Rechtsextreme Chats in der Schule: Schüler:innen auf „Rassenfahrt“
An der Helene-Lange-Schule in Hannover teilen Schüler:innen rechtsradikale Inhalte in einer Chat-Gruppe. Der Schulleiter bestellt die Verfasser:innen ein.
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W ie umgehen mit rechtsextremen Inhalten in Chatgruppen von Schüler:innen? Diese Frage stellt sich einmal mehr wegen eines Chats des zwölften Jahrgangs der Helene-Lange-Schule in Hannover. Dort wurde aus der anstehenden Klassenfahrt eine „Rassenfahrt“, als begleitende Lehrkraft „Herr Dr. Höcke“ und als Koordinatorin „Frau Dr. Med. Weidel“ angegeben.
Bereits im Oktober vergangenen Jahres soll es in dem Jahrgang immer wieder zu „rechten Vorfällen und Äußerungen“ gekommen sein. Das kritisieren einige Schüler:innen, von denen sich einer zuletzt an die Schulleitung des Gymnasiums wandte. In den Chats wurde auch der Führer der SA (Sturmabteilung), Ernst Röhm, als „Direktor“ angegeben und „für Deutschland, das Schwert und das Schild“ geschwärmt. Auf mehrere Beschwerden soll die Schulleitung aber nicht reagiert haben, kritisieren Schüler:innen gegenüber der taz.
Auf Nachfrage reagiert die Schulleitung nicht direkt und verweist an das regionale Landesamt für Schule und Bildung. „Wir können bestätigen, dass Äußerungen in dem genannten Tenor in einem Chatverlauf einer Whatsapp-Gruppe von Schülerinnen und Schülern des 12. Jahrgangs kurz vor den Weihnachtsferien an die Schulleitung herangetragen wurden“, sagt eine Sprecherin.
Hinzu habe der Schulleiter „unmittelbar, nachdem er über den Chatverlauf informiert wurde, mit den Verfassern der Nachrichten gesprochen“. Er habe ihnen „sehr deutlich gemacht, dass solche Äußerungen nicht geduldet werden – auch nicht in reinen Schüler- und Schülerinnen-WhatsApp-Gruppen“. Des Weiteren seien schulinterne sowie strafrechtliche Konsequenzen aufgezeigt worden.
Rechtsextreme finden Zuspruch
Vergleichbare Fälle wurden in den vergangenen Jahren vermehrt öffentlich. In Niedersachsen etwa hatte 2021 ein Schüler des Lessing-Gymnasiums Uelzen beim Homeschooling als Profilbild eine Reichsfahne mit dem Schriftzug „150 Jahre Reichsgründung“ genutzt. Gerade bei Schüler:innen stellt sich die Frage nach der Motivation: Soll das bloß eine Provokation sein oder besteht eine politische Positionierung?
Bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen wurden längst fortschreitende rechtsextreme Ressentiments wahrgenommen. Die Vergleichsstudie „Mehr Demokratie wagen“ zu Schüler*innen aus Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Thüringen offenbarte 2021, dass rechtsextreme Einstellungen „nicht nur ein Problem in bestimmten Schularten, etwa in den Regel- und Realschulen“ seien.
Dieser Zuspruch zeigte sich auch beim Bildungsprojekt „Juniorwahl“. Vor einer simulierten Wahl setzen sich die Schüler:innen einen Monat lang intensiv mit der Thematik „Demokratie und Wahlen“ auseinander. 2022 erreichte die AfD bei der Juniorwahl in Niedersachsen 10,5 Prozent.
Und bei einer Wahl im vergangenen Jahr erhielt die AfD in manchen bayrischen Regionen die meisten Stimmen der Jugendlichen. Diese Ergebnisse scheinen sich in tatsächlichen Wahlen widerzuspiegeln. In Bayern stimmten bei der Landtagswahl 16 Prozent der 18- bis 24-Jährigen für die AfD, in Hessen wählten gar 18 Prozent der Alterskohorte die vermeintliche Alternative.
Dieser Entwicklung arbeitet die Helene-Lange-Schule aber entgegen. „Die Schulleitung sowie das gesamte Kollegium setzten sich schon lange mit der Thematik auseinander“, hebt die Sprecherin des regionalen Landesamtes hervor.
An der Schule gebe „es neben der unterrichtlichen Beschäftigung des Themas Nationalsozialismus inklusive der Einordnung aktueller Ereignisse in den geschichtlichen Kontext eine langjährige Kooperation mit der Gedenkstätte Ahlem“. Eine „AG gegen Rassismus“ soll sich gründen, thematische Elternabende würden angeboten.
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