Festnahme bei Protest nahe Lützerath: Greta Thunberg spaltet die Gemüter
Die Bilder der Schwedin zwischen Polizisten erregen die Twitter-Gemeinde. Derweil ruft die Bewegung zu einem neuen globalen Klimastreik im März auf.
Am Dienstag hatte es in der Grube nahe dem geräumten Lützerath große Aufregung gegeben. Die schwedische Aktivistin Greta Thunberg beteiligte sich dort aktiv an einer mehrstündigen Störung des Tagebaus. Als sie mit rund 60 anderen von einer Polizeieinheit eingekesselt wurde, folgten schnell Alarmaufrufe über Whatsappp. Geodaten wurden geteilt, ein französischer Fotograf meldete, er sei zufällig im Kessel.
Thunberg festgesetzt – das war ein Aufreger. Die schwedische Aktivistin ließ sich, ohne die Miene zu verziehen, von drei Beamten wegtragen, ihre schlammverdreckten Stiefel vorneweg. Auf dem Aufregermedium Twitter ging es augenblicklich rund: Die Polizisten seien „bestimmt happy“, einmal in ihrer Karriere so eine Prominente tragen zu dürfen. Oder das Gegenteil: Bestimmt kenne die Polizei Thunberg gar nicht. Und wenn doch, würde man sie, gründlich deutsch, trotzdem erkennungsdienstlich behandeln. Sie könnte ja ihre eigene Zwillingsschwester sein.
Belustigt erklärte eine Polizeisprecherin am Mittwoch, die Schwedin sei ihnen durchaus bekannt. Thunberg twitterte gleichzeitig: „Gestern war ich Teil einer Gruppe, die friedlich gegen den Ausbau einer Kohlemine in Deutschland protestiert hat. Wir wurden von der Polizei eingekesselt und dann festgenommen, aber später am Abend wieder freigelassen.“
Hassmagnet beim Aufregermedium
Bei Twitter ist Thunberg ein sehr besonderer Hassmagnet. Alles sei nur ein inszeniertes „Fotoshooting mit der Polizei“ gewesen, schwurbelte einer. „Das ist alles Propaganda. Du bist eine Marionette der Globalisten. Bist du überhaupt ein Mensch? Du siehst aus wie ein Roboter.“ Diese Ferndiagnose kam aus Sydney. Jemand anderes erkannte „gehirngewaschenen narzisstischen Weltuntergangs-Kultmüll“. Die Anmerkung eines Dritten hatte noch einen gewissen Charme: „So getragen, reist man natürlich noch viel ökologischer.“
Tatsächlich gab es noch Hunderte andere, die am Dienstag Straßen, Brücken, Kraftwerke und Bagger besetzten und vereinzelt in Gewahrsam kamen. Es habe nur „kleinere Störaktionen“ gegeben, hieß es von der Polizei Aachen. Die letzten Festgesetzten kamen erst tief in der Nacht ins Widerstandscamp nach Keyenberg zurück. Nach Auskunft von „Lützerath Lebt“ befinden sich derzeit sieben Personen in Langzeitgewahrsam, weil ihre Personalien unerkannt blieben. Ein Mensch sitzt in Untersuchungshaft.
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