Neue Mondmission „Artemis“: 38 Millionen km², Küche, Bad
Während auf der Erde Bomben fallen, Lebenskosten steigen und Flammen durch die Zukunftsvision züngeln, plant die Nasa eine feste Mondstation. Wie absurd.
E ine feste Station auf dem achten Kontinent, dem Mond. Das, sagt der deutsche Astronaut Alexander Gerst der „Tagesschau“, sei das Ziel der Mission des Nasa-Projekts „Artemis“.
Nachdem Artemis I, ein unbemannter Flug um den Mond, glückte, ist nun für September 2025 Artemis II geplant, bei der das Raumfahrzeug Orion mit vier Astronaut_innen einmal den Mond umrunden soll. Wenn alles glatt läuft, folgt mit Artemis III (in Zusammenarbeit mit Elon Musks SpaceX und Jeff Bezos’ Blue Origin) die Rückkehr des Menschen auf der silbernen Himmelskugel. Ein halbes Jahrhundert nachdem der US-amerikanische Astronaut Eugene Cernan 1972 als letzter Mensch dort herumspazieren durfte.
Schätzungen der Nasa zufolge wird die Mission bis 2025 etwa 93 Milliarden Dollar gekostet haben. Das Ziel? „Wissenschaftliche Entdeckungen zu machen, Technologie voranzutreiben und zu lernen, wie man in einer anderen Welt lebt“, so die Nasa. Während wir die allgegenwärtigen Missstände auf Erden im Rauschen des Weltalls überhören dürfen.
Bereits nach der Mondmission 1969 fiel dem Lyriker und Musiker Gil Scott-Heron die Absurdität dessen auf, welche Mittel der Staat im Namen der Wissenschaft bereit ist aufzugeben, während die irdischen Zustände nervige Plagen bleiben, die das Individuum selbst tragen muss. Dafür darf sich Astronaut Armstrong mit seinen Kumpels ins Weltrall jagen. Betroffen von den Problemen, die Scott-Heron in seinem Gedicht „Whitey on the Moon“ anklagt, waren besonders arme und Schwarze Menschen in den USA.
„Ich kann meine Arztrechnungen nicht zahlen“
„Mein Vermieter hat gestern die Miete erhöht“
„Kein warmes Wasser, keine Toiletten, kein Licht“
„Die Steuern fressen meinen ganzen Lohn auf“
„Die Preise für Nahrungsmittel steigen“
50 Jahre „Fortschritt“
Nach jeder dieser Klagen folgt der Satz „und der weiße Mann ist auf dem Mond“. Obwohl mit der Artemis-Mission das erste Mal ein Schwarzer Astronaut, Victor Glover, auf dem Mond landen soll, besteht das, was Scott-Heron beschreibt, fort.
Mit mehr als 50 Jahren Fortschritt zwischen der letzten und der nächsten Mondmission bleibt das Leiden armer Menschen unverändert. Schon damals versuchten Befürworter die Ausgaben zu verargumentieren, etwa damit, dass die damaligen Fortschritte die Lebensqualität aller verbessern würden. Ist das so, wo Herons Zitate doch weiterhin aus den Mündern von Geringverdienern, Marginalisierten oder armen Student_innen kommen könnten?
Zugegeben, der Vergleich zu 1969 ist nicht ganz stimmig, denn um einen zweiten Wettlauf ins All gegen die damalige Sowjetunion handelt es sich heute nicht mehr. Der damalige Schwanzvergleich wird vielmehr zur Ausbeutungsmission: Der Mond verfügt nämlich über Wasser und jede Menge Sonneneinstrahlung, die man sich erhofft dort abzapfen zu können.
Mondmissionar Jeff Bezos geht noch einen Schritt weiter. Er hofft, den gesamten Weltraum in ein Industriegebiet verwandeln zu können „Wir müssen (…) die gesamte umweltverschmutzende Industrie in den Weltraum verlagern und die Erde als wunderschönes Juwel erhalten“, sagt er 2021 in einem Interview mit NBC.
Eine wissenschaftliche Errungenschaft kann die anstehende Mondmission also kaum sein. Vielmehr müsste man sie damit vergleichen, dass der Mensch auf ein neues Ölfeld gestoßen ist, in das er bald gierig seine Bohrinsel verankern wird.
Es zeigt, dass es leichter mit den menschlichen Werten vereinbar ist, unseren ausbeuterischen Trieb ins Universum auszudehnen, statt zu hinterfragen, wie man den Trieb beschneiden könnte, um Ressourcen sinnvoll zu nutzen
Bleibt nur eine Lösung, so Scott-Heron: unsere Rechnungen per Luftpost zum Mann auf dem Mond schicken.
Anm. der Red: in der ursprünglichen Fassung war im Titel von 38 Millionen qm“ die Rede. Die Mondoberfläche ist tatsächlich viel größer, in etwa 38 Millionen Quadratkilometer (km2). Wir haben den Fehler korrigiert.
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