Peter Unfried
über die entschiedene K-Frage bei den Grünen
: Partei der neuen Mitte

Die Frage, wer Kanzlerkandidatin der Grünen wird, war allein die Entscheidung von Annalena Baerbock. Und Baerbocks Antwort lautet unüberraschenderweise: Annalena Baerbock. Das kann man symbolpolitisch deuten und sagen: Endlich nimmt sich eine Frau, was sie kriegen kann und was ihr zusteht.

Aber entscheidend ist, ob Kanzlerkandidatin Baerbock das ausbaut, was der Co-Vorsitzende Robert Habeck und sie seit 2018 betreiben: die Grünen als Partei der neuen Mitte durchsetzen, eine Partei von Leuten, die SUV teils hassen, teils fahren und die Gendersprache teils lebensnotwendig finden und teils doof. Eine Partei, die weder ideologisch zu fassen noch einem alten Lager zuzuordnen ist, sondern die Bundesregierung politisch handlungsfähig machen will, nicht nur mit sozialökologischer Wirtschafts-, sondern auch mit europäischer und globaler Machtpolitik. Dafür müssten sie sowohl linke Politik machen als auch konservative Bezugsprobleme lösen, also mehrheitsfähige Reformpolitik im Konsens durchsetzen. Das wirklich Neue an den Grünen ist, dass sie einem „Es kann nur einen oder eine geben“ das alternative Modell eines gleichberechtigten Frau-Mann-Duos entgegengesetzt haben. Die erste Frage wird also sein, ob sie dieses Frau-Mann-Modell durchhalten können, obwohl gerade die liberalkonservativen Kräfte der Mediengesellschaft alles daran setzen werden, die Hierarchie-Wiederherstellung zu behaupten.

Die zweite Frage wird sein, da der Fokus nun stärker auf Annalena Baer­bock gerichtet ist, ob sie für bisherige Merkel-Wähler das Neue verkörpern und verbreiten kann, was die Grünen heute sein wollen: keine „alternative“ Partei für emanzipatorische Minderheiten, sondern das neue Zentrum der bundesrepublikanischen Gesellschaft – eine proeuropäische, gesellschaftsliberale Partei der sozialökologischen Wirtschaftstransformation.

Und die dritte Frage wird sein, ob Annalena Baerbock tatsächlich bereit ist, durchs Feuer zu gehen, was sie noch nicht musste. Seit heute sind alle Kanonen der Gegner auf sie gerichtet.

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