Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Die Schuldenbremse muss weg
Der Plan der Ampel, Restgeld aus dem Coronatopf in die Klimapolitik umzuleiten, funktioniert nicht. Mittel für die Transformation müssen trotzdem her.
F utsch sind sie, die 60 Milliarden Euro. Das tut weh. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass der Bund zur Bekämpfung der Coronakrise gedachte Gelder nicht für den Klimaschutz nutzen darf, beschert der Ampel ein riesiges Geldproblem. Aber auch die Chance, es besser zu machen. SPD, Grüne und FDP hatten sich 2021, noch während der Regierungsbildung, auf einen Trick verständigt, mit dem man zwei Wahlversprechen gleichzeitig einlösen wollte.
Die Schuldenbremse sollte, dem Herzenswunsch des künftigen Finanzministers gemäß, ab 2023 wieder gelten, also die im Grundgesetz verankerte Vorgabe, dass der Staat nicht mehr Geld ausgibt, als er einnimmt. Damit der grüne Wirtschaftsminister in spe aber trotzdem aus dem Vollen schöpfen und in Klimaschutz investieren könne, sollten nicht genutzte, aber bereits genehmigte Kredite aus der Zeit der akuten Coronakrise in einem seit 2011 bestehenden Sonderfonds geparkt werden.
Der Wundertopf, bekannt unter dem Kürzel Ka-Te-Eff (Klima- und Transformationsfonds) würde künftig für alles herhalten, was notwendig, aber zu teuer für den regulären Haushalt schien – vom Klimageld bis zu Subventionen für Chiphersteller. Eigentlich eine geniale Idee: Schulden machen, ohne Schulden zu machen – ersonnen vom Urheber genialer Ideen, einem gewissen Olaf Scholz.
Dumm nur, dass das Bundesverfassungsgericht die Idee für verfassungswidrig befand, was für den Juristen und Ex-Finanzminister Scholz auch ein bisschen peinlich ist. Die Verfassungsrichter urteilten, die Schuldenbremse sei grundsätzlich einzuhalten und könne nicht durch Sondervermögen umgangen werden. Und sie verweisen darauf, dass die Bremse nur im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen, aufgehoben werden darf.
Jetzt braucht es Investitionen
Damit machen die Richter auf das eigentliche Problem aufmerksam: die Schuldenbremse. Die hatte 2009 eine Große Koalition von Union und SPD im Grundgesetz verankert. Der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck erklärte, es sei absurd anzunehmen, die Schuldenbremse würde den Staat knebeln. Er irrte. Denn der Staat müsste heute dringend Hunderte von Milliarden investieren – in den klimaneutralen Umbau der Wirtschaft, in die marode Infrastruktur, in die Bildung.
Dank Schuldenbremse fehlt das Geld dazu. Der Klimawandel ist nun mal keine Naturkatastrophe, die eine Ausnahme im Sinne des Grundgesetzes erlaubt. Bekämpft werden muss er dennoch, und zwar über Jahrzehnte hinweg. Die Schuldenbremse muss reformiert werden oder weg. Bremse gerettet, Erde tot ist keine Option.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Geschasste UN-Sonderberaterin
Sie weigerte sich, Israel „Genozid“ vorzuwerfen
Prognose zu Zielen für Verkehrswende
2030 werden vier Millionen E-Autos fehlen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Mord an UnitedHealthcare-CEO in New York
Mörder-Model Mangione
Partei stellt Wahlprogramm vor
Linke will Lebenshaltungskosten für viele senken
Vertrauensfrage von Scholz
Der AfD ist nicht zu trauen