Letzte Generation angeklagt: Was sie für uns riskieren
Mitglieder der Letzten Generation werden wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Sie setzen mit Protest ihre Existenz aufs Spiel.
K lima- und Umweltschutz ist out. Beweise dafür gibt es unzählige. Etwa, als die Trump-Regierung begann, den erneuten Austritt der USA aus dem Pariser Klimaabkommen einzuleiten und klimabezogene Inhalte von Regierungswebseiten runterzunehmen. Oder als letzte Woche Greenpeace von einem Gericht zu einer Geldstrafe von 660 Millionen US-Dollar verklagt wurde – wegen ihrer Teilnahme an weitestgehend friedlichen Protesten gegen den Bau einer kontroversen Ölpipeline in den Jahren 2016 und 2017.
Auch Deutschland kriminalisiert Klimaaktivismus immer stärker. Während die Berliner Polizei im April 2023 laut Verwaltungsgericht offiziell rechtswidrig Schmerzgriffe gegen einen Aktivisten angewendet hat, vermeldete die ehemals Letzte Generation am Montag, dass nun fünf Aktivist*innen von der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus der Generalstaatsanwaltschaft Bayern angeklagt werden. Der Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung.
Man muss ihre Aktionen nicht befürworten, um zu verstehen: Wenn wir unseren Lebensraum und den der kommenden Generationen nicht von fossilen Giganten und ihrer Superlobby zerstören lassen wollen, dann ist Solidarität mit klimaaktivistischen Gruppen wie Greenpeace, der (ehemals) Letzten Generation und vielen mehr unabdingbar – denn mit ihrem Protest, das zeigt das harte Vorgehen gegen sie, setzten Aktivist*innen ihre Existenz aufs Spiel.
Andere schon zu Knast verdonnert
Dass man gegen Protest mit Klagen vorgeht, lässt sich nicht nur in den USA oder Deutschland beobachten. Auch in Spanien wird aktuell gegen 25 Aktivist*innen der Gruppe Futuro Vegetal ermittelt – ebenfalls wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Die Aktivist:innen hätten sich etwa an ein Gemälde geklebt oder Luxusyachten und -hotels auf Ibiza mit Farbe bemalt. Ihnen drohen bis zu acht Jahre Haft.
In Großbritannien wurden im Juli vergangenen Jahres Klimaaktivist:innen der Gruppe Just Stop Oil zu vier und fünf Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie auf dem Londoner Autobahnring M25 für Blockaden gesorgt hatten – die bislang längste Haftstrafe für gewaltfreien Protest.
All diese mutigen Menschen – darunter auch die angeklagten Aktivist:innen der (ehemals) Letzten Generation – riskieren nicht einfach aus Spaß an Provokation ihre Freiheit. Sie tun das, um das wichtigste Gut unseres Planeten zu erhalten: die lebenswerten Bedingungen.
Und das angesichts einer einschüchternden Industrie, die günstig produzieren und ihre toxischen Abwässer loswerden will; angesichts fossiler Gigaunternehmen, die ganze Dörfer plattmachen wollen, um mit der Kohle, die sie darunter hervorholen, tonnenweise Treibhausgase in die Luft zu befördern; angesichts der Ölriesen, die mit gigantischen Ölplattformen die Gesundheit ganzer Ökosysteme gefährden und durch das Verbrennen fossiler Rohstoffe tonnenweise Treibhausgase in die Atmosphäre pusten – und damit die Erde aufheizen, ja, unbewohnbar machen.
Entwicklung in die falsche Richtung
2024 war das erste Jahr, in dem eine globale Durchschnittstemperatur über 1,5 Grad im Vergleich zu vorindustriellen Zeiten gemessen wurde. Die zahlreichen Überschwemmungen, Dürren und Waldbrände waren nur ein Vorbote dessen, was unserem Planeten droht, wenn die Staatengemeinschaft nicht auf der Stelle Maßnahmen ergreift, um die Erhitzung aufzuhalten.
Währenddessen beobachten wir ausgerechnet in den Ländern, die historisch wie aktuell für die meisten Treibhausgase verantwortlich sind, eine Bewegung in die vollkommen falsche Richtung. In den USA will der Umweltminister 31 Regelungen zum Umweltschutz beseitigen, die verhindern, dass giftige Stoffe in die Umwelt gelangen.
Währenddessen wird in Deutschland diskutiert, ob der Chef des Bauernverbands, Günther Felßner, der in der Vergangenheit bereits mit umstrittenen Aussagen über die Klimakrise sowie seiner Beteiligung an den Bauernprotesten Anfang vergangenen Jahres aufgefallen ist, die Leitung des Agrarministeriums übernehmen wird.
Angesichts dessen, was hier auf dem Spiel steht, stellt sich die Frage, wer hier eigentlich auf der Anklagebank sitzen sollte: Diejenigen, die nicht für sich selbst, sondern für Menschen weltweit kämpfen und unser aller Lebensraum verteidigen oder diejenigen, die im Sinne ihres eigenen Profits handeln und diesen gemeinsamen Lebensraum zerstören?
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