Falsche Behauptung der Agrarministerin: Ist Klöckner die deutsche Trump?

Die Agrarministerin habe im Streit über ihre Pestizidpolitik die Unwahrheit gesagt, so Umweltschützer. Für einen Widerruf fehle ihr der Anstand.

Eine Farmerin steht in einem Ananasfeld und wirft eine Ananas

Die Ananas auf der Plantage in Costa Rica sind für den Export bestimmt Foto: Juan Carlos Ulate/reuters

BERLIN taz | Die Umweltorganisation Global 2000 wirft Bundesagrarministerin Julia Klöckner vor, Methoden von US-Präsident Donald Trump anzuwenden. Die CDU-Politikerin habe ein Statement über ihre Pestizidpolitik verbreitet, das sich dann als falsch herausgestellt habe. Statt es eindeutig zu widerrufen, habe sie lediglich von ihr sogenannte „Ergänzende Fakten“ nachgeliefert, die ihrer ursprünglichen Aussage widersprechen. Das erinnere „an die ‚alternativen Fakten‘ von Donald Trump“, sagte Helmut Burtscher-Schaden, Biochemiker des österreichischen Verbandes, der taz.

Die taz und in einem eigenen Report die Organisation Corporate Europe Observatory hatten berichtet, dass sich Klöckner für neue Regeln eingesetzt hat, die die Genehmigung von Lebensmitteleinfuhren mit bestimmten Pestiziden ermöglichen könnten. Diese Wirkstoffe dürfen in der EU nicht gespritzt werden, weil sie Krebs verursachen, das Erbgut schädigen, die Fortpflanzung beeinträchtigen oder das Hormonsystem stören.

Die Ministerin dementierte, dass sie dafür gekämpft habe, Einfuhren mit solchen Pestiziden zu ermöglichen. Das wollte sie vor allem mit der Behauptung belegen, dass die Behörden Anträge auf Einfuhrgenehmigungen für solche Waren bereits prüften, aber immer abgelehnt hätten. Den taz-Artikel nannte Klöckner „tendenziös“. Renate Künast warf sie vor, Nährboden für „Hate Speech“ zu bereiten, weil die Grünen-Politikerin den Artikel verbreitet hatte.

Eine Antwort der EU-Kommission auf eine Anfrage von Global 2000 zeigt nun aber, dass bislang kein einziger Antrag für Importe von Lebensmitteln mit den betroffenen Pestiziden auf ihre Risiken geprüft worden ist. Demnach wurden bis jetzt auch nur sehr wenige Wirkstoffe wegen der Gesundheitsgefahren verboten: „Bisher ist die Zulassung von 5 Wirkstoffen nicht erneuert worden, weil sie die gesundheitsbezogenen Ausschlusskriterien der EU-Verordnung (zur Pestizidzulassung) Nummer 1107/2009 erfüllten: Linuron, Iprodion, Propiconazol, Chlorothalonil und Thiacloprid“, teilte die zuständige General­direktion Gesundheit mit.

EU-Kommission widerspricht Klöckner

Auf die Frage, für wie viele dieser Wirkstoffe nach deren Verbot eine Risikoprüfung zur Festlegung eines Grenzwertes für Importe stattfand, antwortete die Behörde: „Für keinen. Keine solche Anträge wurden gestellt, oder sie wurden vom Antragsteller zurückgezogen.“

Das Agrarministerium hatte nach einem weiteren Bericht der taz bereits eingeräumt, dass Importtoleranzen „auf EU-Ebene“ weder abgelehnt noch festgesetzt worden seien. Ebenfalls „auf EU-Ebene“ wären solche Anträge nicht genehmigungsfähig. Aber dieses Statement, das nicht „Korrektur“, sondern „Ergänzende Fakten“ betitelt war, ließ offen, ob vielleicht ein Mitgliedstaat einen solchen Antrag geprüft hat. Mit der Auskunft der EU-Kommission ist auch das ausgeschlossen.

„Alternative Fakten“

„Die Auskunft der EU-Kommission zeigt, dass Frau Klöckner beziehungsweise ihr Ministerium die Unwahrheit gesagt haben“, erklärte Umweltschützer Burtscher-Schaden. Er kritisierte, dass das Ministerium sein altes Statement nicht widerrufen hat. Das müsse jeder tun, wenn er eine falsche Information verbreitet und „noch einen Funken Anstand“ habe. „Die haben aber gesagt: ergänzende Fakten. Das sind Zustände, wie sie leider in den USA politische Realität sind, seit der Trump an der Macht ist, aber wie man sie eigentlich in Deutschland nicht gerne hat. Es ist schlimm zu sehen, wie rasch diese politische Kultur auch Europa ansteckt“, so der Umweltschützer.

Dennoch ließ Klöckners Ministerium seine Stellungnahme unverändert: Es habe ja schon „deutlich gemacht, dass eine ursprünglich getroffene Aussage so nicht zutreffend ist“.

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