Gefährdete deutsche Ukrainehilfe: Auf Trumps Pfaden
Zur Lösung ihres Haushaltsstreits stellt die Ampelkoalition die Ukrainehilfen zur Disposition. Das erinnert an die US-Republikaner voriges Jahr.
S aniert Deutschland seine Staatsfinanzen auf Kosten der Ukraine? Berichte, wonach die Bundesregierung als Teil ihrer neuesten Haushaltseinigung alle neuen Hilfszusagen für Kyjiw stoppt, mögen sich als übertrieben herausstellen. Doch dass überhaupt Deutschlands militärische Unterstützung der Ukraine in einem Atemzug mit dem Stopfen von Haushaltslöchern genannt wird, ist aberwitzig.
Es ist kein Jahr her, da blockierten die Trump-Anhänger im US-Kongress den Staatshaushalt und erzwangen damit, dass die USA ihre Unterstützung der Ukraine monatelang auf Eis legten. Tausende Menschen haben dies mit ihrem Leben bezahlt. Den ukrainischen Fronteinheiten ging die Munition aus, Putin schöpfte neue Hoffnung und legte weitere Ortschaften in Schutt und Asche.
Das monströse Spiel endete zum Glück nach einigen Monaten, doch der Schaden war gewaltig. Und die Sorge davor, was passiert, wenn Donald Trump die US-Wahlen gewinnen und als Präsident den Ausgleich mit Putin auf Kosten der Ukraine suchen sollte, wurde zu einer konkreten Angst.
Die Ukraine zog daraus eine Lehre: Sie begann, den jetzt laufenden Einmarsch in Russland zu planen – in einer Trump-Welt braucht Kyjiw ein Faustpfand, um einen „Deal“ mit Moskau überleben zu können. Europa erkannte ebenfalls eine Lehre: Es kann seine Sicherheit nicht einfach in die Hände Washingtons legen – Putins Krieg richtet sich nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen ganz Europa, und Europa kann diesen Krieg entweder gemeinsam mit der Ukraine gewinnen oder gemeinsam mit der Ukraine verlieren.
„Wir werden in unserer Unterstützung für die Ukraine nicht nachlassen“, sagte Bundeskanzler Scholz im Februar, als er mit Selenskyj in Berlin ein deutsch-ukrainisches Sicherheitsabkommen unterzeichnete, das weitere Unterstützung für zehn Jahre festlegte. Nun aber schrumpft die Ukrainehilfe in den deutschen Haushaltsentwürfen von über 7 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 4 Milliarden 2025, 3 Milliarden 2026 und 0,5 Milliarden ab 2027. Und weil die laufenden Gelder schon verbucht sind, gibt es jetzt schon keine neuen, egal was passiert, außer auf Sonderantrag, vielleicht. Ein neues Luftabwehrsystem? Geht nicht, Antrag nicht korrekt.
Verabschiedet sich Deutschland aus buchhalterischen Gründen aus der Weltpolitik? Knickt die Ampelkoalition vor wichtigen Landtagswahlen im Osten schon mal vor Sahra Wagenknecht und Björn Höcke ein? Man kann nur hoffen, dass der deutsche Trump-Spuk schnell ein Ende nimmt. So oder so: Ein Abgrund an Verantwortungslosigkeit ist sichtbar geworden. Und in Kyjiw wird man sich zukünftig zweimal überlegen müssen, ob auf ein Wort aus Berlin Verlass ist.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen