Ungarn sagt Treffen mit Baerbock ab: Orbán zündet Störfeuer
Die Reise von Viktor Orbán nach Moskau war eine Provokation für EU– und Nato-Partner. Nun lädt Ungarn die deutsche Außenministerin aus.
Die ungarische EU-Ratspräsidentschaft läuft seit nur sechs Tagen und schon hat der ungarische Regierungschef Viktor Orbán einen handfesten Eklat produziert. Denn eigentlich wollte die deutsche Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Montag ihren ungarischen Außenamtskollegen Péter Szijjártó in Budapest treffen. Heikles Thema der Gespräche: Orbáns irritierende Vermittlungsversuche für eine Friedensinitiative zwischen der Ukraine und Russland. Doch die ungarische Seite sagte die Reise nun ab.
Bereits an Tag eins der turnusgemäßen Übernahme des Postens reiste Orbán nach Kyjiw, um dort mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu verhandeln. Am Freitag folgte dann ein Treffen mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Moskau.
Es hätte also viel zu besprechen gegeben zwischen Baerbock und Szijjártó. Aber: „Die ungarische Seite hat zu unserer Verwunderung am Freitagabend den eigentlich für Montag in Budapest vereinbarten Termin von Außenminister Szijjártó mit Außenministerin Baerbock kurzfristig abgesagt“, hieß es aus dem Auswärtigen Amt. „Ein ernstes und ehrliches persönliches Gespräch zwischen beiden Außenministern wäre in Anbetracht der überraschenden und nicht abgestimmten Moskau-Reise von Ministerpräsident Orbán durchaus wichtig gewesen“. Dann folgt Bedauern über die Absage. Die Reise soll zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden.
Als reine Provokation wurde der Besuch Orbáns in Moskau bei Putin gewertet. Vor allem innerhalb der EU-Gremien und der Nato. Orbán hatte weder ein Mandat noch war die Reise mit den internationalen Partnern abgesprochen. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, schrieb auf X (ehemals Twitter), dass Beschwichtigungspolitik Putin nicht aufhalten würde. „Nur Einigkeit und Entschlossenheit werden den Weg zu einem umfassenden, gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine ebnen.“
Nicht nur Kritik an Orbán
Noch-Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg machte unmissverständlich klar, dass Orbán bei seinem Alleingang nicht das Militärbündnis vertrete. Ähnlich missliche Töne kamen auch aus den USA. Washington sprach von einer „kontraproduktiven Reise“, die nicht förderlich für den Frieden, für die territoriale Integrität und die Unabhängigkeit der Ukraine sei.
Wenig überraschend wertete Putin die Gespräche mit Orbán als Versuch der EU, den Dialog mit Russland wieder aufleben zu lassen. Das diplomatische Chaos ist also geglückt.
Allerdings hagelte es nicht nur Kritik an der überraschenden Paralleldiplomatie Orbáns. Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico lobte den ungarischen Regierungschef für seine Initiative und sprach ihm seine „Bewunderung“ aus. Und er hätte ihn gerne selbst begleitet zu dieser umstrittenen Reise nach Moskau, wenn es sein Gesundheitszustand erlauben würde. Fico war im Mai niedergeschossen und lebensgefährlich verletzt worden.
Orbán verursachte die diplomatischen Turbulenzen wenige Tage vor dem Jubiläumsgipfel der Nato in Washington. In der kommenden Woche wollen die Mitglieder des Militärbündnisses ihre Unterstützung für die Ukraine stärken und – wie es Nato-Chef Stoltenberg nannte – der Ukraine „eine Brücke in die Nato“ bauen. Eine gemeinsame Zusage für eine dauerhafte Unterstützung kam ihm Vorfeld des Gipfels nicht zustande, unter anderem durch die Ablehnung Orbáns. Ungarn hatte auf EU-Ebene Sanktionen gegen Russland sowie weitere Finanzhilfen für Kyjiw mehrfach verzögert. Kritik übte Orbán zudem an den im Juni begonnenen Beitrittsverhandlungen der EU mit der Ukraine.
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