Kanzlerkandidat der Union: Sie streiten einfach immer weiter

Wie es auch ausgeht: CDU-Chef Laschet und CSU-Vorsitzender Söder werden Gesichtsverluste erleiden – unklar ist, wie hart es die Parteien trifft.

Im Vordergrund sitzt ein Mann auf einem Stuhl und blickt missmutig in die Kamera. Im Hintergrund blickt ein Mann charmant im Fernseher.

Größtmöglicher Abstand: Armin Laschet und Markus Söder bei einem gemeinsamen Auftritt im Januar Foto: reuters

BERLIN taz | Es sind wichtige Vorentscheidungen, die in diesen Tagen für die Bundestagswahl im September fallen. An diesem Montag wollen die Grünen bekannt geben, ob sie mit Annalena Baerbock oder Robert Habeck als Spit­zen­kan­di­da­t:in in den Wahlkampf ziehen. Und die Union wollte, so haben es die Kontrahenten Armin Laschet und Markus Söder zumindest zugesagt, bis Sonntagabend entscheiden, wer von ihnen als Kanzlerkandidat antritt.bis Sonntagabend entscheiden, wer von ihnen als Kanzlerkandidat antritt. Während es keinen Zweifel daran gibt, dass die Grünen ihren Zeitplan einhalten, war am Sonntag beim Redaktionsschluss dieser Ausgabe bei der Union noch keine Lösung in Sicht.

Die Lage ist so verfahren, dass die Junge Union und der Landesverband Niedersachsen für Sonntagabend Schaltkonferenzen einberiefen. Erwartet wird, dass dort Voten für den einen oder den anderen Kandidaten abgegeben werden. Bei der Jungen Union spricht viel dafür, dass dies Söder sein wird.

Die Lage ist so eskaliert, dass keiner der beiden Kontrahenten noch ohne Gesichtsverlust nachgeben kann. Besonders für die CDU und ihren neuen Chef aber steht viel auf dem Spiel: Bei einer Niederlage wäre Laschet wohl ein Parteichef auf Abruf und in NRW ein angeschlagener Regierungschef. Die CDU-Spitze wäre bloßgestellt, die Partei tief gespalten. Zahlreiche Stimmen warnen inzwischen auch vor der Spaltung der Union.

Dabei sah es vor einer Woche kurzzeitig nach einer friedlichen Lösung aus: Vergangenen Sonntag hatten CDU-Chef Laschet und CSU-Chef Söder beide erstmals offiziell verkündet, antreten zu wollen. Und Söder sagte, er stehe bereit, wenn die CDU als größere Schwesterpartei dies wolle.

1979 erzwang Franz Josef Strauß (CSU) eine Abstimmung und setzte sich durch – doch Helmut Schmidt (SPD) blieb anschließend Bundeskanzler

Doch schon am Montag war mit der kurzen friedlichen Phase Schluss. Nachdem sich die CDU-Führungsgremien für Laschet als Kanzlerkandidaten ausgesprochen hatten, holte Söder sich die Unterstützung seines Präsidiums. Die CDU-Gremien degradierte er zu flugs „Hinterzimmern“ und forderte, man müsse in Partei und Bevölkerung „hinein­horchen“. Eine Kampfansage. Söders großes Pfund: Er liegt in den Umfragen weit vor Laschet.

Am Dienstag kam es in der CDU/CSU-Fraktion zur offenen Feldschlacht: Gut 60 der insgesamt 245 Abgeordneten meldeten sich zu Wort, etwa zwei Drittel sollen sich für Söder ausgesprochen haben. Sollte es bis zum kommenden Dienstag keine Lösung geben, könnte es in der Bundestagsfraktion zu einer Kampfabstimmung kommen. Viele gehen davon aus, dass Söder diese für sich entscheiden würde – und die Zeit deshalb für den CSU-Chef spielt. Eine solche Situation hat es bislang nur einmal gegeben: 1979. Da erzwang CSU-Chef Franz Josef Strauß eine solche Abstimmung, setzte sich durch – und Sozialdemokrat Helmut Schmidt blieb anschließend Bundeskanzler.

Während die CSU quasi geschlossen zu Söder steht, ist die Lage in der großen Schwesterpartei deutlich heterogener, dort wird erneut ein tiefer Riss deutlich. Mit Reiner Haseloff (Sachsen-Anhalt) und Tobias Hans (Saarland) sind zwei Ministerpräsidenten auf Söders Seite gekippt.

Doch danach haben am Wochenende zahlreiche einflussreiche Politiker aus der CDU-Spitze wie der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, der auch Parteivize ist, und Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble erneut Laschet den Rücken gestärkt. Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther sowie CDU-Vize Julia Klöckner sprachen sich für diesen aus.

In der CDU-Spitze ist die Empörung darüber groß, dass Söder die gewählten CDU-Gremien sozusagen als Kungelrunden diskreditierte und seine Zusage vom Sonntag wieder kassierte. Dies sei „nicht zu ertragen“, sagte Wolfgang Schäuble. Er warnte davor, die CDU weiter zu schwächen. Die Union könne „ohne eine starke vitale CDU schlecht Wahlen gewinnen“.

Ein CSU-Politiker fordert den Rückzug Söders

Der Vize-Chef der CDU-Arbeitnehmervereinigung, Dennis Radtke, drohte gar mit der Gründung eines eigenen CDU-Landesverbandes in Bayern, das wäre das Ende der Union: Wenn Söder „die Kanzlerkandidatur erzwingen will, wenn er die CDU zerstören will, dann darf die Gründung der CDU in Bayern kein Tabu mehr sein“.

Am Wochenende wagte sich auch ein CSU-Politiker aus der Deckung. Der ehemalige Landtagsabgeordnete Hermann Imhof forderte Söder in der Süddeutschen zum Rückzug auf. Der Vize-Chef der Unions-Bundestagsfraktion, Carsten Linnemann (CDU), warnte dagegen vor einer Spaltung der Union. „Was wir jetzt brauchen ist eine gemeinsame Lösung und keine Kampfabstimmung in der Fraktion“, sagte er der Funke-Mediengruppe.

Über das Wochenende gab es zahlreiche Vorschläge, wie man den Parteichefs die Entscheidung aus der Hand nehmen könnte. Neben einer Abstimmung im Bundestag wurden unter anderem auch eine Kreisvorsitzenden-Konferenz, eine gemeinsame Sitzung der beiden Parteivorstände und eine Schlichtung ins Spiel gebracht.

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