haben wenn langfristig die Möglichkeit lagerübergreifender Reformen erhalten bleiben soll.

    • @Eis131415:

      Merkwürdige Einlassung: "Ihr fiesen Fundalmentaloppositionenllen habt mich gezwungen, in letzter Sekunde eine verfassungwidrige Klausel in den Gesetzesentwurf zu knallen (der ohne sie verfassungsrechtlich ok gewesen wäre)!"

      Die einzige Wertung , die ich aus so einer Positionierung ziehen könnte, ist dass ich ihre Quelle jedenfalls schnellstmöglich aus jeglicher Verantwortungsposition entfernt wissen möchte. Soviel zur Schuldverschiebung vorgeschobene Fremdbestimmung ist schlicht gefährlich.

  • Eine hohe Hürde zwingt wiederum Parteien, bereits intern Kompromisse auszuloten und zu schmieden. Die hat somit auch Vorteile und spart später Arbeit. Wenn sich alle Parteien so aufführen wie gerade die Lindner-FDP, dann gnade uns das Spagettimonster!

  • Die Diskussion ums Grundmandat lenkt doch von einem wichtig unerfreulichen Ergebnis der Reform ab: die Nachrangigkeit des Direktmandats gegenüber dem Listenmandat. Ein Sieg bei den Erststimmen im Wahlkreis führt künftig nur noch ins Parlament wenn die Partei, der sich der Kandidat angeschlossen hat mit dem Zweitstimmenergebnis eine genügend große Zahl an Mandaten errungen hat um den Sieger zu platzieren, M.a.W. : 1) parteilose Kandidaten sind künftig komplett ausgeschlossen 2) die Parteien bestimmen über die Listenplatzierungen noch stärker über die personelle Zusammensetzung des Parlaments. Das Verfassungsgericht fand das verfassungskonform mit der Begründung , dass mit der Erststimme gewählte Abgeordnete nicht der Delegierte des Wahlkreises, sondern Abgeordnete des ganzen Volkes sind. "Parteienwirtschaft" ist ein Synonym für Poltikverdrossenheit, "Postengeschacher" die Steigerungsform. Ich möchte einen Menschen wählen, der weiß, dass er sein Mandat mir verdankt und nicht einer Organisation, der gegenüber er sich wohl verhält. Wir haben jetzt 100 Abgeordnete weniger, aber auch ein erhebliches Weniger an Wählerwillen im Parlament.3 Grundmandate sind ein Nebenschauplatz.

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Das Wahlgesetz bestimmt auch und gerade besonders, wer innerhalb einer Partei wie und wo an der Aufstellung der Kandidaten mitwirkt. DAS ist tatsächlich viel wichtiger, vielleicht sogar wichtiger als die Frage, ob die Anteile an Mandaten nach d'Hodt oder nach Hare-Niermeyer ausgerechnet werden.



      Man könnte bei den parteiinternen Vorwahlen ganz große Stellschrauben drehen. Da könnte es sein, dass sich viel mehr Bonzen oder Quoten- Identitätspolitiker oder Lokalpatrioten aufregen. Oder sich viele einfache Parteimitglieder aufregen, weil die Reise zur Landsmitgliederversammlung zu beschwerlich und teuer ist.

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Die Ampel-Wahlreform beseitigt ja gerade die zunehmende Zahl der Listenkandidaten, die durch Ausgleichsmandate in den Bundestag kommen.

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Nun, genau dieser Teil der Reform ist jedenfalls vom BVerfG nicht beanstandet worden. Mit anderen Worten: Kann man durchaus so machen. Außerdem ist Ihre Aussage falsch: Parteilose Abgeordnete, die den Wahlkreis gewinnen, sind auch künftig nicht auf die 5%-Klausel angewiesen. Außerdem – wie Fifaltra schon feststellte: Nur ein einziges Mal –1949 –haben es damals gleich drei parteilose Direktkandidaten ins Parlament geschafft, danach nie wieder.

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Ich möchte gerne einen Menschen wählen, der auch in meinem Wahlkreis lebt. Nicht jemanden, der aus taktischen Gründen von der Partei in einen Wahlkreis "geschoben" wird

    • @Hans - Friedrich Bär:

      Und wer bestimmt wer in welchem Wahlkreis antreten darf? Die Partei! Macht also überhaupt keinen Unterschied.

      Außerdem werden am Ende ja nur Wahlkreis"gewinner" ausgeschlossen, die ihren Wahlkreis mit 25% oder so gewonnen haben. In Frankreich gibt es in solchen Fällen eine Stichwahl, bei uns kam man einfach in den Bundestag.

      Der letzte Parteilose Abgeordnete wurde 1950 ins Parlament gewählt.

  • Die allereinzigst wahre Lösung ist die flexible Prozenthürde zur Vermeidung gesetzesautomatismusbedingter Ignorierung wesentlicher Teile des Wählerwillens (also ein fPhzVgabIwTdWw-Gesetz :-)

    Die 5%-Hürde führt in Zeiten der Popularität vieler kleinerer Gruppierungen zur Ungültigmachung des Wählerwillens von manchmal 12% oder mehr. Würde in Zukunft so ein signifikanter Prozentsatz der abgegebenen gültigen Wählerstimmen wegen 5%-Hürde unter den Tisch fallen, wäre der Bundestag nicht mehr annähernd repräsentativ besetzt, die "repräsentative Demokratie" folglich ad absurdum geführt. Der neue Automatismus muss heißen, dass in solchem Falle die 5% für das aktuelle Wahlergebnis auf eine 4%-Hürde ermäßigt wird! Bleibt dadurch der Anteil nicht berücksichtigter gültiger Stimmen trotzdem noch über 10%, muss automatisch die 5%-Hürde für das vorliegende Wahlergebnis auf 3% ermäßigt werden! So und nicht anders geht's gerecht! Wetten?

  • Nein zur Streichung der 5% Klausel , ich finde man Staaten , wie Israel sehen , wie kleine Parteien zum Zünglein ander Waage werden und überproportionalen Einfluss gewinnen.im übrigen reicht mir jetzt schon die Dreier Koalition , da kann Mann doch nicht von stringenten Regierungshandeln mehr sprechen.ich möchte das sich was in der Gesellschaft bewegt, nicht das jede Kleinstpartei auch noch ihre Partikularinteressen (siehe Tierschutz- oder Graue ) ihr Forum findet.

  • Das Wahlrecht bedarf m.E. ohnehin einer Reform. Man könnte die 5%-Hürde automatisch aussetzen, wenn dadurch bei einer konkreten Wahl im Ergebnis ein bestimmter Prozentsatz an Wählervoten völlig außen vor bleibt.

    Dann könnte z.B. ersatzweise eine 2%-Hürde gelten oder so. Das wäre m.E. eine elegante und unkomplizierte Lösung. Wie ich woanders lese, hat das BVerfG selbst auf die Möglichkeit einer derartigen Lösung verwiesen.

    Die von Karl Theurer angeregte Variante ist auch nicht ganz neu. Sie wäre auszählungstechnisch und von der Gestaltung des Stimmzettels her aber etwas komplizierter.

    • @Kohlrabi:

      Im Gegenteil, hohe Stimmenanteile für Kleinstparteien unterstreichen gerade die Bedeutung der 5%-Grenze.

  • Gute Analyse der Autorin. Auch die Senkung der 5%-Hürde wäre zu begrüßen. Weniger wegen der CSU, die ohnehin nur als eigene Bundespartei auftritt, weil sie dadurch mehr Staatsgeld abgreifen kann. Aber die Hürde für neue Parteien ist bei 5% viel zu hoch.

  • Richtig ist die Forderung, die 5%-Klausel abzusenken, das gebietet eigentlich die Demokratie - bei der letzten Bundestagswahl sind ihretwegen an die 8% der Stimmen unter den Tisch gefallen, bei den hessischen Landtagswahlen sogar über 12% das geht einfach nicht. Wie die Europawahl gezeigt hat, differenziert sich das Wahlverhalten zusehends aus, dem muss das Wahlrecht auch einmal Rechnung tragen.



    Ansonsten ein Erfolg der Ampel, das scheinbar grenzenlose Wachstum des Parlaments endlich mal etwas eingehegt zu haben - die langjährigen Klagen darüber schienen immer etwas wirkungslos, jetzt zeigt sich, dass da auch die Profiteure mal drangehen können.

  • Das Ergebnis ist ein demokratischer Kompromiss, und das ist gut so.

    Bleibt die 5% Hürde bestehen, berichten alle von den Nachteilen, die drinstecken.

    Wird die 5% Hürde abgesenkt, berichten dann alle von den Nachteilen, die drinstecken.

    Finde den Fehler!

  • Um zu vermeiden, dass Stimmen verloren gehen, sollte man eine Ersatzstimme für die Zweit-Stimme einführen. Ich hätte somit die Möglichkeit neben der Erst-Stimme für den Direktkandidaten, der Zweit-Stimme für die von mir favorisierte Partei noch eine Dritt-Stimme für eine weitere Partei zu geben.



    Diese Drittstimme käme zum Zuge, wenn die Partei, der ich meine Zweit-Stimme gegeben habe, nicht über die 5-%-Hürde kommt. Nach den bisherigen Spielregeln würde nämlich meine Zweit-Stimme wertlos und verfallen. Mit der Dritt-Stimme könnte meine Stimme dann doch zählen, auch wenn es für mich nicht mehr meiner Idealvorstellung entspricht.



    Die Prozenthürde würde dann nicht mehr diese Rolle spielen wie bisher und es würden auch nicht mehr so viele Stimmen „ohne Wert“ bleiben.

    • @Karl Theurer:

      Für die Zweitstimme finde ich das nicht notwendig, aber bei der Erststimme wäre ein „Präferenzwahlsystem“ oder „Instant Runoff“ m.E. sinnvoll, da bei den Erststimmen sogar mit mehr als 5% keine proportionale Abbildung möglich ist. Durch die Vergabe einer Reihenfolge statt dem einfachen Kreuz könnte bei dieser Wahl der*die jeweilige Kandidat*in mit absoluter Mehrheit – wenn auch nicht der ersten Wahl –ins Parlament.

    • @Karl Theurer:

      Dann müssten Sie nach bekanntgabe der amtlichen Wahlergebnisse jeden Wahlzettel noch einmal anfassen und prüfen, ob die Drittstimme genutzt werden soll oder nicht.



      Um dann am Ende dieses Tages die wirklichen amtlichen Wahlergebnisse auszugeben.



      Und dann schafft es eine der Parteien doch über die Hürde.



      Dann müssen Sie jeden Wahlzettel nochmal prüfen, um zu prüfen, ob dann nicht andere Drittstimmen wieder zurückgezählt werden müssen. Wodurch vielleicht eine andere Partei doch wieder nicht über der Hürde liegt.



      Das Spiel mag endlich sein und wäre bei digitaler Abstimmung ganz einfach auszuwerten.



      Aber wir haben keine digitale Abstimmung. Da sitzen in jeder Runde Hunderte Freiwillige, die das zählen müssen.

    • @Karl Theurer:

      Und wenn die 3. Stimme auch nicht im Bundestag die 5% Hürde schafft?

      Ne also eine 3. Stimme fände ich nicht gut, da sie so einer Person mehr Einfluss zubilligt.



      Man muss sich schon vorher informieren und dann kann man auch bewusst wählen ob man die Gefahr eingehen will, dass die Wahlstimme verfällt…

      • @Walterismus:

        Die Ersatzstimme kommt ja nur zum Zug, wenn die erste nicht gewertet wird, also hat immer noch jeder nur eine Stimme (statt wie bisher manche 1 und manche 0).

        @HERMA HUHN Die Australier kriegen's ja auch hin. Man kann ja auch manuell auszählen und das Ergebnis in einen Computer eingeben, der einem dann die Runden schön auswertet.

        • @fifaltra:

          Man kann auch die Wahlzettel einscannen und atomatisch auswerten lassen.

        • @fifaltra:

          Sowas wollte ich auch erst schreiben. Aber ist es nicht so, dass die manuelle Auszählung zumindest hierzulande bislang nicht so genau digital abgebildet wird? Nach meinem Verständnis wird nur die Anzahl der Stimmen nach Direktkanditat bzw. Partei je Wahlbezirk erhoben und digital erfasst, nicht wie sich die Erst-und Zweitstimmen auf die einzelnen Stimmzettel verteilen. So eine - manuell VIEL aufwendigere - Einzelerfassung wäre aber nötig, um die elektronische Auswertung von derart bedingt wirkmächtigen "Drittstimmen" zu ermöglichen.

  • Die Linke wird wegen ihrer unsäglichen Unterstützung des putinschen Angriffskrieges sowieso rausfliegen.



    - Schade, dass die CSU jetzt nicht auch rausfliegt !

    • @Gerald Stolten:

      Und das BSW wird wegen der massiven Unterstützung Putins gewählt.

    • @Gerald Stolten:

      Wenn die Linke rausfliegt, so wird es unter anderem an ihrer nebelhaften Unklarheit in der Frage von Krieg und Frieden liegen. Die Linke hat ihre vormals klare Position aus konfusen opportunistischen Erwägungen aufgegeben.

      Wenn dafür das BSW anstelle der Linken reinkommt, dann liegt es auch an dessen entschiedener Klarheit in dieser Frage.

      Dabei unterstützen weder die Linke noch das BSW die russische Kriegspartei. Sie unterstützen aber auch nicht die eigene Kriegspartei.

    • @Gerald Stolten:

      Können Sie diese "Unterstützung" anhand von Quellen belegen? Oder ist das so eine gefühlte Wahrheit?

      • @Kartöfellchen:

        Wer konstant dafür plädiert, die benötigte Hilfe für die Überfallenen einzustellen, um sie zu Friedensverhandlungen zu bewegen, der unterstützt indirekt, aber ganz real die Bemühungen des Angreifers, seine Eroberung zu vollenden bzw. einen Diktatfrieden zu erzwingen.

        Freilich fällt diese Unterstützung für Putin durch die Rest-Linkspartei jetzt deutlich zaghafter aus als noch zu Beginn, oder bei den Wagenknechten und den Rechtsalternativen. Das sollte man nicht verschweigen, aber das Lavieren ist auch nicht gerade ein Pluspunkt.

      • @Kartöfellchen:

        Die Ukraine ist ohne westliche Militärhilfe nicht in der Lage, sich gegen Russland, das seine Wirtschaft voll auf Kriegwirtschaft umgestellt hat, zu verteidigen.



        Wer diese Militärhilfe unterminiert, unterstützt damit unmittelbar Putins Eroberungskrieg und die Erreichung seiner Kriegsziele.



        Das ständige unkonkrete Geschwafel von Verhandlungen ändert daran auch nichts.

        Ist das so schwer zu verstehen ??

      • @Kartöfellchen:

        Erklären Sie doch bitte, wie man die Forderung nach Ende der Waffenlieferungen an die Ukraine anders verstehen kann. Es würde mich jedenfalls ziemlich überraschen, wenn Russland die eigene Waffenproduktion senkt, weil die Ukrainer weniger oder keine Waffen mehr haben. Im Effekt ist das schlicht eine Übergabe der Ukraine an Russland. Inklusive den in Butscha und anderswo zu besichtigenden Seiteneffekten. Man kann das wollen, aber man sollte das dann auch offen sagen.

  • Na immerhin endlich weg mit der CSU!

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Im Gegenteil Die CSU sitzt fester im Sattel als je zuvor: Davon abgesehen, dass sie bis auf Weiteres genug Direktmandate gewinnen wird, hat sie in dem Urteil sogar einen kompletten 5%-Hürden-Dispens bekommen, solange sie mit der CDU verlässliche eine Fraktionsgemeinschaft eingeht, beide zusammen 5% erreichen und weiter nicht direkt gegeneinander antreten.

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Das Urteil nicht verstanden?

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Nee, gerade nicht.



      Die Grundmandatsklausel bleibt doch aktiv.

    • @Herbert Eisenbeiß:

      Urteil nicht verstanden? Das wird wohl nicht passieren.

    • @Herbert Eisenbeiß:

      ???

      Die CSU schafft doch mit Leichtigkeit die Grundmandatsklausel von 3 Mandaten. Letzte Wahl waren es 45 Wahlkreise die sie geholt haben.

      Die CSU wird immer im Bundestag bleiben und das ist gut so, sie ist eine Regionale Größe und repräsentiert mehr Menschen als manche Partei die in ganz Deutschland antritt.

      • @Walterismus:

        Für regionale Größen gibt es die Länderregierungen. Und die CSU repräsentiert ganz knapp 5 % der Wähler. Tendenz fallend.



        Soll das bei einer Regionalpartei mehr Wert sein als bei einer FDP?

        • @Herma Huhn:

          Doch, die CSU verliert endlich ihrer Überhangs- und Ausgleichmandate. Damit hat sie dann endlich viel weniger zu sagen!

        • @Herma Huhn:

          Sollen die 5% der CSU also etwa weniger Wert sein als die 5% der FDP oder die 4,9% der Linken?

          Was spielt es für eine Rolle wo man die 5% Wähler herbekommt? Das würde implizieren, dass ein Bayer weniger Wert wäre als andere Wähler.

          In Bayern lebt 1/6 der Bevölkerung (13 Mio), dementsprechend haben sie auch zurecht einen solch großen Einfluss auf den Bundestag.

  • Zersplittertes Parlament a la Weimarer Republik braucht niemand. Dann lieber die Grundmandatsklausel behalten.