Demo gegen Heizungsgesetz in Erding: Rechte Kulisse nützt Söder nichts
CSU-Chef wird bei einer Demo ausgebuht. Wie es mit der Novelle weitergeht, ist offen. Die Ampel verhandelt weiter darüber.
MÜNCHEN/BERLIN taz | Das also ist sie, die viel beschworene Mitte Deutschlands: Sie pfeifen, wenn sich einer von der AfD distanziert, und jubeln, wenn andere behaupten, es herrsche keine Demokratie in Deutschland, oder über die Schutzmaßnahmen während der Pandemie herziehen. Und sie halten Schilder in die Höhe, auf den etwas von „grüner Autokratie“ und „Enteignung der deutschen Bürger“ steht. Auch von „Lügenpresse“ ist dort zu lesen oder: „Neue Medien brauchen wir.“
So wenigstens verhielt es sich am Samstag auf einer Demo im oberbayerischen Erding, und wenn man CDU-Chef Markus Söder Glauben schenken darf, war es die deutsche Mitte, die hier mit rund 13.000 Vertretern zugange war. Söder nämlich hatte tags zuvor angekündigt, an der Demo teilzunehmen, und auf Twitter erklärt: „Die Veranstaltung in Erding ist ein deutliches Signal aus der Mitte der Gesellschaft in Richtung Berlin.“ Die Bürger fühlten sich von der Bundesregierung zunehmend im Stich gelassen. „Diese Sorgen teilen wir. Wir rücken die Anliegen der Normalbevölkerung in den Mittelpunkt.“
Die Empörung richtet sich gegen den Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes, den Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) vorgelegt haben. Er sieht vor, dass ab 2024 keine neuen Öl- und Gasheizungen mehr in Neubauten installiert werden dürfen. Bestehende Heizungen sollen repariert werden können, bei einem Totalschaden aber durch klimafreundliche Anlagen ersetzt werden. Dafür sind mehrjährige Übergangsfristen und zahlreiche Ausnahmen vorgesehen, etwa für über 80-jährige Eigentümer:innen. Einem Rechtsgutachten im Auftrag des bayerischen Wirtschaftsministeriums zufolge soll das Gesetz in der vorliegenden Form in Teilen verfassungswidrig sein, etwa wegen der Altersgrenze.
Doch diesem Samstag scheint Söder die Gemütslage der vermeintlichen Normalos falsch eingeschätzt zu haben. Mit „Hau ab“-Chören wurde der bayerische Ministerpräsident begrüßt, als er in Erding die Bühne betrat, so dass er schließlich mit einem „Haut selber ab“ konterte und rief: „Die bürgerliche Mitte hat nichts mit AfD, hat nichts mit Anti-Demokraten zu tun.“ Wo ist sie denn nun also, die Mitte? Söder scheint mit der Standortbestimmung offensichtlich Schwierigkeiten zu haben.
Plattform für Generalabrechnung
Dass für allzu differenzierte Töne im bayerischen Wahlkampf wenig Platz ist, das hat Söder bei seinen jüngsten Auftritten hinreichend klar gemacht. Insofern war es durchaus folgerichtig, dass der CSU-Spitzenkandidat auf Einladung der Kabarettistin Monika Gruber, auf den Weg nach Erding machte. Gruber hatte die Demo gemeinsam mit einem Erdinger Optiker organisiert.
Schließlich war es eine Veranstaltung, die ganz nach Söders Geschmack hätte sein müssen: Vordergründig ging es um – oder besser: gegen – das von der Bundesregierung geplante Heizungsgesetz. Darüber hinaus bot die Demo allerdings auch eine Plattform für eine Generalabrechnung mit denen in Berlin, vor allem den Grünen. Söder brachte denn auch seine Evergreens zum besten, warnte vor der Umerziehungsphilosophie der Grünen, vor vermeintlichem Gender- und Veganisierungszwang.
Doch der Versuch, sich an die Speerspitze der Bewegung gegen das Heizungsgesetz zu stellen, ging in diesem Fall schief. Stattdessen musste Söder mitansehen, wie Freien-Wähler-Chef Hubert Aiwanger mit noch unverhohlenerem Populismus die Demonstrierenden auf seine Seite brachte. „Jetzt ist der Punkt erreicht“, rief der bayerische Wirtschaftsminister beispielsweise, „wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss und denen in Berlin sagen: Ihr habt's wohl den Arsch offen da oben.“
Noch keine Einigung über Heizungsgesetz
Unterdessen ist unklar, ob das Heizungsgesetz wie ursprünglich von der Bundesregierung geplant noch vor der Sommerpause von Bundestag und Bundesrat verabschiedet wird. Die FDP blockiert das Gesetz weiterhin. Um ein reguläres parlamentarisches Verfahren zu gewährleisten, muss das Gesetz am Dienstag auf die Tagesordnung des Bundestags gesetzt werden.
Ob sich SPD, Grüne und FDP bis dahin einig sind, ist offen. Am Wochenende wurden die Verhandlungen über Änderungen zwischen den Koalitionspartnern fortgesetzt, bis Redaktionsschluss ohne Ergebnis. Habeck hat bereits Kompromissbereitschaft signalisiert, etwa beim Start des Verbots für Gas- und Ölheizungen in neuen Gebäuden. Einem Spiegel-Bericht zufolge soll die SPD einen Vorschlag in die Verhandlungen eingebracht haben, nach dem Bestandsgebäude erst einmal außen vor bleiben und der Umstieg auf klimafreundliche Heizungen bis 2030 staatlich gefördert werden soll. Eine Sprecherin der SPD-Fraktion bestätigte das auf taz-Anfrage aber nicht.
Leser*innenkommentare
Jemandzuhause
Wer versteht noch die CSU? 'Sie graben sich die Wähler ab'..
Gewinner sind auf jeden Fall andere.
SeppW
"Das also ist sie, die viel beschworene Mitte Deutschlands"
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Ne, das ist "der braune Mob" gewesen (Zitat Sascha Müller-Kraenner). Die Guten waren in ihren Wohlfühl-Bubbles und Safespaces namens Re:Puplica und Kirchentag unterwegs ;)
90118 (Profil gelöscht)
Gast
Über Söders Agieren schreibt Wikipedia:
"Dem Begriff Populismus (von lateinisch populus ‚Volk‘) werden von Sozialwissenschaftlern mehrere Attribute zugeordnet. Charakteristisch ist eine mit politischen Absichten verbundene, auf Volksstimmungen gerichtete Themenwahl und Rhetorik. Dabei geht es einerseits um die Erzeugung bestimmter Stimmungen, andererseits um die Ausnutzung und Verstärkung vorhandener Stimmungslagen zu eigenen politischen Zwecken. Oft zeigt sich Populismus auch in einem spezifischen Politikstil und dient als Strategie zum Machterwerb."
drgjh
Da hat er sich ein schönes Eigentor geschossen, der Markus. Macht aber nix, im Oktober wählen ihn trotzdem 40 + x %. Ampel-Bashing reicht. Unfassbar…
Horst Flugfeld
@drgjh Ich verstehe auch nicht, warum die CSU in Bayern mit diesem Personal immer noch stärkste Partei ist. Nur sieht es bei den Ampel-Parteien auch nicht wesentlich besser aus. Jeder, der ein Regierungsamt oder ein Abgeordnetenmandat übernehmen will, sollte zunächst eine mindestens dreijährige Ausbildung machen müssen, in der die wesentlichen Kenntnisse von Recht, Justiz, Diplomatie usw. vermittelt werden.
Bolzkopf
Ja äähm, das war eine Organisationspanne.
Jemand hatte den CSU-Claqueuren die falsche Hausnummer genannt.
Kann ja mal vorkommen ...
tomás zerolo
Fliegt ihm also jetzt die braune Brühe, die er mit angerührt hat um die Ohren.
Geschieht ihm recht, könnte mensch sagen: die Schadenfreude hält sich jedoch in Grenzen, da wir alle den Schaden tragen.
Nochwas: gibt es in Bayern eigentlich einen Unterschied zwischen den Freien Wählern und der AfD?
GregTheCrack
Falsche Analyse: natürlich kann man sich freuen, wenn Söder von Rechten ausgebuht wird. Gleiches Schicksal übrigens wie vor Jahren Merkel&Co.
Aber wen kann ich wählen, wenn ich gegen das GEG bin? Die CSU tritt im meinem Bundesland nicht an. Also wen?
Christian Lange
@GregTheCrack Vielleicht sprechen Sie mal mit Ihren Kindern und Enkeln darüber. Die haben bestimmt einen Tipp ...
Zebulon
Alle 100 Jahre wieder, anscheinend.
Dem Söder würde einmal etwas Beugehaft gut tun bis zum wiedererkennen demokratischer Grundwerte. Damit ihm klar wird, was er selbst so an anderen Demokraten verbricht (LG). Dieses Schwadronieren scheint sich zu verselbstständigen. Ohne Maß (außer Bier natürlich) und mit sehr dubiosem Ziel. Erschütternd.
Diana Klingelstein
@Zebulon Jepp, Beugehaft, das klingt nach Demokratie.
elektrozwerg
Wenn morgen die Ampel platzt, haetten Union und Gruene kein Problem weiter zu machen, wahrscheinlich sogar erfolgreicher.
Die Folge ist, dass die Union als Regierungspartei auf der Ersatzbank gesehen wird und nicht als Opposition.
Und der schwarze Baumkuschler, der wahrscheinlich nur deshalb gegen Windkraftwerke in Bayern ist, weil die sich noch schneller im Wind drehen als er, hat doch jegliche Glaubwuerdigkeit verloren.
Sonnenhaus
@elektrozwerg Die Glaubwürdigkeit war von Anfang an nicht vorhanden, da er nicht nach demokratischen Inhalten gewählt wurde, sondern aufgrund des Parteienproporzes.
Der Wendehals Söder ist kein Staatsmann, noch ein seriöser und verlässlicher Politiker. Ihm geht es nur um Macht.