NSU-Terroristin vor U-Ausschuss: Zschäpe verneint Tatort-Helfer

Der bayerische NSU-Ausschuss befragte Beate Zschäpe als Zeugin. Die bleibt bei früheren Aussagen zu der Rechtsterrorserie.

Die Angeklagte Beate Zschäpe steht neben ihrem Anwalt

Im Juli 2018 wurde die Angeklagte Beate Zschäpe im NSU-Prozess vor dem Oberlandesgericht in München verurteilt Foto: Peter Kneffel/dpa

BERLIN taz | Seit gut 11 Jahren sitzt Beate Zschäpe in Haft für die Terrorserie des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU), lange schwieg sie zu den Taten. Erst zum Ende des NSU-Prozesses in München ließ sie ihren Anwalt schriftliche Aussagen verlesen. Nun stellte sich Zschäpe in der JVA Chemnitz den Fragen des bayerischen NSU-Untersuchungsausschuss – und wies Mutmaßungen über Helfer an den Tatorten zurück. Gleichzeitig räumte sie eine Mitschuld an der Terrorserie ein.

Der NSU hat von 2000 bis 2007 zehn Menschen erschossen und drei Sprengstoffanschläge verübt. Die Terrorserie begann in Bayern, hier fanden fünf der Morde statt. Bis heute sind Fragen etwa nach der Opferauswahl oder Waffenlieferanten offen. Seit einem Jahr tagt in Bayern deshalb bereits zum zweiten Mal ein NSU-Untersuchungsausschuss, der zuletzt noch einmal damalige Ermittler, Verfassungsschützer oder Szeneangehörige anhörte.

Am Montag nun befragte der Ausschuss seine heikelste Zeugin: Beate Zschäpe. Der Ausschuss reiste dafür eigens in die JVA Chemnitz. Dort sitzt die 48-Jährige seit ihrer Verurteilung zu lebenslanger Haft vor dem Oberlandesgericht München im Jahr 2018 ihre Strafe ab. Rund acht Stunden wurde Zschäpe dort nichtöffentlich befragt. Aus „Sicherheits- und Platzgründen“ sei nichts anderes möglich gewesen, teilte der Ausschuss mit. Es war das erste Mal, dass sich die Rechtsextreme nach dem Urteil in München zum NSU-Terror äußerte.

Zschäpe gehörte neben Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt zum Kerntrio des NSU, gemeinsam waren die drei Rechtsextremen 1998 in Thüringen abgetaucht. Erst 2011 war die Gruppe nach einem gescheiterten Bankraub aufgeflogen – Mundlos und Böhnhardt erschossen sich, Zschäpe stellte sich der Polizei. Im NSU-Prozess hatte sie erst gegen Ende ihr Schweigen gebrochen – und alle Taten auf Mundlos und Böhnhardt geschoben. Sie selbst habe stets erst im Nachgang davon erfahren und auch das NSU-Bekennervideo nur verschickt, weil sie es den beiden Uwes versprochen hatte.

Alle Taten auf Mundlos und Böhnhardt geschoben

Diese Version wiederholte Zschäpe laut Teilnehmenden auch am Montag in der Befragung des bayerischen NSU-Ausschusses. Böhnhardt und Mundlos hätten alle Morde selbst geplant und ausgeführt und die Tatorte allein ausgespäht, habe Zschäpe dort erklärt, sagte im Anschluss der Ausschussvorsitzende Toni Schuberl (Grüne). Helfer an den Tatorten habe es nicht gegeben, auch in Bayern nicht.

Die Betroffenen seien Zufallsopfer gewesen, die nur nach ihrem türkischen Erscheinungsbild ausgesucht worden seien. Anders als von Zeugen behauptet, will Zschäpe auch nicht mehrmals in Nürnberg gewesen sein. Zwar sei Uwe Mundlos verantwortlich für die Vernetzung der Gruppe gewesen. Aus Angst entdeckt zu werden, habe sich das Trio aber nach und nach immer weiter abgeschottet.

Gerade für die Anfangszeit habe Zschäpe aber Helfer benannt, so Schuberl. Allen voran den früheren Anführer des rechtsextremen Thüringer Heimatschutz, Tino Brandt. Dieser habe mit dem Trio über Telefonzellen Kontakt gehalten und auch eine Spende in vierstelliger Höhe von der Szeneeminenz Peter Dehoust weitergegeben. Dass das Trio nicht aufflog, nachdem Brandt 2001 als V-Mann des Thüringer Verfassungsschutz enttarnt wurde, habe sie sehr überrascht, soll Zschäpe erklärt haben.

Gebäude und daneben ein Straßenschild (Wegweiser)

Hier ist Zschäpe seit 2019: die Justizvollzugsanstalt (JVA) Chemnitz, der zentrale Frauenvollzug der Freistaaten Sachsen und Thüringen Foto: Peter Endig/dpa

Auch einen zweiten Helfer habe Zschäpe am Montag benannt: den früheren Bloud&Honour-Aktivisten Jan W., der dem Trio eine Waffe überbracht habe. Ihn nannte Zschäpe jedoch auch schon im NSU-Prozess. Gegen Jan W. stellte die Bundesanwaltschaft zuletzt ihre Ermittlungen wegen seiner Hilfen für den NSU ein – ebenso wie gegen vier andere Helfer.

Weiter Streit über mögliche Tatorthelfer

Laut den Ausschussmitgliedern hat Zschäpe aber nochmals ihre Beteiligung an der Mordserie bedauert. Schon im NSU-Prozess hatte sie sich bei den Opfern entschuldigt: Sie habe nicht ausreichend auf Mundlos und Böhnhardt eingewirkt, um die Morde zu verhindern. Am Montag nun habe Zschäpe erneut eingeräumt, dass sie mitschuldig an den Morden sei, so die Ausschussmitglieder. Sie habe die Taten nicht gewollt, aber mit ermöglicht – damit fühle es sich an, als hätte sie selbst abgedrückt. Zschäpe habe erklärt, sie hätte die Morde verhindern können, wenn sie sich der Polizei gestellt hätte. „Das hatte eine neue Qualität“, erklärte Schuberl.

Der Ausschussvorsitzende zeigte sich zufrieden mit der Befragung. Diese habe „die Rekonstruktion so mancher Puzzlestücke“ im NSU-Komplex ermöglicht. CSU-Mann Holger Dremel betonte, nun sei klar, dass es keine NSU-Helfer an den Tatorten gab. Genau davon ist der SPD-Mann Arif Tasdelen nicht überzeugt. Zschäpe sei in diesem Punkt „nicht sehr glaubwürdig“ gewesen, sagte er. Einige Tatorte seien für Ortsunkundige kaum zu entdecken gewesen, auch der frühere bayerische Innenminister Günter Beckstein glaube an weitere Helfer. „An der Stelle habe ich noch sehr viele Fragezeichen“, so Tasdelen. Auch Opferfamilien hatten immer wieder betont, dass sie von NSU-Helfern an den Tatorten ausgehen.

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Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

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■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

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