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Einführung einer MilliardärssteuerLobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit

Eine Milliardärssteuer könnte die Vermögenskonzentration verringern und dringend nötige finanzielle Mittel mobilisieren. Doch sie wird seit Jahren blockiert.

Die Besteuerung von Vermögen ab 1 Milliarde Euro beträfe in Deutschland 249 Personen Illustration: Zoë Matt-Williams

Das reichste Prozent der deutschen Bevölkerung besitzt 35 Prozent des Vermögens. Das hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ausgerechnet. Während die Haushaltslage in Deutschland angespannt bleibt und die soziale Ungleichheit im Land wächst, konzentriert sich also ein erheblicher Teil des Wohlstands in den Händen einiger weniger Superreicher. Eine Milliardärssteuer einzuführen, wäre da konsequent. Warum gibt es sie nicht schon längst?

Mitte Dezember forderte der Kanzlerkandidat der Grünen, Wirtschaftsminister Robert Habeck, in einem Interview mit der Bild-Zeitung eine Milliardärssteuer. Die Linke will schon lange „Milliardär:innen abchaffen“. Und auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze von der SPD sprach sich im Sommer 2024 für eine globale Milliardärssteuer aus.

Die Besteuerung von Vermögen ab 1 Milliarde Euro beträfe in Deutschland 249 Personen. Auf dem G20-Gipfel im September 2024 brachte das Gastgeberland Brasilien dann den Vorschlag einer internationalen Mil­li­ar­dä­rssteuer von 2 Prozent des Vermögens ein. Einflussreiche Länder wie die USA und Deutschland positionierten sich dagegen.

Eine neue, global koordinierte Steuer auf das Vermögen von Superreichen ist deshalb nicht in Aussicht. Im Gegenteil: Kurz nach Donald Trumps Amtsübernahme erklärte dieser den Ausstieg der USA aus dem globalen Mindeststeuerabkommen für Großkonzerne von 2021. Das sollte sicherstellen, dass diese ihre Gewinne weltweit mit mindestens 15 Prozent versteuern, egal wo sie diese erwirtschaften.

Vermögensteuergesetz für verfassungswidrig erklärt

Panterjugend zur Bundestagswahl 2025

Dieser Text ist Teil des Projekts taz Panterjugend: 26 junge Menschen zwischen 18 und 25 Jahren, Nachwuchs-journalist:innen, -illustrator:innen und -fotograf:innen, kommen im Januar 2025 zu digitalen Seminaren zusammen und im Februar zu einer Projektwoche in die taz nach Berlin. Gemeinsam entwickeln sie zur Bundestagswahl Sonderseiten für die taz – ein Projekt der taz Panter Stiftung.

Die Idee, hohes Vermögen zu besteuern, ist nicht neu. Bis in die 90er Jahre wurde in Deutschland Vermögen ab 120.000 Mark besteuert. Doch 1995 urteilte das Bundesverfassungsgericht, das Vermögensteuergesetz sei wegen einer veralteten Bewertung von Immobilien verfassungswidrig und müsse aktualisiert werden. Union und FDP blockieren dies seither und so bleibt die Steuer bis heute ausgesetzt.

„Superreiche wurden in den letzten Jahrzehnten steuerlich entlastet“, sagt der Steuerexperte Stefan Bach vom DIW. Doch eine Milliardärssteuer sei in absehbarer Zeit nicht umzusetzen. „Sie stößt vor allem auf den massiven Widerstand der Wirtschaftsverbände und der Lobbyisten der Superreichen.“ Dem könnte sich auch eine rot-grüne Regierungsmehrheit nicht entziehen. 2024 etwa beleuchtete das ZDF-Magazin „frontal“ die aggressive Lobbyarbeit des Vereins Die Familienunternehmer gegen eine Vermögensteuer oder gegen den Abbau der Firmenprivilegien bei der Erbschaftsteuer.

Bernd Raffelhüschen, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Freiburg, sieht eine Vermögensteuer für Superreiche kritisch. „Das Kapital ist scheu wie ein Reh“, sagt er. Es sei mit Steuerflucht zu rechnen. Zudem sinke die Attraktivität des Standorts Deutschland. Unternehmen würden abwandern und weniger Investitionen getätigt. Der Aufwand sei so groß, dass etwa ein Drittel der Einnahmen allein für die Kosten der Erhebung aufgewandt werden müssten.

Dass die Erhebungskosten einen Großteil der Einnahmen beanspruchen, hält Stefan Bach vom DIW für einen Mythos. Nach einer tatsächlich aufwändigen Einführungsphase würden sich die Kosten auf 4 bis 6 Prozent der Einnahmen belaufen, wenn man – anders als bei der alten Vermögensteuer – nur die wenigen wirklich Reichen erfasse. Mittelfristig würden die Erhebungskosten noch geringer ausfallen. Die Herausforderungen der Einführung einer Steuer für Superreiche seien trotzdem nicht zu unterschätzen. „Umso wichtiger sind deswegen internationale Kooperationen, wie es zum Beispiel der Vorschlag Brasiliens vorsah“, sagt Bach. So könnte verhindert werden, dass Milliardäre sich mit ihrem Geld davonmachen.

Vermögensteuer und Bundestagswahl

SPD, Grüne, Linke und BSW wollen eine Vermögensteuer – wie und ab welchem Betrag sie greifen soll variiert jedoch. Union, FDP und AfD lehnen jede Form der Vermögensteuer ab.

„Angesichts der hiesigen fiskalischen Herausforderungen in den nächsten Jahren dürfen Steuererhöhungen nicht tabu sein“, sagt Stefan Bach. Er denkt an „leistungslose Einkommen, Vermögen und Vermögensübertragungen“. Schließlich werde alles, was man bei den Superreichen nicht erhebt, von den Normalbürgern getragen. „Bei der arbeitenden Mitte sind wir Vizeweltmeister bei den Steuer- und Abgabenbelastungen, wie uns die OECD jedes Jahr eindrucksvoll vorrechnet – bei den Vermögen dagegen Niedrigsteuerland.“

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21 Kommentare

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  • Wunschdenken ist erlaubt, aber nicht realistisch.



    Auch die SPD fordert eine Steuer für Milliardäre nur auf GLOBALER Ebene, wissend, dass es sonst ein Flopp wäre.



    Wer erklärt das nun Putin, Xi und Trump?

  • Eine Vermögenssteuer könnte ein Anfang sein. Dringend geboten wäre ein Deckel auf Privat- und Unternehmensvermögen als wirksamstes Mittel gegen die Bildung von marktbeherrschenden Oligopolen und Monopolen. Nach Markttheorie stören diese den Wettbewerb und müssten darum im Sinne eines Ordokapitalismus verhindert werden. Leider hat hier die komplette markt- und nationalistisch orientierte Wirtschaftspolitik schon immer versagt. Regionale, nationale und selbst globale Oligopole sind heute fast die Regel, statt nur asymptomatische Ausnahmen.

    „Väterchen“ Adam Smith waren auch die Banken und der Handel ein Dorn im Auge. Der Handel macht die Güter und Dienstleistungen tendenziell teurer und nutzt dafür seine Vermittlerfunktion zwischen Produzenten und Konsumenten aus. Die Banken und die Finanzindustrie machen das Geld selbst zu Ware, mit der sie Gewinne erwirtschaften wollen und stören so die Funktion des Geldes als „wertloses“ Medium für den Markttausch.

    Aber was schreib ich … Marktwirtschaft war schon immer eine unmögliche Utopie.

    • @DemokratischeZelleEins:

      Eine Vermögenssteuer, beinhaltet aber auch immer einen Griff in fremdes Vermögen, welches bis zur Entstehung schon zigmal besteuert wurde. Also man könnte es auch Diebstahl oder Enteignung nennen. Nicht wirklich klug.

      • @Alex_der_Wunderer:

        Kann man glauben, muss man nicht. Dass gerade bei diesen Vermögen alle Register gezogen wurden, um mal nett gesagt die Steuer zu vermeiden ist ja bekannt und der exponentielle Vermögensanstieg auch gerade während der letzten Krisen zeigt das ja auch. Aber mit Diebstahl kennen sich die Altreichen ja aus, wenn die ehrbaren Vorfahren als Diebe, Raubritter und Arisierer ganz "ehrlich" zu ihrem Vermögen gekommen sind, vergisst man das gern mal.

      • @Alex_der_Wunderer:

        Marktkonformer Staatsbürger, Kleinanleger oder Baseballschläger?

        Vielleicht ist ja der Vermögensaufbau Diebstahl an Mitmenschen, Gesellschaft, Natur? Eine Deckelung von Vermögen ist nicht nur marktwirtschaftlich geboten, sie ist auch zum Schutz gleichberechtigter demokratischer Mitbestimmung unentbehrlich. Immer wenn Wirtschaftsmacht das Potenzial zu Herrschaftsmacht hat, ist eine demokratische Kontrolle eben dieser Wirtschaftsmacht unverzichtbar. Und wie geschrieben: Eine Vermögenssteuer könnte ein Anfang sein.

        • @DemokratischeZelleEins:

          Sorry, solange von unseren Politikern keine präzisen Angaben über die, ab welcher Höhe - die in Zukunft angedachten - zu versteuernden Vermögenshöhen benannt werden, ist diese andauernde Forderung/Diskussion für mich nix als Populismus. Da kann kein Bürger, verlässlich etwas mit Anfangen.

  • Ich erinnere mich noch an irgendwelche "Betriebsversammlungen" vor den Wahlen auf denen die Unternehmer Sprüche losliessen wie "Wenn die Grünen rankommen müssen wir die Hälfte der Leute entlassen"



    Und sowas wirkt natürlich...

  • 1% Vermögenssteuer sind IMMER möglich. Weil der inflationstreibende Effekt einer solchen Steuer dann vernachlässigbar ist.

    Politiker wie Friedrich Merz brauchen laut Expertenmeinung auch Geld für ihre Politik. Ob aber Merz auf Experten hört? Oder wieder nur alles kaputt spart?

    • @Uwe Kulick:

      Ach, wenn man Bürgern ihr Eigentum wegnimmt, nennt sich jetzt sparen ? Interessant.

  • "Union, FDP und AfD lehnen jede Form der Vermögensteuer ab." Damit ist doch eigentlich alles gesagt...

  • Sind nicht die Immobilien jetzt frisch halbwegs bewertet?



    Raffelhüschen ist, so sinngemäß der Kollege G. Bosbach, eingekauft.



    Schauen wir auf Gerechtigkeit, Produktivität und nötige Ressourcen für Grundversorgung und Infrastruktur, müssen wir an die obszönen Vermögen natürlich ran. Wählen Sie etwas auf der linken Hälfte des Spektrums, fast jeder profitiert da, und der Rest hat es immer noch sehr, sehr gut.

    • @Janix:

      Frisch und halbwegs... In Bayern ist im Zweifelsfall der Quadratmeter saure Wiese am niederbayerischen Ortsrand ("Bauerwartungsland") nach dem dortigen Geindsteuermodell soviel wert wie der Quadratmeter Bauland in München.

      Auf dieses Bewertungsmodell eine Grundsteuer zu berechnen, ist schon sportlich - eine Vermögenssteuer dürfte das Verfassungsgericht noch wahrscheinlicher und auch noch mit nahezu der gleichen Begründung wie beim letzten Mal kassieren...

  • Die Ursachen, für unverhältnismäßige Vermögensanhäufung von Privatpersonen in Milliardenhöhe oder auch schon mehreren Millionen, müssen - durch etsprechende Regularien - im Vorfeld geregelt werden.



    Lohn- und Gehaltsempfänger sollten nicht Anhand ihrer investierten Arbeitszeit / gleich auch ihrer investierten Lebenszeit, sondern nach ihrer Produktivität - Wertschöpfung für ihre Unternehmen bezahlt werden.

    • @Alex_der_Wunderer:

      Was wollen Sie denn da im Vorfeld regeln? Wenn ich es mit einer klugen Geschäftsidee und entsprechendem Einsatz zu einem entsprechendem Vermögen bringe soll dies via Regel unmöglich gemacht werden?

      Zu Ihrem zweiten Vorschlag: das würde jeden Tarifvertrag aushebeln. Und in Unternehmen, die nicht der Tarifbindung unterliegen, kann man bereits auf diese Weise seine Gehaltsvorstellungen realisieren.

      • @Tom Tailor:

        Wenn man mit entsprechenden Einsatz zu einem Vermögen kommt - wie jetzt - ohne Einsatz von Mitarbeitern ? Oder Menschen, die für einen indirekt , durch ihren zeitlichen Einsatz, für den Aufbau eines Vermögens sorgen.



        Seltens erlebt.



        Gerade darum mein zweiter Vorschlag - die Bezahlung nach real geleiseter Tätigkeit und damit verbundenen, wirtschaftlichem Erfolg.



        Wie sonst - stellen Sie sich denn eine Angleichung der Vermögensverhältnisse in der Gesellschaft und damit eine, einhergehende, gewisse Sicherstellung des sozialen Frieden vor ?

        • @Alex_der_Wunderer:

          Von einer Angleichung der Vermögensverhältnisse halte ich nicht viel - ich wüsste auch nicht wie man das national regeln könnte.

          Es ist m.E. vollkommen ausreichend Gewinne entsprechend zu besteuern, da ist noch viel Luft nach oben. Steuergerechtigkeit findet de fakto nicht statt. Wenn Deutschland alle Steuern eintreiben würde die diesem Land zustehen, bräuchten wir uns über den sozialen Frieden keine Sorgen machen.

          Und was Ihren Vorschlag bezüglich der Bezahlung betrifft: es steht doch jedem Mitarbeiter frei bei seinem Chef entsprechende Forderungen geltend zu machen. Aber was ist mit denjenigen, die zum wirtschaftlichen Erfolg einer Firma nichts beitragen aber trotzdem benötigt werden? Die müssen ja auch fair entlohnt werden.

          • @Tom Tailor:

            Sie meinen die 🤡 Clown's, die es in fast jedem Unternehmen gibt ? DIe erhalten einen Abschieds ✍️✉️ 😉

  • Wieviele von diesen gerade mal 249 Milliardären könnten ganz schnell ihren Wohnsitz ins Ausland verlegen ?



    Wahrscheinlich alle, zumal solche Leute sowieso oft mehrere Wohnsitze haben.



    Der Milliardär Würth z.B., kürzlich in linken Medien noch gefeiert weil er sich öffentlich gegen die AfD ausgesprochen hat, lebt schon in der Schweiz.



    Wer im Wahlkampf verspricht, die strukturellen Probleme der deutschen Staatsfinanzen mit solchen Sondersteuern zu lösen, ist entweder dumm oder ein Lügner.



    Eine Steuer speziell für Milliardäre würde überhaupt nichts einbringen.

    • @Don Geraldo:

      Das bedeutet also, dass alles weitergeht wie bisher und wir alle zugucken - durch die berühmte Röhre. Die Steuer würde sehr viel bringen, man muss es nur wollen. CDSUAFDP täuschen jetzt im Wahlkampf weiter die Öffentlichkeit, auch gerne mit solchen merkwürdigen Argumenten.

    • @Don Geraldo:

      Das mag sein -obwohl das nicht ganz stimmt: als Deutscher bin ich per se steuerpflichtig- und wenn es ein Schlupfloch gibt, wer hindert den Gesetzgeber daran, das gleich mit zu regulieren. Das geht - man muss es nur wollen.

  • Eine Milliardärssteuer (oder auch Vermögenssteuer) hilft gar nichts, wenn die staatlichen Mehreinnahmen sowieso nur in die Megarüstung und Unternehmenssubventionen fließen.

    Zu einer sozialökologischen Gesellschaft führt so eine Steuerreform also noch lange nicht, solange die politischen Prioritäten der Politik so falsch sind, wie sie - nicht erst sei 2022 - sind.

    Daraus folgt: Revision der antisozialen, antiökologischen und kriegspolitischen Prioritäten first. Steuerreform second.

    Dann klappts's auch mit den zivilisatorischen Werten als Vorbild und Unterstützung der Welt.

    Ohne eine solche Revision kann man das zusätzlich eingenommene Geld auch gleich zum Fenster raus werfen oder verbrennen. Denn die Menschen haben nichts davon.