Besetztem Waldstück droht Räumung: Der Heibo soll bleiben

Nach Lützerath droht dem Heidebogen in der Radeburg-Laußnitzer Heide die Räumung. Akti­vis­t:in­nen wollen den Ausbau einer Kiesgrube verhindern.

Ein Baumhaus im Wald

Hier droht die Räumung: Baumhäuser in der Radeburg-Laußnitzer Heide Foto: Sebastian Kahnert/dpa/picture alliance

RADEBURG-LAUßNITZER HEIDE taz | Als in der vergangenen Woche ein Großaufgebot der Polizei Lützerath im rheinischen Revier für die Kohlebagger des Energieunternehmens RWE räumte, bereiteten sich auf der anderen Seite der Republik gerade Ak­ti­vis­t:in­nen im „Heibo“ auf ein ähnliches Szenario vor.

Heibo ist die Abkürzung von Heidebogen, einem Waldstück in der sächsischen Radeburg-Laußnitzer Heide. Im Heibo hängt ein großes Banner. „Wald statt Kies“, steht darauf. Eineinhalb Jahre schon harren Ak­ti­vis­t:in­nen in dem etwa 25 Kilometer von Dresden entfernten Waldstück aus.

Ihr Ziel: Sie wollen die Erweiterung einer Kiesgrube durch das Kieswerk Ottendorf-Okrilla & Co. (KBO) verhindern. Für die Erweiterung der bestehenden Kiesgrube „Würschnitz“ will das Unternehmen 134 Hektar Wald roden – so viel wie etwa 190 Fußballfelder. In dem neuen Gebiet „Würschnitz-West“ sollen Sand und Kies für Bauvorhaben abgebaut werden.

Nun steht das einzige besetzte Waldstück in Ostdeutschland vor der Räumung. Das Ordnungsamt Bautzen setzte den Ak­ti­vis­t:in­nen bereits Mitte Dezember ein Ultimatum: Entweder sie räumten ihre Baumhäuser bis zum 23. Januar – oder das Camp würde von den Behörden geräumt. Wie das aussehen könnte, zeigt Lützerath.

An der Erweiterung der Grube wird bereits seit über 20 Jahren geplant. Eine örtliche Bürgerinitiative und Na­tur­schüt­ze­r:in­nen engagieren sich dagegen. Der Wald, der für den Tagebau weichen soll, wird eigentlich gerade zu einem Mischwald umgewandelt. „Das allein sollte in Zeiten des Klimawandels Grund genug sein, den Abbau zu unterbinden“, schreibt der Nabu Sachsen an die taz – und betont, wie wichtig der Wald für Mensch und Natur sei. Zudem seien das nahe gelegene Naturschutzgebiet Moorwald Großdittmannsdorf sowie zahlreiche gefährdete Tierarten bedroht.

In einem Gutachten des Naturschutzbundes vom Dezember heißt es, dass die spätere Auffüllung der Kiesgruben durch Bauschutt das Grundwasser verunreinige, aus dem die Moore ihre Wasserversorgung ziehen. Eine starke Konzentration von Salzen im Wasser sowie eine hohe Karbonathärte könnten das Ökosystem der Moore zerstören. „Kommt der Tagebau, droht das lokale Aussterben“, so der Nabu.

Abholzen, neu pflanzen

Das sieht KBO anders. In einem Informationsvideo auf der Webseite des Unternehmens heißt es, alle Naturschutzrichtlinien würden eingehalten, der Tagebau in mehreren Schritten renaturiert. Die Ak­ti­vis­t:in­nen im Heibo überzeugt das nicht. „Die Aufforstungen in der bestehenden Grube sind ein Witz“, finden sie. Und: „Worin liegt der Sinn, einen gesunden Wald abzuholzen, um anschließend einen neuen zu pflanzen?“

Trotz der drohenden Räumung wirken die Ak­ti­vis­t:in­nen – wie viele es sind, wollen sie nicht sagen – gelassen. Entschlossen zu bleiben, sind sie ohnehin. „Ich weiß, wofür ich das mache und welche Konsequenzen mir drohen“, sagt ein:e Ak­ti­vis­t:in mit dem selbst gewähltem Namen Günther. Mit einem Tuch hält sie Mund und Haaransatz bedeckt, nur die Augen sind zu sehen. Auch untereinander bleiben die Be­set­ze­r:in­nen angeblich anonym.

Das Camp besteht aus elf Holzkonstruktionen – ist also viel kleiner als Lützerath. Die Behausungen sind mit bunten Planen behangen, einige sind innen mit Decken und Holzwolle gedämmt. Durch den mit Heidekraut bewucherten Wald haben sich mittlerweile Pfade eingetrampelt. Neben dem Rauschen des Windes hört man Motorsägen in der Ferne. Keine 100 Meter vom Camp entfernt fällt die Abbruchkante der Kiesgrube zehn Meter in die Tiefe.

„Das System kann so nicht weitergehen. Wir brauchen eine Bauwende“, sagt Günther. Vielen Ak­ti­vis­t:in­nen geht es um den Kampf gegen Profitmaximierung, um eine anarchistische Utopie. Sie haben im Heibo einen Freiraum ohne Hierarchie und Diskriminierung gefunden.

Um das zu verteidigen, haben sie Absperrungen errichtet und Gräben ausgehoben, die den Weg ins Camp für Räumfahrzeuge und Polizei behindern sollen. In den Baumkronen hängen in fünf bis zehn Meter Höhe Plattformen, auf denen Menschen Platz nehmen können. Sie verbindet ein komplexes System aus dicken Seilen, um die Räumung zu erschweren. Sogar ein Dixi-Klo thront etwa acht Meter über dem Boden. Welche Rolle es spielen könnte, wollen die Ak­ti­vis­t:in­nen nicht verraten.

Am kommenden Wochenende veranstalten sie ein „Skillsharing“. Busse aus Chemnitz und Leipzig haben sich angekündigt. Die Ak­ti­vis­t:in­nen hoffen, dass einige der Angereisten bleiben, um mit ihnen den Heibo zu verteidigen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Eine Person sitzt auf einem Ausguck. Sie trägt eine blaue Hose und hat eine goldene Wärmedecke um die Schultern geschlagen. Außerdem trägt sie eine weiße Maske und eine Mütze. Szenerie aus Lützerath

Wie lebt es sich im besetzten Weiler? Die taz-Autor*innen Aron Boks und Annika Reiß waren für die Kolumne Countdown Lützerath vor Ort. Zwischen Plenum, Lagerfeuer und Polizei

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.