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Neue Jobs für Ex-MinisterInnenDanke, Christian Lindner!

Kommentar von

Gunnar Hinck

Anne Spiegel bekommt einen Versorgungsposten in Hannover, aber bei Christian Lindner ist die Häme groß. Dabei sollte sein neuer Job Vorbild sein.

Hat Lust auf Auto: Christian Lindner (FDP) geht als Vizechef zum Kfz-Händler „Autoland“ Foto: Christoph Hardt/imago

D iese Woche haben zwei ehemalige Ampel-MinisterInnen ihre Nachfolgejobs geklärt: Anne Spiegel von den Grünen und Christian Lindner von der FDP. Die ehemalige Bundesfamilienministerin, die wegen ihrer früheren Rolle als Landesministerin bei der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz zurücktreten musste, wird Sozialdezernentin der Region Hannover mit über einer Million Einwohnern. Christian Lindner geht als Vizechef zum Kfz-Händler „Autoland“, eine Firma, die wohl alle, die nicht zufällig gerade auf der Suche nach einem Gebrauchtwagen sind, erst mal googeln mussten.

Bei Anne Spiegel, die keinerlei Erfahrung mit Hannover hat, handelt es sich um einen typischen Fall von Versorgungsposten: Wenn man scheitert, ist das politische Netzwerk behilflich, in ihrem Fall der Noch-Regionspräsident Steffen Krach, der im nächsten Jahr bei den Stadtwahlen ausgerechnet die Berliner SPD retten soll, bislang aber eher als Strippenzieher aufgefallen ist und mit der Personalie wohl die rot-grüne Achse stabilisieren will.

Wenn bei einer Führungsperson in ihrem Verantwortungsbereich ein Unglück mit vielen Toten passiert, diese sich aber entscheidet, in Urlaub zu fahren, dürfte sie danach erst mal kleinere Brötchen backen, Stichwort Demut. Nicht so bei Anne Spiegel.

Ein Fall von Versorgung ist auch Ex-Bauministerin Klara Geywitz: Nachdem sie über mehrere Monate ohne Aufgabe war, hatte ihr SPD-Netzwerk wohl Erbarmen mit ihr; jetzt soll sie Vizepräsidentin des Bundesrechnungshofes werden.

Bei Anne Spiegel geht es um einen typischen Fall von Versorgungsposten

Erstaunlich ist die Häme, die nun ausgerechnet Lindner trifft, dabei ist sein Jobwechsel erfrischend klar: Er macht jetzt das, worauf er immer Lust hatte – Auto. Sympathisch ist, dass ihm als ehemaligem Bundesfinanzminister und Parteichef Statusverlust – oh Gott, Gebrauchtwagen! – offenbar egal ist. Davon könnten sich SPD und Grüne eine Scheibe abschneiden, denn gerade unter Linken sollte Status nie Selbstzweck sein.

Hinter der Häme mit der unvermeidlichen Spitze „Gebrauchtwagenhändler“ verbirgt sich ein ärgerlicher Dünkel von akademischen Linken, die auf dieses seltsame Ding namens Privatwirtschaft wie ein seltenes Zootier blicken. Dabei sind die allermeisten Menschen in ebenjener Privatwirtschaft beschäftigt und nicht in NGOs, Fraktionen oder Stiftungen. Gebrauchtwagenhändler machen übrigens etwas sehr Vernünftiges, eigentlich Sozialdemokratisches: Sie ermöglichen angesichts immer teurerer Neuwagen Gering- und MittelverdienerInnen Mobilität abseits von urbanen U-Bahn-Netzen (ja, es gibt inzwischen auch elektrische Gebrauchte).

Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet linken Ex-MinisterInnen mit viel angespartem Geld im Rücken die Fantasie fehlt, dass nun der Moment wäre, etwas völlig anderes jenseits der Droge Macht zu machen: zum Beispiel ein Praktikum in einer Seehundstation absolvieren, prekär Beschäftigten beim Organizing helfen oder meinetwegen mit dem Motorrad die Welt erkunden. Das ist in der Tat eine deprimierende Erkenntnis.

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ist Redakteur im taz-Ressort Meinung.
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27 Kommentare

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  • Sehr guter Beitrag.



    .....Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet linken Ex-MinisterInnen mit viel angespartem Geld im Rücken die Fantasie fehlt, dass nun der Moment wäre, etwas völlig anderes jenseits der Droge Macht zu machen-----

  • Beachtet man Anne Spiegels Werdegang kann man ihr eine Qualifikation schwerlich absprechen.



    Den "Fehler", den sie nach der Flutkatastrophe gemacht hatte, hätte die verheerenden Folgen für die Bewohner im Ahrtal nicht verhindern oder abmildern können.



    Die Fehler wurden früher von anderen gemacht.



    Ihr Fehler war, dass sie Herrn Habeck zu links war.

  • Ich verstehe auch nicht, warum einer, der sich einen Job in der Privatwirtschaft sucht, mit Häme überschüttet wird.

    Interessant wäre die Stellenbeschreibung/ das Anforderungsprofil für "Sozialdezernentin / Sozialdezernent Hannover" sowie Frau Spiegels Mitbewerber. Eine Stelle mit B7-Besoldung ( entspricht gut elfeinhalbtausend/ Monat Grundgehalt) müsste doch eigentlich öffentlich ausgeschrieben worden sein.

  • Bei Anne Spiegel geht es zusätzlich neben dem fürstlichen Versorgungsposten um ihre Qualifikation. Die ist nicht gegeben, ein fürchterliches Versagen im Amt als Umweltministerin in der verheerenden Ahrtalkatastrophe, null Verantwortungsbewusstsein und keine Empathie mit Lebenden und Toten. Solche Leute sind in einem höheren politischen Amt untragbar.

  • Freu mich schon drauf wenn sich Lindner und Schuhmachers Ralle für Gebrauchtwagenwerbung zusammentun, wär sicher ein tolles Duo..

    • @Gunnar Grannis:

      Da könnte man wirklich coole Sachen machen. Allerdings steht zu befürchten, daß das die üblichen, sich selbst so betitelnden "Creativen" aus den üblichen, öden Reklamebuden wieder voll in den üblichen Sand setzen werden.

  • Auch da sind die Grünen inzwischen etabliert wie SPD und CDU. Unfähige Politiker bekommen einen Posten, bei dem Die eine Menge Geld verdienen und weiter zum Schaden der Allgemeinheit agieren können.

    Ein Grund mehr für mich, auch die Grünen nicht mehr zu wählen.

  • Da darf man gespannt sein, welchen Job die Grünen einst für ihren Justizminister Benjamin Limbach finden werden, der ja massiv durch Vetternwirtschaft aufgefallen ist.



    Aber wenn's um eigene Personal geht, nehmen es halt auch die Grünen nicht so genau. Das fängt schon bei den Listenplätzen an.

  • Ja schade, dass gerade die Grünen das perfektionieren gegen das wir als Grüne früher gekämpft haben.



    Mit Realpolitik kann und muss ich mich arrangieren mit Postenschieberei und Vetternwirtschaft nicht.

  • >typischen Fall von Versorgungsposten<

    Es geht nicht mehr um Ideologie sondern um gute jobs. Wenn es für den guten job erforderlich ist, macht man auch ein bisschen auf Ideologie.

    Das ist in gewissem Maße auch in Ordnung wenn der gute job dann auch gut gemacht wird. Dies kann man bei den über Versorgungsposten Versorgten meistens ausschließen.

    Auch Habecks Ausscheiden aus dem Bundestag zeitlich abgestimmt auf den Anspruch auf Altersversorgung passt in diese Reihe.

  • Danke. Dieser Artikel tut gut.

    "...ärgerlicher Dünkel von akademischen Linken, die auf dieses seltsame Ding namens Privatwirtschaft wie ein seltsames Zootier blicken" ist der zentrale Satz, der mich abholt.

    Bei den entsprechenden Themen kommt dieser Dünkel mit absoluter Zuverlässigkeit auf - und er steht in seltsamen Kontrast zur Selbstannahme, Linke seien immer gebildeter. Sind sie wohl nicht, sonst würde nicht bei jedem Wirtschaftsthema die Systemfrage gestellt, so reflexhaft wie die Nation bei Rechten.



    Gerade wieder sehr gut zu beobachten hier im Forum der taz beim Thema Lieferkettengesetz.

  • Nicht falsch, aber ganz so rosarot würde ich Lindner nicht sehen. Dass der Chrisi seine soziale Ader entdeckt hat und den unteren Einkommensschichten Zugang zur Mobilität verschaffen will mag ein Nebeneffekt sein, schön fürs Ansehen und vielleicht sogar fürs Karma. Wahr dürfet auch sein, dass das Pöstchen ordentlich dotiert ist und ordentliche Seilschaften verspricht.



    Lindner mag Autos, aber sein Geld hat er bis dato mit anderen, meist vom Steuerzahler finanzierten Jobs verdient. Also ein Automann ist er nicht mehr als jeder andere Durchschnittsmensch.

  • Ein Kommentar, von dem ich jedes Wort unterschreiben würde. Glückwunsch!

  • C. Lindner wird mit Sicherheit keine Gebrauchtwagen verkaufen.



    Er verkauft nur seinen Namen und sein Adressbuch (inkl. Handy-Nr. des Porsche-Chefs) meistbietend auf dem Politiker-Gebrauchtmarkt.



    Was daran jetzt "sozialdemokratisch" sein soll erschliesst sich mir jetzt nicht so direkt.

  • Nun. Kann man so sehen. Aber vielleicht ist es auch so, dass Lindner nichts besseres gefunden hat und es halt eine notwendige Etappe in der neuen Karriere ist. Vergessen wir nicht, dass Lindner vor seiner Politikerkarriere nie wirklich gearbeitet hat. Außerdem wird sich kaum ein Konzern mit einem Menschen schmücken wollen, der dem Land so sehr geschadet hat wie ihm mit seinem arroganten polarisierenden und herzlosen Image.

  • Sach mal so: 👀 auf in jeglichem Verkehr



    & für die Schleimspur beim nächsten Gebrauchten kaufen - 5% schlauchen! 🫣



    Na Mahlzeit



    &



    “…oder meinetwegen mit dem Motorrad die Welt erkunden.…“

    Nunja Motorrad 🏍️ - 🏎️Tricky-Christy



    bereits empfohlen - gab‘s schon mal.

    Post Elektroschock => Klapse 🙀



    “Zen & die Kunst ein Motorad zu warten“



    de.wikipedia.org/w...Motorrad_zu_warten



    Hipp vs Square - feines Teil •



    &



    Nicht von ungefähr, landete Robert M. Pirsig - wie geistig zeitgleich uns Afficinado PU - wieder in Silicon Valley 🙀🥳



    “…Die Verbindung zweier ikonografischer Themen im Titel, das Versprechen einer Lösung der amerikanischen Krise, der pädagogische Ansatz einer exemplarischen Analyse und das Thema der Spaltung und Veränderung der Persönlichkeit hatten eine enorme Resonanz.



    Es war „eines der erfolgreichsten Bücher der Nachkriegszeit, die Bibel einer ganzen Generation.“



    Es war „das meistverkaufte Philosophiebuch aller Zeiten“, „ein Weltbestseller, und alle Leute kauften diesen dicken Roman, weil sie sich von dem Titel angezogen fühlten,



    doch wenn man danach fragte, hatten es die wenigsten gelesen.“



    &



    🍑💨? sicher nicht - hätte aber ebenso sicher nichts gebracht •

    Wie auch!

  • Klasse Kommentar! Frau Anne Spiegel hat in der verheerenden Ahrtal-Katastrophe als Umweltministerin in jeder Hinsicht in ihrem Amt versagt. Fachlich hoffnungslos überfordert, keinerlei Verantwortungsbewußtsein, absolute Emphatielosigkeit. Ihr bizarrer, ja beschämender Medienauftritt 2021 und ihr unsägliches "Wording" sind heute noch verstörend. Diese Dame ohne jeden moralischen Kompass darf kein höheres politisches Amt.

  • Danke für diesen Artikel.



    Bei Professuren gilt das Prinzip der Bestenauslese, bei Hausberufungen gibt es in einigen Ländern zusätzliche Regularien. In jedem Fall wird in einem Berufungsverfahren die Eignung, Leistung und Befähigung der Bewerber auch durch externe Gutachter geprüft.



    Ein ähnliches Verfahren ist im öffentlichen Dienst inkl. Kommunalunternehmen für Führungspositionen überfällig. Analog zu Hausberufungen braucht es auch besondere Vorkehrungen gegen Nepotismus bei Besetzungen mit Parteimitgliedern.

  • Aber.. aber. Der pöse fdp politiker.



    Dass frau spiegel tatsaechlich noch die dreistigkeit besitzt, öffentliche posten besetzen zu wollen (und andere lassen das geschehen), ist der größte hohn an dieser geschicht. 😬

  • "Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet linken Ex-MinisterInnen mit viel angespartem Geld im Rücken die Fantasie fehlt, dass nun der Moment wäre, etwas völlig anderes jenseits der Droge Macht zu machen: zum Beispiel ein Praktikum in einer Seehundstation absolvieren, prekär Beschäftigten beim Organizing helfen oder meinetwegen mit dem Motorrad die Welt erkunden. Das ist in der Tat eine deprimierende Erkenntnis."

    Man könnte sich in der Tat viele bessere und "linkere" Tätigkeiten vorstellen.

    Wir müssen aber vielleicht von dem links-rechts Label weg:

    Spielt individuelle Ambition bei Politiker:innen eine große Rolle, viel wichtiger als Werte / Zukunftsvisionen / Integrität / politische Überzeugungen, ist die politische Richtung in der Praxis der Machtspielchen vollkommen nebensächlich.

    Sieht man ja schon am Paradebeispiel, der Berliner SPD.

    (Ich gönne Lindner seinen neuen Job; viel besser als der vorherige, in dem er neoliberale Politik durchsetzen durfte.)

  • Das Image kann aber ganz schnell aufgebügelt werden. Das ist ja heutzutage keine Teufelswerk mehr.



    Stellen wir uns einen Werbespot vor.

    Der Christian steht an einer Straßenecke. Ein Passant sieht ihn und ruft erstaunt: Christian Lindnär!



    Und der direkt: Ja, sie brauchen ein Auto, dann Autoland!

    Das Filmchen rauf- und runtergenudelt und der Christian ist wieder ganz weit vorne. Und alle rufen: Schau mal der Christian!



    Und selbst unsere Linken kommen dann nicht umhin festzustellen, dass der Christian jetzt einen ordentlichen Arbeiterberuf ergriffen hat. Gut, bezahlt wird er wie ein Fürst, aber der Kapitalismus steht ja auch nicht mehr auf der linken Agenda.

  • Super Kommentar!

    • @nutzer:

      Volle Zustimmung.

      Wobei noch zu fragen ist, wie das bei Frau Spiegel gelaufen ist. Gab es da eine Rundmail in den politischen Netzen "suche Stelle, wer hat gerade (zufällig) einen gut dotierten Posten frei, helfe mit politischen Kontakten"? Oder musste eine schon vorgesehene Konkurrentin weggemobbt werden, ala UN Versammlungsleitung? Muss man als Dezernentin bestimmte Voraussetzungen (höhere Verwaltungslaufbahn?) haben?

      • @fly:

        Na logo.



        Seilschaften oder Netzwerke -



        Das ist hier die Frage?!🙀🤣🥳🫣



        &



        Mit Ol Conny “Beziehungen schaden nur dem der keine hat!“



        “Man kennt sich - man hilft sich!“



        de.wikipedia.org/wiki/Anne_Spiegel

        kurz - an jeder Strippe gezogen derer sie habhaft werden konnte 😅



        Warum mir dabei unser aller



        Trallafitti🐭 Annalena einfällt - koa



        Ahnung nich!



        (Btw hörste ja entre nous immer wieder mal - in echt - ne Geschlechtsumwandlung - wär was?

      • @fly:

        Interamt.de ist ein Karriereportal für solche Stellen. Da kann man auch direkt nach B-Besoldung filtern. Für Garbsen wird gerade ein Sozialdezernent gesucht. Es reicht ein Master in einem beliebigen Fach, außer MINT-Fächer.

    • @nutzer:

      dem stimme ich voll zu - echt cool

  • Seien wir aber doch Mal ehrlich, bei der FDP fehlt es aktuell aber auch an Möglichkeiten!



    Möglicherweise hätte Herr Lindner auch anderes genommen.