Große Bauernproteste auf AfD-Linie: Die dicksten Kartoffeln
Bald wollen so viele Bauern wie lange nicht demonstrieren. Angeblich unabhängig, sind sie teils vom Bauernverband gesteuert – und AfD-nah.
Die Initiative „Land schafft Verbindung“ schreibt auf ihrer Internetseite: „Wir organisieren uns selbst, wir stehen unter keinem Verband, keiner Organisation, keiner Institution. Wir sind einfach Landwirte“. Auf derselben Seite hieß es noch Anfang der Woche, im etwa achtköpfigen Veranstalterteam seien Sönke Hauschild und Andre Brunemund „beratend dabei“. Hauschild ist Referent des Bauernverbands Schleswig-Holsteins, Brunemund leitet eine Imagekampagne von elf niedersächsischen Kreisverbänden der Lobbyorganisation.
Thomas Andresen vom Öffentlichkeitsausschuss des schleswig-holsteinischen Bauernverbands arbeitet immer noch im Orga-Team. Untergliederungen des Deutschen Bauernverbands organisieren Busfahrten zu der Veranstaltung. In einem internen Internet-Chat der Demo-Initiative, dessen Protokoll der taz vorliegt, schreibt Klaus-Peter Lucht, Vizepräsident des schleswig-holsteinischen Landesverbands, „der Bauernverband unterstützt diese Aktion schon die ganze Zeit“.
Der Anschein der Unabhängigkeit ist wichtig für die Bewegung, weil sie ihre Glaubwürdigkeit erhöht. Sie suggeriert: Hier werden nicht seit Jahrzehnten politisch festgelegte Funktionäre demonstrieren, sondern „Landwirte, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen wollen“, wie die Initiative schreibt, die von den Bauernprotesten in den Niederlanden inspiriert ist und sich im Internet formiert hat. Damit hat die gleichnamige Facebook-Gruppe in rund 2 Wochen mehr als 14.000 Mitglieder gewonnen.
Für Pestizide in Naturschutzgebieten
Inhaltlich liegt die Initiative mit dem Bauernverband aber auf einer Linie: Beide lehnen das „Agrarpaket“ der Bundesregierung ab. Demnach will das Kabinett den unter Krebsverdacht stehenden Unkrautvernichter Glyphosat ab 2024 ganz und alle Unkrautkiller sowie besonders schädliche Insektengifte in den meisten Naturschutzgebieten bereits vorher verbieten – vor allem, um das Insektensterben zu reduzieren. Zudem sollen mehr Agrarsubventionen, die bisher vor allem für den Besitz von Fläche gezahlt werden, etwa Umweltprojekte von Landwirten finanzieren. „Das Agrarpaket gefährdet bäuerliche Familienbetriebe“, teilt die Initiative mit. Denn weniger Pestizide und Flächenzahlungen bedeuteten wirtschaftliche Verluste.
Das Bundesagrarministerium antwortet auf solche Vorwürfe, dass es bei den Pestizidverboten nur um bestimmte Ackergifte und 158.000 Hektar Acker gehe – also 0,9 Prozent der landwirtschaftlich genutzten Fläche in Deutschland. Dazu kämen 1,1 Millionen Hektar Wiesen (6 Prozent der Agrarfläche), auf denen aber auch jetzt schon wenig Unkrautvernichter und kaum Insektengifte eingesetzt würden. Es werde auch „zur Bewirtschaftung notwendige Ausnahmen“ geben. Die pro Fläche berechneten Direktzahlungen würden nur um 4,50 Euro je Hektar gemindert – bei einer Gesamthöhe von in der Regel mehreren hundert Euro.
Außerdem wenden sich die Demo-Initiatoren gegen die geplante Verschärfung der Düngeverordnung. Die Pflanzen bekämen dann zu wenig Nährstoffe. Darauf entgegnet das Agrarministerium, dass das Grundwasser an etlichen Stellen zu stark mit potenziell gesundheitschädlichem Nitrat belastet sei. Der Stoff komme auch aus Düngern. Deutschland müsse die Belastung verringern, weil es sonst eine Strafe wegen jahrelanger Verstöße gegen die EU-Nitratrichtlinie zahlen müsse.
Die Demoveranstalter kritisieren auch „die permanente negative Stimmungsmache, das Bauernbashing“ durch Politik und Nichtregierungsorganisationen. Das sieht Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbunds, anders: Die Landwirte müssten sich dieser Auseinandersetzung stellen, weil viele vor Problemen wie dem Beitrag der Landwirtschaft zum Insektensterben oder zur Nitratbelastung die Augen verschlössen, sagt er zur taz: „Wenn die Landwirte an Lösungen arbeiten, werden sie auch ein positiver Teil der Gesellschaft.“
Einig mit Umweltschützern sind sich die Demo-Leute nur in einem Punkt: Beide kämpfen gegen das geplante Handelsabkommen der EU mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten, das Rindfleischimporte etwa aus Brasilien erhöhen könnte.
Pressesprecher ist ehemaliger AfD-Politiker
Als einzige im Bundestag vertretene Partei unterschreibt all das zusammen nur die AfD, die sich bereits Ende September mit Bauernprotesten gegen das Agrarpaket solidarisierte. Damit könnte der Konflikt die politischen Kräfteverhältnisse in der Landwirtschaft verschieben: Bisher waren die Bauern stets im Lager von CDU und CSU, die nun aber das Agrarpaket mittragen. Auch Walter Peters, den die Demo-Organisatoren der taz als Ansprechpartner nennen, war bis Mitte 2015 Kommunalpolitiker der rechtsradikalen Partei. Damals ist er ausgetreten, aber zumindest in Sachen Umwelt redet er genauso wie die heutige AfD. Peters stellt im Gespräch mit der taz den Bauernprotest als Teil eines Aufstands gegen Umweltschutz auch in anderen Branchen wie der Autoindustrie oder der Energiewirtschaft. Er beklagt, wie der Mittelstand, zu dem die Bauern gehörten, „nach und nach wegreglementiert wird und mit immer mehr Bürokratie und Auflagen versehen wird ohne Sinn und Verstand, aus rein politischen ideologischen Gründen“.
Auch Peters’ Haltung zum Klimawandel ist immer noch AfD-kompatibel: Die Menschen hätten „nicht viel Einfluss“ auf den Klimawandel, sagt Peters der taz – und widerspricht damit fast allen über das Thema publizierenden Wissenschaftlern. Dass auch Bauernverbands-Funktionäre die Demo mitorganisieren, ist für ihn kein Problem.
Ein Problem haben die Organisatoren jedoch mit dem Bundesverband Deutscher Milchviehhalter. Als dieser in einer Pressemitteilung auf die Demo hinwies, forderten Organisatoren in harschen YouTube-Videos, dass die Gruppe ihr Statement zurückzieht. Schließlich sollten sich keine Verbände beteiligen. Anders als die Demo-Initiatoren hat der Milchviehhalter-Verband „die Notwendigkeit deutlicher Veränderungen“ in der Landwirtschaft anerkannt. Er verlangte auch, „die wettbewerbsschädliche Marktübermacht der Abnehmer unserer Produkte einzudämmen, um Preise für unsere Produkte erzielen zu können, die ihrer hohen Wertigkeit entsprechen“.
„Faire Preise“ wollen sie nicht fordern
Davon wollen die Demo-Organisatoren nichts wissen. In einem Chat gaben sie die Regel aus: „Keine Plakate mit gerechten Preisen usw. …“ Auch von den Forderungen der ökologisch orientierten Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft sind die Veranstalter weit entfernt. Die AbL will, dass die Agrarsubventionen nicht für jeden Hektar gleich ausgezahlt werden, sondern an soziale und ökologische Kriterien gebunden werden. Diese Punkte fehlen in den Druckvorlagen für Schilder, die die Organisatoren ins Internet gestellt haben.
Wie im AfD-Milieu ist auch bei den Demo-Veranstaltern das Misstrauen gegenüber „den Medien“ und Umweltschützern groß. In einem offiziellen Verhaltenskodex verlangt die Gruppe von den Teilnehmern: „Nehmt nicht an Diskussionen mit Aktivisten teil“ und: „Verweist die Medien so weit wie möglich an die sichtbaren und ernannten Personen (Pressesprecher) der Organisation.“
Naturschutzbund: „Keine Lösungsvorschläge“
Nabu-Präsident Olaf Tschimpke hat für die Proteste wenig übrig. „Die kommen ja nicht mit Lösungsvorschlägen. Sie klagen immer nur, sagen aber nicht, wie sie aus dem Konflikt mit dem Natur-, Wasser- und Klimaschutz herauskommen wollen.“ Der Nabu dagegen habe zum Beispiel einen EU-Naturschutzfonds gefordert, der die Leistungen der Bauern für den Naturschutz honorieren solle. Das hätten der Bauernverband und mit ihm verbündete Politiker aber abgelehnt. „Wir haben kein Interesse am Bauernsterben, weil wir die Landwirte brauchen“, so Tschimpke. Aber die Bauern könnten nicht erwarten, dass ihre Umweltsünden die Gesellschaft weiter belasten.
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