Rechter Shitstorm nach Kritik an Polizei: Wenn Cancel Culture wirkt

Die Dozentin Bahar Aslan kritisierte Rechtsextremismus in der Polizei und verlor daraufhin ihren Lehrauftrag an der Polizeihochschule. Ein Armutszeugnis.

Jemand hält eine Polizeimütze in den Händen

Die Dozentin kritisierte rechte Polizeipraktiken Foto: Sascha Schuermann/ddp

Er warnte vor einer „Afrikanisierung und Islamisierung“ europäischer Städte, hetzte gegen die Ehe für alle, schrieb für die rechte Zeitung Junge Freiheit, hielt einen Vortrag vor Menschen aus dem NSU-Umfeld und gründete einen rechten Verein. Klingt alles ziemlich rechts? Ist es auch. Trotzdem konnte Stephan Maninger mehrere Jahre als Professor an der Bundespolizeiakademie Lübeck lehren.

Als sein Hintergrund 2021 öffentlich bekannt wurde, setzte die Akademie seine Lehrveranstaltungen kurzzeitig aus und überprüfte den Fall. Das Ergebnis: Sie konnten kein „straf- und/oder disziplinarrechtlich relevantes Fehlverhalten“ feststellen.

Erst auf Druck der Landesregierung wurde ihm der Lehrauftrag entzogen, doch Maninger ist bis heute Professor an der Bundespolizeiakademie.

Maninger ist kein Einzelfall. Im rechten Wirrwarr der Sicherheitsbehörden den Überblick zu behalten ist schwer. Ständig legen Recherchen neue Missstände offen: Rechtsextreme Chatgruppen, Polizist_innen, die andere rassistisch, sexistisch oder antisemitisch beleidigen oder bedrohen, die aktiv sind in rechtsextremen Netzwerken. Konsequenzen bleiben meist aus, viele von ihnen sind noch im Amt: auf Streife, als Kommissar_innen oder in Polizeihochschulen.

Auf den Tweet folgte der Shitstorm

Bahar Aslan dagegen hat ihren Job verloren. Seit 2022 hat die 38-jährige Lehrerin „interkulturelle Bildung“ an der Hochschule für Polizei und Verwaltung (HSPV) in NRW gelehrt. Doch jetzt beendet die Hochschule die Zusammenarbeit mit Aslan. Auslöser ist ein Tweet vom Samstag, in dem Aslan rechte Polizeipraktiken kritisiert hatte. Darin bezeichnete sie rechtsextreme Polizist_innen als „braunen Dreck“. Die HSPV begründet ihre Entscheidung gegenüber der taz damit, dass Aslan ungeeignet dafür sei, eine „vorurteilsfreie, fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln“.

Die Argumentation, dass wer rechte Missstände anprangert, keine Demokratie und Toleranz vermitteln könne, ist dabei an Absurdität kaum zu überbieten. Die Gleichzeitigkeit, dass rechte Po­li­zis­t_in­nen über Jahre im Amt bleiben, während eine An­ti­ras­sis­tin ihren Job wegen eines Tweets verliert, ist ein Armutszeugnis für die Sicherheitsbehörden.

Seit Samstag ist Aslan mit einem Shitstorm konfrontiert, in dem auch Politi­ker_in­nen der CDU und Mitglieder der Po­li­zei­ge­werkschaft GdP mitmischen. Dieser zieht sich vor allem an dem Begriff „brauner Dreck“ hoch. Klar könnte man darüber diskutieren, ob es legitim ist, rechtsextreme Menschen als Dreck zu bezeichnen. Aslan selbst hat gesagt, es sei eine unglückliche Wortwahl gewesen, und sie hat sich bei nicht rechten Polizist_innen entschuldigt. Damit könnte man den Nebenschauplatz abhaken und sich dem Hauptaspekt zuwenden.

Nämlich dass wir in Deutschland ein strukturelles Problem mit Rechtsextremen und Rassist_innen in den Sicherheitsbehörden haben. Doch anstatt den „braunen Dreck“ zu thematisieren, sollen diejenigen verschwinden, die ihn sichtbar machen. Die Beendigung des Lehrauftrags an der Polizeihochschule und die fehlende Unterstützung aus dem Innenministerium NRWs zeigen: Es liegt ihnen mehr daran, Kritiker_innen mundtot zu machen, als rechte Netzwerke und Praktiken in den eigenen Reihen aufzudecken und zu unterbinden.

Rechte Cancel Culture

Aslans Fall steht einerseits exemplarisch dafür, wie wirkmächtig Shitstorms und Cancel Culture von rechts sind: Sie kosten Menschen ihren Job und gefährden ihre Sicherheit. Gleichzeitig macht er deutlich, dass in den entscheidenden Stellen kein Konsens gegen rechts herrscht. Lieber werden die Augen verschlossen, anstatt sich der Problematik zu stellen.

Neben all dem Hass hat Bahar Aslan in den vergangenen Tagen auch enorm viel Solidarität und Öffentlichkeit erfahren. Alle haben gesehen, was passiert, und trotz allem hat die Hochschule reagiert, wie sie reagiert hat. Beängstigend die Vorstellung, was in den Behörden und an den Hochschulen alles passiert, wenn keine_r hinsieht.

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