piwik no script img

Tür­k*in­nen in DeutschlandWarum Erdoğan so beliebt ist

Viele Tür­k*in­nen in Deutschland wählen konservativ. Das hat nicht nur demografische Gründe, sondern hat auch mit Ausgeschlossensein zu tun.

Erdoğans Fans feiern in Duisburg-Marxloh am 14. Mai Foto: Christoph Reichwein/dpa

Im Ringen um die türkische Präsidentschaft läuft Amtsinhaber Recep Tayyip Erdoğan in Deutschland außer Konkurrenz. Zwar ging in der ersten Wahlrunde nur knapp die Hälfte der 1,5 Millionen Tür­k*in­nen in Deutschland überhaupt zur Wahl, doch die stimmten ganz überwiegend für den Amtsinhaber. Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu bekam nur ein knappes Drittel der Stimmen.

Warum halten die türkischen Wäh­le­r*in­nen in Deutschland so deutlich zu einem Autokraten, der die Demokratie in ihrem Herkunftsland systematisch demontiert und die dortige Wirtschaft ruiniert hat?

Ex­per­t*in­nen verweisen als Erklärung insbesondere auf die geografische und soziale Herkunft der türkischen Gastarbeiter, die in den 60er Jahren nach Deutschland geworben wurden. „Es sind vor allem Menschen aus dem konservativ-religiösen Unterschichtsmilieu vom Land gekommen“, sagt Yunus Ulusoy, Programmleiter bei der Stiftung Zentrum für Türkeistudien und Integrationsforschung.

Er spricht von „mitgebrachten politischen und weltanschaulichen Überzeugungen“. Die habe die Gastarbeitergeneration auch an ihre Kinder und deren Kinder weitergegeben. Und wer konservativ ist, stimmt eben für Erdoğan.

Nirgendwo so beliebt wie im Ruhrgebiet

Das Gleiche zeigt sich in anderen Staaten, die einst Gast­ar­bei­te­r*in­nen aus den ländlichen Regionen der Türkei anwarben. In Österreich und Belgien erhielt Erdoğan unter den Tür­k*in­nen sogar noch größere Stimmanteile als in Deutschland.

Hacı-Halil Uslucan, Professor für Integrationsforschung an der Uni Duisburg-Essen, sagt: „In Großbritannien und den USA ist es genau andersherum. Nach dort gingen die westlich orientierten und akademisch gebildeten Schichten aus den Städten.“ Das zeigt sich an den Wahlergebnissen: 18 Prozent der Tür­k*in­nen in Großbritannien wählten Erdoğan, in den USA waren es sogar nur 16 Prozent.

Ähnliches lässt sich teils auch innerhalb Deutschlands beobachten. Nirgendwo im Bundesgebiet erhielt Erdoğan im ersten Wahlgang so hohe Stimmenanteile wie unter den rund 500.000 türkischen Staats­bür­ge­r*in­nen im Ruhrgebiet, in Essen wählten ihn fast 80 Prozent. Die dortige Schwerindustrie hatte in den 60er Jahren besonders viele Berg­ar­bei­te­r*in­nen aus den Schwarzmeer-Regionen der Türkei geworben. Dort erhält Erdoğan heute ähnlich hohe Stimmanteile wie im Ruhrgebiet.

Ganz anders Berlin, wo rund 90.000 Menschen mit türkischem Pass leben. Viel Schwerindustrie gab es hier nie, die lange geteilte Großstadt zog andere Menschen an. Uslucan sagt: „Das türkische Milieu in Berlin ist kritischer, viele kamen auch 2016 nach dem gescheiterten Putschversuch.“ Im ersten Wahlgang erhielt Erdoğan hier deutlich weniger Stimmen als im Rest Deutschlands. Für ihn und Kılıçdaroğlu stimmten jeweils rund 49 Prozent der Wahlberechtigten.

Von der deutschen Mehrheitsgesellschaft entfremdet

Zum sozialen, geografischen und demografischen Hintergrund der Tür­k*in­nen in Deutschland kommen noch weitere Faktoren, die die Zustimmung zu Erdoğan in die Höhe treiben. Etwa, dass die Wäh­le­r*in­nen in Deutschland vor vielen negativen Folgen von Erdoğans Politik abgeschirmt sind. „Repression, Wirtschaftskrise und Inflation in der Türkei treffen diese Leute einfach nicht“, sagt Uslucan. Auch das Erdbeben im April und die katastrophalen Folgen betreffen höchstens Verwandte.

„Stattdessen sehen die Leute positive Veränderungen, etwa in den Konsulaten“, sagt Uslucan. „Dort wurden sie lange von der Elite von oben herab behandelt, geradezu erniedrigt.“ Das habe sich unter Erdoğan deutlich geändert, auch das Wählen selbst sei einfacher geworden.

Erdoğans konservative Motive von Nationalstolz und Religion verfangen aber auch, weil viele Tür­k*in­nen sich von der deutschen Mehrheitsgesellschaft entfremdet fühlen. Das geht insbesondere auf die unseligen deutschen „Integrationsdebatten“ zurück, die, befeuert von konservativen deutschen Po­li­ti­ke­r*in­nen, seit Jahrzehnten Menschen aus muslimischen Ländern herabsetzten. „Auch der dritten Generation der Türken in Deutschland wird streitig gemacht, wirklich dazuzugehören“, fasst Ulusoy zusammen.

Und Uslucan sagt: „In den Integrationsdebatten geht es fast immer in negativer Weise um Türken und Muslime. Und dann kommt ein Präsident, der sagt: Ihr gehört zu uns.“ Die Botschaft: Das Land, in dem ihr lebt, kümmert sich nicht um euch, aber wir schon. „Diese Umarmung wirkt.“

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

33 Kommentare

 / 
  • Käptn Blaubär , Moderator*in

    Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion nun geschlossen.

  • Ich finde das Wahlverhalten der Deutschtürken nicht befremdlicher als das der Bayern oder Sachsen (ich kenne allerdings mehr Deutschtürken und habe häufiger und alltäglicher Kontakt zu ihnen). Was bringt Menschen dazu, jemanden zu wählen, der anderen die Wahlfreiheit in Bezug auf das nehmen (oder gar nicht erst geben) will, bei dem man selbst keine Wahlfreiheit braucht? Größtenteils wohl Unsicherheit, würde ich vermuten.

  • Was ich toll finde an der Türkei finde ist, dass es weltweit das Land ist, das die meisten Flüchtlinge aufnimmt. ( de.wikipedia.org/w...hteter_Bevölkerung )

    Danke!

  • die türkische community ...

    in deutschland scheint mehrheitlich unpolitisch und daher an traditionellem festzuhalten.

    als ich türkischen bekannten von meiner begegnung mit can dündar erzählte und von dem bewegenden eindruck, erhielt ich befremdendes erstaunen.

  • Mein Beitrag, zitierend den (türkischen) Nachbarn: "Die deutsche Presse und die Medien schreiben nur Scheiß über Erdogan. Der ist aber super! Neue Industriegebiete, viele neue Jobs, allen gehts viel besser als früher. Und die sollen sich mal vor Ort informiere wie es wirklich ist und nicht immer so einen scheiß schreiben."



    Bin hier also bei einigen Mitkommentatoren: Gescheiterte Integration sieht anders aus. Das ist vielmehr ein überzeugtes und ausgeprägtes Selbstbewusstsein an der Grenze zum Nationalismus. Erdogan hat denen im Ausland eine "Stolz sein Leute, wir sind Türken Metalität" verpasst , das verfängt! Kleinigkeiten wie INflation in der Heimat... peanuts.

  • Meine türk. Nachbarn, hier geboren, ebenso wie ihre Kinder, sind absolute Fans von Erdogan.



    Bei Wahlen steht ein Bild von ihm im Fenster.



    Die Kinder gehen bei den deutschen Nachbarn ein und aus, übernachten dort und essen auch mit am Familientisch.



    Werden betreut, verhätschelt, wenn die Eltern in ihrem Kebapladen arbeiten.



    Wir verstehen das Wahlverhalten nicht.



    Mit Ablehnung und Rassismus kann das nicht begründet werden.

  • Ich zitiere hier mal etwas ausführlicher den türkischstämmigen Blogger Murat Kayman (dessen Äußerungen eigentlich immer lesenswert sind):



    "Lese jetzt wiederholt von verschiedenen Experten, dass die Wahlentscheidung der türkischen WählerInnen in Deutschland mit durchschnittlich 65% pro Erdoğan so etwas wie eine Protestwahl sei und mit ihren Diskriminierungserfahrungen und dem antimuslimischen Rassismus zu erklären. Mich überzeugt das nicht. Ein deutlich höherer Prozentsatz der türkeistämmigen Menschen macht Diskriminierungserfahrungen, ohne radikale politische Vertreter zu wählen. (...) Die Erdoğan Sympathisanten wählen ganz bewusst einen antidemokratischen Führer mit einer offen antidemokratischen Politik. Ich bezweifle, dass das geschieht, weil sie unter antidemokratischen Erfahrungen in Deutschland leiden. Es gibt Erdoğan Fans unter wirtschaftlich sehr erfolgreichen Führungskräften in der deutschen Spitzenindustrie. Die wählen ihn nicht aus einem emotionalen Affekt heraus, sondern wegen einer gefestigten antidemokratischen, rechtspopulistischen Gesinnung. Eine exklusive Überlegenheitserzählung hat ihre ganz eigenen Narrative, Führungskräften in der deutschen Spitzenindustrie. Die wählen ihn nicht aus einem emotionalen Affekt heraus, sondern wegen einer gefestigten antidemokratischen, rechtspopulistischen Gesinnung. Eine exklusive Überlegenheitserzählung hat ihre ganz eigenen Narrative, die durch äußere negative Erfahrungen verstärkt werden mag, aber grundsätzlich nicht von ihnen abhängig ist." twitter.com/Kayman...659925189348536322

    Zum türkischen Nationalismus außerdem lesenswert das Interview mit Burak Copur: "Nationalismus ist im Prinzip eine zentrale Staatsideologie, wenn nicht sogar die wichtigste in der Türkei, ..." www.tagesschau.de/...parlament-100.html

    • @Schalamow:

      Sehr interessant. Leider wurde der Tweet nicht ganz zu Ende zitiert. Hier werden die muslimischen Verbände für ihr taktisches Verhalten im öffentlichen Diskurs kritisiert.



      Fazit: Dieser unbekannte Blogger und Rechtsanwalt Murat Kayman sollte von der taz interviewt werden.



      In den meisten deutschen Medien (nicht taz) fehlen Journalisten, die aus Sicht der türkisch- oder kurdischstämmigen Community über Politik berichten. Warum gibt es keine regelmäßige Berichterstattung in der Tagesschau/Tagesthemen, Heute Journal, was Minderheiten in Deutschland politisch umtreibt?

    • @Schalamow:

      Vielen Dank für diesen Beitrag!

  • Ehrlich gesagt kann ich mich deser Argumentation, nach der am Ende immer die deutsche Mehrheitsgesellschaft schuld ist, nicht anschließen.



    Ich bin beruflich Musikschullehrer und habe lange Zeit mit einigem Engagement und Idealismus ein offenes Bandprojekt an der hiesigen Haupütschule geleitet. Um 2015 herum hatte ich dann mit dem Phänomen zu tun, dass sich türkischstämmige Schüler, die immer begeister mitgemacht haben, zurückzogen, bzw. keine jüngeren mehr nachkamen.

    Ich habe regelmäßig nach den Sommerferien "Werbetouren" durch die 7. Schuljahre gemacht, und oft positive Reaktionen auch von türkischen Jugendlichen erhalten, "Wow, cool, wir schauen uns das auf jeden Fall an, Wo sollen wir wann sein?". Erschienen sind sie aber dann nicht (und haben auf dem Schulhof vergen weggeguckt, wenn sie mir begegnet sind). Es kann mir keiner erzählen, dass das mit der Ausgrenzung durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft zu tun hat. Den türkischen Nationalismus hat sich ein großer Teil der Community schon selbst ausgesucht. Da kann der kurdische Restaurantbesitzer meines Vertrauens ein Lied von singen.

  • Als Böhmermann Erdogan als Ziegenficker bezeichnete beleidigte er damals alle Türken und einte die deutschen Türken hinter ihn. Das die deutsche Linke sich nicht deutlich gegen den Gebrauch solch rassistischer Bezeichnungen distanziert hat und sich mit Böhmermann solidarisierte war ein Fehler.

  • Eine Partei wie die AKP zu wählen, die Menschenrechte und Demokratie mit den Füssen tritt , ist äußerst bedenklich, auch wenn sich viele türkischstämmige in Deutschland diskriminiert fühlen.



    Am Bedenklichsten ist das Verhalten der Ditib-Moscheen, die verdeckten Wahlkampf für die AKP machten. Sie diente als deutsche Partezeintrale der AKP.



    Der Verfassungsschutz sollte daher die Moscheen genau in den Blick nehmen.



    Die ditib muss sich fragen lassen, warum einzelne Funktionäre, die offen mit den rechtsextremen Grauen Wölfen symphatisierten, nicht sofort ausgeschlossen wurden.



    Da es in Deutschland fortschrittliche Musliminen gibt, die für Gleichberechtigung kämpfen, sollte die ditib erklären, warum Frau und Mann beim Beten getrennt werden. Angeblich, um sich nicht abzulenlen. Nach dieser Logik wäre ein Berufsleben ohne Ablenkung nicht möglich. In Wahrheit gibt es eine religiös verpackte Doppelmoral beim Beten von Frauen und Männern in den ditib-Mosheen.

  • "Erdoğans konservative Motive von Nationalstolz und Religion verfangen aber auch, weil viele Tür­k*in­nen sich von der deutschen Mehrheitsgesellschaft entfremdet fühlen. Das geht insbesondere auf die unseligen deutschen „Integrationsdebatten“ zurück..."



    Naja, das geht wahrscheinlich viel mehr darauf zurück, dass sich die deutsche Merheitsgesellschaft in die gegenteilige Richtung entwickelt hat, weniger konservativ geworden ist, zunehmend mehr Wert auf die Rechte von Frauen und sexuellen Minderheiten legt etc. Natürlich fühlen sich konservative Türken (genau wie übrigens konservative Sachsen etc.) davon entfremdet. Der Fehler liegt hier aber nicht bei der Merheitsgesellschaft.

  • Erdoğan bietet ein konservatives Welt Bild an, das diesen Leuten offensichtlich gefällt und da sie die Nachteile von Erdoğan (Diktatur und Desaster in der Wirtschaft) gar nicht selber spüren, ist für Sie diese Wahl Also in Ordnung

  • Danke für diese Einblicke!



    Es ist keine Neuigkeit, dass deutsche TürkInnen konservativ wählen. Lange stand konservativ immerhin für Laizismus, nun steht da nur noch Nationalismus und



    Autokratie.



    Das ist ein ziemlicher Wandel, aber die Grünen waren vor einem Jahr auch noch gegen Krieg.



    Das wirklich überraschende ist die völlig falsche "Wahlprognose" für DeutschtürkInnen in der deutschen Presse vor der (letzten) Wahl.

    • @Philippo1000:

      Da steht nicht nur noch Nationalismus.

      Da steht eindeutig auch Islam bzw. Islamismus.

      Anstelle des Laizismus.

      Und Erdogan spricht damit genau das Publikum an, das bei Laizismus draußen blieb.

    • @Philippo1000:

      Na ja, die Vergleichsebene konservativ-religiöse Deutschtürken/Grüne ist in diesem Zusammenhang etwas schief. Das wissen Sie. Im Prinzip aber haben Sie recht.



      Aus meiner Sicht liegt der “Geburtsfehler” der türkischen Demokratie in der Atatürkschen Entwicklungsdiktatur, die die Türkei nach WK1 und dem Zusammenbruch des osmanischen Reiches von jetzt auf gleich in die europäische Moderne hineinkatapultieren wollte. Das konnte natürlich nicht funktionieren und wenn, dann nur in Teilbereichen der türkischen Gesellschaft. Und demokratisch war dieses System immer nur vordergründig (soviel zu dem Thema, dass Erdogan die Demokratie abschaffen wolle).



      Mit dem Erdoganschen Islamo-Nationalismus schlägt das Pendel seit etwa 20 Jahren zurück. Es ist halt - anders als beispielsweise 1979 im Iran - keine revolutionäre, sondern eine evolutionäre Entwicklung des “Umbaus” von Staat und Gesellschaft. Erdogans Erfolgsrezept liegt dabei in der Verschmelzung ideologischer Elemente der (immer noch vorherrschenden) kemalistischen Staatsideologie mit dem Islamismus (in einer gemäßigt-konservativen, der türkischen Kultur entsprechenden Variante).



      Das scheint die Mehrheit der Türken immer noch zu goutieren, in der Türkei wie überall dort, wo Türken leben. Und das zu verstehen fällt uns eben schwer.

    • @Philippo1000:

      Die Grünen sind immer noch gegen Krieg. Nach Ihrer Logik wäre eine Person, die in einer Agriffssituation Nothilfe leistet, für Körperverletzungen - mir erscheint dies absurd.

  • Es stellt sich die Frage, ob Deutschland den Erdogan-Anhänger_innen überhaupt das geben kann, was sie suchen.

    Herr Gottschlich hat beschrieben, wie gut Erdogan auf der islamo-nationalistischen Klaviatur spielen kann und das Herz wärmt.



    taz.de/Nach-der-Wa...-Tuerkei/!5933006/

    Wer diese Identitätsbedürfnisse hat, bekommt sie in Deutschland, wo im wesentlichen nationalistischer Atheismus angesagt ist und Verfassungspatriotismus als erstrebenswert gilt, nicht befriedigt.

    Wie Herr Gottschlich feststellte: „Ich liebe Merkel.“ klingt komisch.



    Scholz wird als Politiker nie jemandem das Herz wärmen.

    Das Gefühl von Zugehörigkeit, wie es Erdogan bietet, wird man hier in der Politik nicht finden.

    • @rero:

      Es stellt sich außerdem die Frage, ob Deutschland dem Drittel AfD-Wähler v.a. in den ostdeutschen Bundesländern, überhaupt das geben kann, was sie suchen.



      Anscheinend ja, dann ist das aber nicht mehr mein Land und es wird Zeit, die Koffer zu packen. Oder Sezession.

  • Wie schön, dass das jetzt mal so gerade ca. 60 Jahre nach dem Anwerbeabkommen mitbekommen hat, dass man damals eher austauschbares Personal für Drecksarbeiten angeworben hat.



    Es gibt ja hier auch genug insbesondere Biodeutsche die rechts der Union wählen, die können sich ja scheinbar auch nicht in die Demokratie integrieren.



    Ansonsten gibt es auch gerade unter erst in jüngster Zeit zugewanderten, sehr rechtskonservative Ansichten und wenn man manchmal das Geschwätz hört, dann könnten die am örtlichen Afd-Stammtisch sicher viele Freunde finden, wenn die nicht so anders aussehen und heißen würden.

    • @Axel Schäfer:

      “Es gibt ja hier auch genug insbesondere Biodeutshe die rechts der Union wählen, die können sich scheinbar ja auch nicht in die Demokratie integrieren.“



      Sie bringen es auf den Punkt. Danke.



      Mit den „Biodeutschen“ ist es übrigens auch so eine Sache. Wie sagte Wolfdietrich Schnurre so treffend: wer waren unsere Ahnen? Kaschubische Germanen!

  • Naja, das ist dann ein Teufelskreis. Denn einerseits appelliert Erdogan ja explizit an die Türken, sich nicht zu assimilieren, andererseits hilft es dem Ansehen in der Mehrheitsgesellschaft natürlich auch nicht, wenn Erdogan gewählt wird.

    • @Suryo:

      Eikmanns verweist übrigens ja auch auf das gegenüber Deutschland signifikant abweichende Wahlverhalten der türkischen Communities in Großbritannien und den USA … klassische Einwanderungsländer.



      Welche Rückschlüsse lassen sich daraus ziehen?

      • @Abdurchdiemitte:

        Der Autor hat eine Kausalität zwischen Klasse und Wahrverhalten/Wertesystem aufgestellt. In die USA und UK seien vor allem die wohlhabenden, gelehrten Schichten, also die oberen Klassen gegangen, während die Arbeiter für die Arbeit nach Deutschland und Co. kamen. Vielleicht lag es auch daran, dass man sich in UK und USA Bildung halt leisten können muss?

        • @curiouscat:

          Richtig, es ist argumentativ nur wie mit der russischen Puppe. Warum gehen die gut ausgebildeten Migranten (und auch die mit sozialer und ökonomischer Aufstiegsorientierung) ausgerechnet in die USA und nach GB und nicht nach Deutschland, wo hier angeblich doch alles so toll sein soll?



          Denken Sie an die damals gescheiterten Bemühungen, hochspezialisierte indische Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt anzuwerben. Auch die wollten überall sonst hin, nur nicht nach Deutschland. Alles Schuld der AfD bzw. rassistischer ostdeutscher Hanswurste in der Bevölkerung, denen es nur an der richtigen Willkommenskultur mangelt? Oder gibt es da noch andere Faktoren?

  • Trotzdem: warum bestraft jemand die Türkei mit einer Diktatur, weil die Deutschen nicht integrieren können oder wollen? Die Leidtragenden sind Türken und nicht Deutsche.

    • @Rinaldo:

      Vielleicht glauben die konservativen Türken das mit der Diktatur schlicht nicht.



      Nach außen gibt Erdogan sich doch als "lupenreiner Demokrat", während die Diktaturvorwürfe von den gleichen Medien und Politikern stammen, welche die Ausgrenzung der türkischstämmigen Deutschen vorantreiben.



      Zugegeben, auch noch von anderen Medien und Politikern, aber dann wirkt vermutlich wieder die schwache Bildung der Betroffenen, dass sie das nicht auseinander halten können.

      • @Herma Huhn:

        Ich möchte mal die Überschrift kritisieren. Der Artikel nennt viele Gründe und der in der Überschrift genannte ist eher ein verstärkender Nebenaspekt. Daher trifft die Überschrift den Inhalt nur am Rande.

    • @Rinaldo:

      Frederik Eikmanns beschreibt es doch ganz gut: zum einen geht es um die Zurückweisungerfahrungen der sog. Gastarbeitergeneration durch die deutsche Mehrheitsgesellschaft, die in der Redensart ihren Ausdruck fand, dass Arbeitskräfte angeworben wurden, jedoch Menschen kamen. Diese negativen Erfahrungen setzen sich in den nachfolgenden Migrantengenerationen fort und finden dort immer neue Nahrung durch rassistische Tendenzen in der Aufnahmegesellschaft. Ein Faktor, der die Popularität Erdogans unter Deutschtürken erklärt.



      Zum anderen geht es um “mitgebrachte” politische und religiöse Einstellungen, die regelrecht konserviert - daher wohl bezeichnet Eikmanns die Erdogan-Anhänger in Deutschland als konservativ - und durch die Mehrheitsgesellschaft noch bestätigt werden. Auch deshalb stößt die AKP-Propaganda bei den in Deutschland lebenden Türken auf fruchtbaren Boden.



      Und drittens verweist Eikmanns auf die soziale Herkunft und das Bildungsniveau der eingewanderten Türken. Diese unterscheiden sich deutlich von denen der türkischen Communities in GB und den USA (wo die AKP bei den Wahlen auch weitaus schlechter abschnitt). Ein weiterer Faktor, weshalb Erdogan hierzulande mit türkischem Patriotismus und Nationalismus punkten kann.



      Der Gedanke, dass mit der Wahl Erdogans seine Anhänger die Türkei in irgendeiner Weise “strafen” würden (weil sie den Weg der Türkei in die Autokratie ebnet) - eine Vorstellung, die unter Deutschen jedoch oft geäußert wird - , würde bei denen wohl auf Unverständnis und Kopfschütteln stoßen.



      Fragen Sie doch einfach mal Ihre türkischen Nachbarn, wie die das sehen.

  • Ausgeschlossensein. Das ist mE etwas zu einfach. Selbstverständlich ist, das erscheint zunächst als normal, die Aufnahmegesellschaft im Mittel wohl nicht attraktiv. Aber auch die zuwandernde Gesellschaft hat mE im Mittel Vorstellungen, deren Umsetzung nicht sind. .. Ist nun ein geachtetes Nebeneinander, oder ein Verschmelzen das Ziel?

    • @Gerhard Krause:

      Ablehnung ist eine sehr starke Emotion, stärker noch als Anerkennung. Solche Gefühle können ganze Lebensläufe prägen ohne dass man sich dessen bewußt sein muß.