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Deutsche Nahost-PolitikDer Völkerrechtsbruch Israels muss klar benannt werden

Gastkommentar von René Wildangel

Merz' „Drecksarbeit“-Aussage beschädigt nicht nur die Glaubwürdigkeit deutscher Außenpolitik – sie offenbart auch seinen naiven Blick auf Israel.

Opfer der israelischen „Drecksarbeit“: Ein zerstörtes Wohnhaus in Teheran am 13. Juni Foto: Majid Saeedi/getty images

D ass sich Bundeskanzler Merz bei Israel bedankt hat, die „Drecksarbeit für uns alle“ zu machen, ist ein vorläufiger Tiefpunkt bei der Kommentierung des israelischen Angriffs auf den Iran. Die Einschätzung des israelischen Vorgehens in der Region ist bestenfalls naiv und beschädigt erneut die Glaubwürdigkeit deutscher Außenpolitik.

Merz drückte seinen „Respekt“ aus, dass „die israelische Armee, die israelische Staatsführung den Mut dazu gehabt hat, das zu machen.“ Es gilt sich noch mal zu vergegenwärtigen, wem Merz hier im Sinne der umstrittenen Staatsräson Respekt zollt: einer israe­lischen Regierung, die in Teilen aus Mitgliedern mit extremistischer und ul­tra­na­tio­na­lis­tischer Gesinnung besteht und sich massiver Kriegsverbrechen in Gaza schuldig gemacht hat.

Von den kritischen Tönen, die kürzlich angesichts der unerträglichen Lage im Gazastreifen zu hören waren, ist nichts mehr übrig. Statt Applaus zu spenden, wäre es die Verantwortung deutscher Politik, den nach überwiegender Lesart festgestellten Völkerrechtsbruch eindeutig zu benennen. Der Sprecher des Auswärtigen Amts behauptete, der Bundesregierung lägen „nicht genug Informationen“ vor. Das ist eine Farce, die erneut deutsche Glaubwürdigkeit und politische Handlungsfähigkeit zu beschädigen droht.

René Wildangel

ist promovierter Historiker und freier Journalist. Er arbeitet und publiziert unter anderem zum Schwerpunkt Naher und Mittlerer Osten.

Es ist eigentlich Konsens, dass ein militärischer Umsturzversuch unkalkulierbare Gefahren birgt und als ekla­tante Verletzung des Völkerrechts das internationale System beschädigt. Nun erwägt Trump einen Eintritt in den Krieg. Vom regelbasierten internationalen System ist in seiner zweiten Amtszeit kaum noch etwas übrig. Wenn künftig das Recht des Stärkeren gelten soll, sind auch die Argumente gegenüber Russland und andere Aggressoren dahin.

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Spät, aber möglicherweise noch nicht zu spät kommt der Ansatz von Außenminister Wadephul einer gemeinsamen diplomatischen Initiative mit Frankreich und Großbritannien. Hätte Europa früher entschlossen gehandelt, hätte es die gegenwärtige Misere möglicherweise verhindern können.

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9 Kommentare

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  • Immer öfter beschleicht mich das Gefühl beim Lesen es statt mit der taz mit dem Heidelberg Journal of International Law zu tun zu haben.

    Ob "Völkerrechtliche Zeitenwende" oder wie hier "den nach überwiegender Lesart festgestellten Völkerrechtsbruch".

    Das Gewaltverbot zwischen Staaten ist ius cogens (zwingendes Recht) und in Art. 2 der UN Charta geregelt. Jeder Angriff auf einen anderen Staat ist somit ein Verstoß gegen das Völkerrecht, es sei denn er wurde vom UN Sicherheitsrat bewilligt oder gar angeordnet.

    Unter rechtlichen Gesichtspunkten gibt es auch keine Zeitenwende. Von Mai Lai bis Abu Grahib gab es zahllose Ereignisse die völkerrechtlich nicht geandet wurden, meist aufgrund der Beschlussunfähigkeit der UN.

    Es wäre daher wünschenswert, wenn auch hierzulande nicht nur in gefühlt jedem zweiten Artikel zum Thema Nahost auf ein Bruch des Völkerrechts hingewiesen würde sondern dabei auch einmal mitbedacht wird, das Recht nur auf dem Papier besteht, wenn es nicht konsequent durchgesetzt wird. Darin liegt die Verantwortung der Weltgemeinschaft und nicht nur auf Verstöße hinzuweisen sondern sie gerichtlich zu ahnden und politisch zu sanktionieren.

  • Gerade, als man dachte, dass Friedrich Merz doch einige außenpolitische Statur hätte ....

    In aller Fairness muss man hinzufügen: Die Formulierung "Drecksarbeit" stammte von der Fragestellerin, der Kanzler nahm sie nur auf.

    Seis drum, es wäre geboten gewesen, hier in diplomatischer Zurückhaltung zu formulieren, dass der Iran natürlich keine Atomwaffen besitzen, dies aber auf dem Verhandlungswege erreicht werden solle, usw.

    Aber so ist er nun mal, unser Friedrich.

    Die "regelbasierte Ordnung" liegt schon länger in Trümmern, nicht nur wegen westlicher Verstöße. Offensichtlich braucht das Völkerrecht ein entschiedenes Update, aber es gibt zu viele Mächtige, die von der gegenwärtigen Anarchie profitieren.

    Und dass etwas erreicht worden wäre, "hätte Europa früher entschlossen gehandelt", wage ich ehrlich gesagt zu bezweifeln.

    Zu verfahren ist die Situation im Nahen Osten und zu zahnlos Europa - letzteres hat sich rumgesprochen, fürchte ich.

  • Danke für diesen Kommentar, denn taz-Redakteur Augustin pries zuletzt in der taz die erfrischende Ehrlichkeit, die Merz mit mit seiner Bemerkung zur Drecksarbeit, die Israel in Bezug auf den Iran leiste, auslöste.



    Ob Völkerechtsbruch durch Israel oder nicht, der Politik in der BRD scheint nicht klar zu sein, dass Israel versucht, die USA in diesen Krieg hineinzuziehen. Der Nahe Osten könnte explodieren, der Ölpreis ebenso, was Bodentruppen der USA im Iran zur Folge haben könnte.



    Schnell als gedacht könnte es dazu kommen, dass die BRD Israel und den USA bei seiner "Drecksarbeit (Merz)" im Iran zur Hilfe eilen muss.

  • Er, der das Wort "Dreckarbeit" in diesem Zusammenhang benutzt, ist ein wirklich armseliger Wicht.



    Es zeugt von einer aller moralischen Bedenken befreiten Politik, und, in diesem Fall, die Bestätigung dafür: der Merz ist unfähig.



    Ich habe etwas gegen den Terror* der israelischen Luftwaffe.



    Ob im Libanon, Syrien oder Iran.



    Was erlauben sich Nethanyahu?



    *und gegen jeden Terrror - ist aber hier nicht das Thema.

  • Ach, die Glaubwürdigkeit der deutschen Außenpolitik ist stabil am Boden, der kann keiner was.

  • Merz hat Recht, wenn er sich für die "Drecksarbeit" bedankt. Iran wollte, ohne dies zu verbergen, nach Erlangung der Atomwaffe Israel auslöschen. Wenn dies verhindert wird, dann ist es für die ganze Welt gut.

  • Es gibt keinen völkerrechtskonformen Angriff, Krieg ist immer gegen die Menschlichkeit.

  • "Hätte Europa früher entschlossen gehandelt, hätte es die gegenwärtige Misere möglicherweise verhindern können."

    Alle Experten sind sich einig, dass der Iran auf der Zielgeraden war Atomwaffen herzustellen.

    Ali Khamenei sprach wiederholt davon, Israel sei ein „Krebsgeschwür“, das „ausradiert“ werden müsse.

    Im Jahr 2015 veröffentlichte Khamenei ein offizielles Strategiepapier mit dem Titel „Palestine“, in dem er die „Zerstörung des zionistischen Regimes“ als Ziel nennt.

    Parolen wie „Tod Israel“ (Marg bar Esrael) sind Teil staatlicher Propaganda und Pflicht bei offiziellen Demonstrationen wie dem „Al-Quds-Tag“.

    Wie dieser Artikel diese "Kleinigkeiten" einfach unterschlägt.

    • @Pawelko:

      Ich weiss nicht, wen Sie mit "allen Experten" meinen, aber die US-Geheimdienste haben erst im März eine gegenteilige Einschätzung veröffentlicht. Die iranische Rhetorik mag hetzerisch sein (genauso wie die Drohungen gegen Iran), aber keine Legitimation für einen Angriffskrieg - und noch weniger für Kriegsverbrechen wie den Angriff auf Atomanlagen und auf Krankenhäuser, sowie die Ermordung von Wissenschaftlern. Entgegen aller Behauptung geht es hier nicht um "Selbstverteidigung" (spätestens seit der arabischen Friedensinitiative von 2002, die auch vom Iran unterstützt wurde, hatte Israel eine Chance auf eine vollständige regionale Integration), sondern um die Expansions- und Hegemonialbestrebungen einer rechtsextremen Regierung, die gefährliche Dimensionen annehmen: in den letzten Wochen sind auch Drohungen gegen die Türkei und Pakistan laut geworden. Stabilisierend ist das nicht...