piwik no script img

Rechtspopulistinnen in EuropaRechts, weiblich, erfolgreich

Simone Schmollack
Kommentar von Simone Schmollack

Auffallend viele Frauen kämpfen sich mit rechten Parolen nach ganz oben – und machen damit den Antifeminismus erst so richtig salonfähig.

Treten immer wieder wie Freundinnen auf: Giorgia Meloni (l) und Ursula von der Leyen Foto: Bernadett Szabo/reuters

G iorgia Meloni in Italien, Marin Le Pen in Frankreich, Alice Weidel in Deutschland, Katalin Novak in Ungarn, Martina Šimkovičová in der Slowakei, Sylvi Listhaug in Norwegen – seit Jahren sind Frauen in rechtspopulistischen Parteien überaus erfolgreich. Was vor nicht allzu langer Zeit noch unvorstellbar schien, ist Normalität geworden: Frauen lenken ihre Parteien und sogar gleich das ganze Land, sie lösen den Gender-Gap im politisch rechten Spektrum auf und verändern auf diese Weise scheinbar friedvoll die Geschlechterverhältnisse.

Wie kann es sein, dass Frauen ausgerechnet in maskulinistisch geprägten Strukturen einen so deutlichen Einfluss gewinnen und teilweise sogar ganz das Sagen haben? Dass sie an Männern vorbeiziehen und von ihnen respektiert werden?

Ein Blick auf die Karriere der italienischen Ministerpräsidentin kann Aufschluss geben. Giorgia Meloni ist seit 2014 Vorsitzende der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia (FdI). In ihrem Programm steht eine rigide Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik. Abtreibung lehnt die Partei ebenso ab wie gleiche Rechte für queere Menschen oder eine allgemeine Impfpflicht.

Meloni hat es geschafft, in einem Land ganz nach oben zu kommen, in dem nicht einmal die Hälfte der Frauen berufstätig ist und junge Männer möglichst lange im „Hotel Mama“ bleiben. Ein Land, in dem noch immer das Bild der Sekretärin trägt, die ihrem Chef den Kaffee serviert. Ein Land, in dem Kinderbetreuung Sache der Mütter und Großmütter ist. Ein Land, in dem der Frauenanteil im Parlament mit 31 Prozent der niedrigste seit 20 Jahren ist. Und ein Land, das – nicht zuletzt dank Meloni – Einwanderung stärker als bisher begrenzen will. In Italien prägen Nationalismus, Rassismus und Misogynie das gesellschaftliche wie kulturpolitische Leben.

Meloni steht für ein traditionelles Familienbild

Und die Frauen? Halten sich meist raus. Dagegen ankämpfen? Das war einmal. Gerade weil Meloni für ein traditionelles Familienbild steht und sich trotzdem als Frau in einer Männerwelt durchgesetzt hat, ist sie für Frauen wählbar. Sie zeigt den Frauen, dass es möglich ist, Frau, Mutter und Regierungschefin eines Landes zu sein. Zudem bedient sie die Furcht vor den Folgen einer scheinbar aus dem Ruder geratenen Identitätspolitik: Sie hat dafür gesorgt hat, dass Geburtsurkunden von Kindern, die in queeren Familien leben, jetzt angefochten werden.

Meloni verkörpert etwas, wofür der Feminismus immer gekämpft hat: Sie hat sich in der italienischen Testosterongesellschaft scheinbar leichtfüßig durchgesetzt, als Frau und als Mutter. Karriere und Familie passen durchaus zusammen – und das ganz ohne Frauenquote. Am Ende sogar ohne ihren Partner. Den hat sie nach frauenfeindlichen Sprüchen kurzerhand abserviert. Sie spricht vier Sprachen, ist professionell in den sozialen Netzwerken unterwegs, und sie weiß die eigene Weiblichkeit geschickt einzusetzen: nicht zu feminin, aber immer noch feminin genug, um nicht männlich zu wirken.

Für die Rechten in Italien ist sie die beste Personalie seit Jahren und dazu eine, die auf internationalem Parkett zu punkten weiß. Meloni und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen treten häufig so auf, als seien sie ziemlich beste Freundinnen. Sie lachen, umarmen sich, sind verbal ausgewogen. Warme Schwesterlichkeit hat harte Männerkomplizenschaft abgelöst.

Meloni ist nur eine von vielen, denn da sind noch all die anderen rechten Frauen, die steile Karrieren hingelegt haben und die allesamt zeigen: Der Führungsanspruch in rechtsradikalen Parteien ist längst keine Männerdomäne mehr, der einstige „Far Right Gender Gap“, die Geschlechterlücke bei den Rechten, hat sich aufgelöst. Für linke Feministinnen ist das ein Dilemma: Die Gleichstellung von Frauen und Männern schreitet voran – trotz oder vor allem wegen Meloni und Co. Die einst so feste Gewissheit, dass Frauen nicht rechts sind, schon gar nicht rechtsextrem, ist überholt. Tatsächlich aber machen Frauen wie Meloni und Co mit ihren augenscheinlich feministischen Lebensentwürfen den Antifeminismus erst so richtig salonfähig.

Tradwifes und ihr Leben als Mutter, Ehe- und Hausfrau

Unterstützt werden sie dabei von Frauen, die sich des feministischen Narrativs bedienen, demzufolge Feminismus ist, wenn jede Frau so leben kann, wie sie will: den Tradwifes, den sogenannten traditionellen Hausfrauen, die als Influencerinnen ihr Leben als Mutter, Ehe- und Hausfrau propagieren. Sie backen Kuchen, umsorgen ihren Mann und sind rund um die Uhr für ihre Kinder da. In den Videos ist das Leben rosa, friedlich, entschleunigt. Eine Sehnsucht, die nicht wenige, insbesondere junge Menschen umtreibt. Die reale Gesellschaft bleibt in den Tradwife-Videos draußen: Ungleichheit und Ungerechtigkeiten, Gender-Pay- und Gender-Pension-Gap, Gewalt an Frauen und Femizide. Den Gender-Care-Gap haben die Tradwifes für sich gelöst: klare, klassische Aufgabenverteilung.

Das ist mehr als nur der vermeintliche Rückfall in die 1950er Jahre, das ist zutiefst toxisch, frauenverachtend und politisch rechts. Davon profitieren Meloni und Co und das befeuern sie intensiv mit ihren eigenen Biografien. Meloni gelingt etwas, das nicht viele können: Sie gibt sich umgänglich, kommt sympathisch rüber und ist gleichzeitig ein knallharter Machtmensch, empathielos gegenüber Geflüchteten, kaltherzig gegenüber Queeren und Arbeitslosen. Mit ihrer Reform­idee, die oder den Ministerpräsidenten künftig direkt vom Volk wählen zu lassen, würde sie ihre Macht massiv festigen und die Befugnisse des Parlaments einschränken. „Wollen Sie selbst entscheiden oder es den Parteien überlassen?“, fragt sie. Das ist so populistisch wie geschickt und gefährlich.

Meloni hat das Zeug dazu, Italien noch weiter nach rechts und schlimmstenfalls in die nächste Autokratie in Europa zu führen – eigentlich egal, ob so jemand ein Mann oder eine Frau ist.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • "Gerade weil Meloni für ein traditionelles Familienbild steht"



    Traditionelles Familienbild?



    Meloni spricht wie im Artikel beschrieben 4 Sprachen, hat von Anbeginn Vollzeit gearbeitet und ihren Partner wie es so schön im Artikel heißt "kurzerhand" verlassen. Das ist doch das genaue Gegenteil vom traditionellen Heimchen, die sich alles sagen lässt und dem Mann unterordnet...



    "Karriere und Familie passen durchaus zusammen – und das ganz ohne Frauenquote" - natürlich, Qualität vor Quote, ist meiner Meinung nach auch die einzige Möglichkeit NACHHALTIG anerkannt zu werden. Wir leben schließlich in einer Leistungsgesellschaft. Ich respektiere einen Menschen für das was er geschaffen hat, nicht das was ihm wie ein Almosen dank Quote zugeteilt wird.



    Weidel ist doch auch das beste Beispiel dafür: Doktortitel, lesbisch und mit einer Frau zusammen die migrantische Wurzeln hat.



    Die linken Schablonen, in Schablonen denken ist übrigens zutiefst rechts😉, passen einfach nicht mehr.



    Auch der herabwertende Blick im Artikel auf Trad-Wifes folgt einer engen Schablone, denn natürlich ist Feminismus auch das Frau macht was SIE will, Feminismus muss nicht links sein. Warum auch? Noch so ne Schablone...

  • "der einstige „Far Right Gender Gap“, die Geschlechterlücke bei den Rechten, hat sich aufgelöst."

    Stimmt doch gar nicht. Der Frauenanteil im Bundestag liegt bei der AfD am niedrigsten bei 18% vs. 42% bei den Grünen. Wie kann man da eine aufgelöste Geschlechterlücke drinn erkennen?

  • „Sie hat ihren Mann kurzerhand abserviert“ - wie schön ist es, endlich einmal eine sachliche und respektvolle Ausdrucksweise zu lesen - nach so vielen Gehässigkeiten über Baerbocks Trennung in den rechten Medien!

  • Well, ladies you can be an asshole too



    You might pretend you ain′t got one on the bottom of you,



    But don't fool yerself girl



    It′s lookin' at you

    Frank Zappa: Broken Hearts Are for Assholes (1979)

  • Frau Schmollack stellt sehr interessante Fragen, die sich Sozialpsycholog:innen und Soziolog:innen ebenso wie Politikforscher:innen stellen, aber das Phänomen ist aus früheren "Politik-Dynastien" oder Diktaturen weltweit nicht ganz unbekannt.



    "Als „rechter Feminismus“ oder „nationaler Feminismus“ wird die Aneignung von feministischen Argumenten durch rechtsextreme Frauen bezeichnet (Goetz 2016, 130). Die Verwendung von feministischen Elementen in der Neuen Rechten erklärt Goetz (2016, 135) als ein rhetorisches Mittel der „Retorsion“, nicht als eine Überzeugung. So verwenden Anhänger*innen des rechten bzw. nationalen Feminismus diese Argumente, um nur für ihre Gruppe zu sprechen, nicht aber, um Gleichheit für alle Frauen zu fordern."



    Quelle



    www.idz-jena.de/wsddet/wsd13-04



    Der Titel:



    "Das überdauernde Narrativ der Hüterin der Volksgemeinschaft – rechte Frauen und nationaler Feminismus damals und heute"

  • Das Foto unter DER Überschrift hätte Springer Freudentränen aus den Augen gedrückt.

    Dazu die wahrheitswidrige Herabsetzung "In Italien prägen Nationalismus, Rassismus und Misogynie das gesellschaftliche wie kulturpolitische Leben." eines ganzen Landes und vor allem dessen Bewohner. Da mag man den restlichen Unsinn dann auch garnicht mehr lesen.

    Journalistische Standards liebe tazzies...

  • "Die Emanzipation ist erst dann vollendet, wenn auch einmal eine total unfähige Frau in eine verantwortliche Position aufgerückt ist." Heidi Kabel

    • @Hans Dampf:

      Frau Maloni ist allerdings fähig. Sie verfolgt ihre Ziele mit, so scheint es mir, einigem Erfolg. Dass diese von der hiesigen Leserschaft überwiegend nicht geteilt werden, ändert daran nichts. Ein großer Teil der italienischen Gesellschaft tut es allerdings. Und offensichtlich können sich auch in der restlichen EU mehr Leute damit anfreunden, als es vielen im Forum hier lieb ist. Daher sollte sich die Linke überlegen, ob sie kompromisslos untergehen will oder als Kompromiss die Forderungen in ein neues narrativ einfließen lassen möchte. Die Steuerung der Zuwanderung etwa - klar aufzeigen, dass die Abschottung ein teures Placebo ist und die Integration in den Arbeitsmarkt die einzig vernünftige Lösung. Gepaart mit einer konsequenten und zeitnahen Abschiebung von den hoffentlich wenigen Personen, bei denen die Integration nicht funktioniert.

  • Die Frauen stehen ihren männlichen Kollegen in nichts nach, um an Macht zu kommen ist jedes Mittel recht, ganz einfach

  • Es gab vor den o.g. Frauen eine Gewissheit, Frauen seien nicht rechts oder gar rechtsextrem? Edda Schmidt und Ursula Haverbeck waren schon rechtsextrem (Nazis!), da hat Frau Meloni noch nicht gewusst, wie Duce buchstabiert wird.