„Blanker Unsinn“ zu Corona auf Youtube

Ehemaliger SPD-Abgeordneter Wolfgang Wodarg verharmlost das Virus und attackiert Virologen

Von Malte Kreutzfeldt

Ein pensionierter Lungenarzt, der die gesamte aktuelle Forschung in Frage stellt, vor Panikmache warnt und Verschwörungstheorien verbreitet – das weckt durchaus Erinnerungen. Doch während Dieter Köhler mit seiner Kritik an den Grenzwerten für Luftschadstoffe im letzten Jahr von den großen Medien hofiert wurde, findet Wolfgang Wodarg, der das neuartige Coronavirus für völlig ungefährlich hält, sein Publikum fast ausschließlich auf Youtube.

Dort allerdings in großer Zahl: Ein Interview auf der rechtspopulistischen Webseite Wissensmanufaktur kam am Donnertag schon auf über eine Million Abrufe. Auch weitere Videos mit Wodarg wurden von mehreren Hunderttausend Menschen gesehen. In allen diesen Videos bestreitet der 72-jährige Wodarg, der 15 Jahre lang für die SPD im Bundestag saß und Mitglied im Vorstand der Antikorruptionsorganisation Transparency International ist, dass vom neuen Corona-Virus Sars-CoV-2 eine ungewöhnliche Gefahr ausgehe. „Die Menschen sind nicht mehr und nicht ernster krank als alle Jahre zuvor“, behauptet er beispielsweise. Die Schließung von Schulen und Geschäften seien darum „unverantwortliche Panikmache“. Und auch höhere Todeszahlen durch Sars-CoV-2 hält er für eine mediale Erfindung.

Den Virologen, die vor den Gefahren von Sars-CoV-2 warnen, unterstellt Wodarg niedere Motive. „Das machen die Virologen, die leben davon“, raunt er. „Und die machen dann Impfstoffe und wollen die verkaufen und machen Tests und verdienen daran.“ Konkret greift er den in den Medien derzeit sehr präsenten Leiter der Berliner Charité, Christian Drosten, an. Der von ihm entwickelte Test sei nicht aussagekräftig, weil er nicht nur auf das neuartige Coronavirus anspreche, sondern auch auf andere. Zudem sei der Test noch nicht unabhängig validiert, also überprüft.

Drosten bestreitet das entschieden. Der Test sei vielfach überprüft worden und habe „keine einzige falsch positive Meldung“ ergeben, sagte er im NDR. Zwar spreche er theoretisch auch auf verwandte Sars-Viren an, aber diese gebe es beim Menschen nicht. Und finanziell profitiere er nicht vom Test, sagte Drosten.

Bei bisherigen Weggefährten stoßen Wodargs Aussagen auf Entsetzen. „Ich schätze Wolfgang Wodarg eigentlich sehr“, sagt SPD-­Ge­sund­heits­ex­perte Karl Lauterbach über seinen früheren Fraktionskollegen. Seine Videos zu Corona hält er aber für „blanken Unsinn“. Wodarg vermittle „eine abwegige, vollkommen falsche Sicht der Dinge“: Auch bei Transparency sorgen die Äußerungen für Befremden. „Wolfgang Wodarg äußert sich in dieser Sache als Privatperson und nicht in seiner Funktion als Vorstandsmitglied“, erklärt der Verein.