Rechte Kampfbegriffe: Rostocks rechte Stellenanzeige
Rostock sucht eine*n „Sachbearbeiter*in Remigration“. Kritik daran wehrt die Stadt ab: Rechte missbrauchten den wissenschaftlichen Begriff.
Für Aufregung sorgte folglich die Rostocker Wortwahl. Denn erst Mitte Januar war „Remigration“ zum „Unwort des Jahres 2023“ gekürt worden. Es sei in rechtsextremen Kreisen als „Euphemismus für die Forderung nach Zwangsausweisung bis hin zu Massendeportationen von Menschen mit Migrationsgeschichte geworden“, so die Jury. Und so sahen viele in den Sozialen Medien die Formulierung der Ausschreibung als das erste Anzeichen kommender Vertreibungen, wie sie bei dem von Correctiv aufgedeckten Rechtsextremen-Treffen in Potsdam im vergangenen November angedacht wurden.
Das rechte Krawall-Portal Nius notierte über die Stellenausschreibung erfreut: „In Mecklenburg-Vorpommern setzt man auf 'Remigration’“. Auch die Junge Freiheit war angetan: Die „Erste deutsche Großstadt sucht Sachbearbeiter für 'Remigration’“, schrieb sie. Rostock wolle „der Debatte offenbar auch Taten folgen lassen“, so die JF, und fragte, zwinker, zwinker, ob der österreichische Rechtsextremist „Martin Sellner sich bewerben“ werde.
Die von der Linken-Politikerin Eva Maria-Kröger geführte Stadtverwaltung bemühte sich, aus dem vermeintlichen Skandal die Luft rauszulassen. „Der Begriff ‚Remigration‘ triggert gerade sehr viele Menschen, weil er von Rechtsextremisten umgedeutet wird“, heißt es in einer ausführlichen Stellungnahme des Rostocker Rathauses vom Mittwoch. Diese wollten das Wort aus ideologischen Gründen vereinnahmen und meinten damit „Pläne, Menschen zu Hunderttausenden aus Deutschland zu vertreiben“. Es handele sich um einen „Missbrauch des Begriffs“ zur Verschleierung ihrer Absichten.
Synonym für Rückkehr
In Rostock heiße das Sachgebiet im Migrationsamt, das für freiwillige Ausreisen, Duldungen und Abschiebungen zuständig sei, schon seit 2017 so. Der Begriff sei aus der Migrationsforschung übernommen worden. Rostock stehe für eine „offene Willkommenskultur, für Diversität und Integration“, so die Oberbürgermeisterin Eva-Maria Kröger. „Menschenverachtenden Plänen, Millionen Mitbürger*innen aufgrund ihres Migrationshintergrundes aus Deutschland zu vertreiben, stellen wir uns entschlossen und mit aller Kraft entgegen.“ Am Donnerstagnachmittag war die Anzeige online nicht mehr aufrufbar.
In der Migrationsforschung ist der Begriff tatsächlich schon lange gängig – als Synonym für die Rückkehr von Migrant:innen ins Herkunftsland – freiwillig, etwa am Ende des Arbeitslebens, „gefördert“ etwa nach einem abgelehnten Asylantrag oder erzwungen, also durch Abschiebung.
Der Begriff an sich war politisch lange eher neutral. Das der Xenophobie vollständig unverdächtige Osnabrücker Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien spricht in Forschungsarbeiten von Remigration. Der Begriff findet sich in stockseriösen Untersuchungen der Universitäten Mainz, Oldenburg, der TU Dortmund oder der Gedenkstätte Yad Vashem.
Von rechts angeeignet
Gleichwohl gibt es die von der Stadt Rostock selbst angesprochene Subtextverschiebung. Rechtsextreme haben die Vokabel in den vergangenen Jahren zum Kampfbegriff gemacht. Martin Sellners 2024 im Antaios-Verlag erschienenes Buch heißt so. Nazi-Shops im Netz verkaufen schon länger T-Shirts mit der Aufschrift, und auch bei der AfD ist offen von „millionenfacher Remigration“ die Rede.
In der rechtsextremen Lesart geht es eben nicht um das, was in Sachen Abschiebung bisher in Deutschland üblich ist, sondern darum, auch andere Gruppen abschieben zu können – etwa „nicht assimilierte Eingebürgerte“, wie Sellner schrieb, auch wenn die AfD offiziell darauf beharrt, „deutsche Staatsbürger“ nicht abschieben zu wollen.
Die Neuen Deutschen Medienmacher (NDM) haben den Begriff deshalb schon länger in ihr Glossar aufgenommen. Sie sehen in ihm ein „Mittel gegen die pluralistische Einwanderungsgesellschaft“. Dahinter stehe oftmals die Verschwörungstheorie, es „sei ein geplanter ‚Bevölkerungsaustausch‘ oder eine ‚Umvolkung‘ im Gange, die umgekehrt werden müsste“, so die NDM.
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