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Plagiatsvorwurf gegen Robert HabeckSchneller als sein Jäger

Ein umstrittener Plagiatsjäger will Robert Habecks Dissertation in die Pfanne hauen. Noch vor dessen Veröffentlichung reagiert Habeck.

Präsentiert namhafte Entlastungszeugen: Kanzlerkandidat Robert Habeck beim Videodreh Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Gerhald Haug legt sich fest. „Dass die Vorwürfe jetzt – kurz vor der Bundestagswahl – erhoben werden, ist gewiss kein Zufall, sondern politisch motiviert“, heißt es in einem persönlichen Statement des Klimatologen und Präsidenten der Leopoldina-Akademie. Robert Habeck, Grünen-Spitzenkandidat zur Bundestagswahl, habe ihm schon im Januar von Vorwürfen bezüglich seiner Doktorarbeit berichtet. Tatsächlich sieht Haug in den Fußnoten „bibliographische Ungenauigkeiten“. Die zitierten Aussagen würden jedoch nicht verfälscht, Argumentation und Ergebnisse der Arbeit nicht beeinträchtigt.

Einen wertvollen Entlastungszeugen haben die Grünen da aufgetan. Und auch sonst funktioniert ihre Krisenkommunikation an diesem Montag. Als im Wahlkampf 2021 Plagiatsvorwürfe gegen die damalige Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock auftauchten (und sich später bestätigten), reagierte die Partei noch kopflos. Seitdem haben sie offensichtlich dazugelernt: Proaktiv entkräften sie am Vormittag Vorwürfe gegen Habeck und dessen Doktorarbeit, noch bevor diese überhaupt öffentlich wurden.

Das geschah dann am Montagnachmittag durch den umstrittenen Plagiatsjägers Stefan Weber, der 2021 schon Baerbocks Plagiatsaffäre losgetreten hatte. Schon vor Monaten kündigte er auf seinem Blog an, es werde zu Habecks Doktorarbeit „in den nächsten Monaten Unangenehmes zu berichten geben“. Nun hat er geliefert. Der Vorwurf, den auf seinem Blog plagiatsgutachten.com nun macht: „Habeck hat auf geradezu unglaubliche Weise eine Belesenheit vorgetäuscht, die er nicht hat.“

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Jede Menge Schnipsel

Es geht um Quellenangaben in Fußnoten. Habeck soll Primärquellen genannt und zitiert haben, die er nur aus Sekundärliteratur gekannt haben kann, so Webers Vorwurf. In seinem Blog liefert er eine umfangreiche Liste mit vorgeblichen Belegen. Welches Gewicht etwaige Zitierfehler im Vergleich zur gesamten Dissertation haben, erschließt sich dabei nicht. Es werden nur Schnipsel geliefert.

Weber selbst, der auch schon mal im Auftrag des Faktenverdreherportals „Nuis“ eine Doktorarbeit auf Fehler abgesucht hat, tut in seinem Blog so, als glaube er nicht, dass seine Erkenntnisse Folgen haben werden. „Da Habeck ein (Links-)Grüner ist, wird man sagen, dass der Plagiatsvorwurf unzutreffend sei“, schreibt er und macht sich so vorsorglich schon mal zum ersten Opfer einer Plagiatsaffäre, die er selbst losgetreten hat. Leopoldina-Präsident Haug hatte zuvor in seinem Statement geschrieben, er sehe kein Skandalmaterial in der Dissertation. „Dies gilt unabhängig von der parteipolitischen Zugehörigkeit der betroffenen Person.“

Die Grünen hatten schon vor Wochen erfahren, was es mit Webers Vorwürfen auf sich hat. Im Stillen bereitete sich die Partei seitdem vor: Habeck bat die Universität Hamburg, an der er die Arbeit im Jahr 2000 geschrieben hat, um eine Überprüfung. Sie kam nach eigenen Angaben zu dem Ergebnis, dass „weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gegen die Standards der guten wissenschaftlichen Praxis verstoßen wurde“.

Nachdem Weber am Sonntag im Kommentarbereich seines Blogs angedeutet hatte, dass es am nächsten Tag Neuigkeiten gibt, starteten die Grünen am Montagvormittag ihre Kommunikationsoffensive. In einem Web-Video berichtet Habeck selbst von Vorwürfen, der Einschätzung des Leopoldina-Präsidenten und der Überprüfung durch die Universität. „Jetzt, kurz nach Abschluss der Prüfung durch die Uni Hamburg, erfuhr ich noch von weiteren Fußnoten, die Herr Weber bemängelt“, fügt er hinzu – wiederum, ohne seine In­for­man­t*in­nen zu nennen. Unter anderem habe Weber „penibel Tippfehler aufgelistet“. Auch die neuen Vorwürfe hat Habeck der Uni zur Prüfung vorgelegt, das Ergebnis steht noch aus.

Weber war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Auf der AfD-nahen Internetplattform X, vormals Twitter, bezichtigte er Habeck derweil der Lüge. Es gehe nicht nur um „Ungenauigkeiten in den Fußnoten“.

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17 Kommentare

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  • Hey in die Runde white 🏳️!



    Hab mich in dem Metier die einsamste Zeit meines Lebens rumgetrieben! But.



    “Es geht um Quellenangaben in Fußnoten. Habeck soll Primärquellen genannt und zitiert haben, die er nur aus Sekundärliteratur gekannt haben kann, so Webers Vorwurf.“



    Dess versteh ich nicht - was genau begründet den Vorwurf Verletzung wissenschaftlicher Standards? Weiß da jemand im Floristen-Chor genaueres - kann aufklären?



    Flapsig - es passiert doch alle Nas lang: du liest in ner Publikation nen Verweis auf ne Primärquelle - ackerst das durch - baust‘s ein etc & zitierst sie. M.E. ist frauman nicht verpflichtet “gefunden bei“ oder drgl. anzufügen! Kannste machen “verdanke ich …“

    Zwingend ist das mW nicht - odr?! weiß jemand mehr?



    (& “Belesenheit vortäuschen“ - wat issen nu wieder ditte?!;)



    Mach ich doch auch andauernd / dabei nur ein lausiger Pointilist - ist das strafbar?! 🙀🥳

    • @Lowandorder:

      „Belesenheit vortäuschen“ - wat issen nu wieder ditte?!"



      Vermutlich ein Verweis auf eine Primärquelle, die man nicht selbst gelesen hat...



      Wenn ich etwa auf Quellen verweise, die z.B. bei Wikipedia unter „Einzelnachweise" aufgeführt sind, ohne Wikipedia zu erwähnen... - könnte ich mir vorstellen.



      Das könnte den Anschein erwecken, ich wäre selbst den Bach rauf zur Quelle gepaddelt.Die Bewertung der Methode überlasse ich den Fachleuten.

  • Ist doch egal, von wem er bezahlt wird.



    Das Ergebnis zählt.



    Und seltsame Doktorarbeiten gibt es links wie rechts.

  • "Da Habeck ein (Links-)Grüner ist, ..."



    Da kann man schon aufhören zu lesen. Habeck ist doch gar kein Links-Grüner, sondern gehört zum Wirtschafts- und Realo-Flügel der Partei, also zum rechten Flügel. Wenn Weber da schon (bewusst und ideologisch) ungenau ist, muss es mit seiner pseudopeniblen Fehlersuche nicht besser sein.

  • Unabhängig davon, dass Habecks Doktorarbeit eh niemanden interessiert, wird sich das wohl klären lassen. Dann ist die Sache vom Tisch.

  • Dieser Weber ist eine höchst dubiose Gestalt. Zufällig kurz vor Bundestagswahlen in den Doktorarbeiten grüner Kandidat*innen immer wieder Fehler zu finden, ist schon echt bemerkenswert. Falls sich die Vorwürfe als substanzlos entpuppen, wäre das hoffentlich das letzte Mal, dass dieser Typ groß beachtet wird.

    Das Framing in diesem Artikel ist aber dennoch einigermaßen bemerkenswert. "Auf der AfD-nahen Internetplattform X, vormals Twitter, bezichtigte er Habeck derweil der Lüge." - X ist Schrott, aber dieses Framing bezichtigt Weber mit höchst fraglicher Begründung der AfD-Nähe. Auf der gleichen Plattform hat sich aber erst vor kurzem Bernie Sanders mit den Demos gegen die AfD solidarisiert.

    Abgesehen davon heißt das "Faktenverdreherportal" "Nius", nicht "Nuis".

  • "Unter anderem habe Weber „penibel Tippfehler aufgelistet“. Auch die neuen Vorwürfe hat Habeck der Uni zur Prüfung vorgelegt, das Ergebnis steht noch aus."



    Tippfehler sind Zeugnisse der Authentizität, weil sie immer wieder erscheinen. Jeder weiß doch um seine Schwächen und merkt oft erst viel später, dass das Wissen Lücken hat(te). Sympathisch ist doch eben(t) ein gediegener Fehler, obwohl von renom(m)iertem Stande.



    de.m.wikipedia.org



    "„Wat kümmert mich ming Jeschwätz von jestern?“ ist die kölsch gefärbte Version des Ausspruchs: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern“. Er wird heute meist dem – von 1949 bis 1963 – ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland Konrad Adenauer zugeschrieben, um ihn als Realpolitiker zu kennzeichnen, der schnell und flexibel auf veränderte Umstände reagiert. In diesem Sinne wird gern die Ergänzung beigefügt: „Es kann mich doch niemand daran hindern, jeden Tag klüger zu werden“.



    Gilt auch für den Jäger.



    Die Sache hat schon "Geschmäckle".

  • Zu: "Weber selbst, der auch schon mal im Auftrag des Faktenverdreherportals „Nuis“ eine Doktorarbeit auf Fehler abgesucht hat, tut in seinem Blog so, als glaube er nicht, dass seine Erkenntnisse Folgen haben werden. „Da Habeck ein (Links-)Grüner ist, wird man sagen, dass der Plagiatsvorwurf unzutreffend sei“, schreibt er und macht sich so vorsorglich schon mal zum ersten Opfer einer Plagiatsaffäre, die er selbst losgetreten hat."

    Für eine Person, die sich als jemand darstellt, die gute wissenschaftliche Praxis überprüft ist eine derartige Aussage ziemlich unseriös. Hut ab vor Habeck proaktiv von echter wissenschaftlicher Seite seine Arbeit überprüfen zu lassen. Wenn jetzt schon kleinere Zitierfehler und Tippfehler zu Plagiaten führen, dann wären wahrscheinlich weit über 95% der Doktorarbeiten ein Plagiat. Ein Plagiat ist eine Täuschung oder es ist vereinfacht ausgedrückt ein enorm(!) falscher Umgang mit Quellen. Und darum scheint es sich hier nicht zu handeln.



    Die Rechten arbeiten sich mit allen Mitteln gegen ihr Lieblingsfeindbild ab. Weber scheint definitiv voreingenommen und ungeeignet für seine Tätigkeit zu sein.

  • taz: *Ein umstrittener Plagiatsjäger will Robert Habecks Dissertation in die Pfanne hauen. [...] Weber [...], der auch schon mal im Auftrag des Faktenverdreherportals „Nius“ eine Doktorarbeit auf Fehler abgesucht hat, ...*

    Da reicht ja schon das Wort „Nius“, und dann man weiß woher der Wind weht - von ganz weit rechts.

    **Nius ist ein deutschsprachiges Onlinemedium, dessen Inhalte als rechtspopulistisch und rechtskonservativ eingeordnet werden. Chefredakteur ist der ehemalige Bild-Chefredakteur Julian Reichelt.** [WIKIPEDIA]

    ***Nius: Wo rechte Hetze eine Bühne bekommt | ZDF Magazin Royale*** www.youtube.com/watch?v=6naugGonRkE

  • Ganz unabhängig vom derzeitigen Fall, was bei solchen Sachen wichtig wäre ist das man die Doktorväter/Mütter mehr in Haftung nimmt, die betreuen die Arbeit und lesen und bewerten sie. Die sind dafür verantwortlich das sauber zitiert wird und sollten auf auf Plagiat überprüfen.

  • Politisch geplanter Angriff



    Ich finde Plagiatsvorwürfe wenige Tage vor einer Wahl unmoralisch und falsch, weil der Angegriffene diese Behauptung in den wenigen Tagen bis zur Wahl gar nicht widerlegen kann, sollten sie falsch sein.



    Dies gestehe ich ausdrücklich auch H. Habeck zu, von dem ich sehr wenig halte.

    • @Hans Dampf:

      😤 Arm Kräutchen

      Ein Sauerampfer auf dem Damm



      stand zwischen Bahngeleisen,



      machte vor jedem D-Zug stramm,



      sah viele Menschen reisen.

      Und stand verstaubt und schluckte Qualm,



      schwindsüchtig und verloren,



      ein armes Kraut, ein schwacher Halm,



      mit Augen, Herz und Ohren.

      Sah Züge schwinden, Züge nahen.



      Der arme Sauerampfer



      sah Eisenbahn um Eisenbahn,



      sah niemals einen Dampfer.

      Joachim Ringelnatz



      (1883-1934)



      Indeed - Ach härm (Oscher Platt;)

  • "Habeck hat auf geradezu unglaubliche Weise eine Belesenheit vorgetäuscht, die er nicht hat.“



    Ist das relevant? Es wird doch die Arbeit bewertet, nicht die Person. Die Belesenheit, wenn die wichtig ist, kann man im Rigorosum zeigen.



    In den Naturwissenschaften würde das keine Rolle spielen. Da zitiert man natürlich die Originalarbeiten, in der Regel aber nach der Sekundärliteratur.

  • Hoch spannend, dieser Herr Weber. In der FAZ (leider nur hinter der Bezahlschranke) ist nachzulesen, wie er sich schon mal am Versuch der Vernichtung einer Person beteiligt hat (Fall Graw) und erst eingelenkt hat, nachdem Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte. Als es nicht mehr anders ging, hat er sich entschuldigt.

    • @benwolf:

      Man kann sich nicht entschuldigen (Fehlverhalten für ungeschehen erklären). Man könnte höchstens um Entschuldigung bitten. Der Bitte würde dann vielleicht entsprochen oder, falls die Reue unglaubhaft erscheint, auch mal nicht.

      • @dtx:

        www.duden.de/recht...bung/entschuldigen

        "entschuldigen" (Verb) im Duden:

        Bedeutung 1a): jemanden wegen eines falschen Verhaltens o. Ä. um Verständnis, Nachsicht, Verzeihung bitten

        Wenn Sie sich als Korinthenkacker betätigen wollen, stellen Sie doch bitte sicher, dass Ihre Definitionen wenigstens korrekt ist, ansonsten ist das außerordentlich peinlich

  • " auch sonst funktioniert ihre Krisenkommunikation"

    Schön, dass bei denen wenigstens noch irgendwas funktioniert.