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Wahl neuer Ver­fas­sungs­rich­te­r:innenBrosius-Gersdorf: Bin nicht „ultralinks“

Nachdem die Wahl dreier RichterInnen gescheitert war, stellt die von der SPD nominierte Juristin nun einiges klar. Grüne wollen Wahl noch diese Woche.

Die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf Foto: dpa

Berlin dpa | Nach der gescheiterten Wahl von drei Verfassungsrichtern im Bundestag hat die von der SPD vorgeschlagene Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf Darstellungen zurückgewiesen, sie sei „ultralinks“ oder „linksradikal“. Solche Einstufungen seien diffamierend und realitätsfern, heißt es laut ZDF und Deutschlandfunk in einer Erklärung der Professorin. Die Berichterstattung über sie und ihre Standpunkte sei in Teilen der Medien unzutreffend, unvollständig sowie unsachlich und intransparent gewesen.

So sei etwa die Behauptung verunglimpfend, sie habe sich für eine Legalisierung und eine Straffreiheit des Schwangerschaftsabbruchs bis zur Geburt ausgesprochen. Auch ihre Positionen zu einem Kopftuchverbot und zu Paritätsmodellen für die Wahl des Bundestags seien häufig falsch dargestellt worden, betont Brosius-Gersdorf laut Deutschlandfunk in dem Schreiben. Eine eingehende Befassung mit ihrer wissenschaftlichen Arbeit zeige vielmehr, dass ihre Positionen im Ganzen betrachtet der demokratischen Mitte zuzuordnen seien.

Grüne drängen auf diese Woche

Die Grünen im Bundestag drängen unterdessen die Koalition, eine Sondersitzung zur Wahl von drei Verfassungsrichtern noch in dieser Woche zu ermöglichen. Die Fraktionschefinnen Katharina Dröge und Britta Haßelmann forderten ihre Amtskollegen Jens Spahn von der Union und Matthias Miersch von der SPD in einem Brief auf, „die Durchführung einer Sondersitzung des Deutschen Bundestags für diese Woche zu beantragen mit dem Ziel, die Wahl der drei vom Richterwahlausschuss nominierten Richterinnen und Richter für das Bundesverfassungsgericht vorzunehmen“. Das Schreiben liegt der dpa vor.

„Wir halten es für unverantwortlich, diese wichtige Entscheidung des Bundestags über Wochen offenzulassen“, mahnen die Grünen-Fraktionschefinnen. Es sei auch eine Frage des Respekts den Kandidierenden gegenüber. Diese hätten sich seit Wochen auf die Wahl vorbereitet. Ihnen gegenüber bestehe eine Verantwortung nach gemachten Zusagen und dem klaren Votum des Richterwahlausschusses.

Am Freitag waren die Wahlen zweier neuer Richterinnen und eines Richters für Karlsruhe kurzfristig von der Tagesordnung des Bundestags abgesetzt worden. Der Druck gegen die von der SPD vorgeschlagenen Potsdamer Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf war in der Union zu groß geworden. Die Fraktionsführung konnte die mit dem Koalitionspartner verabredete Unterstützung nicht mehr garantieren. Die Grünen forderten schon an diesem Tag einen Neuanlauf bei einer Sondersitzung in der nun laufenden Woche und untermauerten dies nun mit dem Brief. Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte allerdings am Sonntag im ARD-„Sommerinterview“ erklärt, bei der Wahl gebe es keine Eile.

Keine Lösung in Sicht

Inhaltlich ist keine Lösung des Streits in Sicht. Die SPD-Fraktion hält an Brosius-Gersdorf fest. Dröge und Haßelmann zeigten sich besorgt über die anhaltende Debatte. „Insbesondere rechtspopulistische Plattformen arbeiten hier mit der Verbreitung von Unwahrheiten, Überspitzungen und verzerrten Aussagen. Dieser Zustand ist inakzeptabel und kann nicht über weitere zwei Monate fortgesetzt werden“, schreiben sie an Spahn und Miersch. Die Grünen seien bereit, allen drei Kandidaten die „volle Unterstützung auszusprechen“.

Die Eilbedürftigkeit einer Sondersitzung des Parlaments begründen die Grünen auch damit, Schaden vom Bundesverfassungsgericht abzuwenden. Zudem dürfe das Land nicht über Monate im Unklaren gelassen werden, ob Deutschland noch eine handlungsfähige Regierung habe.

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11 Kommentare

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  • Ich haette Frau Brosius-Gersdorf auch nicht gewaehlt.



    Sie hat ziemlich klar formuliert, dass sie die Entscheidung des Verfassungsgerichts pro Kopftuchverbot fuer Staatsbedienstete als verfassungswidrig sieht, da die Religionsfreiheit jener unterlaufen wird.



    Das ist allein schon deshalb problematisch, weil sie damit das Kopftuch umdeutet. Die höchste islamischen Autoritäten der Al-Azhar-Universität in Kairo haben schon vor Jahren verlauten lassen, dass das Kopftuch kein religioeses Symbol ist. Es ist vielmehr ein Symbol von radikal-patriarchalen Traditionalisten und des politischen Islams.

    Was die Abtreibung betifft bin ich stark dafuer, dass die Abtreibung bis zu dem Zeitpunkt legalisiert wird, an dem das Kind auch ausserhalb des Mutterbauchs lebensfaehig ist. Nur sehe ich es nicht als Aufgabe der Krankenversicherung an, eine Abtreibung zu bezahlen, denn eine ungewollte Schwangerschaft als Krankheit zu definieren geht mir zu weit.



    Davon abgesehen kann man aber nicht auf der einen Seite zu Recht auf "my body my choice" pochen und auf der anderen Seite eine Impflicht befuehrworten. Entweder man hat das Recht am eigenen Koerper oder nicht.

  • Frauke Brosius-Gersdorf ist weder "ultralinks", noch ist sie überhaupt links. Sie befürwortet z. B. unter dem aus der Schröder-Regierungszeit bekannten neoliberalen Propagandabegriff der "Generationengerechtigkeit" eine Anhebung der Rentenaltersgrenze, die jetzt schon bei 67 liegt. Quelle: www.uni-potsdam.de...t_im_Lebensweg.pdf



    Weitere Thesen von Frau Brosius-Gersdorf zur sozialen Gerechtigkeit aus dem verlinkten Papier:



    "Bemessung des Arbeitgeberanteils am Sozialversicherungsbeitrag an der Höhe des Gewinns der Unternehmen", was bedeutet, dass im Krisenfall zusätzliche Beitragslasten auf die Beschäftigten verlagert werden.



    "Bürgergeld: Strengere Prüfung der Arbeitsfähigkeit und empfindlichere Sanktionen beim Missbrauch von Sozialleistungen"



    "Erlaubnis von Eizellspende und Leihmutterschaft in Deutschland mit Spenderegister und Auskunftsanspruch des Kindes (Samenspenden sind seit langem erlaubt!)" Damit können auch im Inland Frauen in prekärer Lage ausgebeutet werden, um für Gutsituierte Schwangerschaften auszutragen. Und: Samenspende und Eizellspende sind nicht gleichzusetzen.

  • Unwürdig, dass sich die Kanditatin derart selber rechtfertigt / sich rechtfertigen muss.



    Entweder ist das eine geeignete Kandidatin. Dann sollte die SPD sie verteidigen. Oder sie ist nicht geeignet dann nicht aufstellen.

  • Ich teile die Ansicht der Grünen,



    dass eine Hängepartie die Rechtsextremen stärken würde.



    Ebenfalls würde die Regierungskoalition und das Bundesverwaltungsgericht weiterhin beschädigt.



    Der Ball liegt allerdings bei Merz.



    Mit seiner verhaltenen Position zeigt er, wieder einmal, dass er dem Amt nicht gewachsen ist.



    Es gibt Zeiten der Kommunikation und Zeiten in denen man Führungsstärke zeigen muss.



    Das hieße Spahn entlassen und die Abstimmung durchführen.



    Merz würde hier auch innerparteilich Stärke beweisen.



    Es kann allerdings sein, dass er befürchtet, die nicht zu haben.

  • Hysterie und Diffamierung als Methode. Ist nun auch nicht so neu.

  • Was bringt die Ansetzung der Wahl, wenn nicht ale Kandidaten gewählt werden.

    Ein richtiger Zwischenschritt wäre, zunächst die unkritischen Personen zu wählen und eine Kandidatur in Ruhe zu verhandeln und zwar genau mit den Argumenten, die die Grünen hier bringen.

  • >dass ihre Positionen im Ganzen betrachtet der demokratischen Mitte zuzuordnen seien<

    andere Positionen sind dann wohl nicht die "demokratische Mitte".

  • Die Aufmerksamkeitsökonomie funktioniert, selbst den offensichtlich falschen Makel wird man schwer los.

  • Die schnelle Einberufung einer BT-Sitzung lässt der CSDU keine Möglichkeit eine zermürbende Strategie zu verfolgen, die aber über mehrere Wochen hinweg durchaus Wirkung zeigen würde. Die einschlägigen Medien können dann ihre verlogenen Kampagnen weiterführen, die vielleicht so auch die SPD "abkochen" doch die Kandidatin auszuwechseln. Macht die SPD das, dann nimmt sie der CSDU einen Felsbrocken vom Herzen und - liefert sich denen vollends aus und leitet ihren eigenen Untergang gleich mit ein.



    Bei einer schnellen Entscheidung wird diese Strategie der Union nicht aufgehen, würde jedoch sehr deutlich die Unfähigkeit der Rechten aufzeigen, ihr Problem fair und demokratisch zu lösen.

  • Der Schaden ist längst da, die nächsten Gemeinsamkeiten von rechts und rechtsaussen wurden gefunden.

  • Die Grünen drücken natürlich gerade auch, um die Regierung vorzuführen.



    Bei der miesen Aufführung Spahns freilich auch verständlich. Merz sollte den Plan B aufsetzen.