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Geplante Grundgesetz-ÄnderungenLinke stellt Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht

CDU/CSU und SPD wollen mit alten Mehrheiten im Bundestag das Grundgesetz ändern und mehr Kreditaufnahme erlauben. Die Linke zieht jetzt vor Gericht.

Haben Eilantrag gestellt: die Vorsitzenden der Bundestagsgruppe der Partei Die Linke, Heidi Reichinnek (r) und Sören Pellmann Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Berlin dpa | Die Linke will mit einem Eilverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht milliardenschwere Entscheidungen mit alten Mehrheiten im Bundestag verhindern. Wie die amtierende Fraktionsführung mitteilte, stellten einzelne Bundestagsabgeordnete und die künftige Fraktion in Karlsruhe den Antrag auf eine einstweilige Anordnung.

Ziel ist, den alten Bundestag nach der für Freitag geplanten Feststellung des Endergebnisses der Bundestagswahl vom 26. Februar nicht mehr zu Sondersitzungen einzuberufen. In der Begründung des Antrags heißt es, die neuen Abgeordneten sähen sich in ihren Mitwirkungsrechten verletzt. Der amtierende Fraktionschef Sören Pellmann sprach von einer Entmündigung.

Pellmann kündigte zudem an: „Ob wir darüber hinaus auch zum übereilten Beschluss- und Gesetzgebungsvorhaben juristisch weiter vorgehen werden, da sind wir noch in der Prüfung.“ Dem Vernehmen nach soll dies bis Mitte der Woche entschieden werden.

Lockerung der Schuldenbremse und Sondervermögen

Die mögliche künftige Koalition aus CDU/CSU und SPD will noch vor Konstituierung des am 23. Februar gewählten Parlaments das Grundgesetz ändern. Ziel ist einerseits die Lockerung der Schuldenbremse für erhöhte Verteidigungsausgaben, andererseits ein bis zu 500 Milliarden Euro schweres Sondervermögen für Infrastruktur, das über ebenfalls über zusätzliche Schulden finanziert würde.

Die Linke hält es für unzulässig, so weitreichende Entscheidungen noch mit alten Mehrheiten zu treffen. Auch die Grünen wollen dem geplanten milliardenschweren Verteidigungs- und Infrastrukturpaket von Union und SPD in seiner aktuellen Form nicht zustimmen. Sie halten sich aber Gespräche offen.

Im alten Bundestag haben CDU/CSU, SPD und Grüne eine Zwei-Drittel-Mehrheit, wie sie für Verfassungsänderungen nötig ist. Im neuen Parlament käme eine Zwei-Drittel-Mehrheit nur noch mit Stimmen der Linken oder der AfD zustande.

Linke für Gespräche über Schuldenbremse offen

Die Linke hat signalisiert, dass sie für Gespräche über eine Abschaffung oder Reform der Schuldenbremse zur Verfügung stünde. Das bekräftigte die amtierende Co-Fraktionschefin Heidi Reichinnek und begrüßte die Ansage der Grünen, das Vorgehen von Union und SPD so nicht mitzutragen.

„Wir als Linke setzen uns weiterhin dafür ein, dass die Schuldenbremse, die weder ein Naturgesetz noch gottgegeben ist, endlich abgeschafft wird“, sagte Reichinnek. „Wir sind aber bereit, und auch das haben wir schon mehrmals betont, eine Reform mitzutragen. Im neuen Bundestag gibt es dafür demokratische Mehrheiten.“

Die Linke ist gegen stark erhöhte Verteidigungsausgaben. Auf Nachfrage deutete Reichinnek aber an, dass eine Mitwirkung bei der Reform der Schuldenbremse daran nicht unbedingt scheitern würde. Sie sagte, wenn die Schuldenbremse als Ganzes reformiert werde, ermögliche dies Investitionen beispielsweise in den Wohnungsbau, in die Gesundheit, in die Bildung. „Wie genau diese Räume dann genutzt werden, das entscheidet ja der Bundestag über den Haushalt.“

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9 Kommentare

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  • Sorry, unvollständig in mehreren Belangen. Etwas kommt dann in den Kommentaren.

  • Für mich gibt es für dieses Ansinnen der "Nochregierung" nur ein Wort: "Nachtreten". Und das macht man nicht.



    Es sein denn man heisst C*U.

  • Das Ganze mag politisch unschön sein, rechtlich ist es aber nun mal so, dass der Bundestag bis zur letzten Sekunde vor der Konstituierung des neuen legitimiert ist und Gesetze verabschieden kann. Die Abgeordneten des „alten“ Bundestages sind im Übrigen immer noch völlig frei und sowohl der Linken als auch der AfD steht es frei, Mehrheiten für ihre Position zu suchen. Darüber hinaus steht es ihnen auch frei, im nächsten Bundestag Mehrheiten zu suchen, um die Verfassungsänderung rückgängig zu machen.

    • @Suryo:

      Da haben Sie rechtlich recht, demokratietheoretisch ist es aber nicht zu vermitteln. Am Freitag wird das Endergebnis der Wahl verkündet, am Samstag könnte sich also bereits der neue Bundestag konstituieren und auch, in der gleichen Sitzung noch, die erste Lesung zum GG-Änderungsgesetz abhalten. Warum also solte es der alte BT noch machen? Weil dann irgendwelche Panzer zwei Tage früher bestellt werden können? Absurd.

  • Die Linken sind die einzige Partei, die auch nach der Wahl noch zu ihrem Wahlprogramm steht. Die keinen offenbar Betrug an ihren WählerInnen begehen wollen. Das begrüße ich sehr.

    Union und SPD haben diese angebliche Zwangssituation selber herbeigeführt und hoffen darauf, ohne Gespräche mit den Grünen UND Linken ihre klimaschädliche Agenda durchzubringen.

    Es ist noch nicht ausgemacht, wie die Grünen sich verhalten. In der Vergangenheit haben sie ja am Ende so ziemlich jeden "Kompromiss = Rechtsruck" abgenickt.



    Das war allerdings noch Habeck's Ägide.



    Vielleicht besinnen sie sich jetzt gerade eines Besseren. Sie haben ja eh nichts mehr viel zu verlieren.



    mE sollte die Abstimmung im neuen Bundestag erfolgen. Taschenspielertricks haben das frühe Aus der Ampel verursacht.



    Man fragt sich, warum die Union es nun nochmal versuchen möchte.



    Der Wählerwille ist zu beachten!

  • Vernünftige Position der LINKEN, die ihre parlamentarischen Rechte ausschöpft.

    Persönlich finde ich eine Aufweichung der Schuldenbremse nur zu militärischen Zwecken - gelinde gesagt - merkwürdig.

  • Die Linke wird auch Geld für die Bundeswehr durchwinken müssen. Dann geht umgekehrt auch mehr für anderes Sinnvolles.



    Die Schuldenbremse sollte einfach auf das EU-Pflichtniveau gebracht werden, ohne Sondervermögentrara. Egal, ob das für Merz, diesen Pinocchio, peinlich ist oder nicht.

  • Ich vermute auch, dass das Vorhaben verfassungswidrig ist.



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    Es geht ja nicht um konkrete Vorhaben - etwa dass die Parlamentsarmee Bundeswehr gerade dringend irgendwo gebraucht würde oder um sonst ein aktuelles, unaufschiebbares Vorhaben.



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    Sondern darum, die künftige Regierung mit finanziellen Möglichkeiten auszustatten, die gegenwärtig nicht mit dem GG vereinbar sind.



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    Der Bundestag hat genau das der Nochregierung in der ablaufenden Legislaturperiode verweigert.



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    Das Wahlergebnis im Rücken will der Oppositionsführer sich selbst und seiner künftigen Regierung als vermutlich neuer Kanzler der nächsten Legislaturperiode die Mittel bereitstellen, die federführend er der bisherigen Regierung verweigert und damit ganz prinzipiell Wahlkampf gemacht hat.



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    Dringend ist die Sache nur, weil er befürchten muss, der bereits gewählte neue Bundestag werde nicht so weitgehend zustimmen wie gewünscht.



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    Nur deshalb soll das neue Parlament vorher festgelegt, seine Konstituierung verschleppt, der schon manifeste Wählerwille unterlaufen werden, ohne dass die Wähler dies in ihrer Entscheidung hätten berücksichtigen können.



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    Also in einem wahltechnisch rechenschaftsfreien Niemandsland.

  • Die Linke (und die AfD) haben da recht: Das Wahlergebnis ist festgestellt, die neuen Abgeordneten haben ihre Büros bezogen, die Fraktionen tagen schon. Falls es also wirklich etwas ganz, gaanz dringend zu beschließen gäbe, wäre es Aufgabe der BT-Präsidentin, den neuen Bundestag einzuberufen. Diese Tricksereien von CPD/SPU und Grünen, weil das blöde Volk nicht richtig gewählt hat, treiben den Linken und Rechten die Wähler noch schneller in die Arme. Besser und nachhaltiger als z.Zt. wurde noch nie Werbung für die Extremen gemacht, ein einziges großes Politikverdrossenheitsförderungsprogramm.