Begräbnis der Queen: Die Demokratie hat abgedankt

Der Tod Elisabeths II. wäre eine Gelegenheit, endlich den Fortbestand der britischen Monarchie in Frage zu stellen. Doch dafür fehlt noch immer die Mehrheit.

Auf einem mit Fahnen und Blumen bedeckten Sarg liegen ein Zepter, ein Reichsapfel und eine Krone auf einem Kissen

Die Staatskrone auf dem Sarg der Queen Foto: Christian Charisius/dpa

Nachdem sie begraben ist, reicht es auch mit den Nachrufen und den Verklärungen. Elisabeth II. war kein netter Mensch. Sie war rassistisch, sie war anti-feministisch, und sie wähnte sich geistig über dem Rest der Menschheit. Das hat sie tatsächlich behauptet.

Für eine Entschuldigung wegen der Verbrechen der britischen Kolonialpolitik fand sie keine Worte, während sie für das Commonwealth stets salbungsvolle Reden übrig hatte. Doch allzu nah durfte dieses ihr nicht kommen: „Farbige Immigranten und Ausländer“ durften im königlichen Haushalt nicht arbeiten, so stand es in Dokumenten, die voriges Jahr öffentlich wurden. Genauso diskriminierend war die Einstellungspraxis, wenn es um Frauen ging: Die wichtigsten Posten waren allesamt mit Männern besetzt.

Eine Anzeige wegen Verletzung der Anti-Diskriminierungsgesetze hatte die Königin allerdings nicht zu befürchten. Sie genoss Immunität gegen mehr als 160 Gesetze. Der Polizei war es verboten, ihre Ländereien zu betreten, sie durfte unter anderem nicht wegen des – durchaus begründeten – Verdachts auf Verletzung von Tierschutz- oder Umweltschutzgesetzen ermitteln.

Auch als Mutter spielte sie eine ziemlich jämmerliche Rolle. Ihren Kindern gegenüber hat sie sich nie zu einer Gefühlsregung hinreißen lassen. Nach einer ausgedehnten Commonwealth-Rundreise begrüßte sie zum Beispiel den winzigen Prinzen Charles mit einem kalten Handschlag.

Ihr Tod wäre eine gute Gelegenheit gewesen, die schon lange fällige Debatte über den Fortbestand der britischen Monarchie zu führen. Lediglich Oliver Cromwell hat es im Jahr 1649 geschafft, die Monarchie per Parlamentsbeschluss abzuschaffen. England wurde damals für elf Jahre Republik. Aber die derzeit im Parlament vertretenen Parteien sind sich darin einig, dass die Monarchie unangetastet bleibt.

Nach Elisabeths Tod hat fast die gesamte Nation einen kollektiven Weinkrampf bekommen. Kritische Zwi­schen­ru­fe­r:in­nen wurden festgenommen. Es reichte schon die laut geäußerte Frage, wer Charles III. eigentlich gewählt habe, um von der Polizei zu Boden geworfen und festgenommen zu werden. Meinungsfreiheit, die man stets und zu Recht für andere Länder fordert, sieht anders aus. Die Demokratie hat in Großbritannien derzeit abgedankt. Die Monarchie hingegen noch lange nicht.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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