Bericht des Expertenrats für Klimafragen: Verriss der deutschen Klimapolitik
Die internationale Klimakonferenz COP 27 in Ägypten steht kurz bevor. Fachleute stellen Deutschland ein miserables Zeugnis aus.
Der Knackpunkt: Wenn es so weiter geht wie bisher, erreicht Deutschland sein Ziel für 2030 nicht, seine Treibhausgas-Emissionen im Vergleich zu 1990 um 65 Prozent zu senken.
Das aber ist Deutschlands Beitrag zum Pariser Weltklimaabkommen, mit dem alle Staaten der Welt die Erderhitzung bei „deutlich unter 2 Grad“ stoppen wollen, sodass die Klimakrise in ihrer Zerstörungskraft zumindest eingegrenzt wird. Mit jedem Zehntelgrad drohen mehr und stärkere Extremwetterereignisse, die Lebensraum und etwa auch die Ernährungssicherheit für zahlreiche Menschen gefährden.
Das neue Gutachten zur deutschen Klimapolitik hat Knopf gemeinsam mit vier weiteren Sachverständigen erstellt, zusammen bilden sie den Expertenrat für Klimafragen. Das Gremium veröffentlicht gemäß dem deutschen Klimaschutzgesetz regelmäßige Prüfberichte zu den Klimaplänen der Bundesregierung.
Tempo beim Klimaschutz muss sich mehr als verdoppeln
„Generell reichen die bisherigen Emissions-Reduktionsraten bei Weitem nicht aus, um die Klimaschutzziele für das Jahr 2030 zu erreichen“, heißt es nun im Fazit. Das Urteil müssen sich vor allem die ehemaligen Regierungen unter Angela Merkel (CDU) als Kanzlerin gefallen lassen. Die Wissenschaftler:innen haben nämlich zunächst den Zeitraum von 2000 bis 2019 betrachtet, in dem größtenteils Merkel mit SPD oder FDP regiert hat, anfangs jedoch auch Rot-Grün unter Gerhard Schröder (SPD).
In den zwei Jahrzehnten sind die CO2-Emissionen zwar gesunken, nämlich um rund 27 Prozent. Gegenüber den vergangenen zehn Jahren müsse sich die durchschnittliche Minderungsmenge pro Jahr ab jetzt aber mehr als verdoppeln, damit Deutschland sein Klimaziel für 2030 erreicht. Und das ist nur der Durchschnitt.
Das Problem ist: Fast die Hälfte der bisherigen Einsparungen kommt aus einem einzigen Wirtschaftssektor, nämlich der Energiegewinnung. In anderen Sektoren ist viel weniger passiert. Damit das Verkehrswesen seine Klimaziele schafft, muss es dem Gutachten nach seine jährliche CO2-Minderungsmenge sogar vervierzehnfachen.
Oder wie der Energietechniker Hans-Martin Henning, der Mitglied des Expertenrats ist, es formuliert: Es gebe eine „erhebliche Erfüllungslücken“. Er zieht auf Basis des Gutachtens hart mit der deutschen Klimapolitik ins Gericht: „Bislang wurden praktisch keine Maßnahmen implementiert, die unmittelbar auf die Reduktion der Emissionen abzielen“, so der Experte.
Es seien zwar erneuerbare Energien ausgebaut worden – aber man habe es verfehlt, gleichzeitig „den alten Kapitalstock“ abzubauen. Damit meint Henning die fossile Infrastruktur: Kohlekraftwerke, Öl- und Gasheizungen, Autos mit Verbrennermotor.
Das ein sanftes Umsteuern beim bisherigen Kurs ausreiche, bezweifeln die Expert:innen. Sie stellen zur Debatte, „harte“ Emissionsgrenzen einzuführen statt nur Zielmarken im Klimaschutzgesetz festzuschreiben.
Eine Option dafür sei ein Emissionshandel nach europäischem Vorbild für Deutschland. Dort gibt es nur eine gewisse und regelmäßig abnehmende Anzahl an Emissionsrechten, die verteilt und verkauft werden. Und die zur Teilnahme an dem Handel verpflichteten Wirtschaftszweige, nämlich die Energiewirtschaft und die Großindustrie, müssen für jede emittierte Tonne CO2 ein solches Emissionsrecht nachweisen.
Anfang der Woche waren Eckpunkte der Ampelregierung zu einem Klimasofortprogramm bekannt geworden, mit dem sich die Lücke bis 2030 angeblich schließen lasse – allerdings nicht im Verkehrswesen.
„Bei der COP 27, die am Sonntag beginnt, wird Bundeskanzler Scholz den anderen Ländern erklären müssen, warum Deutschland nicht entschiedener gegen die Klimakrise vorgeht“, beklagte Christiane Averbeck, Chefin der Klima-Allianz, einem deutschen Dachverband von Klima-, Umweltverbänden und Sozialverbänden.
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