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US-Angriff auf iranische AtomanlagenPro und Kontra zu Trumps Entscheidung für einen Angriff

Daniel Bax
Nicholas Potter
Kommentar von Daniel Bax und Nicholas Potter

Donald Trump verkündet die komplette Zerstörung des iranischen Atomforschungsprogramms. Die Gefahr weiterer Eskalation ist noch nicht gebannt.

Immer auf einer Linie: Israels Regierungschef Netanjahu zu Besuch bei US-Präsident Trump Foto: -/POOL/AP/dpa

Richtig aber riskant

D onald Trumps Entscheidung, Fordo und zwei weitere iranische Atomanlagen zu bombardieren, birgt viele Risiken, ist aber dennoch die richtige. Nur die USA besitzen die 13.000 Kilo schweren ­bunker ­buster, die tief in den Berg hineindringen können, in dem die Islamische Republik eine militärische Urananreicherungsanlage versteckt hält. Teherans Atomprogramm sei nun „vollständig und gänzlich ausgelöscht“ worden, behauptet der US-Präsident.

Sollte sich das bewahrheiten, kann man nur begrüßen, dass Irans atomare Ambitionen vorerst in Rauch und Flammen aufgegangen sind. Israel hat seit dem 7. Oktober die von Iran geführte „Achse des Widerstands“ aus Hisbollah, Hamas und Co massiv geschwächt. Nun steht Iran mit dem Rücken zur Wand. Die Bombe ist dem Regime wichtiger denn je – und seine letzte Chance, eine Abschreckung wiederherzustellen.

An Irans Motivation dürfte es wenig Zweifel geben: Im Herzen Teherans tickt seit 2015 eine Uhr, die die Tage zählt bis 2040. Dann spätestens soll der jüdische Staat ausgelöscht worden sein. Auf riesigen Plakattafeln wird Israel mit Vernichtung gedroht. Mit einer Atombombe besäße Iran endlich die Mittel dazu. Die Islamische Republik wünscht auch den USA, dem „großen Satan“, unverhohlen den Tod.

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Die USA tun mit dem Angriff auf die iranischen Atomanlagen nicht nur Israel einen großen Gefallen, sondern der gesamten westlichen Welt. Niemand hier kann ernsthaft wollen, dass ein islamistischer Terrorstaat nuklear bewaffnet ist. Israel und die USA haben militärisch geschafft, was Iran diplomatisch verweigerte.

Jetzt ist die Zeit für eine Exitstrategie. Trumps Angriff muss als Startrampe dienen, um einen größeren Krieg zu vermeiden. Iran hat nun zwei Optionen: mit seinen noch verfügbaren militärischen Mitteln US-Stützpunkte anzugreifen und die Zukunft des Regimes aufs Spiel zu setzen; oder sein Atomprogramm völlig aufgeben. Man kann nur hoffen, dass Ayatollah Chamenei nicht so unbedacht ist, wie es seine Rhetorik befürchten lässt. Nicholas Potter

Unnötig und kontraproduktiv

Kaum jemand will, dass der Iran Atomwaffen besitzt. Deswegen war es richtig, dass der Westen so lange mit dem Iran verhandelt hat, um ihn davon abzubringen, sie zu entwickeln. Doch Israel hat eine diplomatische Einigung stets unterlaufen: mal durch Cyberangriffe, mal durch Anschläge auf Atomwissenschaftler, nun durch einen Großangriff. Das macht die Welt nicht sicherer, im Gegenteil. Der Iran hat jetzt noch mehr Grund, nach Atomwaffen zu streben, um sich in Zukunft vor solchen ruchlosen Überfällen zu schützen. Und die USA treten in einen Krieg ein, dessen Folgen unabsehbar sind.

Einst warf Donald Trump dem damaligen US-Präsidenten Obama vor, sein Land in einen dritten Weltkrieg zu führen, weil der angeblich nicht in der Lage sei, mit dem Iran zu verhandeln. Dass Trump sich nun von Netanjahu in dieses Abenteuer hineinziehen lässt, ist ein Zeichen seiner Schwäche. Er verrät damit das isolationistische Versprechen, die USA aus Kriegen herauszuhalten, das er seinen Anhängern mal gegeben hat.

Israel ist die einzige Atommacht im Nahen Osten und besitzt eine der stärksten Armeen der Welt. Vom iranischen Atomprogramm war es nie existenziell bedroht, schon gar nicht akut. Die ritualisierte Dämonisierung Israels gehört zwar von Anbeginn zur Propaganda des iranischen Regimes. Doch das alleine ist kein Angriffsgrund. Deshalb bauscht Netanjahu seit 30 Jahren die Gefahr massiv auf und vergleicht den Iran geschichtsklitternd mit Nazideutschland.

Als wäre das Regime nicht schlimm genug, wurde es zum „puren Bösen“ oder gar zum zentralen Glied einer ganzen „Achse des Bösen“ hochgejazzt. Der echte Grund, warum Israel den Iran jetzt angegriffen hat, ist profaner: Netanjahu sieht einen günstigen Moment, die Landkarte des Nahen Ostens neu zu ordnen, jetzt, wo Hamas und Hisbollah geschwächt sind. Die ethnische Säuberung des Gazastreifens ist nur ein Teil seines Plans. Die Folgen sind ihm egal – und Trump offenbar auch. Aber ihre Politik der Stärke beruht darauf, dass man der Stärkere bleibt. Das ist nicht für alle Ewigkeit in Stein gemeißelt. Daniel Bax

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax arbeitet als Themenchef im Regieressort der taz. Er ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus.
Nicholas Potter
Redakteur
Nicholas Potter ist Redakteur bei taz zwei (Gesellschaft/Medien). 2024 war er Fellow des Internationalen Journalistenprogramms bei der Jerusalem Post. Im selben Jahr wurde er für den Theodor-Wolff-Preis nominiert. Seine Texte sind auch im Guardian, Tagesspiegel, der Jüdischen Allgemeinen und der Haaretz erschienen. Er ist Mitherausgeber des Buches "Judenhass Underground" (2023).
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1 Kommentar

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  • Chapeau, beide Argumentationen sind in sich auf den ersten Blick äußerst schlüssig.

    Aus meiner Sicht spricht jedoch gegen Nicholas Potters Beitrag, dass der Iran laut IAEA erst nach Aufkündigung des Atomabkommens durch Trump im Jahre 2018 angefangen hat Uran höher anzureichern, als es für die Energiegewinnung notwendig wäre.

    Der zweite Punkt sind die fehlenden Beweise, dass der Iran vor dem "Point of no return" steht. Israel hat ausser Behauptungen, wie schon so häufig, keine Beweise erbracht und US Geheimdienste haben auch keine Ansätze gefunden, dass der Iran kurz vor dem Besitz der Bombe sei.

    Berücksichtigt man dazu die Aussagen von Nuklearphysikern über die technischen Schritte die erforderlich sind und den zeitlichen Aufwand den es erfordert um eine Implosionsbombe mit einem Trägersystem zu verbinden, dann dürften doch erhebliche Zweifel daran bestehen, dass der Iran in den nächsten Jahren über einsatzfähige Atombomben verfügen würde.

    Unterm Strich schließe ich mich daher der Aussage von Herrn Bax an, dass es Netanjahu einzig darum geht die Landkarte des Nahen Osten neu zu ordnen und Israel als Hegemonialmacht in der Region fest zu etablieren.