Nach Relativierungen der SS: Auftrittsverbot für Krah
Maximilian Krah darf im Wahlkampf nicht mehr auftreten und verlässt den Bundesvorstand. Französische Rechte kündigen der AfD die EU-Zusammenarbeit.
Dort sagte Krah: „Ich werde nie sagen, dass jeder, der eine SS-Uniform trägt, automatisch ein Verbrecher ist.“ Und: „Es gab sicherlich einen hohen Prozentsatz an Kriminellen, aber nicht alle waren kriminell“, sagte Krah über jene Organisation, die maßgeblich für den Betrieb von Konzentrations- und Vernichtungslager der Nazis verantwortlich war und systematisch Kriegsverbrechen beging und Massenerschießungen organisierte.
Mit dem Ausspruch ist nun auch das Maß für die französische extrem rechte Partei Rassemblement National (RN) voll. Die Partei hat am Dienstag die Zusammenarbeit mit der AfD für das nächste Europaparlament aufgekündigt, wo die beiden Parteien zusammen in der ID-Fraktion sitzen. Das sorgte wiederum für Verwerfungen in der AfD und einer Krisensitzung des Bundesvorstands am Mittwochmorgen um 9 Uhr.
Kurz vor 10 Uhr stand das Ergebnis fest: Krah darf im Europawahlkampf der AfD nicht mehr auftreten und legt mit sofortiger Wirkung sein Amt als Bundesvorstand nieder, wie er auf X bestätigte. Der Fall ist nicht allzu tief, Krah hatte ohnehin angekündigt, nicht wieder zu kandidieren – auch weil die Spionage- und Korruptionsvorwürfen gegen ihn nicht abreißen. Gegen Krah sind zwei staatsanwaltliche Verfahren anhängig, sein gut bezahltes Mandat im EU-Parlament will er trotzdem antreten.
Le Pen geht andere Wege als die AfD
Die Parteivorsitzende des RN, Marine Le Pen, geht strategisch andere Wege als die sich offen radikalisierende AfD. Sie versucht in der Hoffnung auf bessere Wahlergebnisse Kreide zu fressen und die eigene Radikalität mit einem vermeintlich bürgerlichen Auftreten zu verschleiern. Möglich auch, dass sie darauf hofft, im neuen EU-Parlament mit der von CDU dominierten konservativen Fraktion zusammenzuarbeiten. Während sie der Rechtsextremismus der AfD inhaltlich wenig stören dürfte, versucht Le Pen ihre Partei und sich selbst als gemäßigt darzustellen.
Und das ist eben wenig glaubhaft, wenn man mit offenen Rassist*innen und deutschen Geschichtsrevisionisten im Europaparlament in einer Fraktion sitzt. Für erste deutliche Risse sorgten bereits die Vertreibungspläne beim Potsdamer Geheimtreffen Anfang des Jahres. Der RN-Spitzenkandidat Jordan Bardella hatte deswegen am Mittwoch in der französischen Zeitung Libération mitteilen lassen, dass man mit der AfD in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr in einer Fraktion zusammensitzen werde.
Ob und wie sich die europäische Rechte nach diesem strategischen Manöver der Franzosen im neuen EU-Parlament zusammenruckelt, ist damit offen. Ebenso, ob die Verschiebungen auch Auswirkungen auf die Mitgliedschaft in der ID-Partei hat, in der neben RN und AfD auch die italienische Lega und die FPÖ organisiert sind.
Ein denkbares Szenario ist, dass die AfD bei der ID-Fraktion einfach außen vor bleibt und ihre Abgeordneten fraktionslos bleiben, weniger Redezeit und Geld inklusive. Eine andere Möglichkeit für die AfD: Die Zusammenarbeit mit anderen offen radikalen Parteien – ein Weg, für den Krah ohnehin schon länger wirbt. Auch im französischen Wahlkampf vor zwei Jahren warb er für die offen radikalere Alternative zu Le Pen: Éric Zemmour. Ebenso wurde Krah mehrfach wegen diverser Skandale in der ID-Fraktion suspendiert, insbesondere seine China-Nähe stand schon lange fraktionsintern, aber auch in der AfD in der Kritik. Die AfD hatte ihn dennoch als Spitzenkandidaten aufgestellt.
Klar ist: Die Suche nach Fraktionspartnern dürfte auch durch die Spionage- und Korruptionsskandale der beiden Spitzenkandidaten Krah und Petr Bystron nicht leichter werden: Denn wer will mit mutmaßlich bestechlichen Abgeordneten zusammenarbeiten, die möglicherweise nicht nur auf der Payroll von Wladimir Putin stehen, sondern auch noch von China?
Auch Krah hat einen Nazi-Opa
Die AfD-Parteivorsitzende Alice Weidel hatte im Februar versucht, die Wogen nach der Empörung über das Potsdamer Vertreibungspläne bei einem persönlichen Treffen in Paris zu glätten – das blieb allerdings erfolglos. Bei Risotto soll Le Pen gefordert haben, dass „Remigration“ niemals Teil des AfD-Programms werden dürfe. Zu diesem Zeitpunkt stand der Begriff, der letztlich auf Vertreibungspläne auch von Deutschen mit Migrationsgeschichte hinausläuft, allerdings schon längst im Europawahlprogramm der AfD.
Das übrigens auch Krahs Vorfahren Nazis waren, hat mittlerweile auch das ZDF recherchiert: Sein Opa Martin Krah hatte bereits kurz nach Hitlers Machtübernahme einen Antrag auf Aufnahme in die NSDAP gestellt, wie Akten des Bundesarchivs belegen. Auch in Opa Krahs Wohnort Hindenburg, dem heutigen Zabrze, hat in der Reichspogromnacht 1938 die Synagoge gebrannt – Terror, an dem die NSDAP beteiligt war. Opa Krah war in der NS-Ärzteschaft und freiwillig für die Hitlerjugend aktiv. Die Nazis bescheinigten Opa Krah 1939: „Genannter hat sich aktiv im Sinne der Bewegung betätigt.“ Er wäre sicher stolz auf seinen Enkel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört