CDU-Politikerin mit Faktenschwäche: Taugt Populistin Klöckner zur Präsidentin des Bundestags?
Die CDU will, dass ihre bisherige Schatzmeisterin Julia Klöckner Bundestagspräsidentin wird. Kritiker warnen nicht nur vor ihren Interessenkonflikten.

Die Unionsfraktion hat Julia Klöckner als Bundestagspräsidentin nominiert. Das hat aus Sicht ihrer Kritiker vor allem einen Vorteil: Die CDU-Politikerin wird nicht wieder Ministerin. Der Nachteil: Auch als Bundestagspräsidentin kann die 52-Jährige Schaden anrichten.
Denn in diesem Amt müsste sie zum Beispiel Verstöße gegen die Regeln zur Parteienfinanzierung ahnden. Die Organisation Lobbycontrol befürchtet einen Interessenkonflikt, falls die Rheinland-Pfälzerin die Aufgabe erledigen soll. Schließlich ist Klöckner seit 2022 Schatzmeisterin der CDU. „Besonders brisant ist, dass sie auch für die Prüfung der hohen Spenden im Wahljahr 2025 zuständig wäre“, warnt der Verband. Also für Spenden, deren Verbuchung Klöckner als CDU-Kassenwartin selbst zu verantworten hat. Das würde sogar dann noch gelten, wenn sie – wie angekündigt – ihr Parteiamt aufgibt, bevor sie Bundestagspräsidentin wird.
Klöckner müsste auch aktiv werden, wenn Abgeordnete gegen die Regeln für Nebentätigkeiten verstoßen. Dabei geht es um Fragen von Transparenz und Integrität, um Unabhängigkeit von Konzernen zum Beispiel. Klöckner selbst ist aber in ihrer Zeit als Bundesagrarministerin 2018 bis 2021 durch ihre ausgeprägte Nähe zur Lebensmittelindustrie aufgefallen. Manche fanden das – wie passend! – unappetitlich.
2019 etwa pries Klöckner den weltgrößten Nahrungsmittelkonzern Nestlé in einem offiziellen Video des Ministeriums in den höchsten Tönen, weil das Unternehmen angeblich Zucker, Salz und Fett in seinen Fertigprodukten reduziere. Der Film wirkte durch das Dauerlächeln und die fehlende Distanz der Ministerin wie Werbung für den Konzern. Auf eine erheblich schärfere Regulierung ungesunder Lebensmittel verzichtete die ehemalige Weinkönigin dagegen.
Das Amt der Bundestagspräsidentin ist das zweithöchste in Deutschland und damit auch eine moralische Instanz. Klöckner aber hat sich außerhalb ihrer Unterstützerkreise in der CDU einen Ruf als Populistin erworben, die es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt. Mehrmals stellte sie Fakten falsch oder irreführend dar.
2020 behauptete sie beispielsweise ohne Angaben von Quellen, ein rumänischer Erntehelfer sei entgegen Medienberichten nicht an Covid-19 gestorben, sondern an einem Herzinfarkt. Die zuständige Behörde widersprach, Fragen der taz nach Belegen ließ Klöckner unbeantwortet. Der Ministerin passte es nicht ins Konzept, dass der Rumäne wegen Corona ums Leben gekommen war. Denn sie hatte sich dafür eingesetzt, dass zigtausende Erntehelfer trotz der Infektionsgefahr während der Pandemie nach Deutschland reisen durften.
Methoden wie Trump?
Im Februar 2020 dementierte Klöckner als Ministerin, dass sie dafür gekämpft habe, Lebensmittelimporte mit besonders gefährlichen, in der Europäischen Union verbotenen Pestiziden zu ermöglichen. Ihre angeblichen Belege wurden durch eine taz-Recherche widerlegt. Statt ihr Statement eindeutig zu widerrufen, lieferte sie sogenannte „ergänzende Fakten“ nach, die ihrer ursprünglichen Aussage widersprachen. Umweltschützer warfen ihr daraufhin die Methoden eines Donald Trump vor.
Klöckner blinkt selbst gerne nach ganz rechts. Im Februar 2023 gab sie dem rechtspopulistischen Onlineportal „Nius“ ein Interview, und verschaffte ihm dadurch Renommee und Reichweite. Unvergessen ist auch ihr Social-Media-Post, in dem sie Anfang Januar 2025 schrieb: „Für das, was Ihr wollt, müsst Ihr nicht AfD wählen. Dafür gibt es eine demokratische Alternative: die CDU“. Nach Kritik löschte sie das Posting schnell wieder. Aber die Frage bleibt: Ist Klöckner für ein politisches Amt in dieser Republik geeignet?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Baerbock zur UN-Generalversammlung
Undiplomatische Kritik an Nominierung für UN-Spitzenjob
Repression an der Columbia University
Es wird ein Exempel statuiert
Vertrauen in die Politik
Kontrolle ist besser
Schauspielerin Rachel Zegler
Rassismus gegen Schneewittchen
Erfolg der Grundgesetzänderung
Ein wahres Husarenstück
Neue Bomben auf Gaza
Israel tötet Hamas-Minister und Zivilisten