Lauterbach-Plan zur Homöopathie: Schwarz-grüne Front für Globuli
Dürfen Krankenkassen weiter für Homöopathie zahlen? Im Petitionsausschuss des Bundestags sind sich CDU und Grüne einig, die Ampel zeigt mal mal wieder Risse.
Vor den Mitgliedern des Petitionsausschusses darf der Berliner Kinderarzt am Montag gegen das von ihm empfundene Unrecht anreden. Knapp 200.000 Unterschriften hat die Eingabe, die er initiierte, nachdem Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zu Jahresbeginn seinen Plan offenbart hatte. Teil der Regelleistungen, die die Kassen bezahlen müssen, sind homöopathische Mittel zwar ohnehin nicht. Als freiwillige Zusatzleistung dürfen sie aber angeboten werden – was rund 70 Kassen auch machen. Das wollte Lauterbach unterbinden.
Durch das Kabinett ging das dazugehörige Gesetz im Mai zwar ohne die entsprechende Klausel. Der Bundestag, der abschließend entscheiden muss, könnte sie aber wieder einfügen – und entsprechende Bestrebungen gibt es bei einem Teil der Ampel-Abgeordneten. „Wir erachten das Problemfeld nicht für erledigt“, sagt daher auch der Petent Schmidt-Troschke.
Er und eine Mitstreiterin, die Strahlentherapeutin Diana Steinmann, argumentieren unter anderem mit der hohen Nachfrage nach Homöopathie in der Bevölkerung – laut einer Allensbach-Studie aus dem vergangen Jahr hätten 60 Prozent der Deutschen Erfahrung mit den Mitteln. Sie verweisen auf die verhältnismäßig geringen Kosten – insgesamt geben die Kassen 300 Milliarden Euro pro Jahr aus, für Homöopathie laut Lauterbach nur 20 bis 50 Millionen Euro. Und sie bestehen auf der Wirksamkeit von Globuli und Co – obgleich dafür in wissenschaftlichen Studien über den Placebo-Effekt hinaus der Nachweis fehlt.
Interessanter als diese altbekannten Argumente sind im Bundestag aber die Nachfragen der Abgeordneten. Denn sie geben Hinweise darauf, wie sich die Fraktionen im weiteren Gesetzgebungsprozess positionieren könnten.
Risse in der Ampel
Schon in den vergangenen Wochen hatte sich abgezeichnet, dass in der SPD nicht nur Lauterbach ein Problem mit der Kostenübernahme hat. Die ursprünglichen Pläne des Gesundheitsministers seien „wissenschaftlich durchaus nachvollziehbar“ gewesen, sagt am Montag die Abgeordnete Annika Klose. Bei der Herstellung homöopathischer Arzneimittel würden die Wirkstoffe verdünnt, bis fast nichts davon übrig ist. „Sind sich alle ihre Patientinnen und Patienten bewusst darüber, wie die Mittel hergestellt werden? Sollte es eine Vorgabe geben, wie die Menschen darüber aufgeklärt werden?“, fragt sie den Petenten.
Innerhalb der Ampelkoalition ist dieser kritische Blick allerdings nicht Konsens. Die Grünen-Abgeordnete Corinna Rüffer zielt darauf ab, dass die Kassen auch andere Zusatzleistungen bezahlen, deren Wirksamkeit nicht erwiesen ist, Lauterbach damit aber kein Problem habe. „Planen Sie denn auch an anderen Stellen Ausschlüsse oder nur im Bereich Homöopathie und anthroposophische Medizin?“, fragt sie Staatssekretär Edgar Franke, ebenfalls SPD, der im Ausschuss das Gesundheitsministerium vertritt.
Der laviert während der anderthalbstündigen Sitzung: Einerseits wiederholt er das Argument seines Ministers, dass die Kostenübernahme den Patient*innen eine Wirksamkeit vorgaukle, die nicht nachgewiesen sei. Andererseits verweist er darauf, dass die Klausel ja nicht mehr im Gesetzentwurf stehe und nun das Parlament am Zug sei. Und schließlich verweist er auf die Erfahrungen, die seine Frau einst bei den gemeinsamen Kindern gemacht habe: „Wo die Kinder klein waren, haben viele homöopathische Arzneimittel denen ausdrücklich geholfen.“
Das greift wiederum die Grünen-Abgeordnete Rüffer auf: Ob das jetzt heiße, dass das Thema für das Gesundheitsministerium endgültig vom Tisch ist? So will sich der Staatssekretär dann aber doch nicht verstanden wissen.
Dazu muss man sagen: Dass sich Lauterbach im Kabinett nicht durchsetzen konnte, lag an den Grünen. Vor ihrer Regierungszeit hatten sie intern noch heftig über ihre Haltung zum Thema gestritten. Jetzt wollen es die Homöopathie-Gegner*innen in der Partei aber nicht auf eine erneute Polarisierung ankommen lassen – die Zeiten sind ohnehin aufgeheizt genug. Auf der anderen Seite machte sich vor allem der Landesverband aus der Anthroposophen-Hochburg Baden-Württemberg gegen Lauterbachs Pläne stark. Vorerst hat sich dieser Flügel durchgesetzt.
CDU dankt wirklich sehr ausdrücklich
Im Bundestag sind die Grünen aktuell aber nicht die einzigen Freund*innen der Homöopathie. Noch klarer positioniert sich im Petitionssausschuss die CDU. Die Abgeordnete Simone Borchardt sagt in Richtung des Petenten: „Ich danke Ihnen sehr ausdrücklich, wirklich, für diese Petition.“ Und ihr Fraktionskollege Andreas Mattfeldt befürchtet im Falle einer Streichung wirtschaftliche Schäden bei Weleda und anderen Produzenten: „Rechnen Sie mit Insolvenzen unter den Herstellern?“, fragt er das Ministerium.
Keine ganz eindeutige Positionierung zeigen derweil die Abgeordneten Sören Pellmann (Linke) und Christian Bartelt (FDP), der im Zahnarztkittel aus seiner eigenen Praxis zugeschaltet ist. Das Bündnis Sahra Wagenknecht ist in der Sitzung nicht vertreten – und die AfD nutzt den Termin einmal mehr, um sich an der Coronapandemie abzuarbeiten: Dass kein einziges homöopatisches Mittel die Anforderungen erfüllt, um offiziell als Arzneimittel zu gelassen zu sein, könne kein Argument gegen die Kostenübernahme sein, sagt der Abgeordnete Gereon Bollmann. Bei den Covid-Impfstoffen sei das ja auch nicht entscheidend gewesen, behauptet er: „Das war alles nicht endgültig zugelassen!“
Eine Empfehlung zum Umgang mit der Petition trifft der Ausschuss am Montag noch nicht. Federführend wird über die Zukunft der Kassenleistungen aber ohnehin der Gesundheitsausschuss beraten. Wann der Bundestag abschließend diskutiert und abstimmt, ist noch nicht bekannt.
Korrekturhinweis: In einer ersten Version des Textes stand, der Petent sei im Ausschuss von seiner Berliner Praxiskollegin Anne Steinmüller unterstützt worden. Tatsächlich handelte es sich aber um die Strahlentherapeutin Diana Steinmann aus Hannover. Wir bitten für den Fehler um Entschuldigung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind