Klimaaktivist*innen im Clinch: Zu viel Lob für Olaf Scholz
In der deutschen Klimabewegung gibt es Streit: Der radikale Flügel kritisiert Luisa Neubauer für einen Post aus Dubai. Darin hatte sie den Kanzler gewürdigt.
In dem Video vom Montag lobt sie Bundeskanzler Olaf Scholz für eine Rede, die er am Samstag in Dubai gehalten hatte. Darin mahnte er „feste Entschlossenheit“ beim Ausstieg aus fossilen Energieträgern an. Ob ein solcher erstmals international vereinbart wird, ist auf der Konferenz Verhandlungssache.
Es gebe gute Nachrichten, es sei „total verrückt“, sagt Neubauer in ihrem Video. „Es war ganz, ganz wichtig, dass gerade jemand wie Olaf Scholz, ein mächtiger Regierungschef aus einem Staat, der früher sehr, sehr, sehr fossil war und jetzt sehr schnell erneuerbar werden möchte, ganz klar Stellung bezieht“, so die Aktivistin.
Sie stellte Scholz’ Statement als Erfolg der Bewegung vor Ort dar. Es sei aber „überhaupt nicht klar gewesen“, ob Olaf Scholz sich so positionieren würde. „Also haben wir richtig Druck gemacht.“ Zwar müsse „das Ganze noch stringent werden“, Deutschland könne nicht weiter fossile Projekte finanzieren und fördern. „Aber fürs Erste war das ein wichtiger Moment.“
„Sie spannt uns vor den Bullshit-Karren“
Zu viel des Lobes, finden einige ihrer bekannten Mitstreiter*innen. Klimaaktivist Tadzio Müller, Mitgründer von Ende Gelände, der mittlerweile keiner bestimmten Gruppe mehr angehört, forderte die Klimabewegung sogar zur Distanzierung von Neubauer auf.
„Ich weiß nicht, ob Luisa da gerade ihre Karriere bei den Grünen vorbereitet oder was genau ihr Kalkül ist. Sicher hat sie eins, sie ist eine kluge Strategin“, sagte er der taz am Dienstag. „Aber sie spricht leider nicht nur für sich, sondern ist das Gesicht der deutschen Klimabewegung – und sie spannt uns damit alle vor den Bullshit-Karren der Ampelregierung, den wir ganz sicher nicht ziehen wollen.“
Auch Henning Jeschke, Mitgründer der Letzten Generation, kritisierte die Fridays-Aktivistin scharf. Olaf Scholz vertusche, „dass Deutschlands fossile Verbrechen weitergehen sollen. Luisa lobt ihn dafür, dass er bei der COP weiter rumlügt“, schrieb er auf der Online-Plattform X, ehemals Twitter. Mit „COP“ meint er die Weltklimakonferenz. Die Abkürzung steht für „Conference of the Parties“, zu Deutsch also die Vertragsstaatenkonferenz eines internationalen Abkommens, in diesem Falle der Klimarahmenkonvention.
Neubauers Urteil über die Kanzlerrede fiel deutlich besser aus als das zahlreicher anderer Beobachter*innen auf dem Weltklimagipfel – selbst von den Verbänden, die normalerweise gemäßigter auftreten.
„Bundeskanzler Scholz hat in seiner Rede nicht die klimapolitisch notwendige Unterstützung für ein massives Herunterfahren von Kohle, Öl und Gas bis 2030 ohne Wenn und Aber signalisiert“, sagte etwa Christoph Bals von Germanwatch. „Zwar forderte er perspektivisch den Ausstieg aus fossilen Energieträgern, betonte aber zugleich, dass wir vorerst weiter möglichst sauber produziertes und transportiertes Gas bräuchten.“
Unabhängig davon, wie man die Aussage des Kanzlers auf der Weltklimakonferenz bewertet – er scheint sich tatsächlich erst kurzfristig dazu entschlossen zu haben. Das ursprüngliche Redemanuskript enthält die Passage nicht.
Für den Rest der deutschen Delegation vor Ort in Dubai ist die Position allerdings nicht außergewöhnlich – vor wie nach dem Kanzlerstatement. Am Dienstag äußerten sich auf der Weltklimakonferenz beispielsweise Jennifer Morgan, Klima-Sonderbeauftragte aus dem Auswärtigen Amt, und Jochen Flasbarth, Staatssekretär aus dem Bundesentwicklungsministerium.
„Unser Ziel ist klar: Erneuerbare sind die Zukunft, das Ende des fossilen Zeitalters muss hier auf der COP greifbar werden“, sagte Morgan. „Natürlich müssen wir aus den Fossilen raus, und zwar so schnell wie möglich“, sagte Flasbarth. „Alles andere ist abenteuerlich.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Analyse der US-Wahl
Illiberalismus zeigt sein autoritäres Gesicht
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos