piwik no script img

Design von Zügen„Wir sprechen nicht von Klassen“

Christiane Bausback und Andreas Bergsträßer designen Züge für die Deutsche Bahn. Für sie sind die Zeiten vorbei, in denen es nur um Rentabilität ging.

Entwurf einer Business-Zone mit neuen Sitzanordnungen Foto: Siemens Mobility/N+P Innovation Design
Anna Fastabend
Interview von Anna Fastabend

wochentaz: Frau Bausback, Herr Bergsträßer, Sie haben schon viele Züge der Deutschen Bahn mitentworfen. Was macht eine gute Inneneinrichtung aus?

Christiane Bausback: Wir verstehen Design als Werkzeug, um Probleme zu lösen, nicht als Verschönerungsmaßnahme. Ein gutes Design muss durchdacht sein, man muss sich darin wohl fühlen, es muss die Marke widerspiegeln, und zwar über alle Berührungspunkte von der Buchung bis zum Zug.

Andreas Bergsträßer: Ein gutes Design zeichnet sich hier vor allem durch seine Langlebigkeit aus, da die Züge oft 30 Jahre und mehr fahren. Also muss es eher visionär sein, anstatt temporäre Trends zu beachten. Das ist immer dann der Fall, wenn es möglichst neutral gestaltet ist und nicht geschmäcklerisch. Sonst denkt der eine: Oh, das ist ja toll! Und der andere: Das geht gar nicht.

Designagentur N+P

Der Gründer

N+P Innovation Design wurde 1970 von Alexander Neumeister gegründet. Er hat den ICE designt, die Transrapid-Familie und den Nozomi Shinkansen in Japan. Er hat auch zahlreiche Preise gewonnen. Sein Transrapid-Design ziert eine Briefmarke. Seit 2011 ist er im Ruhestand.

Die Züge

Die Agentur ist für das Exterior- und das Interior-Design des ICE-V, des ICE 3 in den Baureihen 403 und 406, des ICE-T in den Baureihen 411 und 415, des Desiro in der Baureihe 642 und von vielen weiteren Zügen verantwortlich (www.np-id.com).

Gibt es unterschiedliche Kriterien für die Inneneinrichtung einer Regionalbahn und die eines Hochgeschwindigkeitszugs?

Bausback: Ja. Die Verweildauer in einem Hochgeschwindigkeitszug ist in der Regel sehr viel höher als in einem Regionalzug. Deshalb muss die Ausstattung, etwa die Sitze, darauf ausgerichtet sein. Hinzu kommt, dass ein Regio einen Teil des Landes repräsentiert, was sich durchaus auch im Interior-Design widerspiegeln kann, und ein Hochgeschwindigkeitszug das gesamte Land. Und dann ist da noch das Exterior-Design: Wenn eine S-Bahn wie ein sehr schneller Zug aussieht, stimmt etwas nicht.

Wenig Leder, dafür mehr Holz, Wollanteil und Gemütlichkeit: Was halten Sie vom geplanten ICE-Innendesign, das vor einigen Monaten vorgestellt wurde?

Bergsträßer: Meiner Auffassung nach werden dort viele Schwachstellen des aktuellen ICE 4 behoben. Es gibt mehr Privatsphäre und Wohnlichkeit, und die Sitzposition ist auch verbessert worden. Vieles im Restaurantbereich basiert auf unseren gemeinsamen Entwicklungen für die Deutsche Bahn der letzten Jahre.

Das Design erinnert sehr an Mid-Century. Was ist daran neu?

Im Interview: Christiane Bausback

Sie ist Designerin und Geschäftsführerin von N+P Design in München, Wien und Atlanta. Ihre Designs erhielten viele internationale Auszeichnungen.

Bergsträßer: Auch ein Design, das sich an der Vergangenheit orientiert, kann langlebig sein. Entscheidend ist, ob es gelingt, es in die Zukunft zu übertragen.

Ist viel Holz die Zukunft? Wäre es nicht ökologisch sinnvoller, etwa Plastik wiederzuverwerten?

Bergsträßer: Nachhaltigkeit hat viele Facetten. Auch Langlebigkeit und die Verwendung von nachwachsenden Rohstoffen gehören dazu. Holz kann als warmes Material helfen, eine nüchterne und funktionale Reiseumgebung wohnlicher zu machen.

Apropos Wohnlichkeit: Laut der Deutschen Bahn soll man sich in ihren Zügen künftig wie im eigenen Wohnzimmer fühlen. Heißt das, wir dürfen dann alle die Schuhe ausziehen und unseren Reiseproviant ausbreiten?

Im Interview: Andreas Bergsträßer

Er ist Designer mit 37 Jahren Erfahrung in der Gestaltung technisch komplexer Produkte in den Bereichen Mobility, Industry und Health Care bei N+P.

Bausback: Es geht ums Wohlfühlen, wie in der Lobby eines Hotels. Dort ziehe ich ja auch nicht unbedingt gleich die Schuhe aus, aber ich kann mich fallen lassen und genießen.

Bergsträßer: Wenn ein Zug Wohnlichkeit vermittelt, kann er gegen den Individualverkehr punkten.

In der Pressemitteilung zum neuen ICE-Innendesign heißt es: „Der Zug muss zum Menschen passen und nicht umgekehrt.“ Das erlebe ich oft anders. Da ist die Bestuhlung zu eng und für den Koffer ist wenig Platz. Wie passt das zusammen?

Bergsträßer: Insofern, als die aktuellen Züge Ausdruck der Vergangenheit sind, die Pressemitteilung sich aber auf die Zukunft bezieht.

Bausback: Vor 100 Jahren war das Bahnfahren noch ein Wahnsinnsereignis, das sich nicht jeder leisten konnte. Danach kam eine Welt, in der alles plötzlich funktional sein musste, neutral, kapazitätsgetrieben. Doch jetzt besinnen wir uns zurück: Wie können wir das Gute aus der Vergangenheit in die Zukunft übertragen? Aber bitte nicht bloß für die wohlhabenden 5 Prozent, sondern für alle Menschen.

Dennoch wird auch bei Ihren Designs recht deutlich, dass die Menschen mit viel Geld in Zukunft sehr bequem reisen werden – und die mit weniger nicht so. In der 1. Klasse ein schicker Lounge-Bereich, in der 2. Klasse Stuhl an Stuhl. Wo bleibt da die soziale Gerechtigkeit?

Bausback: Ich würde nicht unbedingt von Klassen sprechen, sondern von unterschiedlichen Zonen.

Entwurf für „Food& Beverage“-Zone mit Stehbereich Foto: Abb: Siemens Mobility/N+P Innovation Design

Bergsträßer: Jeder Passagier bringt unterschiedliche Bedürfnisse mit, die sich besonders während langer Strecken auch ändern können. Es ist also sinnvoll, ihm eine Auswahl verschiedener Zonen anzubieten: zum Arbeiten, zum Entspannen, zum Unterhalten, zum Telefonieren. Man könnte es künftig sogar so machen, dass man für seinen Platz nur so lange zahlt, wie man ihn benötigt. Die kleine Kabine für die halbstündige Telefonkonferenz, danach einen Drink an der Bar, später ein einfacher Sitzplatz …

Wird die Idee mit den Zonen bereits irgendwo umgesetzt?

Bergsträßer: Vor rund 10 Jahren haben wir für Hitachi ein modulares Zugkonzept entwickelt, wo es anstelle von Klassen verschiedene Zonen zum Arbeiten, Socializen und Relaxen gab. Und kürzlich haben wir mit Siemens und Grammer verschiedene Ansätze dazu entwickelt.

Wie war das früher, worauf wurde da bei der Inneneinrichtung eines Zuges Wert gelegt?

Bausback: Auch in den 90ern hat man schon von Reiselandschaften gesprochen – es ging also nicht mehr um die Gestaltung einzelner Waggons, sondern eher um den Zug als Ganzes. Aber man hatte nicht so viele Möglichkeiten wie heute.

Bergsträßer: Da musste man zum Beispiel mit ein, zwei Neon-Lichtbändern auskommen und konnte nur durch die clevere Platzierung ein gewisses Ambiente schaffen. Heute kann man das Licht genau dort platzieren, wo es gebraucht wird, und die Intensität und Farbstimmung je nach Tages- und Jahreszeit unterschiedlich programmieren.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Ein spezielles Lichtdesign, Touchpads, spezielle Arbeitsbereiche – wenn heute so vieles möglich ist: Wieso sind wir beim Thema Barrierefreiheit eigentlich immer noch so weit vom Idealzustand entfernt?

Bergsträßer: Die größte Herausforderung ist ja, dass die Menschen barrierefrei in den Zug kommen. Es muss also erst mal gewährleistet sein, dass wirklich jeder Bahnhof einen funktionsfähigen Lift bereithält und eine Rampe, damit der Rollstuhlfahrer bei Höhenunterschieden zwischen Gleis und Eingang in den Zug gelangen kann.

Und welche Verbesserungsmöglichkeiten sehen Sie im Zug für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind?

Bausback: Leider ist der Bereich, wo genügend Platz für Rollstuhlfahrer ist, oft nicht der schönste Ort. Im Großraum befindet sich der Platz meist direkt neben dem Behinderten-WC, oder der Blick geht gar in Richtung einer Wand.

Bergsträßer: Das ist bedauerlicherweise letztlich eine Kostenfrage. Würde man den Bereich, in dem sich Menschen mit Behinderung frei bewegen können, ausbauen, könnte man weniger reguläre Sitzplätze einbauen. Das würde wiederum bedeuten, dass insgesamt deutlich weniger Menschen mit dem Zug befördert werden können.

Dabei lese ich sowohl bei der Deutschen Bahn als auch bei Ihnen, dass der Mensch und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt stehen sollen. Wie setzen Sie das um?

Bausback: Wir befragen ganz unterschiedliche Personengruppen wie Business-Reisende, Senioren, Eltern und wollen von ihnen erfahren, was sie stört, was ihnen gefällt. Und daraus generieren wir dann eine Erlebniswelt. Denn ein Erlebnis ist das, was ich mitnehme. Daran erinnere ich mich.

Und welche Themen sind den Pas­sa­gie­r:in­nen wichtig?

Bausback: Nachhaltigkeit, aber auch Vertrauen. Ich will, dass mein Gepäck sicher ankommt und – seit Corona – dass ich mich während der Zugfahrt nicht anstecke. Außerdem Flexibilität: Am Wochenende reise ich mit den Kindern, da brauche ich mehr Platz. Unter der Woche möchte ich lieber meine Ruhe haben und arbeiten. Und Connectivity. Wir haben gerade ein smartes Sitzsystem entwickelt, bei dem ich per App einstellen und für mich speichern kann, wie ich gerne sitze.

Gibt es eigentlich nationale Unterschiede zwischen den Bedürfnissen der Fahrgäste?

Bergsträßer: Jede Kultur hat ihre speziellen Bedürfnisse. Die Chinesen lieben Warmwasserspender in jedem Wagen, mit denen sie sich eine Suppe zubereiten können, den Deutschen ist Platzreservierung, Service und Pünktlichkeit wichtig. Spanier fahren lieber vorwärts, weshalb alle Sitze im Hochgeschwindigkeitszug AVE S103 in Fahrtrichtung drehbar sind.

Und mit welchem Zug würden Sie gerne einmal verreisen?

Bausback: Super finde ich den Glacier Express in der Schweiz. Der hat im oberen Bereich Panoramafenster, sodass man auf die Schweizer Berge sehen kann. Und jetzt, ganz neu, kommt der italienische Orient-Express raus. Den würde ich wahnsinnig gerne mal fahren.

Warum?

Bausback: Ich habe Lust auf das alte Reiseerlebnis. Dort gibt es ein Schlafzimmer und einen Restaurantwagen. Es geht um die Langsamkeit, um das Reisen selbst. Man fährt durch die Landschaft und genießt es.

Die Zeit des Aus-dem-Fenster-Schauens ist also nicht vorbei?

Bausback: Nein, überhaupt nicht. Aber entspannt wird dann, wenn man es möchte. Ansonsten kann man sich die Zeit mit vielen anderen Dingen vertreiben.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

63 Kommentare

 / 
  • Zum Interregio, dessen gelungenes, freundliches Design in einem Kommentar erwähnt wurde, gibt es einen lesenswerten Artikel in der Wikipedia. Beim Umbau der Waggons wurden auch soziale Aspekte berücksichtigt, so wurde bewusst auf's Fließband verzichtet und die Arbeit in "Meistereien" genannten Kollektiven verrichtet, die die gesammte Ausführung übernahmen. Wie weit weg solche Überlegungen heute zu sein scheinen... Auch zum "Vater" des Interregio, dem Designer Karl-Dieter Bodack, gibt es einen interessanten Artikel. Er sieht die Entwicklung der Bahn schon lange kritisch.

  • Die Bahn soll es einfach so machen wie Rayanair in seinen Flugzeugen:



    um Geld und Platz zu sparen einfach ein ganzer Waggong nur mit Stehplätzen und Stangen an denen man sich festhalten kann. Niemand kann sich über die Sitze beschwerden und es ist gleich viel mehr Platz in den Zügen :D

  • hab die Kommentare hier kurz überflogen und die Sehnsucht kam auf, nach den Silberlingen und den 6er-Abteilen mit zur Liegefläche ausziehbaren Sitzen, mit richtig großen oberen Gepäckablagen, mit mehr praktisch und weniger Schnickschnack, mit Fenstern zum Hinausschauen - und zum Öffnen, mit echtem Luftzug, mit geraden, nicht ergonomischen Sitzen, auf die ich mich (wenn genügend wenig Leute da sind und ich eine Bank, 2 Sitze, bekomme) quer, schräg, in der Hocke liegend oder gerade hinsetzen kann und durch die Abwechslung Bequemlichkeit habe - war alles schon da, jahrzehntelang Standard, bis die Auto- und Flugzeugleute gekommen sind und in der Werbung nur die Business-Gemeinde angesprochen wird.

    • @Brombeertee:

      Fenster zum Öffnen haben nur halt zwei Probleme:

      a) Die Klimaanlage wird von Reisenden zur Heizung umfunktioniert.



      b) Bei Tunneleinfahrten ab ca 160km/h aufwärts gibts nicht mehr nur eine Blase im Ohr, sondern es drückt auch auf die Gleichgewichtsorgane bis hin zu Schwindel und Übelkeit.

    • @Brombeertee:

      Sie sprechen mir aus der Seele! Diese ausziehbaren Sitze und öffenbaren Fenster waren das Allerbeste!

      Und wie mir dieses Designer-Kauderwelsch auf die Nerven geht, dieses Erlebnis-Geschwafel und diese "Zonen anstatt Klassen"-Lügerei.

      Ja, die Bedürfnisse sind verschieden. Soll doch die 1. Klasse so luxuriös sein wie es nur geht, mit meinetwegen 3.000 Zusatz-Apps für jeden Scheiß - wer's mag. Aber es braucht eben auch eine extrem billige 3. Klasse mit wenig Designzirkus, in der die Leute sich dann eben ihre Kissen mitbringen.

      Und nie wieder schräge Fenster-Laibungen, wo der aufgelehnte Arm immer runter rutscht.

      Es geht alles damit los, dass diese Zug-Designer überhaupt mal anfangen selber in ihrem Alltag Zug zu fahren.

      • @vom 3. Stern:

        "Wir haben gerade ein smartes Sitzsystem entwickelt, bei dem ich per App einstellen und für mich speichern kann, wie ich gerne sitze." also da melde ich mich nochmal. Leute, dafür gibt's, außer bei Leuten mit Lähmungen u. ä., Muskeln, Bein- und Rückenmuskeln, Arme usw. Kennt ihr alles ... und damit kann ich mich immer so hinsetzen wie es passt. Allein schon die Idee, ständig in gleicher Position zu sitzen, den Sitz auf einer Einstellung zu lassen, finde ich absurd.

      • @vom 3. Stern:

        und es gibt Leute, die haben Sachen dabei, Räder, Lastenräder, Kisten usw. Es sind nicht alle nur mit leichtem Gepäck unterwegs. Vielleicht gibt es irgendwann auch die Option, mit der Bahn umzuziehen; dafür brauchts dann fixe Container, z. B. 150 tief, 80 breit und 180 hoch, die dann auch auf große Lastenräder passen; und es braucht die Infrastruktur zum Ein- und Ausladen. Also gemischter Personen- und Güterverkehr, Umzugsverkehr. - Und, ja sicher, ich hab eher an 100 km/h gedacht, da geht dann das Fensteröffnen wieder - und die Heizung kriegts über einen Fenstersensor mit und wir reden eh nur von Sommer oder ganz kurz im Winter. Und, damit keine falschen Vorstellungen entstehen, das gilt alles auch f. d. Fernverkehr.

  • Wo sind eigentlich hier die üblichen "politische korrekte Sprache!!!!" KritikerInnen?

    Obwohl unterschiedliche gesellschaftliche Klassen (oder meinetwegen halt "Schichten") zweifelsohne existieren, wird das Wort gefühlt immer und immer weniger in den Mund genommen.

    (Und im Zweifelsfall durch dämliche Euphemismen wie "Zonen" ersetzt. *Das* ist genau die Art von 1982 Neusprech, die die o.g. Leute sonst werweisswo sehen)

    • @Malte Kuller:

      Es geht um Züge? Und nur um Züge.



      Was ist 1982 Neusprech? Ich kann nicht folgen.

  • Das furchtbarste am Zug sind die Sitze, die für eine Durchschnittsgröße von 180 cm ausgelegt ist. Viele Menschen sind wesentlich kleiner. Früher war die Lehne gerade, da war das nicht so schlimm, heutzutage drückt der "ergonomisch" geformte Sitz einem kleineren Menschen der Wulst des Kopfteiles einem das Kinn auf die Brust. Ach sind die sitze nicht höhenverstellbar, heutztage eigentlich kein Problem, stattdessen gibts einen ungemütlichen Metallsteg, anscheinend hat noch kein Designer längere Zeit seine Füße auf einer Metallstange abgelegt. Hinweis: Es wird schmerzhaft. Im übrigen ist ach alles andere auf die Durchschnittsgröße von 180 cm ausgelegt wie z.B. Tische, Spiegel, etc. Am schlimmste finde ich jedoch das Gebläse am unterem Rand des Fensters, so daß man ständig angepustet wird, wenn an mal verträumt das Gesicht an die Fensterscheibe lehnen will, um die Aussicht zu genießen. Des weiteren ist der Abfallbehälter genau in Kniehöhe, sollte er doch eigentlich irgenwo in der Wand verblendet und aus hygienischen Gründen mit einem Fußpedal zu betätigen sein. Die Toiletten sind das reine Grauen. Es gibt weitaus wichtigere Dinge die Veränderungen benötigen, als Erlebnislandschaften oder Lobbyträume. Mal wieder komplett am Thema vorbei.

    • @Kuno Ratte:

      Natürlich braucht es einen Durchschnittswert bei der größe der Stühle der auf den Durchschnittswert der Einwohner angepasst ist. Bei den anderen Punkten kann man jedoch diskutieren.

    • @Kuno Ratte:

      Der durchschnittliche Mann in Deutschland ist 180cm groß. Frauen sind im Durchschnitt 166cm groß. Die Sitze also an einer Person von 180cm Größe auszurichten macht also Sinn. Bin darüber und mehr Beinfreiheit wäre schön, aber normierte Sitze machen Sinn.

    • @Kuno Ratte:

      ...und jetzt nehmen wir mal an, man baut die Sitze wieder mit geraden Lehnen oder legt sie für kleinere Menschen aus: Was sagen dann die Rückenschwachen, die es ergonomidsch gewöhnt sind, oder die deutlich ÜBER 180 cm Großen, die ohnehin schon ein Problem mit der Beinfreheit haben und denen dann auch noch die Kopfstützen nurmehr bis zum Nacken reichen?

      Und jede Verstellmöglichkeit kostet natürlich Platz und Gewicht und damit Geld.

      • @Normalo:

        Das Problem ließe sich wie die Designer ja vorschlagen mit Zonen regeln. Statt 1. und 2. Klasse eine Zone für große Menschen mit viel Beinfreiheit und hoher Rückenlehne und eine für kleinere Menschen mit mehr Geselligkeitsbedürfnissen.

        • @Günter Picart:

          ...was dann nur wenige Unterschiede zur heutigen Aufteilung bedeuten würde, ist doch in der 1. Klasse vor allem mehr Platz (was sich auch bei "Lange-Kerls-Zonen" nahezu identisch auf den Preis auswirken dürfte). Der Unterschied wäre nur, dass große Menschen, dann in der "geselligen" Zone/ 2. Klasse "anatomisch unpassend" wären und die Wahlmöglichkeit für sie, die günstigere Preisvariante zu wählen, insoweit eingeschränkt würde.

    • @Kuno Ratte:

      Ich kann Ihmem versichern, dass der Raum für die Beine keineswegs für große Menschen geeignet ist. Manchmal habe ich den Eindruck, dass da niemand bequem sitzen soll, jedenfalls nicht in Regionalzügen.

    • @Kuno Ratte:

      Für mich, 190 cm, ist das auch kein zuckerschlecken.

  • In den 1990er Jahren hatte die Deutsche Bahn, im internationalen Durchschnitt, eines der besten Streckennetze und Zugsysteme.



    So auch das Innendesign, das funktional, komfortabel und für eine zukünftige Denkweise bekannt war.

    Viele Länder, darunter China, Japan und etliche europäische Nationen hinkten da hinterher und haben sich die Konzeptideen gerne abgeschaut.

    Deshalb sind China, Japan und etwa 90% der anderen europäischen Nationen heute dem deutschen Konzern Meilen voraus.

    Ich bin geschäftlich sehr oft in Japan und dort wird auch die "2. Klasse", bzw. der Standard-Bereich mit genug Beinfreiheit und Komfort ausgestattet und in jedem Zug per anwesendem Personal eine Dienstleistung zur Verfügung gestellt, die einem das Reisen so angenehm wie möglich, zu einem bezahlbaren Preis anbietet.



    Von den Chinesen ganz zu schweigen. Die mittlerweile ein hervorragendes Bahnsystem entwickelt haben.

    Dort gibt es Speis und Trank für Jedermann. Es gibt absolut blitzblank polierte Toiletten und an Pünktlichkeit sind sie kaum zu übertreffen. Und das innerhalb der letzten 10 Jahre, ohne Ticketpreise zu erhöhen.



    Man hat eben das Budget nicht an den Vorstand ausgezahlt und die in die privaten Bankkonten gespült, wie hierzulande.

    Bei uns in der Schweiz gibt es das auch nicht, das der Vorstand sich einfach mal das Gehalt verdoppelt und an allen Ecken spart, damit noch mehr Geld für das Privatleben und die Annehmlichkeiten übrig bleibt.

    Das Design ist sicherlich ausschlaggebend, aber das Problem der Bahn ist der finanzielle Haushalt..

    Zum Beitrag:



    Ein Lounge-Bereich in einem Zug und dann von "keinen Klassen" zu reden, ist ein Widerspruch in sich selbst. Es gab noch nie einen Lounge-Bereich in einem Zug und noch nie solche Klassenunterschiede wie sie die Designer hier schaffen möchten.

  • Die Bahn hat durch die Anlehnung an ein Flugzeuginterieur in den 80er Jahren die Beinfreiheit stark eingeschränkt, das Ausziehen von Sitzen zum Hinlegen abgeschafft (außer begrenzt in Familienabteilen). Alle neuen Planungen sollten auch die vielzitierte Alterspyramide berücksichtigen: Zumindest zwei bis drei Sitze pro Wagen sollten zu einem Liegesitz (erhöhte Beinlage) ausziebar bzs. nach oben hinten kippbar sein., damit auch Menschen z. B. mit Rückenleiden die Bahn einige Stunden bequem benutzen können. In der üblichen rechtwinkligen Sitzposition wird die Lendenwirbelsäule besonders strapaziert. Die kleinen Gestelle im ICE zum Aufsetzen der Füße sind unzureichend.

    • @Wattenmeer:

      Lästerliche Frage: Was macht dann der VIERTE Passagier mit Rückenbeschwerden? Und zahlen die ersten drei mehr für ihren Sitz?

      Das genau ist das Problem, wenn man den "Zug für Alle" designen soll, aber keine Kontrolle darüber hat, in welchen Proportionen die verschiedenen Bedürfniswelten im jeweiligen Zug aufeinander treffen. Drei solche Plätze sind aller Nase lang aus Sicht von Reisenden, die keinen von ihnen ergattert haben, viel zu wenig, aber z. B. sechs nehmen dann so viel Platz weg, dass man sie (oder die Tickets insgesamt) schon wieder verteuern muss, um den Kapatizitätsverlust aufzufangen.

      Wie man's macht, macht man's falsch (und sowieso wird aus dem Volk der Bundestrainer ganz schnell das Volk der Chef-Zugdesigner, wenn sich erst rumspricht, dass es da Gestaltungsmöglichkeiten gibt...).

      • @Normalo:

        Wenn die Lehne besser verstellbar ist, hat der Passagier dahinter eben weniger Raum, solange er nicht ebenfalls die Lehne flacher einstellt.



        Wer aufrecht sitzen will ohne fremde Lehne vor der Nase, setzt sich eben woanders hin. Wo ist dabei das Problem?

        • @meerwind7:

          Die Rede war von einem echten LIEGEsitz mit entsprechender Beinstütze, nicht bloß von einer leicht kippbaren Rückenlehne. Für letztere gibt es ja schon eine "nicht-übergriffige" Lösung, nämlich die nach vorne verrutschbare Sitzfläche mit mitgleitender, aber oben verankerter Rückenlehne - war im ICE mal eingebaut, nur wohl zu teuer für die letzten Updates. Liegesitze hingegen bräuchten deutlich mehr Platz, als das der aktuelle Reihenabstand erlaubt.

  • 1G
    14231 (Profil gelöscht)

    "In der 1. Klasse ein schicker Lounge-Bereich, in der 2. Klasse Stuhl an Stuhl. Wo bleibt da die soziale Gerechtigkeit?"

    Es ist schon amüsant, einerseits soll bitteschön jeder mit der Bahn fahren, andererseits aber sollen dann auch gefälligst alle das gleiche Angebot nutzen. Es gibt nun einmal unterschiedliche Prioritäten. Manche Menschen achten auf den Preis, für andere ist Komfort ein entscheidendes Kriterium.

    Wenn man will, dass Autofahrer auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen, muss man auch zusehen, dass sie dort zumindest annähernd das vorfinden, was sie am Auto schätzen: Privatsphäre und Bequemlichkeit. Das ist nun einmal mit höheren Preisen verbunden.

    • @14231 (Profil gelöscht):

      Welche Bequemlichkeit gibt es aber im Auto? Keine Bewegungsfreiheit, Anschnallgurt. Für Toilettengang immer Fahrt unterbrechen. Zum Essen auch.



      Im Zug kann ich jederzeit aufstehen und ein paar Schritte gehen. Einen Kaffee kaufen (überteuert, ok), essen, lesen, schreiben, schlafen. Die Fahrt geht derweil weiter. Also wo ist denn der Vorteil des Autos?

      • @blutorange:

        Als Auto- sowie gelegentlicher Bahnfahrer kenne ich den Unterschied und bevorzuge i.d.R. das Auto.

      • @blutorange:

        Im Auto können alle außer dem Fahrer ebenfalls lesen, essen, schreiben und schlafen.

        Und im Zug ist es oft unangenehm laut (insbesondere dank der ständig gemachten nervigen Durchsagen), so dass konzentriertes Lesen/Arbeiten sowieso nicht möglich ist.

        Weiterer Pluspunkt fürs Auto: Man kann jederzeit anhalten und frische Luft schnappen.

    • @14231 (Profil gelöscht):

      Viele schätzen am Auto vor allem die Flexibilität. Die Bahn schränkt diese unnötig ein.



      Man stelle sich mal vor, eine Autobahntankstelle gäbe Sonderpreise, wobei der Ort und Zeitpunkt der Benzinabnahme Monate vorher festgelegt werden müsste: ein gutes Geschäftsmodell?

      • @meerwind7:

        An Autobahntankstellen gibt es nur überhaupt keine Sonderpreise. Scheinbar trotzdem ein gutes Geschäftsmodell. Das Problem muss wohl woanders liegen.

  • Die Passagen über soziale Gerechtigkeit und Barrierefreiheit erscheinen mir wirklich als Armutszeugnis für beide Designer:innen und die Deutsche Bahn. An der Realität vieler Reisender völlig vorbei und in Punkto Barrierefreiheit werden Reisende gegen Menschen mit Behinderung ausgespielt und letztlich durch die finanziellen Interessen der DB aufgewogen. Dass die Maxime "alle sollen sich wohlfühlen" auch für Menschen mit Behinderung gilt, erweist sich dann eben als schlechter Witz, wenn, wie im Interview angedeutet, diese eben nen Platz am Klo haben (den sie ggf. sogar noch gebrauchen können), aber trotzdem gegen eine Wand starren müssen.

    • @White_Chocobo:

      Und was schlagen Sie vor? Wer soll es denn bezahlen? Finanzielle Interessen der DB. Sie tun so, als gibt es eine Lösung, die an ein paar Euro scheitert. Ist es nicht. Da wird das Ticket locker 40, 50% teurer, wenn Sie alles auf 1. Klasse umstellen - und zwar ohne Gewinn der Bahn.

      Zum Thema Rollstuhl: Menschen mit Rollstuhl brauchen viel Platz, der nicht verstellt werden darf. Das ist Designteschnisch immer blöd, da man dann eine große leere Fläche hat. An der Toilette (bzw. am Anfang des Abteils) ist der Platz, da man sonst den Gang viel, viel breiter machen müsste und dann viel Platz verschenkt. Das einzige, was mich wundert ist, dass der Platz so ist, dass man auf die Wand und nicht ins Abteil oder aus dem Fenster schaut.

      • @Strolch:

        Sie haben das Stichwort genannt "Gewinn"

        ÖPNV ist entweder zuverlässig, behindertengerecht, gut getaktet

        ... oder ein gewinnorientiertes Unternehmen.

        Es geht nicht beides gleichzeitig beim ÖPNV.

        Es gibt Geschäftsbereiche in denen kann beides erreicht werden aber nicht beim öffentlichen Verkehr.

        Die Kosten hat wie beim öffentlichen Rundfunk oder Schulen oder Straßen die Allgemeinheit zu tragen zum Wohle aller.

        Es ergibt sich ein enormer gesellschaftlicher Gewinn der sich nicht monetarisieren lässt.

      • @Strolch:

        Hinter dem Rollstuhlfahrer muss eine feste Barriere sein. Daher geht der Blick pragmatisch aus dem übrigen Raum heraus.

      • @Strolch:

        Geh' mal nach Japan und dann sag mir das Komfort teuer sein muss.

        Dort hat jeder die gleiche Beinfreiheit und den gleichen Komfort. In der "1. Klasse" (Green Ticket) gibt es ein kleines bisschen Komfort mehr, aber nicht in so eine Dekadenz wie es uns diese "Designer" hier im Beitrag weismachen möchten.

        Wozu braucht man einen "Lounge" Bereich in einem Zug? Das ist wieder Platzverschwendung in Zeiten in denen ALLE AUF DEN ZUGVERKEHR UMSTEIGEN SOLLEN, dem Klima zuliebe.

        Ein Widerspruch in sich selbst. Vor allem ist das genau wieder so ein zeitgemäßer Gedanke dieser Designer, wie so oft.



        Man gibt sich visionär und langfristig denkend, schaut aber höchstens bis zum 100 Meter entfernten Gebäudekomplex.

        Wenn ab 2035 das Verbrenner-Aus komplett abgeschlossen ist und wir hier ein CO2 neutrales Land werden, dann passt ein solcher Prunk-Zug eben nicht in diese Ära.

        • @Gerrit Horten:

          Japan beeindruckt mich am meisten mit der Pünktlichkeit der Züge - zumindest wenn das stimmt, was man liest. Das ist mit der Hauptgrund, warum ich die Bahn meide, wenn ich keine Direktverbindung habe. Ansonsten kann ich bzgl. Japan und Züge nicht mitreden, da ich dort nie war.

  • "Wir haben gerade ein smartes Sitzsystem entwickelt, bei dem ich per App einstellen und für mich speichern kann, wie ich gerne sitze."



    Ich soll nicht im Ernst ne App runterladen, um die Sitzlehne zu verstellen. Das wäre ja absurd. O ... oder ... oder doch?!?!?!

  • Die Zeit des Aus-dem-Fenster-Schauens geht definitiv zu Ende - weil alle Hochgeschwindigkeitsstrecken mit Schallschutzwänden zugestellt werden, die teils bis zu 5 Meter hoch sind. Da bleibt dann nur noch das mittlerweile heftig beworbene "bordeigene Unterhaltungsprogramm".

  • Also, ich stelle mir vor, dass das Design von Zügen alles andere als trivial ist. Einen Zeitraum von 30 Jahren abzudecken schränkt die Möglichkeiten schon extrem ein. Wenn ich dann noch die Interessen aus den vorhergehenden Kommentaren herauslese, dann lässt es sich einfach kaum jemandem Recht machen. Dazu kommen natürlich noch Kostenfaktoren und andere Einschränkungen.

    Wenn ich die verschiedenen Muster von Sitzpolstern in Zügen aller Art sehe, dann denke ich mir jedes Mal - wer denkt sich bloß so etwas aus? Die treffen selten meinen Geschmack. Aber irgendwie müssen sie wohl so aussehen, um über die Farbsprache eine gewisse Atmosphäre schaffen zu können.

  • 3G
    32051 (Profil gelöscht)

    "Wo bleibt da die soziale Gerechtigkeit?"

    Naja wer mehr zahlt, kriegt mehr.

    Das ist nun mal die Idee von Business und First Class...

    Die soziale Gerechtigkeit ist, dass sich jeder selbst überlegen kann, ob er oder sie das zahlen will oder nicht. Was nicht der Fall wäre, wenn die Klasse dem Adel vorbehalten wäre.

    • @32051 (Profil gelöscht):

      Sie verwechseln da was. Bei sozialer Gerechtigkeit geht es nicht ums "zahlen wollen" sondern ums "zahlen können". Abgesehen davon ist viel von dem Luxusschnickschnack eher gefühltes mehr als tatsächlich mehr.

      • 3G
        32051 (Profil gelöscht)
        @CarlaPhilippa:

        Irrtum. Es geht ums "zahlen wollen"

        Technisch könnte auch ein Mensch mit 500 Euro sein Geld für eine Flasche Schampus ausgeben. Geld vom Konto, die Flasche gehört ihm.

        Er macht es nicht, weil er dann wahrscheinlich für den Rest des Monats nichts mehr hat.

        Jeder Eigenheimbesitzende könnte einen Maybach fahren. Wohnung verkaufen, Auto kaufen.



        Macht auch niemand, weil's bescheuert ist.

        Wie hätte mein Vater gesagt - "Mir isses nicht zu teuer. Ich brauchs nämlich nicht"

        Wer meint, er (oder sie) muss es sich leisten - gönn dir.

        Es ist dieser Futterneid, der mich aufregt.

        Und der ist übrigens gar nicht billig - Ehe das 9 Euro Ticket kam, wurden erst die "entschädigt", die sich eine Jahreskarte gekauft haben, nur damit die sich nicht lackiert fühlen.

        Sorry, aber so ist das Leben manchmal. Ich kann auch nicht das Geld zurück fordern, weil ich dieses Woche eingekauft hab und der Artikel nächste Woche im Angebot ist!

        • @32051 (Profil gelöscht):

          Viele Menschen können sich das Zugfahren im ICE eh kaum leisten. Die, die sich ein Ticket erster Klasse kaufen können, fahren eh Auto in den allermeisten Fällen.

        • @32051 (Profil gelöscht):

          Sorry, aber das ist eine absolut zynische und auch sehr bornierte Argumentation, denn, ja, man kann unterstellen, dass auch diejenigen, die am Ende des Monats nichts mehr auf dem Konto haben, theoretisch eine solche Flasche kaufen könnten, das ändert aber nichts am grundsätzlichen Problem, dass, weil sie dann eben nichts mehr haben, es nicht tun werden. Insofern stimmt, was Carlaphilippa geschrieben hat: Die Möglichkeiten SIND faktisch ungleich verteilt, weil es den einen eben nicht in der gleichen Weise möglich ist im Vergleich zu den anderen.

          Hier geht es auch nicht um "Futterneid", sondern darum, dass auch das Interview suggeriert, dass jede:r sich eben aussuchen könne, was er:sie macht und was nicht. Da spielt es auch keine Rolle, ob man diese Ungleichheit mit irgendwelchen "Zonen" verschleiere, weil das grundlegende Problem bleibt, dass sich die einen eben grundsätzlich nicht über diese Wahlmöglichkeiten verfügen.

  • Vor 100 Jahren war das Bahnfahren kein "Wahnsinnsereignis, das sich nicht jeder leisten konnte". Das galt vielmehr für das Auto. Oder die Designer haben ihr historisches Bahnwissen durch Ansehen von "Mord im Orient-Express" (Albert Finney als Poirot, schlimm) erworben

    In der Bahn gab es zu jener Zeit noch 3. und 4. Wagenklassen (heute: Zonen), ohne Komfort, ohne Stundentakt, dafür zu Preisen, die sich auch die einfache Bevölkerung leisten konnte

    • @Meister Petz:

      Als Jugendliche haben wir immer davon geträumt, dass es noch die "Holzklasse" gäbe, mit der man ohne allen Komfort aber erschwinglich hätte reisen können.

  • Mit den Interregios hatte die Bahn in den 90ern bereits ein hervorragendes Design, das vielfältige Bedürfnisse erfüllt hat und das ganz ohne Lichtbänder etc. Es gab Ecken für Familien sogar mit eingebautem Kindersitz, bei dem auch kleiner Kinder bequem rausgucken konnten. Es gab Bereiche für einzeln oder paarweise Reisende und es gab viele Notsitze, falls es mal voller wurde. Außerdem genug Platz für Gepäck. Alles war so geschickt angeordnet, dass man das Gefühl von Platz hatte. Wie im Artikel für das neue Design erhofft, kann ich mich noch gut an diese angenehme Atmosphäre der Interregios erinnern.

    Bin gespannt, ob die Bahn diese Qualität je wieder erreichen wird. Die Vorschläge der DesignerInnen scheinen mir dafür nur begrenzt geeignet.

    • @Biks:

      Der Interregio war auch immer mein absoluter Favorit. Ein wirklich geglücktes Design war das. Habe mich immer gewundert, warum dies nicht fortgeführt wurde.

  • Warmes Wasser für Suppen in China und wir würden uns nur gerne mal die Hände damit waschen wollen. Sind das dann keine Klassen-, sondern Zonenunterschiede?

  • Wenn man das Interview so liest, könnte man denken, die beiden Designer haben wenig Kenntnis über die Wirklichkeit der von Bahnfahrten haben. Fahrgäste, die durch den Zug stromern und mal hier und mal da Platz nehmen, haben mit der Wirklichkeit voller Züge sehr wenig zu tun.

  • Also ich sitze im ICE schon seit 20 Jahren nur noch im Restaurant oder stehe im Gang. Die Sitze sind einfach schrecklich für meinen Rücken. Die ganze Normung ist einfach Blödsinn.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Wie macht man denn die Sitze in einem Massenverkehrsmittel ohne Normung? Interessiert mich wirklich, ich habe mit den herkömmlichen ICE Sitzen auch Moleste. Ich knöpfe immer erstmal das Kopfkissen ab und widme es zum Rückenkissen um. Ich kann mir aber vorstellen, dass man Züge ohne irgendeine Normung gar nicht ausstatten kann. Und wie soll eine Normung aussehen, die für Alle passt, wenn wir doch nunmal alle verschieden gebaut sind?

      • 3G
        32051 (Profil gelöscht)
        @Fossibaerin:

        Eigentlich eine ganz spannende Geschichte... Die Anthropometrie (DIN 33402-2) geht vom 95.percentil aus, also davon, dass Einrichtungen so gebaut sein müssen, dass 95% der Menschen rein passen. 5% sind entweder zu gross oder zu klein.

        Die Daten werden alle paar Jahre aktualisiert und betreffen auch zum Beispiel notwendige Sicherheitsabstände in Maschinen und ähnliches.

  • Das mit den verschiedenen Zonen zu unterschiedlichen und minutengenau buchbaren Plätzen hört sich ja super an.



    Aber das Problem von heute bleibt das gleiche:



    Egal wie die Bahn diese Zonen verteilt, es wird in überfüllten Zügen NIEMALS mit dem Bedarf übereinstimmen.



    Und wer in der Ruhezone einen Platz findet, wird den nicht mehr hergeben, auch wenn ihm einfällt, doch telefonieren zu müssen. Denn bei der Rückkehr aus der Telefonzone wäre der Ruheplatz weg. Höfliche Menschen nutzen deswegen eine beliebige Textfunktion. Doch selbst diese müssen ja heute für Sprachnachrichten herhalten.

  • Die Gretchenfrage wurde aber nicht gestellt: wieviel Kilometer fahren die Designer pro Jahr mit der Bahn? Fahren Sie jeden Tag damit zur Arbeit? Fahren sie am Freitag, mit dem überfüllten ICE nach Hause? Haben sie ihr Auto abgegeben? Ich bin sicher, dass dies nicht der Fall ist! Das sieht man den Entwürfen an!

  • Bisschen kritischer wäre schon nett gewesen.

    Zeiten vorbei, in denen es nur um Rentabilität ging?

    "Das ist bedauerlicherweise letztlich eine Kostenfrage. Würde man den Bereich, in dem sich Menschen mit Behinderung frei bewegen können, ausbauen, könnte man weniger reguläre Sitzplätze einbauen. Das würde wiederum bedeuten, dass insgesamt deutlich weniger Menschen mit dem Zug befördert werden können."

    Ja so ist es. Menschen im Rollstuhl sind Schuld an den teuren und überfüllten Zügen. Dann müssen wir sie eben noch ein bisschen weiter einschränken in ihrer Freiheit...

    Design für Menschen, ja?

    • 2G
      22607 (Profil gelöscht)
      @Hannes Hegel:

      Naja, so trivial ist das nicht. Menschen im Rollstuhl können keine Treppen im Zug verwenden, jede Stufe ist eine Barriere.



      In Doppelstockzügen: Das Behinderten-WC kann nur in der Mitte des Wagens im Unterdeck platziert werden aus Platz- und Erreichbarkeitsgründen.



      In allen Zügen ist das Behinderten-WC vom Platzbedarf grösser als ein Standard-WC, damit der Rollstuhl in der Kabine drehen kann. Es bleibt am Ende einfach nicht genug Platz übrig.

      Ich finde die Aussage sehr schlecht formuliert, es ist nämlich nicht eine Kostenfrage in erster Linie, sondern eine Platzfrage. Die maximale Abmessung eines Zuges (va in der Breite) ist einfach nicht änderbar. Klar, man muss dann nicht noch dafür sorgen, dass die Menschen im Rollstuhl die Wand anschauen. Aber ich muss mich damit abfinden, dass ich nicht jeden Platz behindertengerecht machen kann.

  • Ich verweise nicht oft und schon gar nicht gerne auf ihn, aber diesmal hat Bill Clinton den Nagel auf den Kopf getroffen: "It's the luggage stupid!" Niemand, der Zugwaggons designt, kann jemals einen Familienurlaub mit schulpflichtigen Kindern (Ferienzeit! Alle fahren Bahn!) Urlaub gemacht haben. Sonst würden die Dinger nicht so aussehen. Und die Ausrede, dass "deutlich weniger" Menschen mit dem Zug fahrne könnten, wenn es ordentliche Plätze für Rollstühle gäbe, ist schlicht dreist. Dafür gibt's reichlich Gequatsche über Erlebniswelten. Realsatire.

    • @My Sharona:

      Es gibt im ICE gewöhnlich Gepäckregale in jedem Großraumwagen. Es gibt auch welche mit Platz im Gang (die, die für Skiurlaubs-Strecken gedacht sind, denke ich). Es gibt oben durchgehend Ablagen. Es ist auch eine Frage der Organisation der Reisenden selbst. Und der Rücksichtnahme und des Mitdenkens. Die Riesenkoffer werden gerne auf dem Rollstuhlplatz geparkt, weil der direkt am Eingang in den Wagen ist. Sie werden auch gerne am Platz gehalten, halb im Gang, sodass weitere Rollkoffer und Reisende nicht mehr durchkommen. Der Grund dafür kann nur Bequemlichkeit und/oder Desorganisation sein.

      In Regionalzügen sieht das schon anders aus. Hier ist oft sehr wenig Platz für Gepäck eingeplant. Das wird z.B. auf Strecken mit Flughafen-Anschluss schwierig. Da häufen sich dann doch die Rollkoffer.

      • @blutorange:

        Visible



        ... tja, die neue Siemens-Nahverkehrs-Generation hat durchgehend breite Gepäckablagen längs über den Sitzen, denn wer reist, reist nicht nur und nicht die ganze Strecke im ICE - dafür allerdings sieht, wer steht, (z.B. oft, ntgedrungen, im S-Bahn-Verkehr) nur diese Gepäckablage, denn die Fentser sind ne Etage weiter unten angeordnet. Und wer sitzt, sieht durch die niedrigen Fenster der eigenen Seite nur wenig Landschaft, durch die der gegenüberliegenden noch weniger. Visibilty statt Connectivity - gabs alles schon, in bisherigen S-Bahnen, in den aktuellen Nahverkehrsmodellen der Konkurrenz Stadler, in Schienenbussen und ihren modernen Nebenstreckendiesel-Nachfolgern mit z.T. gigantischen Panoramafenstern. Selbst das Untergeschoss beliebiger Doppelstockwagen bietet mehr Sicht nach draußen als der Siemens Mireo.



        Reisen statt transportiert werden- jetz dann plötzlich ganz aus der Mode ? W-Lan statt Welt ?

        • @lesnmachtdumm:

          Im ICE ist stauraum doch auch verbindbar mit akzeptabel großen Fenstern.

  • Schön, es gibt keine Klassen mehr. Dann kann ich wohl auch in die verschiedenen Zonen wechseln. Natürlich nicht, aber der Designer mag halt nicht zugeben, dass auch er in Klassen denken muss, weil der Auftraggeber es so vorsieht und der Platz im Zug natürlich beschränkt ist. Und wir könnten wenn überhaupt in 2070 mit dem Deutschlandtakt (der ja im neuen Deutschlandtempo kommt) mehr Züge auf die (dann hoffentlich instandgesetzte Strecke schicken.

    Und mit der SitzSmart-App kann ich zur Platzreservierung dann eben noch meinen Sitz einstellen - also in der "Vorzugszone" die heute 1. Klasse heißt. Solche Sitze sind für die Masse eher zu teuer und wartungsintensiv.

    Meine Wünsche an die Innengestaltung. Der ICE4 ist schon recht angenehm. Es sollten also eher ein paar Verbesserungen zum aktuellen Stand gemacht werden : Sitze, die auch für Menschen mit 1,90 über mehr als 1h bequem auszuhalten sind. Mehr Platz für Gepäck zu Ablage und auch im Durchgang.



    Dazu Kostenfreie Reservierungen wäre auch nicht schlecht.

    • @J_CGN:

      Der Designer scheint ja zu glauben, die Leute würden dann während der Fahrt nach Bedarf die Zone wechseln.



      Also ich gebe meinen sicheren Platz in der Lesezone auf, um in einem anderen Abteil mein Wurstbrot zu essen und dann wieder zurückzukehren. Und der Fahrtpreis wird dann nachträglich per Handyapp angepasst, je nachdem, in welcher zone ich mich wie lange aufgehalten habe.



      In einem leeren Zug tatsächlich machbar, aber gerade hier nicht notwendig.

  • Viel heiße im Interview. Einerseits ein Business-Bereich mit beeindrucked niedriger Platzzahl pro Quadratmeter, aber die Rollis direkt nebens Klo zu stellen, das muss halt sein, sonst haben wir ja weniger Platz für Sitze. Und - Erlebniswelten müssen kreiert werden, damit man sich an etwas erinnert! Hier sprechen offensichtlich Leute, die nur vorhaben, so ein- zwei-, paarmal im Leben Bahn zu fahren. Für die Erinnerung an den Glacier-, den Orient-Express. Ach ja - und Deutsche wollen Pünktlichkeit, Chinesen Supper kochen.

    Liebe Taz, könnt ihr das bitte wenigstens selber kommentieren?

    • @Jeff:

      "Liebe Taz, könnt ihr das bitte wenigstens selber kommentieren?"



      Ja, dem Wunsch schließe ich mich an. Ansonsten ist in den Kommentaren eigentlich alles gesagt und ich fürchte mich schon.