Ende des Klima-Hungerstreiks: Das Momentum fehlt
Der Hungerstreik in Berlin endet zum Glück ohne menschliche Tragödie. Er verpuffte auch deshalb, weil andere Krisen derzeit dominieren.

E s ist nichts als schlau, aufzuhören, wenn man nichts mehr erreichen kann. Die Berliner Klimaaktivist:innen im Hungerstreik sind nicht bis zum Äußersten gegangen. Sie haben, rational völlig nachvollziehbar, ihren Protest für eine nachhaltigere Klimapolitik beendet – und essen wieder, kurz vor dem 100. Tag der Verweigerung der Nahrungsaufnahme ihres Frontmanns Wolfgang Metzeler-Kick.
Am Ende der auch in der Szene umstrittenen Aktion ist den acht Klima-Ultras zu danken. Und zwar dafür, dass sie die Aktion – offenbar ohne schwerwiegende Schäden – aufgegeben haben. Es ist zwar lobenswert, wenn jemand sein persönliches Schicksal für die Sache aller opfern will. Aber dieser Heroismus war an dieser Stelle fehlgeleitet. Er hat versucht, die Berliner Klimapolitik in die Zange zu nehmen. Aber das Mittel Hungerstreik ist dafür schlicht nicht geeignet.
Metzeler-Kick und seine MitstreiterInnen hatten vom Kanzler ultimativ ein öffentliches Bekenntnis zur Klimakrise gefordert – und sich nun, als sich Olaf Scholz nicht rührte, für das Leben entschieden. Richtig so. Denn: Demokratisch legitimierte Kanzler dürfen sich von niemandem erpressen lassen, selbst wenn das Anliegen noch so groß ist. Selbst einem Scholz’schen Machtwort wäre ja nicht zwangsläufig eine Klimaaufholjagd der Ampel gefolgt. Dann wäre die radikale Selbstgefährdung der Hungerstreikenden sinnlos geblieben; möglicherweise wäre das Opfer Einzelner sogar schlicht verpufft.
Was heißt das Ende des Streiks? Hungern bewirkt nichts, auf der Straße festkleben nützt nichts, Kohletagebaue besetzen nützt nichts, Klimastreiken ist sinnlos? Nein. Die Bewegung muss sich eingestehen, dass die Kriege und Krisen der aktuellen Welt dem Klimathema derzeit das Momentum genommen haben. Der Druck, den die Fridays bis 2020 auf die Klimapolitik weltweit ausübten, hat nachgelassen. Aber das wird nicht so bleiben. Die Stunde derjenigen, die die Welt vor der Überhitzung bewahren wollen, wird kommen. Vielleicht mit der nächsten Naturkatastrophe. Das ist dann schon sehr, aber hoffentlich noch nicht zu spät.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Friedensforscherin
„Wir können nicht so tun, als lebten wir in Frieden“
Klimaneutral bis 2045?
Grünes Wachstum ist wie Abnehmenwollen durch mehr Essen
Prozess gegen Maja T.
Ausgeliefert in Ungarn
Bundesregierung und Trump
Transatlantische Freundschaft ade
Bundestagswahl für Deutsche im Ausland
Die Wahl muss wohl nicht wiederholt werden
CDU-Chef Friedrich Merz
Friedrich der Mittelgroße