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Ole Nymoen und die Frage des KriegesKampflos in die Unfreiheit?

Der deutsche Bestseller-Autor Ole Nymoen will nicht für sein Land kämpfen und würde dafür ein Leben in Unfreiheit in Kauf nehmen. Ein Pro und Contra.

Abfahrt in die Kaserne – ein Rekrut wartet auf seinen Zug Foto: imago

B ei der Frage, wie man mit den Thesen des Autors Ole Nymoen in seinem Buch „Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde“ umgehen sollte, ist die Redaktion – wie so oft – nicht einer Meinung. Ein Pro & Contra.

Pro

Von Pauline Jäckels

Für den deutschen Staat weder sterben noch töten zu wollen, ist absolut nachvollziehbar. Wichtiger als die individuelle Haltung ist die Klassenfrage.

Sie ist wieder da, die Debatte um die Wehrpflicht. Noch setzen SPD und CDU auf Freiwilligkeit, doch zumindest die Union wünscht sich langfristig eine Pflicht – für Männer und Frauen. Aus konservativer Sicht ist das folgerichtig. Meint man es mit der neuen deutschen Kriegstüchtigkeit ernst, reichen viele neue, schuldenfinanzierte Panzer allein nicht aus. Es braucht auch Menschen, die sie bedienen – und im Ernstfall, etwa bei einem russischen Angriff auf einen Nato-Partner, bereit sind, damit zu töten. Nur ist der Großteil der jungen Menschen eben dazu nicht bereit: Lediglich 19 Prozent aller Befragten würden laut Forsa-Umfrage im Ernstfall ihr Land mit der Waffe verteidigen. Wer das öffentlich sagt, wird im Netz oder in Talkshows als Vaterlandsverräter oder – in der grün-liberalen Variante – als naive, friedensverwahrloste Lumpenpazifistin beschimpft. Auch ich wage mich hiermit an die deutsche Debattenfront: Weder will ich gebären noch töten oder sterben für Deutschland. Auch nicht für Europa. Und erst recht nicht für die Nato.

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Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums. Gelebte Debattenvielfalt.

Wenn junge Menschen wie der Autor Ole Nymoen sagen, sie würden „lieber in Unfreiheit leben, als für Freiheit zu sterben“, ist das zunächst eine persönliche Haltung. Sie als naiv abzutun, greift zu kurz. Vielmehr ist sie Ausdruck eines grundlegenden Lebenserhaltungsdrangs, der den kaum ausgeprägten Patriotismus junger Menschen in Deutschland überlagert.

Nymoens eigentliches Argument liegt woanders: Wer kämpft für wessen Freiheit? Staaten führen Kriege nicht primär zum Schutz der Bevölkerung oder abstrakter Werte. Entweder sie wollen Territorium gewinnen, um Macht auszuweiten, oder verteidigen es, um Souveränität zu erhalten. Die Bevölkerung – in Friedenszeiten Humankapital – wird im Krieg zu Menschenmaterial. So funktionieren Nationalstaaten. Warum also sollten Linke diese Logik übernehmen? Um den Gedanken weiter zu präzisieren: Krieg ist eine Klassenfrage. Es sind nicht die Kinder von Abgeordneten, Konzernvorständen, Talkshow-Gästen, die als Erste im Schützengraben landen. Sondern die von Verkäuferinnen, Paketboten, Pflegekräften. Wer über Einfluss oder Geld verfügt, wird Wege finden, die eigenen Kinder vom Wehrdienst zu befreien. Weder ein Angriffs- noch ein Verteidigungskrieg gegen Russland ist im Interesse der arbeitenden Bevölkerung.

Statt die Kriegslogik zu übernehmen, sollten sich Linke dagegen organisieren und Druck ausüben, damit der Staat nicht auf eine gefährliche Aufrüstungspirale setzt, sondern auf diplomatische Mittel, um ein Kriegsszenario abzuwenden. Selbst wenn man meint, man ginge an die Front für Demokratie und Freiheit: Ein Szenario, in dem die AfD in vier oder acht Jahren stärkste Kraft wird, ist nicht unwahrscheinlich. Dass sich der rechte Flügel der CDU durchsetzt und eine blau-schwarze Koalition eingeht, ist vorstellbar. Dann bauen wir heute eine Armee auf, die morgen einer AfD-Regierung dient – und verteidigen eine Unfreiheit gegen die nächste.

Bild: Foto: privat
Pauline Jäckels

ist Redakteurin im Meinungsressort der taz. Sie studierte Politikwissenschaft und Internationale Beziehungen in Berlin und London.

Contra

Von Simone Schmollack

Der Autor Ole Nymoen weiß nicht, wovon er spricht, wenn er ein Leben in Unfreiheit dem Kampf für Freiheit vorzieht, wie er in seinem Buch „Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde“ schreibt. Das aber trotzdem vorweg: Ich kann vielen seiner Thesen folgen. Er hat recht, wenn er sagt, dass man im Krieg sterben oder verwundet werden kann. Ich stimme ihm zu in der Annahme, dass man durch einen Krieg – ob mit oder ohne physische Verletzungen – schwere psychische Schäden davontragen kann. Er hat ebenso recht, wenn er fürchtet, im Krieg auf Menschen schießen zu müssen, mit denen er bis dahin friedlich nebeneinander lebte oder die er noch nicht einmal kannte. Ich kann also verstehen, dass der 27-Jährige keine Waffe in die Hand nehmen und schon gar nicht sterben will. Wer will das schon?

Und doch muss ich ihm heftig widersprechen. Seine Idee, lieber in Unfreiheit zu leben, als für Freiheit zu sterben, mag bedeutsam, mutig, postheroisch klingen, weil sich Nymoen damit der neuen deutschen Kriegstüchtigkeit in den Weg stellt. Aber es ist nicht mutig, sich freiwillig in Unfreiheit zu begeben. Im Gegenteil, es ist naiv und zeugt lediglich davon, dass Nymoen keine Ahnung von einem Leben in Unfreiheit hat. Wie sollte er das auch wissen? Er wurde 1998 in Freiheit geboren, er wuchs in Freiheit und Wohlstand auf, er darf, seit er sprechen kann, alles sagen, was er denkt. Als Journalist wird er wegen seiner Arbeit weder bestraft noch verhaftet, gefoltert,ermordet. Anders als viele andere Menschen, die in ihren Ländern für Freiheit kämpfen: Russland, Türkei, China, Afghanistan, Saudi-Arabien, Iran – um nur einige zu nennen.

Nymoen lebt ein privilegiertes Leben in einer Demokratie, das Leben in einer Diktatur, in Unfreiheit, kennt er nur theoretisch. Ich bin in einer Diktatur groß geworden und weiß, was das heißt. Auch wenn ich nicht, so wie viele DDR-Dissidenten, im Stasi-Knast war und dort vergiftet, gefoltert, gedemütigt wurde. Von der Stasi verfolgt und bedroht indes wurde ich schon, sie legte mehrere Dossiers über mich an, meine Wohnung war verwanzt. In einer Diktatur hat schon jedes kleine Kind die berühmt-berüchtigte Schere im Kopf: Was darf ich im Kindergarten und in der Schule sagen, damit meine Eltern keinen Ärger bekommen? Studierende umso stärker, weil sie exmatrikuliert werden könnten.

Wer etwas Falsches, etwas Kritisches sagt, wer demonstriert und aufbegehrt, der muss damit rechnen, inhaftiert und getötet zu werden. Müttern werden ihre Kinder weggenommen, Menschen verschwinden. Es geht den Diktatoren immer darum, maximalen Druck gegen Geg­ne­r:in­nen aufzubauen, Angst zu schüren, Denunziantentum zu produzieren. DAS ist Unfreiheit in einer Diktatur – und nicht etwa ein Deutschland wie heute, nur mit ein paar Einschränkungen.

Aber Ole Nymoen kann ganz gelassen bleiben: Die Wehrpflicht wird zunächst nicht wieder eingeführt, es ist auch in absehbarer Zeit nicht realistisch. Er muss also gar nicht in den Krieg. Ich wünsche ihm, dass er nie in Unfreiheit leben muss. Autoritäre Regime aber, die gibt es nach wie vor. Und es dürften mehr werden.

Foto: Foto: Barbara Dietl
Simone Schmollack

leitet das Meinungsressort der taz und ist jeden Tag dankbar für die Freiheit, in der sie seit dem Mauerfall lebt.

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Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Pauline Jäckels
Meinungsredakteurin
Redakteurin im Meinungsressort seit April 2025. Zuvor zuständig für die parlamentarische Berichterstattung und die Linkspartei beim nd. Legt sich in der Bundespressekonferenz gerne mit Regierungssprecher:innen an – und stellt manchmal auch nette Fragen. Studierte Politikwissenschaft im Bachelor und Internationale Beziehungen im Master in Berlin und London.
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56 Kommentare

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Kommentarpause ab 17. April 2025

Liebe Kommune,

wir machen Osterpause – die Kommentarfunktion bleibt für ein paar Tage geschlossen. Ab dem 22.04.2025 sind wir wieder für euch da und freuen uns auf spannende Diskussionen.

Genießt die Feiertage 🐣🌼
  • Im Gegensatz zum Autor habe ich gedient und weiß, dass Freiheit nicht umsonst ist. Es ist mir schleierhaft, warum er glaubt, er könne in Unfreiheit ein halbwegs normales Leben führen.

    Am Beispiel der russischen Besatzung in der Ukraine:



    Männer könnten zwangsrekrutiert werden, um als Menschenmaterial das nächste Land anzugreifen. Die Kinder könnten entführt werden. Familie, Verwandte und Freunde könnten Opfer von systematischen Massakern werden wie in Butscha, Irpin oder Mariupol. Die Bezeichnung "Unfreiheit" für eine mögliche Besatzung der brutalsten Art wirkt ziemlich absurd.

  • Das die vom Nazi Deutschland überfallenen Länder im 2. Weltkrieg sich gewehrt und letztlich Deutschland zu Kapitulation gezwungen haben, war also nach der Diktion von Nyomen ein falsch. So, so, man hätte Nazi-Deutschland einfach so machen lassen müssen. Erklären Sie das mal einem Überlebenden des Holocaust. Mir wird ganz schlecht, mit welchen Phantasien und Vorstellungen man sich heute auseinandersetzen muss!

  • Contra:



    Sagt mir, was hat er an Gut und Werth,



    Wenn der Soldat sich nicht selber ehrt?



    Etwas muß er sein eigen nennen,



    Oder der Mensch wird morden und brennen.



    (...)



    Aus der Welt die Freiheit verschwunden ist,



    Man sieht nur Herrn und Knechte;



    Die Falschheit herrschet, die Hinterlist



    Bei dem feigen Menschengeschlechte.



    Der dem Tod ins Angesicht schauen kann,



    Der Soldat allein, ist der freie Mann.



    (Schiller, Wallenstein)

    Pro



    Was soll ich machen (...) Wenn wackre Männer, die sich Ehre suchten,



    Verstümmelt und halb tot



    Im Staub sich vor mir wälzten, und mir fluchten



    In ihrer Todesnot? (...)



    Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?



    Die könnten mich nicht freun!



    's ist leider Krieg – und ich begehre



    Nicht schuld daran zu sein!



    (Matthias Claudius, Kriegslied)

  • Wer eine Studie zu zivilem Widerstand lesen möchte, weil das Wissen noch nicht allgemein verbreitet ist:



    "Die Erkenntnisse der US-Wissenschaftlerinnen Erica Chenoweth und Maria J. Stephan zur Wirksamkeit von gewaltfreiem Widerstand werden in der Fachwelt seit einigen Jahren viel beachtet. Erst jetzt allerdings erschien die wegweisende Studie in einer deutschen Übersetzung - und ist damit auch hierzulande einem breiten Publikum zugänglich."



    Bei:



    ohne-ruestung-leben.de



    Überschrift zum Artikel

    Nachrichten - 19. Januar 2025 - UPDATE: 10. Februar 2025



    "Warum ziviler Widerstand funktioniert" - Vielbeachtete Studie jetzt auch in deutscher Sprache



    Eine Auseinandersetzung kann hier nicht schaden...

  • An Frau Schmollack hätte ich folgende Frage: Warum haben Sie denn nicht gekämpft? Es hätte Ihnen frei gestanden das System zu bekämpfen!



    Und eine Anmerkung: Sie wissen auch nicht wovon Sie sprechen, denn es ist ja ein Riesenunterschied, ob Sie sich freiwillig entscheiden können, oder ob Sie im Zweifelsfall gezwungen werden. Als Frau können Sie nicht gezwungen werden (da ist das GG sehr eindeutig Art 12a Abs.4 regelt: Frauen "dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden". Auch in der DDR war der Dienst an der Waffe für Frauen freiwillig) - als Mann schon! Als es vor einigen Wochen eine 2/3 Mehrheit im Bundestag gab, hab ich gar keine Meinungsbeiträge wahrgenommen, die gefordert hätten das GG dahingehend zu ändern, dass auch Frauen verpflichtet werden können... hab ich das übersehen?

  • Schmollacks Gegenüberstellung von freien und unfreien Ländern trifft so nicht zu. Auch in der DDR wurden keine Journalisten getötet, die durften bloß nicht arbeiten. Und umgekehrt: Auch in der BRD muss man zunehmend die Schere im Kopf haben, und zunehmend in der Schule, aber erst recht im Studium.

  • Wie viele Leute sagen: "ich bin tot, aber es hat sich gelohnt."?

  • Die Bürger*innen der USA zahlen zur Zeit „den Preis der Freiheit".



    --



    Frage: Warum wurde in den USA der Wehrdienst abgeschafft?

  • "Solidarität".



    Ich denke darüber nach, ob es auch dann nötig geworden wäre, in diesem Kontext "Solidarität" zu diskutieren und zu bemühen , wenn sie schon zuvor so bedeutsam im Lande gewesen wäre, dass es dadurch womöglich erst gar nicht so weit hätte kommen müssen.



    Anders gesagt: Ist die Freiheit, die es nun zu verteidigen gilt, eine solche - gewesen - , die in Art und Umfang nicht ausreichte, um zu verhindern, dass sie nun auf diese Weise verteidigt werden muss?

    Ist nicht Krieg auch ein Merkmal dafür, ob und wie die stets fortdauernde Aufgabe der Lösung der sozialen Fragen gelebt wurde?

  • Ich habe das Buch nicht gelesen, aber zu Simone Schmollaks Komentar gibt es schon einiges zu sagen: Ole Nymoen hat ein Leben in Unfreiheit nicht erlebt, trotzdem hat er das Recht, darüber nachzudenken. Simone Schmollak hat Unfreiheit erlebt, aber keinen Krieg, und trotzdem darf sie verlangen, dass andere Menschen für Frau Schmollaks Freiheit töten und getötet werden. Sie selbst wäre ja nicht betroffen.



    Die DDR als Argument anzuführen, ist völlig absurd: Der mutige Widerstand in der DDR war pazifistisch, ohne Waffen, und hat zum Erfolg geührt! Der militärische Widerstand in der BRD (RAF) war blutig, mit Waffen, und ohne Erfolg. Der zivile Widerstand der 68 er hat einige positive Auswirkungen gehabt.



    Bitte nicht vergessen: Von den Nationalsozialisten wurde Deutschland nicht nur von den Amerikanern befreit (480 000 Gefallene), sonden auch von der Sowjetunion (25 000 000 Tote): Man weiß halt nie so genau, was dabei herauskommt!



    Frau Schmollak schreibt "es ist nicht mutig, sich freiwillig in Unfreiheit zu begeben ..." das ist infam! Zwischen "freiwillig" und bewaffnetem Kampf gibt es einige Nuancen! Pazifisten sind weder naiv noch feige, sondern sie wehren sich, ohne andere zu töten.

  • Die Sasi in der DDR als Argument anzuführen, zeigt doch, dass es die eigenen Mitbürger waren, die die Freiheit eingeschränkt hatten. Und auch in der Nato Herrschaft waren es die eigen Mitbürger, die die Freiheit zerstört hatten. Es braucht gar keinen Feind aus einem anderen Land.



    Ich finde das Argument von Pauline Jäckels viel zutreffender: Wollen wir der AfD eine kriegstüchtigen Armee aufstellen?

  • Ein russischer Einmarsch in Deutschland bedeutet Rechter Flügel AFD als Vasallenregierung und Ausplünderung des Landes, was das bedeutet für sexuelle Minderheiten, Migranten, Muslime das kann sich jeder ausmalen. Im Baltikum und Polen würde Putin seinem großen Vorbild Stalins folgend vermutlich gleich die gesamte Identität der Völker auslöschen, mitsamt der gesamten politischen und intellektuellen Eliten. Ich persönlich setze da eher auf meine Überlebenschancen in einem Atomkrieg, halt meine persönliche Meinung.

  • Das Argument "für den Staat, für Deutschland will ich ich nicht kämpfen" ist so alt wie unterkomplex. Und dieses Bild eines Staates wird komischerweise auch immer nahezu nur bei dem Thema Bunderswehr herausgekramt.



    Ansonsten wird der Staat als Summe der hier lebenden Menschen begriffen und staatliche Pflichten wie Sozialabgaben, Steuern zahlen, Gesetze einhalten, werden unter dem Banner Solidarität abgeheftet.



    Aber wenns darum geht, das Land zu verteidigen, dann ist der Staat immer der abstrakte, kapitalistische Machtapparat, dann will man nicht "sterben für Deutschland".



    Dass dieses Deutschland aber auch auch Millionen von Kindern, von Hilfs- und Pflegebedürftigen und Schutzsuchenden ist, kommt dann auf einmal nicht mehr vor. Dann läßt man im Ernstfall diejenigen, die sich nicht selbst helfen bzw. zur Flucht entscheiden können,zurück.



    Kann man so sehen. Aber dann nehm ich das Gerede von Solidarität eben auch nicht mehr ernst.

    • @Deep South:

      Interessant, wie oft gerade im Kriegsfall plötzlich das Allgemeinwohl als moralischer Imperativ beschworen wird, der angeblich jeden in die Pflicht nimmt, „das Land“ zu verteidigen.



      Plötzlich ist Deutschland nicht mehr nur ein Staat mit ökonomischen Interessen, Staatsgrenzen und Bürokratie sondern eine treue Schicksalsgemeinschaft aus Kindern, Schutzsuchenden (auch sehr interessant, diese hier zu erwähnen) und Pflegebedürftigen.



      Und wer sich weigert, für diese abstrakte Einheit zu sterben oder sich in Gefahr zu begeben, wird mangelnde Solidarität (oder ein falsches Bild davon) vorgeworfen.

      Solidarität ist aber keine Einbahnstraße und darf nicht zur moralischen Erpressung umgedeutet werden.



      Wenn der Staat möchte, dass Menschen ihn verteidigen, dann steht er auch in der Bringschuld und müsste zeigen, dass er wirklich für alle (!) Menschen da ist, auch wenn es um das Wohl Schutzsuchender, Klima, marode Schulen, Krankenhäuser und bezahlbaren Wohnraum geht.

      Es ist kein Zufall, dass viele gerade dann nicht in den Krieg ziehen wollen: Weil sie genau wissen, dass die, für die sie angeblich sterben sollen, im Alltag selbst vom Staat im Stich gelassen werden.

    • @Deep South:

      Wie sieht es denn gerade in der Ukraine oder im Gazastreifen aus? Sind da die Kinder, die Hilfs- und Pflegebedürftigen und Schutzsuchende durch das Militär geschützt oder doch schutzlos Opfer kriegslüsternder Oligarchen?

  • Gewaltfreiheit funktioniert nur dann als Verteidigungsstrategie, wenn der Gegner empfänglich für moralischen oder gesellschaftlichen Druck ist - also ein Mindestmaß an Empathie, Vernunft oder öffentlicher Meinung kennt. Gegen rücksichtslose, autoritäre Regime oder Akteure, die keinerlei Skrupel haben (z. B. Putins Russland in der Ukraine), scheitert gewaltfreier Widerstand oder endet tödlich. Wenn ein Gegner ein totalitäres Regime ist, dann funktioniert moralischer Pazifismus in der Praxis nicht. Das ist die historische Realität.



    "In Unfreiheit leben" bedeutet nicht einfach "ein bisschen weniger Freiheit", sondern kann heißen: Ständig Angst haben zu müssen - vor dem Staat, vor Repression, vor sozialem oder wirtschaftlichem Ausschluss. Es bedeutet, sich nicht äußern, nicht wählen, nicht ausreisen oder nicht leben zu dürfen, wie man will. Es bedeutet Überwachung, willkürliche Verhaftungen, Folter oder Misshandlung, Straflager usw. Es bedeutet KEINE FREIHEIT. Das ist genau der Widerspruch, den ich bei Nymoen sehe: Wenn wir die Freiheit heute nicht verteidigen, leben wir womöglich morgen in einem System, das uns jede Freiheit nimmt, einschließlich der, nicht kämpfen zu wollen.

    • @sja:

      Man muss unterscheiden zwischen einer fremden Besatzungsmacht und einer lokalen Diktatur, letztere braucht Legitimität und darf es nicht übertreiben, ersterer sind beim Terror keine Grenzen gesetzt.

  • Wie kommt Ole, als junger Mann, zu der Einschätzung, ohne Kampf davon zu kommen? Wenn er von einem hinreichend autoritärem und kriegslüsternen Aggressorstaat widerstandslos absorbiert werden würde, würde er als Nächstes selbstverständlich eingezogen, um mit seiner erzwungenen aktiven Mithilfe den nächsten Nachbarstaat zu überfallen und in Unfreiheit zu zwingen. Er würde keineswegs in Ruhe gelassen, sein Leben in Unfreiheit zu genießen.

    • @TheBox:

      Sie haben es auf den Punkt gebracht.

  • Volle Zustimmung mit Ole Nymoen.

  • In einem Staat-das sind wir alle- gibt es Rechte und Pflichten. Viele Jahre haben wir unsere Rechte wie soziale Sicherheit, kostenlose Bildung etc. genossen. Wenn es jetzt an der Zeit wäre auch einer möglichen Wehrpflicht nachzukommen, dann wäre das mehr recht als billig. Ein demokratischer Staat muss gegebenenfalls eben auch verteidigt werden, wir haben hier ja auch Kinder, Eltern und Grosseltern, die nicht unbedingt in Unfreiheit leben möchten.Etwas gesunder Egoismus in Ehren, grenzenloser Egoismus ist im Krisen/Kriegsfall aber obsolet.

    • @Fred Feuerstein:

      Soziale Sicherheit, Bildung, Gesundheitsversorgung sind keine Geschenke des Staates, sondern Errungenschaften, die von Generationen gegen sehr viel Widerstand hart eingefordert und bitter erkämpft wurden. Sie sind Ausdruck gesellschaftlicher Solidarität, nicht Eigentum des Staates, das nun durch Kriegsdienst “abgegolten” werden müsse. Es gibt keine Bringschuld hierfür.

      Ein demokratischer Staat verdient dann Schutz, wenn er selbst seinen Pflichten nachkommt, Schutzraum für alle Menschen zu sein.



      Ein Staat aber, der Sozialabbau betreibt, Bildung und Gesundheit privatisiert, Schutzsuchende an den Grenzen abweist, Rüstungsindustrien füttert und Außenpolitik nach geostrategischen Interessen ausrichtet, kann sich nicht plötzlich auf „Gemeinwohl“ berufen, wenn es um das Leben seiner Bürger geht.

      In Friedenszeiten darf der Staat Wohnraum zum Spekulationsobjekt verkommen lassen, Renten kürzen, Schulen kaputt sparen – aber sobald es ums Kämpfen und Sterben geht, wird plötzlich an das „Wir“ appelliert? Und junge Menschen sollen jetzt ihren Kopf hinhalten, zum Dank weil sie ja auch 12 oder 13 Jahre feucht-schimmelnde Schultoiletten benutzen durften?



      Nein, danke!

  • Wie sagt man: Was nichts kostet, ist nichts wert.



    Und das ist das Problem der "Jugend": Freiheit und Wohlstand mussten nicht "erkämpft" werden, sie waren einfach so da. Man kennt es nicht anders. Und was man für selbstverständlich nimmt, weiß man nicht zu schätzen.



    Dazu kommt die menschliche Vergesslichkeit. Egal wie schlimm vergangene Kriege waren, ein paar Generationen später ist das alles verblasst. Deshalb wird sich Geschichte auch immer wiederholen.



    Klar ist es schön und edel, gegen Wehrtüchtigkeit zu sein und alles auf die Karte der Diplomatie zu setzen. Aber wenn die Gegenseite nicht will, hat man die A..karte, Neville Chamberlain lässt schön grüßen.



    Und natürlich darf selbst bei einem solchen Thema die AfD wieder nicht fehlen...ohne Worte.

  • Ich stimme Frau Schmollack zu. Zwar bin ich nicht in der DDR aufgewachsen oder einem ähnlichen Land aufgewachsen, aber in einer familiären Diktatur, aus der ich mich nur mühsam befreien konnte. Und das auch nur, weil unser Land eine Demokratie war und meine Befreiungsversuche unterstützt hat.



    Ich fange aber an zu begreifen, warum junge Leute glauben, dem Staat nichts "schuldig" zu sein. Interessieren würde mich mal, ob so ein junger Bestseller-Autor dann nicht doch einer der ersten wäre, der aufgrund seiner finanziellen Möglichkeiten und seines Namens Reißaus nehmen und in eines der Länder flüchten würde, die dann - vielleicht - doch noch freier sind.



    Denn Diktatur, am eigenen Leib erfahren, Seele, Geist und manchmal auch Körper in einer ewigen Schraubzwinge, fühlt sich wirklich nicht gut an.

  • Warum dann überhaupt Widerstand leisten? Wieso erst beim physischen Kampf und beim Tod anfangen?



    Ist es nicht auch besser, sich in einer Diktatur anzupassen, nicht aufzumucken? Lieber Bequemlichkeit in Unfreiheit, als Knast aus Eigensinn?

    Letzten Endes ist schon die Tatsache, dass Nymoen ein Buch schreiben darf und kann, in dem er die Politik seines Staates grundsätzlich kritisiert, ein Ausdruck exakt der Freiheit, die er dezidiert nicht verteidigen will.

    Und das bricht ihm argumentativ das Genick.

    • @Suryo:

      Perfekt auf den Punkt gebracht, Chapeau.

    • @Suryo:

      Ich fürchte, Sie haben sein Argument nicht verstanden: er sagt ja nicht, dass er es nicht für erstrebenswert hält, regierungskritische Bücher zu schreiben, sondern nur, dass er dafür nicht seinen Kopf riskieren würde. Das ist vielleicht nicht besonders heroisch, aber zumindest ehrlich (Spekulationen, wie viele der hiesigen Sofahelden immer noch opferbereit wären, wenn sie wirklich um ihr Leben fürchten müssten, überlasse ich Ihnen).

      • @O.F.:

        Es ist kein Problem feige zu sein, kein Problem selbstsüchtig zu sein, das Problem ist der seine eigene Position moralisch überhöht, aber letztlich argumentiert er auf dem Niveau von jemandem der keine Steuern zahlen will. Ihm ist die Gemeinschaft es nicht wert Opfer zu erbringen. Kann man argumentieren, würden die meisten Menschen vermutlich unterschreiben aber ist keine moralische Position.

  • "Weder will ich gebären noch töten oder sterben für Deutschland. Auch nicht für Europa. Und erst recht nicht für die Nato."

    Hätten doch die Briten und Franzosen 1939 doch auch nur gesagt "Warum sollen wir für paar Polen sterben?", man stelle sich mal vor, wie ruhig und "gesäubert" heute unser großes Deutsches Reich aussehen würde.



    Gut, dass man damals sich darüber hinweggesetzt hat, was manche Leute "wollen".

    Aber ich kann es gerne auch ummünzen und es viel breiter aufstellen:

    "Warum soll ich und mein Landflüchtlinge aufnehmen? Will ich auch nicht!", "Ich will keine Beiträge für Rundfunk zahlen.", "Ich will nicht X, ich will nicht Y"

    Es ist keine Frage bei solchen Sachen ob ich "will" oder nicht. Die Frage ist ob es notwendig und Moralisch vertretbar ist.

    • @Wayko:

      Also eine moralische Diktatur, für die es sich dann zu kämpfen lohnt?

  • „Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde“



    Ich denke, im Titel liegt schon ein grundsätzlicher Irrtum bereit?



    Vorweg: alle Waffen dieser Welt dürften sofort vernichtet werden!

    Ein Krieg ist aber etwas, was nicht nur gegen das Land, sondern gegen meine Freunde, Verwandten, meine Kinder oder PartnerIn gerichtet ist und ggf. ihren Tod mit sich bringt?



    Wer Glück hatte, hatte Eltern die geschwiegen haben. Wo das nicht so war, konnte man "erfahren", welche Grausamkeiten mit Krieg verbunden sind > Vergewaltigung, bestialische Tötungen, Aushungern, Foltern etc. auch von w e h r l o s e n Kindern, Frauen und Alten!

    Das kann auch der friedlichste Mensch nicht verhindern!



    Also, was genau bedeutet es ggf. als "Nationale Lösung" nicht zu kämpfen für das eigene Leben und seine nächsten Mitmenschen?

    Glaubt Herr Nymoen er käme deshalb davon, wäre dann einfach nur unfreier?



    Hat er die Bilder der Hamas, aus Gaza, aus der Ukraine nicht gesehen? Man kauft ein Ticket und weg? Er soll mal Palästinenser fragen, die ihre Familie nicht über die ägyptische Grenze bekamen (trotz angebl.12 TEUR/Person!)



    www.dw.com/de/crow...ausreise-finanzier

    • @Ansu:

      Wenn das Schlimme am Krieg vor allem die Kriegsgreuel sind, dann wäre es doch vernünftiger, eine schnelle Besatzung hinzunehmen und mit der Besatzungsmacht zu kollaborieren, oder? Was ja übrigens die meisten Dänen so gesehen haben und viele Norweger und Franzosen auch ... ganz abgesehen von den Rheinländern nach 1918.

  • Wieso immer "kämpfen"? Man kann es auch mit Politik (Diplomatie, Kompromissbereitschaft) versuchen.



    Pazifismus ist übrigens nicht passives Ergehen lassen, sondern die Lösung von Konflikten mit gewaltfreien Mitteln.



    Das ist, zugegeben, sehr anstrengend und intellektuell anspruchsvoll.

    • @drafi:

      Wenn Sie in die europäische Historie schauen werden Sie auf Menschen wie "Chamberlain" treffen, der mit Diplomatie versucht hat den drohenden Krieg zu verhindern ("Appeasement"). Das mag anspruchsvoll sein, ist bei Gegenübern wie Hitler aber einfach aussichtslos.

    • @drafi:

      Ist lobenswert, ist anszustreben. Finde ich super und das Ideal der Internationalen Beziehungen. Klappt aber nicht, wenn der Agressor partou diesem Ideal nicht folgen will. Dann nehme ich entweder eine Waffe in die Hand oder unterstütze die Verteidigung durch andere Mittel , oder ich akzeptiere, da Bucha überall sein kann und sein wird. PS: ich kann auf beide Arten helfen, ich habe gedient und bin im KatSchutz aktiv.

    • @drafi:

      Das ist unmöglich wenn der andere keine Moral hat. Gewaltfreie Mittel funktionieren gegen Gegner mit moralischem Anspruch oder wenn es gleichzeitig Druck von außen gibt, ansonsten werden sie ganz gewaltfrei an einem Massengrab erschossen. Das hat nichts mit anspruchsvoll zu tun sondern mit Realismus.

      • @Machiavelli:

        Die Idee. dass nur "wir" eine Moral haben, "die" aber keine, ist eine beliebte Selbsttäuschung.

  • Die pazifistische Idee, dass, wenn ich keinen Widerstand leiste, mir schon nichts passieren wird, klingt zwar schön, hält aber einer Überprüfung nicht unbedingt stand.



    Ich frage mich schon, wer im Krieg am Ende besser dran ist: Jene, die eine Waffe in der Hand haben, oder die wehrlose und oft geschundene Zivilbevölkerung.



    Und nach dem Krieg? Das, was als "innere Emigration" bezeichnet wird beinhaltet, dass man sich fügt, ganz gleich was mir oder meinen Mitmenschen angetan wird. Da muss sich jede*r fragen, wie weit er/sie zu gehen bereit ist. Ich fürchte, im Vorhinein kann das niemand für sich selbst verlässlich vorhersagen. Vielleicht zeigt jemand, der/die sich für ängstlich hielt, überraschend Zivilcourage, während andere, die sagten, sie würden sich wehren und den Mund aufmachen, sich im Ernstfall dann doch lieber wegducken. Wieder andere werden versuchen das Land zu verlassen.



    Mit moralischen Urteilen sollte man sich deshalb besser zurückhalten.

  • Kampflos in die Unfreiheit?

    Die Frage könnte man auch allen Damen stellen, oder warum fordern die hier nicht Gleichberechtigung und die Ausdehnung neuer Regeln zur Wehr/Dienstpflicht auf sie selbst - nichts da mit nur freiwillig. Wollen die etwa nicht für ihre Freiheit kämpfen oder warum sollen das wieder nur die Männer.

    • @Carolin Rudolf:

      So schön, wenn bei zusätzlichen Pflichten (neben Kinder bekommen, aufziehen, Eltern pflegen, Haushalt etc.) des unterbezahlten Ggeschlechtes auch ma jeamdn für die Gleichberechtigung kämpt!



      Herzlichen Dank für die Unterstützung! Die Übernahmen der pflegenden Aufgaben und den Schutz der Alten und Kinder vor marodierenden Soldatenfrauen übernehmen die verweigenden Männer?



      Oder nehmen die nur das Ticket zur Ausreise, weil sie nicht mehr für irgendetwas kämpfen wollen? Gibt es deshalb so viele "männliche" Flüchtlinge?

  • Frau Jäckels schreibt:

    "Krieg ist eine Klassenfrage. Es sind nicht die Kinder von Abgeordneten, Konzernvorständen, Talkshow-Gästen, die als Erste im Schützengraben landen. Sondern die von Verkäuferinnen, Paketboten, Pflegekräften. Wer über Einfluss oder Geld verfügt, wird Wege finden, die eigenen Kinder vom Wehrdienst zu befreien. Weder ein Angriffs- noch ein Verteidigungskrieg gegen Russland ist im Interesse der arbeitenden Bevölkerung."

    Zustimmung zum ersten Teil, Widerspruch zum letzten Satz. Es sind auch primär die Verkäuferinnen, Paketboten, Pflegekräfte UND DEREN KINDER, die seit drei Jahren tagtäglich von russischen Raketen und Drohnen in ihren ukrainischen Heimatorten ermordet werden. Es sind ganz normale ukrainische Frauen, die von der russischen Soldateska in den besetzten Gebieten vergewaltigt und ermordet wurden.

    Allein, um dies irgendwie abzuwehren und auch zu beantworten, sollten die Menschen kämpfen und sich wehren. Wer weiß, was in Russland los ist, der weiß auch, dass es lohnenswert sein kann, für seine Kinder und seine Familie zu kämpfen, damit die frei von russischer Okkupation leben können.

    • @Bussard:

      "Krieg ist eine Klassenfrage. Es sind nicht die Kinder von Abgeordneten, Konzernvorständen, Talkshow-Gästen, die als Erste im Schützengraben landen. Sondern die von Verkäuferinnen, Paketboten, Pflegekräften. Wer über Einfluss oder Geld verfügt, wird Wege finden, die eigenen Kinder vom Wehrdienst zu befreien. Weder ein Angriffs- noch ein Verteidigungskrieg gegen Russland ist im Interesse der arbeitenden Bevölkerung." Was auch nur so teilweise stimmt, der preußische Adel hatte teilweise einen höheren Blutzoll als manche Bauernfamilie. Gibt auch in den USA eine Menge Ostküstenaristokraten die eine Militärtradition haben genauso im UK.

      • @Machiavelli:

        Ergänzung: der Adel hatte allerdings den Vorzug, häufig Offizierskarrieren zu machen und nicht als einfacher Gefreiter im Schützengraben zu liegen.

        • @Tom Tailor:

          Im 18th Jahrhundert wurden eine Menge Adlige zerfetzt wenn sie in vorderster Linie ihre Regimenter in die Schlacht führten oder mit dem gezogenen Säbel den Kavallerieangriff ritten.

  • Von dem unangenehmen Ton einmal abgesehen, ist das Insistieren auf persönliche Erfahrung problematisch, weil es eben nur diese gelten lässt: denn in der DDR oder auch in China, Iran oder den anderen in dem Kommentar genannten autoritären Staaten gab bzw. gibt es ja nicht nur „Regimetreue“ und aktive Oppositionelle, sondern – in großer Zahl – Menschen, die sich offenbar mir der Flucht ins Private zufriedengeben und nicht bereit sind, ihr Leben zu riskieren. Der Verweis die mangelnde Diktaturerfahrung von Ole Nymoen geht also ins Leere, weil auch Menschen in solchen Systemen ihr Leben meist nicht für eine wie auch immer geartete Freiheit opfern wollen. Die Spitzfindigkeit, dass es ihm ohnehin um etwas anderes, d.h. um den Kriegsdienst, nicht um politische Opposition und die damit verbundenen Risiken ging, erspare ich mir.

    • @O.F.:

      Ach ist das so? Wenn ich an 33-45 denke, gibt es für viele Linke doch nur Nazis oder eben Widerstand. Und jetzt soll plötzlich präzise differenziert werden? Hat was von Pipi Langstrumpf...

    • @O.F.:

      Das ist nun schon ein reichlich seltsames Argument. Natürlich gab und gibt es in allen Diktaturen mehr als genug Menschen, die immer mitmachen, fähnchenschwenkend und in Kolonnen an Parteiführungen vorbeiziehen oder bei Arisierungen auf Schnäppchen nicht verzichten mochten, die durch Mittun oder Wegsehen eben auch den Unterdrückungsapparat am Laufen halten. Ihre Verteidigung des Mitläufers ist schon mehr als kurios. Doch, wie Opa Adorno mal so schön sagte: es gibt kein richtiges Leben im falschen. Von den argumentativen Verrenkungen der "inneren Emigration" mal abgesehen (die tatsächlich glaubte, es gäbe dieses richtige Leben im falschen), hält denn auch niemand Opportunismus oder Anpassungsbereitschaft intellektuell oder moralisch für besonders begründungsfähig oder schreibt gar Bücher darüber.

  • Ich kann verstehen, dass der Autor nicht gerne selber für seine Freiheit kämpfen möchte. Das werden dann im Ernstfall ja auch andere für ihn übernehmen (müssen). Aber moralisch hochwertiger, oder auch nur politisch klüger ist seine persönliche Meinung sicher nicht.

  • Meine Familie kommt aus der Nähe von Rotterdam. Bei der Bombardierung von Rotterdam 1940 ist ca. die Hälfte meiner Familie umgekommen.



    Später hat mein Grossvater die Verfolgung Andersdenkender mitbekommen, die Erschiessungen in den Dünen, die Deportationen der Juden und Arbeitssklaven.

    Vor dem Krieg hatte er nichts gegen die Deutschen (und lange Jahre nach dem Krieg auch nicht mehr), aber tatenlos konnte er nicht zusehen ... und landete im Widerstand.



    Sabotage, Anschläge, das Verstecken von Juden und die Unterstützung von abgestürzten Piloten war sein Geschäft über fünf Jahre. Und er war wirklich der freundlichste und ja, auch humanistischte Mensch den ich kannte.

    Ein " Leben in Unfreiheit" ist abstrakt betrachtet vielleicht nichts Schlimmes. Konkret bedeutet es leider oft Verfolgung, Ermordung und Entbehrung (Hungerwinter 44/45).

    Eine Verteidigung gegen diese "Unfreiheit" hat darum erstmal nichts mit dem Staat oder abstrakte Ideen zu tun. Es geht um Familie, Freunde ... und Fremde, welche geschützt werden müssen.

    Die Erzählungen meines Grossvaters waren grausam. Aber ich habe kein Zweifel, dass Widerstand gegen Barbarei notwendig ist. Auch auf Kosten des eigenen Lebens ...

    • @Whying_Dutchman:

      Viele Deutsche denken bei „Unfreiheit“ an so was wie die DDR, eine angeblich irgendwie bequeme, fast niedliche, Diktatur, in der es hübsch warm und nett war. Mit Unfreiheit kann diese Sorte Deutsche sich arrangieren (kreischt aber dann wegen jedes Windrades etwas von Ökodiktatur).

      Dass Sie, die „Nymoen-Deutschen“, zB unter russischer Herrschaft sehr wohl auch vergewaltigt, verletzt, gefoltert und ermordet werden können, dass genau das ist, was einem in vielen unfreien Systemen droht, kommt ihnen nicht in den Sinn. Das passiert ja nur denen, die so doof sind, Widerstand statt Unfreiheit zu wählen.

      Danke Ihrem Großvater!

  • Ole Nymoen ist ein naiver junger Mann ohne fundierte Geschichtskenntnisse, denn wer sagt denn, dass bei einer Besetzung seines Landes er "nur" in Unfreiheit leben würde,



    "Nur" in Unfreiheit zu leben hätten sich die Polen und Juden nach der deutschen Besatzung auch gewünscht, oder die Balten nach der sowjetischen Besatzung als Folge des Hitler/Stalinpaktes. Es kamen aber Auschwitz und Deportationen nach Sibirien. Die jungen , von der Roten Armee vergewaltigten Frauen in Berlin ,hätten auch lieber "nur" in Unfreiheit gelebt. Sich zu ergeben heißt nun wahrlich nicht unversehrt an Leib und Seele unter einer Besatzung zu leben. Wie naiv und wohlstandsverwöhnt muss man sein um solch' einen Unfug abzusondern , da es auch in jüngster Zeit genügend Beispiele gäbe, die dem jungen Mann die Augen öffnen könnten , seien es die Taliban, die Hamas , die "ethnischenSäuberungen" im Jugoslawienkrieg und id jungen Männer sind doch die ersten die ein Feind eliminieren würde.

    • @Barthelmes Peter:

      Wo wir gerade bei den Geschichtskenntnissen sind: Ihnen fällt sicher auf, warum gerade die von Rotarmisten vergewaltigte Frauen das denkbar schlechteste Argument für die Wehrpflicht in Deutschland sind…

  • Gerd Grözinger , Autor , Prof., Europa-Univ. Flensbu

    Es handelt sich hier doch offensichtlich um individuelle Präferenzen. Eine freiheitliche Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie eine Vielfalt davon zulässt. Und wenn jemand es mit seinem Selbstbildnis nicht verantworten kann, in einem Krieg andere Menschen zu morden, verstümmeln, verletzen, traumatisieren und erhöhte Gefahr zu laufen, diesen Schicksalen selbst zu unterliegen, warum sollte das nicht akzeptiert werden? Andere bewerten ihre persönliche Freiheit eben höher, auch das ist in Ordnung. Deshalb sollten wir mehr in Richtung 'Wehrrecht', sich also für einen Krieg ausbilden zu lassen, denken und nicht an 'Wehrpflicht'. Dass eine Pflicht in den Krieg für eine freiheitliche Gesellschaft zu ziehen, selbst-widersprüchlich ist, lässt sich dabei schon bei Immanuel Kant nachlesen. Aber dieser fand es auch falsch Rüstung und Krieg (bei ihm 'auswärtige Händel') per Schulden zu finanzieren. Kluger Mann, der Königsberger (heute russisch, natürlich als Ergebnis eines Krieges).

    • @Gerd Grözinger:

      Ich empfinde es als bezeichnend, dass Sie einen Menschen, der sein Land mit der Waffe gegen einen Aggressor verteidigt, automatisch mit einem Mörder gleichsetzen. Sie kennen die Definition von Mord? Und ist das Ihr Selbstverständnis für einen Soldaten?

    • @Gerd Grözinger:

      Der weitaus größte Teil der Armee kommt nicht in die Situation "andere Menschen zu morden, verstümmeln, verletzen, traumatisieren". Kampfeinheiten machen nur einen Bruchteil aus.

      Dazu könnte eine Wehrpflicht auch den Zivilschutz einschließen. Oder finden Sie das auch unzumutbar?

    • @Gerd Grözinger:

      "Morden"?

      Ich bitte sie, ist auch weniger Framing möglich? Als ob automatisch Menschen im Krieg zu töten das Äquivalent zu:



      Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier, sonstige niedrige Beweggründe, Heimtücke, Grausamkeit, gemeingefährliche Mittel und das Motiv eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken", währe.

      "Kluger Mann, der Königsberger (heute russisch, natürlich als Ergebnis eines Krieges)."

      Eines Krieges der durch die richtige Seite gewonnen wurde, weil Leute "gezwungen" wurden, sich gegen einen Aggressor zu stellen.

      Es ist leider so, dass man Leider auch für die Gesellschaft Opfer bringen muss, wenn dem nicht so währe und man immer es auf die "persönliche Freiheit" verschiebt, kann ich immer sagen "XY möchte ich nicht, weil meine persönliche Freiheit eingeschränkt wird."

      Krieg ist nur das Extrembeispiel, Steuern für ein Land zu zahlen schränkt u.a. meine persönliche Freiheit ein durch weniger Geld in den Urlaub zu gehen.



      ---



      Kurz gesagt: Mit persönlicher Freiheit kann man alles begründen wie man will... haben bei Corona und den Masken einige auch Probiert, da war es aber nicht ok gewesen...