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Assistierter Suizid bei DepressionenWie frei entscheiden psychisch Kranke?

Nach einer Suizidbeihilfe für eine hochdepressive Frau steht ein Berliner Arzt wegen Totschlag unter Anklage. Es könnte ein Präzedenzfall werden.

„Man kann psychisch Kranken die Entscheidungsfähigkeit nicht einfach so absprechen“, sagt T Foto: imago

Es ist ein umstrittenes Thema beim ärztlich assistierten Suizid: Sollen Ärz­t:in­nen auch depressiven Menschen zur Selbsttötung verhelfen können? Ein Berliner Hausarzt im Ruhestand, Herr T., soll laut Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin einer „an schweren Depressionen leidenden Studentin“ zweimal Medikamente zur Selbsttötung überlassen haben. Beim zweiten Mal verstarb die 37-Jährige.

Gegen den Arzt wurde Anklage erhoben wegen „Totschlags in mittelbarer Täterschaft in zwei Fällen, einmal wegen Versuchs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung“, so die Mitteilung der Berliner Staatsanwaltschaft. Die Frau soll bereits seit 2005 an einer schweren Depression erkrankt gewesen sein.

Am 24. Juni 2021 hatte der heute 73-jährige Arzt der Studentin tödlich wirkende Tabletten zur Verfügung gestellt. Die Frau erbrach jedoch die Medikamente und überlebte. Zweieinhalb Wochen später legte T. ihr dann eine Infusion, die die Suizidwillige selbst auslöste. Daran verstarb sie.

Laut Anklage soll es der Frau aufgrund einer akuten Phase der Depression „nicht mehr möglich gewesen sein, einen freien Willen zu bilden“. Der Sterbewunsch sei „Teil des Krankheitsbildes einer Depression“, erklärte die Staatsanwaltschaft. Laut dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Februar 2020 ist die ärztliche Beihilfe zum Suizid nur dann straffrei, wenn die Entscheidung zur Selbsttötung „freiverantwortlich“ gefallen ist.

16 Jahre Depression

Dass der Sterbewunsch Teil des Krankheitsbildes einer Depression sei, sei dem Arzt bewusst gewesen, so die Anklage. Dennoch soll T. die Frau in ihrer Ansicht bestärkt haben, dass es keine weiteren zielführenden Therapiemöglichkeiten und damit keine Hoffnung auf eine langfristige Besserung ihrer gesundheitlichen Situation mehr gebe.

wochentaz

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Im Gespräch mit der wochentaz stellt T., der nicht mit seinem vollen Namen in der Zeitung stehen möchte, den Fall anders dar. Die Frau, eine Studentin der Tiermedizin, habe eine lange Geschichte der Depression hinter sich gehabt, mit ständiger Behandlung seit 16 Jahren ohne Erfolg durch Medikamente oder Psychotherapie. Sie habe sich an ihn gewandt, um Suizidbeihilfe gebeten und in einem langen Gespräch erklärt, „die Depressionen kommen immer wieder, ich kann nicht mehr“, berichtet T. Zu jedem Zeitpunkt habe die Frau voll entscheidungsfähig und nicht in ihrer Freiverantwortlichkeit eingeschränkt gewirkt.

Die Studentin hatte in jungen Jahren bereits einen Suizidversuch unternommen und die Operation eines gutartigen Hirntumors hinter sich, die eine Störung der Feinmotorik einer Hand hinterließ. T. berichtet, sie habe in jüngeren Jahren nach Drogenkonsum auch einmal eine manische Episode gehabt, die sich aber nicht wiederholte.

Gutachter, der die Freiverantwortlichkeit attestiert

Vom ersten Gespräch bis zum vollendeten assistierten Suizid hat der Kontakt laut T. 30 Tage lang gedauert. Er gab seine Hausarztpraxis vor acht Jahren auf und hat bislang in rund 70 Fällen einen assistierten Suizid durchgeführt, meist über die Vermittlung durch die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS). In diesem Fall war die DGHS allerdings nicht beteiligt, erklärt T.

Der Präsident der DGHS, Robert Roßbruch, sagte der wochentaz, in Fällen von psychiatrischen Diagnosen würden Suizidbeihilfen über die DGHS in der Regel „ausscheiden“. Im Zweifelsfall würden psychiatrische Gutachter hinzugezogen, um die „freie Entscheidungsfähigkeit“ des Suizidwilligen zu attestieren. Diese freie Entscheidungsfähigkeit sei eine Voraussetzung für die ärztliche Beihilfe.

T. sagt, er habe erwogen, einen psychiatrischen Gutachter hinzuzuziehen, um die Freiverantwortlichkeit attestieren zu lassen. Aber dies sei erstens eine Geldfrage gewesen, die Studentin habe über sehr wenig Mittel verfügt. Ein privates Gutachten, um die Freiverantwortlichkeit festzustellen, hätte sie selbst bezahlen müssen. Außerdem „war der Leidensdruck extrem, sodass eine zeitliche Verzögerung durch ein Gutachten für die zum gewaltsamen Suizid entschlossene Frau nicht akzeptabel war“, erklärt T. Die Studentin habe angekündigt, sich unmittelbar zu Hause zu erhängen, wenn er ihr nicht helfe. Er nahm von der Frau kein Honorar für die Beihilfe.

Der erste Versuch

Nach dem ersten Versuch des assistierten Suizides hatten Bekannte einen Notarzt gerufen, die Studentin wurde in die Psychiatrie eingewiesen. Zweieinhalb Wochen später wurde sie entlassen. Direkt am Entlassungstag ließ sie sich in ein von ihr gebuchtes Hotelzimmer in Berlin-Lichterfelde fahren und rief T. zu sich. Er legte die tödlich wirkende Infusion, die sie selbst in Gang setzte.

Danach rief er die Kriminalpolizei, wie es bei assistierten Suiziden üblich ist. Alle Dokumente wie die sogenannte Freitoderklärung, die Entbindung von der Garantenpflicht (der Hilfeleistungspflicht durch den Arzt), die Patientenverfügung, lagen vor, sagt T. Nachdem die Staatsanwaltschaft die Unterlagen zu dem Fall gesichtet hatte, ließ sie den Leichnam obduzieren und fing an, eingehender zu ermitteln.

Im Februar 2022 fand bei T. eine Hausdurchsuchung statt, iPad und Handy wurden konfisziert. Im Umfeld der Verstorbenen wurden von der Kriminalpolizei mehr als ein Dutzend Zeugen befragt, darunter Freundinnen, Angehörige und Behandler. Wie aus den Vernehmungsprotokollen in der Ermittlungsakte hervorgeht, über die T. verfügt und die von der wochentaz teilweise eingesehen werden konnte, hat der behandelnde Psychotherapeut der Frau geäußert, seine Patientin sei aufgrund ihrer Erkrankung „sehr eingeengt in ihrer Sicht“ gewesen.

Sterbewunsch als Ausdruck der Depression

Der Sterbewunsch sei Ausdruck der Depression gewesen. Da die Studentin in der Vergangenheit eine manische Episode erlebt hatte, stand zudem die Diagnose einer bipolaren Störung in ihrer Krankenakte. „Bei einer bipolaren Störung sind Suizidgedanken ein Symptom, das verschwindet, wenn sich die Krankheit bessert“, erklärte der Psychotherapeut. Auch die langjährige Psychiaterin der Verstorbenen hielt den Sterbewunsch für die Folge einer Depression.

Auf Grundlage der Vernehmungsprotokolle der Zeu­g:in­nen wurde ein Gutachten angefertigt, auf das sich die Anklage jetzt stützt. In diesem Gutachten, das Teil der Akte ist, heißt es: „Die Kognitionen von Frau R. waren […] durch die Depression verzerrt und unterlagen nicht mehr der Willensbildung, zu der sie außerhalb der Depression fähig war“.

Diese Einschätzung ist der springende Punkt. Inwieweit eine Depression bedeutet, dass diesem Menschen keine freiverantwortliche Entscheidung mehr zugestanden werden sollte, ist nicht eindeutig geklärt. Der Bochumer Psychiater Johann Friedrich Spittler etwa verweist auf eine Untersuchung an Menschen mit einem „Suizid-Behilfe-Ansinnen“, die sich an Sterbehilfevereine gewandt hatten. Er kam zu dem Schluss, dass die Urteilsfähigkeit auch bei Personen mit psychischer Störung, die ein solches Ansinnen hatten, „überwiegend hinreichend klar“ war.

Man kann Entscheidungsfähigkeit nicht einfach absprechen

„Man kann psychisch Kranken die Entscheidungsfähigkeit nicht einfach so absprechen“, sagt T., „das ist auch eine Diskriminierung psychisch Kranker. Nur weil ich die Diagnose einer psychischen Störung habe, kann ich doch trotzdem freiverantwortlich handeln.“ T. sieht seinen Fall als Präzedenzfall. „Ich bin entschlossen, das durchzustehen, auch über mehrere Instanzen“, sagt er, „wahrscheinlich muss in höheren Instanzen geklärt werden, inwieweit man Menschen mit psychischen Diagnosen eine freie Willensbildung zugesteht oder nicht.“

T. ist vor Gericht kein Unbekannter. Der Bundesgerichtshof hatte im Jahre 2019 einen Freispruch des Landgerichts Berlin für ihn bestätigt. T. stand damals in Berlin wegen unterlassener Hilfeleistung vor Gericht. Nach der Einnahme eines tödlichen Medikaments war eine Sterbewillige ins Koma gefallen und erst nach zwei Tagen verstorben. T. hatte wie abgesprochen jeden Rettungsversuch unterlassen.

Der Deutsche Ethikrat hat im September 2022 eine Stellungnahme zur Freiverantwortlichkeit beim ärztlich assistierten Suizid veröffentlicht. Danach schließen „psychische Störungen“ die Fähigkeit zu einer freiverantwortlichen Suizidentscheidung „nicht automatisch“ aus. Bei Depressionen sei der Ausschluss der Fähigkeit zu einer freiverantwortlichen Suizidentscheidung „vom Ausprägungsgrad der Erkrankung abhängig.“ Bei affektiven Störungen, darunter auch schweren depressiven Episoden, liege in aller Regel eine „normativ relevante Beeinträchtigung der Selbstbestimmungsfähigkeit“ vor, heißt es in der Stellungnahme.

Menschen mit schweren, jahrelangen Depressionen

Folgt man dieser Logik des Ethikrates, würde ein Mensch, der unter einer leichten Depression leidet und vielleicht aufgrund vieler Alterseinschränkungen ärztliche Hilfe zum Suizid erbittet, diese legal bekommen können, weil seine Selbstbestimmungsfähigkeit als nicht eingeschränkt gilt. Wer aber eine sehr schwere, jahrelange, behandlungsresistente Depression hat, dem würde die Selbstbestimmungsfähigkeit abgesprochen. Es bliebe dann nur die Selbsttötung ohne ärztliche Hilfe durch oft gewaltsame Methoden.

Wird T. wegen Totschlags verurteilt, drohen dem Arzt, der derzeit Haftverschonung hat, mindestens fünf Jahre Gefängnis.

Die Anklage könnte auch die parlamentarische Diskussion um die Gesetzentwürfe zur Suizidbeihilfe beeinflussen. Noch vor der Sommerpause soll ein neuer Gesetzentwurf kommen. Dieser soll zwei der bereits vorgelegten Entwürfe zusammenführen. Diese beiden Entwürfe kommen von einer Gruppe um die Abgeordnete Kathrin Helling-Plahr (FDP) und einer Gruppe um Renate Künast (Grüne). Beide Entwürfe sehen eine Pflicht zur Beratung, ähnlich wie bei Schwangerschaftsabbrüchen, vor. Es gibt aber keine Pflicht zu einer psychiatrischen Begutachtung der Sterbewilligen als Voraussetzung für einen ärztlich assistierten Suizid.

Zur Diskussion steht auch der dritte Entwurf einer Gruppe um den Abgeordneten Lars Castellucci (SPD), der deutlich rigider ist. Danach sollen Sterbewillige zweimal von Psych­ia­te­r:in­nen untersucht werden müssen, um die „Freiverantwortlichkeit“ festzustellen. Der Entwurf will den ärztlich assistierten Suizid ansonsten wieder unter Strafe stellen. Der Prozesstermin für T. ist für November angesetzt.

Kreisen Ihre Gedanken darum, sich das Leben zu nehmen? Sollten Sie von Selbsttötungsgedanken betroffen sein, suchen Sie sich bitte umgehend Hilfe. Bei der Telefonseelsorge finden Sie rund um die Uhr Ansprechpartner, auch anonym. Rufnummern: 0800/111 0 111 und 0800/111 0 222.

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70 Kommentare

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  • Käptn Blaubär , Moderator*in

    Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Der wahre Skandal:

    16 Jahre chronische Depression und man hat es nicht geschafft Sie da raus zu holen. Woran liegt das? Meine Vermutungen hierzu:

    - Entweder viel zu kurze Betreuung, Sie wurde nach 14 Tagen nach ihrem ersten Suizid-Versuch entlassen. Hätte man ihr einen unfreien Willen unterstellt, hätte man sie gar nicht entlassen dürfen, aber offensichtlich hatte man selbst keine Optionen/Ideen mehr oder war nicht gewillt diese zu probieren. Nach 16 Jahren ist der suizid wohl auch keine Kurzschlusshandlung. Nach 16 Jahren Überlegungszeit, darf man die Entscheidung wohl fundiert nennen. Hier kommen wir zu einer weiteren Vermutung. Entweder viel zu kurze Psychiatrieaufenthalte oder

    - Viel zu lange ineffektive Behandlungen mit Monate langen Medikamentenausprobieren. Man nimmt die Lebenszeit der Psychisch Erkankten nicht besonders wichtig. Es müsste bei Unwirksamkeit viel viel schneller reagiert und in der Behandlung auch eskaliert werden. Dann braucht es auch keine 16 Jahre, um festzustellen, das nichts hilft.

    - Gesellschaftliche Faktoren werden ausgeblendet: Gewollte Armut und Stress für die Ärmeren.

  • Welche Arroganz zu unterstellen, ein anderer Mensch habe keinen freien Willen! Einfaches Beispiel: Etwa 40% aller Kinder werden unabsichtlich gezeugt. Hatten die Beteiligten beim Zeugungsakt keinen freien Willen? Sollte hier der Staat mit aller Macht einschreiten? Oder doch nur bei den Anderen, zu denen man selber selbstverständlich nicht zählt. Die beschriebene Frau hat sich in aller Ruhe überlegt, welche Möglichkeiten und Chancen sie hat. Und statt einen Lokführer zu traumatisieren oder irgendwelche Passanten, wählte sie eine rücksichtsvolle Methode. Dank eines Arztes, der ihr einen Zugang zu dieser Methode gab. Schlimm, dass Menschen derart leiden, dass sie diesen Ausweg wählen. Aber die Entscheidung trifft die/der Betroffene, nicht ein/e unbeteiligte/r Besserwisser/in.

  • Es geht nicht um Suizidbeihilfe, sondern um Suizidhilfe. Von Suizidbeihilfe zu sprechen bedeutet, diese Hilfe in der Not sprachlich zu missbilligen. Das trifft den Suizidenten wie seinen Arzt. Denn von Beihilfe ist im Strafrecht die Rede, wenn es um Straftaten wie Diebstahl, Betrug, Mord und Totschlag geht, also bei einer rechtswidrigen Tat geholfen wird (s. § 27 StGB). Da der Suizid nicht rechtswidrig ist, kann es grundsätzlich keine Beihilfe zum Suizid geben.

    PS: Denk drüber nach in aller Stille, wovon er frei, der "freie" Wille.

  • Man sollte in die ganze Debatte mit einbeziehen,das die Frau auf jeden Fall zum betreffenden Zeitpunkt zum Suizid entschlossen war:



    "Außerdem „war der Leidensdruck extrem, sodass eine zeitliche Verzögerung durch ein Gutachten für die zum gewaltsamen Suizid entschlossene Frau nicht akzeptabel war“, erklärt T. Die Studentin habe angekündigt, sich unmittelbar zu Hause zu erhängen, wenn er ihr nicht helfe."



    Ob das nun von Mitverantwortung entbindet oder nicht, sei dahingestellt.

  • Die Liberalisierung von Sterbehilfe ist für mich nur noch ein weiterer Eskalationsschritt um neoliberal nicht mehr (genügend) verwertbare Menschen in dieser Gesellschaft noch effektiver aus dem Weg zu räumen. Es ist meiner Meinung nach in unserer Gesellschaft kein Zufall wen bestimmte Erkrankungen treffen und wen nicht - für wen eine "Heilung" möglich ist (z.B. in einem privaten"Mental Retreat" oder Medikamente, welche auf esketamin basieren und für gut betuchte Personen seit Jahren verfügbar sind etc.) und wer als hoffnungsloser Fall eingestuft wird.

    Vor allem bei einer Erkrankung, über deren Ursachen und Wirkweise in weiten Teilen noch immer eigentlich keine Klarheit herrscht (siehe die Konroversen über die Wirkweise von SSRI) kann ich diese ganze Diskussion um assistierte Sterbehilfe noch weniger verstehen....

    • @Alegato:

      "Die Liberalisierung von Sterbehilfe ist für mich nur noch ein weiterer Eskalationsschritt um neoliberal nicht mehr (genügend) verwertbare Menschen in dieser Gesellschaft noch effektiver aus dem Weg zu räumen."

      Ja, danke, das sehe ich auch so!

  • @AGARACK Prima, wenn es denn so wäre, wie Sie schreiben. Ich gehe mal davon aus, dass Sie kein Betroffener sind. Ich bin bereits seit 51 Jahren "dabei", es begann mit 10. Mein erster "Versuch" war mit 12,dann 16, ungezählte weitere "Versuche" folgten. Anzahl der Therapien kann ich nicht zählen, Antideppressiva habe ich alle Sorten durch. Von meinen 61 Jahren habe ich geschätzt 20 "gute" Jahre gehabt. Der Überwiegende Teil besteht aus Quälerei und "Überleben" Nicht, dass ich den ganzen Tag im Bett liege und heule..Aber von 7 Tagen wache ich 5 Tage mit dem Gedanken auf: Ich wünschte, es hätte ein Ende. Eigentlich warte ich nur noch darauf, das meine Mutter verstirbt, um niemanden mit meinem Wunsch Leid zuzufügen. Mein größter Wunsch wäre es, nicht gewaltsam gehen zu müssen. Aber wenn es nicht anders geht, wird mich auch nichts abhalten.Selbst in Zeiten in denen ich nicht depressiv war, war der Wunsch vorhanden, nur eben nicht so drängend wie in einer Episode.Dann zu lesen, wie Sie von quasi nicht existierenden Therapieresistenzen schreiben, macht mich wütend. Seit fast 30 Jahren lebe ich in Sichtweite der Psychatrie(In der ich selbst auch schon etliche Aufenthalte hatte). Ist Ihnen der Begriff "Drehtüreffekt" bekannt? Sicherlich gibt es auch Leute, die nur eine Depression erleben und erfolgreich behandelt werden. Ich könnte Ihnen aber etliche mir bekannte Personen aufzählen, die sich durch "Eigeninitiative" "geheilt" haben. Auf zum Teil sehr unschöne Arten für diejenigen, die sie danach auffinden mussten.Anekdotisch?Vielleicht.Aber mit Ihren Statistiken jemand die Entscheidungsfreiheit auf einen relativ schmerzlosen, aber sicheren Tod abzusprechen, weil "typischerweise" nur ein Symptom einer Krankheit zu einer Entscheidung führt, dann noch den Begriff "Romantisierung" anzuführen, zeugt doch von gewissen Arroganz.

  • Vielen Dank für diesen ausführlichen, anschaulichen und differenzierten Artikel zu diesem schwierigen Thema! Wie ich gesehen habe, haben Sie am Ende auch einen Hinweis auf Unterstützungsmöglichkeiten bei eigenen Suizidgedanken angebracht - danke an die Redaktion für die diesbezügliche Aufmerksamkeit!

    Wäre es evtl. angebracht, einen solchen Hinweis auch am Anfang des Artikels anzubringen, ggf. kombiniert mit einer Triggerwarnung ("wenn Sie aktuell mental instabil sind, überlegen Sie, ob die Lektüre Ihnen gut", "Contentwarnung: Suizidalität. Wenn dieses Thema Sie aktuell beschäftigt, bitte lesen Sie nicht weiter, sondern suchen Sie sich bitte Unterstützung." o.Ä.)??

    Schließlich enthält der Artikel die Schilderung der Hintergründe und Methoden eines Suizids, was wegen der Möglichkeit der Identifikation vor dem Hintergrund des Werther-Effekts nicht ganz unproblematisch ist (ausführlich dazu z.B. www.psychosoziale-...atrie/werther.html, lexikon.stangl.eu/10101/werther-effekt). Dann sollten bei der Publikation meines Erachtens jedenfalls hohe Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden.

    • @Florian Meißner:

      Mittlerweile denke ich, dass die mediale Nicht-Thematisierung in unserer Gesellschaft nicht unbedingt aus Gründen des Schutzes erfolgt, sondern zur Aufrechterhaltungs des Status quos....denn wenn stärker darüber berichtet werden würde, wie oft und wie viel Menschen versuchen sich in unserer ach so modernen und aufgeklärten Gesellschaft versuchen das Leben zu nehmen, dann würde der Druck exponential steigen Ursachenforschung zu betreiben und die (unbequemen) Dinge bein Namen zu nennen.....

  • 2/2



    Zu (1) Anna Mayr: „Die Elenden – Die Elenden - Warum unsere Gesellschaft Arbeitslose verachtet und sie dennoch braucht“.

    Zu (2) Bettina Grimmer: Folgsamkeit herstellen – Eine Ethnographie der Arbeitsvermittlung im Jobcenter. (Wiss.-empirische Studie)

    *Verstummen*: Aus Politik und Zeitgeschichte. Christine Morgenroth: „Arbeitsidentität und Arbeitslosigkeit – ein depressiver Zirkel“:

    www.bpb.de/shop/ze...epressiver-zirkel/

    • @Moon:

      2/2 Antwortkommentar an

      @Alex_ der_ Wunderer

      • @Moon:

        Vielen Dank für die sicher interessanten und lesenswerten Literatur Empfehlungen.



        Ihnen alles Gute - mit lieben Grüßen Alex

        • @Alex_der_Wunderer:

          Dank ebenfalls für Ihre Antwort.

          Meine es so: Muss ja nicht alles gelesen werden oder gleich gelesen werden. Man hat was in "Reserve", falls es einem einmal wichtig erscheint.

          Ebenfalls ein lieber Gruß

  • Ihr Beitrag war noch nicht erschienen, als ich meinen schrieb. Er passt wirklich perfekt als Beispiel.

    Wenn man dann noch berücksichtigt, wie lange der Arzt die Kranke kannte, kann ich die Anklage gegen ihn schon nachvollziehen.

    • @Dr. McSchreck:

      war eine Antwort Alex-der-W. von 11:44, Bezug nehmend auf dessen Beitrag unmittelbar darunter von 10:58

  • Der Fall ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Was am schwersten wiegt ist, dass der Arzt diesen Fall im Alleingang entschieden hat. Schon allein deswegen sollte er verurteilt werden.

    Ebenso problematisch ist, dass dieser Arzt sich offenbar auf assistierten Suizid spezialisiert hat. Eine halbwegs neutrale Instanz kann ich in ihm nicht mehr erkennen, denn "Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel"

    • @Winnetaz:

      "Was am schwersten wiegt ist, dass der Arzt diesen Fall im Alleingang entschieden hat."



      So sehe ich das ebenfalls. Was auch immer ihn zu seinem Handeln bewegt hat, es hätte wenigstens noch eine "Kontrollinstanz" geben müssen, wenigstens jemanden, der sich die vorhandenen Daten anschaut und einschätzt, ob der Arzt möglicherweise aus zuviel Mitgefühl für eine akute und nur scheinbar nicht anders auflösbare Notsituation handelt oder ob der Wille der Frau einigermaßen nachvollziehbar erscheint. Vorzugsweise jemand, der über psychiatrisches Wissen verfügt, aber nicht zu den Behandlern der Frau gehört (und durch Therapieversuche Geld verdient).

  • ES ist schon krass, wie ein Arzt hier von Diskriminierung psych. Kranker reden kann, wenn man eine Entscheidung während einer Depression nicht als frei verantwortlich bewertet. Das ist keine Diskriminierung, sondern dient im Gegenteil dem Schutz der Person vor Entscheidungen, die sie bei "klarem Kopf" - der ja in aller Regel wiederkommt - so nicht treffen würde.

    Wenn jemand in so einer Phase sein ganzes Hab und Gut verschenkt, würde das vermutlich jeder so sehen, dass dies nicht bindend sein darf. Aber bei Sterben nicht?

    • @Dr. McSchreck:

      ....sehe ich, wie Sie.



      Bei einem Sterbewunsch, der uns allen Vobehalten sein sollte- wäre ich, sollte dieser durch Inanspruchnahme Dritter, mit einer, der Erkrankung angemessenen Vorlaufzeit - bei psychischen Erkrankungen - mindestens 2 Jahren, indem nachweislich Gespräche mit unabhängigen Fachärzten / Therapeuten geführt wurden, eingeleitet werden.

  • Wir haben im Freundeskreis einen sehr lieben, sehr intelligenten,



    an einer bipolaren Störung - erkrankten Freund,



    Oftmals wurden in einigen Phasen der Manie, Handlungen, Entscheidungen von ihm getätigt, die er selbst im Nachhinein nicht wollte und auch nicht versteht, warum er dieses oder jenes gemacht hat. Seine Familie , Frau , drei Kinder - bezeichnen sich selbst, nach Jahrzehnten - mit durchlebten Krankheitsphasen, als Co Erkrankt - und beschreiben seine Handlungen wie unter Zwang, lässt sich auch in den Situationen nicht auf Diskussionen ein.



    Will sagen, man sollte schon zwischen Zwangshandlungen und freiem Willen einer Person unterscheiden.

  • Es geistert immer noch der Pro-Psychiatrie-Spruch herum: "Depressionen sind gut behandelbar". Manche behaupten auch, Depressionen sind in jedem Fall heilbar. Nein. Jemand mit einer depressiven Episode kann geheilt werden, das gilt jedoch in der Regel nicht für schwere chronische Depressionen.

    Medikamente und Therapie lassen sich mit einem Krückstock vergleichen: Man kann sich mit ihnen mühsam voranschleppen, aber das Bein bleibt lahm.

    Die Frau litt seit 16 Jahren an dieser schweren Krankheit, die sich in alle Lebensbereiche frisst und die Lebensqualität auf ein Minimum reduziert. Sie hätte so oder so Suizid begangen, dank des Arztes konnte sie das auf eine schmerzlose und würdevolle Weise tun.

    • @Trigger:

      Dankeschön. Das ist eine sehr gute Beschreibung dieses Zustands.

    • @Trigger:

      Behandelbar ist eben genauso ein Label wie 'recyclebar', es sagt weder etwas darüber aus ob der Versuch auch tatsächlich unternommen wird, noch ob dieser ggf. erfolgreich ist, sondern nur, dass man prinzipiell könnte.

    • @Trigger:

      ...wie unsagbar schwer auch für die Familien, die erst einen geliebten Menschen an eine schreckliche, qualvolle Krankheit verlieren und dann auch noch aus ihrem Leben.

  • Ok. Ok. Dann heben wir doch mal den klerikal konotierten Grauschleier von auch hier gewählten “Suizid => Selbstmord“! Was ja schon begrifflich ersichtlich nicht vorliegt!



    Und sagen - Freitod - “Hand-an-sich-legen“ iSv Jean Améry! Um eine der Menschenwürde des Art 1 Grundgesetz entsprechende handhabbare Folie zu erhalten - für eine hier (&für die Richter) notwendige gerechte Einwertung vornehmen zu können.



    “ In seinem zwei Jahre zuvor veröffentlichten Buch “Hand an sich legen. Diskurs über den Freitod“ hatte er geschrieben: „Wer abspringt, ist nicht notwendigerweise dem Wahnsinn verfallen, ist nicht einmal unter allen Umständen ‚gestört‘ oder ‚verstört‘. Der Hang zum Freitod ist keine Krankheit, von der man geheilt werden muß wie von den Masern.“ „Der Freitod ist ein Privileg des Humanen.““



    de.wikipedia.org/wiki/Jean_Am%C3%A9ry



    Womit die Freiheit - die Notwendigkeit aufgrund des Humanen - des freien Willen ins Zentrum kommt - zentral wird.



    Das ist für sich bereits hart genug.



    “Am 20. Februar 1974 hatte Améry in Brüssel erstmals versucht, sich das Leben zu nehmen. Sein Freund Kurt Schindel fand ihn bereits im Koma liegend vor, er wurde aber in der Clinique Saint-Jean gerettet. In seinen Abschiedsbriefen gab er als Grund seines Suizidversuches an, wegen seiner Krankheit seinen Beruf als Schriftsteller nicht mehr ausüben zu können.“



    & ein kluger Kopf Günter Kunert sagt dazu erhellendes:



    “Worum es geht



    Ein Buch für niemanden – oder jeden



    Ein „Untrostbuch“ nannte Günter Kunert das Buch seines Schriftstellerkollegen Jean Améry. Hand an sich legen geht eigentlich niemanden an – bloß seinen Autor. Wer sich als Leser selbst „vor dem Absprung“ befindet, ist gewöhnlich über alle Philosophie hinaus, und wer am Leben hängt, wird sich kaum in jene paradoxale Düsternis fallen lassen, in die Amérys Gedankenketten führen. Der Autor fasst Wittgensteins „Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen“ als willkürliche Anweisung auf, die durch mutigen…ff

    • @Lowandorder:

      …ff & Rest -



      Ungehorsam auch hintergangen werden könne. Und so sucht er nach Worten für das Unsagbare, ja, er zeigt sich als Meister des Wortes und führt diese Stärke angesichts des Themas mit befremdlicher Vitalität vor. Améry will über den Freitod sprechen, besser noch: über den Freitod aus der Sicht des Betroffenen, um jeden Preis. Es schmerzt, ihm dabei zuzuhören. Dennoch ist das Buch, auch wenn es scheinbar niemanden betrifft außer seinen Autor, lesenswert: Es lotet eine spezifisch menschliche Möglichkeit aus, die letztlich doch jeden betrifft.“



      www.getabstract.co...n-sich-legen/18005

      Soweit mal



      (ps & btw but not only -



      Etwas mehr Reflexion über den Bezugsrahmen fürs zu Verhandelnde hätt ich mir von der Autorin schon gewünscht. Oder wie‘s im Ruhrgebiet so schön heißt “Mach die Augen auf! Dann siehste mehr.“;)

  • Also ich bin einige Zeit nachdem mein "Persönlicher Ansprechpartner" beim Jobcenter damit gedroht hatte, mir die Existenzgrundlage zu entziehen (wörtl. "ich will Sie nicht sanktionieren müssen"), (wieder) schwer depressiv und dann auch suizidal geworden.

    Neben den psychotherapeutischen und pharmakologischen Möglichkeiten, um Leuten in dieser Lage zu helfen, fände ich es ungemein wichtig und auch einfach effizienter, Menschen gar nicht erst in so eine verzweifelte Situation zu bringen.

    Die ärztliche Psychotherapeutin und BGE-Aktivistin beschreibt ähnliche Fälle aus ihrer Praxis blog.baukje.de/mei...as-grundeinkommen/ und blog.baukje.de/wut-ist-ein-geschenk/

    Mit anderen Worten: Es fehlt mir hier (auch in den Kommentaren) die Frage, wie wir unser Zusammenleben vielleicht so gestalten könnten, dass Menschen gar nicht mehr auf die Idee kommen, sich das Leben zu nehmen.

    • @Eric Manneschmidt:

      Die Ursachen für Depressionen sind vielseitig und vielschichtig. Auch in Lummerland wird es nicht möglich sein, alle in jedem Fall auszuschalten.

    • @Eric Manneschmidt:

      Ich kenne die Langzeitarbeitslosigkeit. Ich hoffe sehr, dass Sie wieder zu mehr Lebensfreude u. Stabilität (selbst in vielleicht noch belastender materieller Situation) finden konnten.

      Ich blickte kurz auf Ihre Kommentar"liste". Sie setzen sich für das bedingungslose Grundeinkommen ein. Das "signalisiert" mir/das interpretiere ich so, dass Sie mit diesem Einsatz auch ihren Mut aufrechterhalten. Mir hilft ein solches Schreiben "in Sachen Arbeitslosigkeit" auch. Mir schafft es auch einen gewissen "Abstand" zu mir selbst, weil man sich ja gedanklich in ein Thema in seinen verschiedensten Aspekt vertiefen muss, um es möglichst vertiefend zu erfassen ohne seinen Standpunkt zu verlieren.

      Ganz vielen Dank für die zwei eingestellten Links. Grundeinkommen/Erwerbslosigkeit von der psychologischen Perspektive her in den Blick zu nehmen, also auch gesellschaftlich, scheint mir sehr wichtig.

      Vielleicht kann ich beisteuern: Aus Politik und Zeitgeschichte, APuZ:

      *Arbeitsidentität und Arbeitslosigkeit – ein depressiver Zirkel.*







      www.bpb.de/shop/ze...epressiver-zirkel/

      Halte ich nach wie vor für aktuell.

      ALLES GUTE für Sie.

    • @Eric Manneschmidt:

      ...sorry, wenn ihr persönlicher Ansprchpartner vom Jobcenter Ihnen sagt, er möchte Sie nicht sanktionieren müssen - ist es dich wohl eher ein gut gemeinter Hinweis auf Ihr Verhalten...

      • @Alex_der_Wunderer:

        gut gemeint ist eben nicht gut gemacht...

      • @Alex_der_Wunderer:

        Gut gemeinte Drohungen sind immer noch Drohungen. Kennen Sie Hartz4 aus eigener Anschauung?

        • @Konrad Ohneland:

          Ehrenamtlich betreue ich seit vielen Jahren, unteranderem auch HARZ 4 - inzwischen ja Bürgergeld Bezieher.



          Die Mitarbeiter vom Jobcenter, mal mehr, mal weniger gut Ausgebildet - haben strikte Vorgaben zu erfüllen. Wenn man sich als Bezieher von Leistungen an die vorgegeben Vorgaben hält, läuft in der Regel auch alles gut - sind halt meine Erfahrungswerte. Wenn mal Unstimmigkeiten auftreten, so gibt es auch noch immer die Teamleiter im Jobcenter, die meistens auch sehr kooperativ sind.



          Einen Hinweis, eines Sachbearbeiters als Drohung zu empfinden - wohl eher subjektiv... auch schlimm - aber dann vielleicht besser in Begleitung zum Jobcenter gehen - wäre mein gut gemeinter Rat.

          • @Alex_der_Wunderer:

            Ich kenne die Langzeitarbeitslosigkeit. Es ist schon so, dass ich – auch – Ihren „Erfahrungswerten“ zustimmen kann. Gerade das bürgerschaftliche Engagement schafft Strukturen, die Erwerbslose erfolgreich unterstützen, mit den, vorsichtig gesagt, institutionellen Verstrickungen, umzugehen, die für sie in dem voller struktureller Widersprüchlichkeiten steckenden System der Grundsicherung entstehen, dass nicht so angelegt ist, dass eigentlich vermeidbare Gefährdungen psychosozialer Art NICHT „zum Zuge“ kämen. Erwerbslosigkeit kann Depression bis zum Suizid auslösen, bzw. sich eine solche mehr oder weniger vorhandene eben auch bis zum Suizidgedanken /-tat verstärken.



            Mir ist folgender Hinweis sehr wichtig. Erwerbslosigkeit führt, mit meinen Worten geschildert u. etwas Kenntnis der (wiss.) Literatur, zu *Verstummen*. Das gilt individuell, für das Kollektiv der Erwerbslosen und für „die Gesellschaft“ (1) im Übermaß. Individuell erschein es mir als eine Isolation von Teilen des eignen Selbst. Das begegnet mir bei uns Erwerbslosen, die wir es uns selbst untereinander schwer tun, wieder an das heranzukommen, was in uns verstummt ist. Und zu den gesellschaftlichen „Gegebenheiten“ dazu verweise ich unten auf ein die Erwerbslosigkeit sehr reflektierendes Buch (1).



            Dieses Verstummen kann sich in zunehmender Sprachlosigkeit gegenüber der sozialen Umwelt und ihren Institutionen (Jobcenter) äußern oder hinter einer aktiven, sich sprachlich äußernden Haltung „verbergen“, die ganz realistisch z. B. gegenüber dem Jobcenter spricht u. handelt. Aber sie ist da und kehrt mal individuell mal gesellschaftlich von „hinter unserem Rücken“ vor unsere Augen zurück. Sie kann dort wirken, OHNE dass sie gesehen, bzw. gehört wird. Das kann individuell als psychosoziale Situation im Unglück enden und gesellschaftlich zum kollektiver Ausblenden, das einer realistischen „Bearbeitung“ des gesellschaftlichen „Phänomens“ Erwerbslosigkeit maximal im Weg steht. (2)

            • @Moon:

              Die Literatur steht "frei" in der Kommentarliste oben.

              Pardon - hab ich beim Einstellen "verbaselt".

          • @Alex_der_Wunderer:

            Im Hartz IV-System lief gar nichts gut. Die ganze Konstruktion ist entwürdigend und menschenverachtend. Es geht darum Menschen unter der Drohung, ihnen die Existenzgrundlage zu entziehen, in beliebige Arbeit oder in meist unsinnige Maßnahmen zu pressen.

            Dabei sind diese Arbeitsplätze oft von der Bezahlung und den Arbeitsbedingungen her mies und außerdem oft Bullshit Jobs, d.h. sie haben keinen gesellschaftlichen Nutzen, unter Umständen schaden sie sogar.

            In einer Situation, in der immer mehr unbezahlte Arbeit (v.a. Sorgearbeit) nicht mehr gemacht werden kann, auf der anderen Seite unser Planet zerstört wird, weil immer mehr Ramsch produziert wird, Leute mit Gewalt in Erwerbsarbeit zu zwingen ist menschenverachtend und einfach saudumm.

            Dass Jobcenter-Mitarbeiter bis zu einem gewissen Grad auch nur Befehlsempfänger sind und den erfahrenen Druck "nur" nach "unten" weitergeben, entschuldigt nichts.

            In dem konkreten Fall habe ich mir übrigens die verordnete Maßnahme angeschaut (schon am nächsten Tag), sie ging völlig an meinen Fähigkeiten und Möglichkeiten vorbei. Formal hätten die mich zudem gar nicht zulassen dürfen, ich hätte eine abgeschlossene kaufmännische Ausbildung gebraucht, die ich nicht habe. Es geht beim Jobcenter aber nicht darum, irgendwas sinnvolles in die Wege zu leiten, sondern Gehorsam und Untertanengeist zu erzwingen.

            Es würde mich sehr wundern, wenn das Bürgergeld wesentlich anders funktioniert. Ich bin jetzt da raus und erwerbsunfähig.

  • Contentwarnung: Suizidalität. Wenn dieses Thema Sie aktuell beschäftigt, bitte lesen Sie nicht weiter, sondern suchen Sie sich Hilfe.

    Das ist so nicht ganz richtig. Die meisten Depressionen (ca. 80%) bilden sich innerhalb von zwei Jahren zurück. flexikon.doccheck.com/de/Depression

    Aber auch bei den 20% chronischen Depressionen gibt es eine Vielzahl evidenzbasierter therapeutischer Möglichkeiten (siehe z.B. die Leitlinie register.awmf.org/...ession_2023-01.pdf ). Woher Sie die Information haben, dass 1/4 der Erkrankungen therapieresistent sei, weiß ich nicht, aber so ist es nicht.

    " Ob dieses Maximum dann aber auch lebenswert ist oder eben nicht, ist dennoch etwas das zu beurteilen nur den individuell Betroffenen zusteht."

    Suizid ist typischerweise keine rational, nach sorgfältiger Abwägung gefasste Entscheidung, sondern Suizidalität ist ein Symptom der Erkankung Depression. Man sollte das nicht romantisieren. Es gibt bessere Auswege aus der Situation, und was wichtig ist, ist, Betroffene besser zu versorgen, als dies derzeit der Fall ist - und nicht, Leuten den Suizid zu ermöglichen.

    • @Agarack:

      Danke für Ihren eher positven, hoffnungsverbreitenden Beitrag.

    • @Agarack:

      Dieser Kommentar sollte eine Antwort auf Ingo Bernable weiter unten sein.

      • @Agarack:

        "Man sollte das nicht romantisieren."



        Wo tue ich das denn?



        "sondern Suizidalität ist ein Symptom der Erkankung Depression"



        Symptom dieser Erkrankung sind zunächst einmal unbeschreibliche Qualen und Schmerzen die durchaus sehr real sind und gegen die es kein funktionierendes Schmerzmittel gibt. Die Suizidalität ist also nicht ein Symptom das einfach so da ist, sondern das Resultat des Wunsches diesem Elend zu entkommen. Gleichzeitig kann man durchaus anerkennen, dass bei affektiven Störungen die Ratio eben iA nicht beeinflusst ist. Entsprechend problematisch finde ich es den Betroffenen so pauschal Selbstbestimmung und Mündigkeit abzusprechen.

        • @Ingo Bernable:

          Contentwarnung: Suizidalität. Wenn dieses Thema Sie aktuell beschäftigt, bitte lesen Sie nicht weiter, sondern suchen Sie sich Hilfe.

          Ich halte es für eine Romantisierung, davon auszugehen, ein individuell Betroffener sei dazu in der Lage, frei zu entscheiden, ob das Leben "lebenswert" sei. Denn wenn Suizidalität ein Krankheitssymptom ist, ist die Urteilsfähigkeit eingeschränkt. Jede*r, der/die schon Depressionen im direkten Umfeld erlebt hat, kann bezeugen, dass "die Ratio" in diesem Falle sehr wohl beeinflusst ist. Symptomatische Depressive haben häufig ein deutlich verzerrtes Bild der Realität, vor allem in Bezug auf ihr eigenes Selbst. Sie gehen davon aus, ihrem Umfeld über Gebühr zu Last zu fallen, sie denken, so wie jetzt ginge es immer weiter. Unter diesen Bedingungen kann man keine freie Entscheidung treffen.

          • @Agarack:

            Es geht eben nicht immer nur ums "Anderen zur Last fallen" und ähnliches. Manchmal geht es tatsächlich einzig und allein ums eigene Leiden. Darum, mit sich selbst nicht mehr zurecht zu kommen.



            Bei einer 16jährigen offensichtlich gut dokumentierten Leidensgeschichte frage ich mich, wieso überhaupt noch irgendwer um die Ecke kommt mit "Aber es hätte sicher noch Therapiemöglichkeiten gegeben!"



            Anscheinend hatten ja nicht einmal die letzten 2 Wochen in der Klinik da noch irgendeinen frischen Ausblick erzeugt.

          • @Agarack:

            Ich halte diese Perspektive für ausgesprochen paternalistisch und eigentlich auch übergriffig.

  • Das ist der entscheidende Teil:



    "Folgt man dieser Logik des Ethikrates, würde ein Mensch, der unter einer leichten Depression leidet und vielleicht aufgrund vieler Alterseinschränkungen ärztliche Hilfe zum Suizid erbittet, diese legal bekommen können, weil seine Selbstbestimmungsfähigkeit als nicht eingeschränkt gilt. Wer aber eine sehr schwere, jahrelange, behandlungsresistente Depression hat, dem würde die Selbstbestimmungsfähigkeit abgesprochen. Es bliebe dann nur die Selbsttötung ohne ärztliche Hilfe durch oft gewaltsame Methoden."



    Das darf nicht sein! Jemandem der nur vorübergehend depressiv ist, muss geholfen werden aus der Depression rauszukommen.



    Und jemandem der wirklich jahrelang leidet und bei dem trotz Therapie und/oder Medikamenten sich der zustand nicht bessert, solle Sterbehilfe erhalten.



    Ich hatte jahrelange Depressionen gehabt und hatte Glück das mir teils Alkohol (natürlich nicht gut) und später Antidepressiva geholfen haben. Die Vorstellung Medikamente wären bei mir wirkungslos gewesen und ich hätte noch Jahre oder Jahrzehnte mit den Depressionen weiterleben müssen, ist unvorstellbar für mich!! 😡😢



    Ich hoffe der Arzt kommt straffrei davon und auf eine Grundsatzentscheidung!!

  • Ich frage mich, ob der Hausarzt (!) nicht vielleicht auch bloß ein Anhänger einer besonders libertärer Ideologie ist und in erster Linie seiner Ideologie verpflichtet ist.

    Einfach ist das Thema sicher nicht, vielleicht eines der schwersten ethischen Themen überhaupt und niemals ohne Dilemma.

    Aber 1 Monat Kennenlernphase????



    Das schlägt dem Fass doch den Boden aus.

    Dass die taz gerne libertäre Anliegen präsentiert, verwundert mich nicht.

    Selbstverwirklichung ist im alternativen Milieu schließlich oberstes Axiom.

  • Das ist ein schwieriges Thema. Ich habe in meiner Arbeit mit Menschen verschiedenen Beeinträchtigungen zu tun. Bei Menschen mit psychischen Erkrankungen ist die Frage, inwieweit sie selbst über sich in ihrem Sinne zu bestimmen in der Lage sind, teils nicht oder nur Abschlägen beantwortbar. Ich habe mit Klient:innen zu tun, die unter ihren Erkrankungen schwer leiden, jedoch keine Krankheitseinsicht besitzen, daher häufig auch die Medikation verweigern. Nicht zuletzt auch aus ihren Wohngebäuden heraus.



    In Bremen gibt es keine geschlossenen Einrichtungen mehr, ein Jahresbeschluss ist mit sehr hohen Hürden verbunden. Das ist an sich eine positive Entwicklung; lässt eine:n in o.g. Fällen jedoch auch ratlos zurück und mit der Frage, inwieweit Menschen ein in der modernen Psychiatrie postuliertes Recht auf psychische Erkrankungen wahrnehmen oder in diesen so gefangen sind, dass diese Entscheidung durch die Krankheit getroffen wird.

    • @Ijon Tichy:

      "jedoch keine Krankheitseinsicht besitzen"



      Das trifft nur eben weder in dem hier geschilderten Fall zu, noch wäre das für schwere Depressionen überhaupt ein typisches Phänomen.

  • Wie im Beitrag erwähnt ist das der entscheidente Satz.. „Die Kognitionen von Frau R. waren durch die Depression verzerrt und unterlagen nicht mehr der Willensbildung, zu der sie außerhalb der Depression fähig war“....



    Nach der kurzen Schilderung des Krankheitsbildes und Verlauf i. B. kann ich die Entscheidung von Frau R. nachvollziehen.Ich entnehme dem Beitrag das in der Krankengeschichte von Frau R.. eine umfassende therapeutische Behandlung erfolgt ist.



    16 Jahre Behandlung ohne deutliche Erhöhung der Lebensqualität kann an Grenzen führen.



    Eine schwierige Entscheidung ohne Umkehr für Frau R..und Arzt. Das Umfeld von Frau R..dürfte auch eine Rolle spielen.



    .....Danach schließen „psychische Störungen“ die Fähigkeit zu einer freiverantwortlichen Suizidentscheidung „nicht automatisch“ aus. ...



    Das kann ich nachvollziehen.

    • @Ringelnatz1:

      Schonn. But.

      Die Frage bleibt aber doch - auf wessen freien Willen die zu treffende Entscheidung im Ergebnis beruht!

  • Diese Frau hatte den Wunsch zu sterben.



    Dss sollte man respektieren.



    Anscheinend haben alle Behandlungen nicht gewirkt.



    Über Leben und Tod entscheidet nur der betroffene Mensch!

    • @R.A.:

      Die Frage ist, wie frei sie entschieden hat, und ob dieser Arzt nicht vielleicht, ob seiner Spezialisierung im Ruhestand, auch einen eingeengten Blick auf Unterstützungsmöglichkeiten hat.



      Suizidwunsch und Gedankenkreisen um den Suizid sind Krankheitsmerkmale von Depression, das muss man nicht unterstützen als Mediziner*in, das muss man wissen und an Fachleute überweisen oder, akut, einweisen.

      Verzerrte Selbstbilder bei Anorexie oder wahnhafte Ideen bei Schizophrenie unterstützen Ärzte ja nun i.d.R. auch nicht, sondern nehmen sie als Krankheitsausdruck wahr und kümmern sich um passende Therapien.

  • Ich finde das extrem schockierend und völlig inakzeptabel. Als jemand, der familiär leider sehr viel Kontakt zu Depressionen und anderen psychiatrischen Erkrankungen hat (und medizinisch ausgebildet ist) finde ich diese ganze Debatte völlig verfehlt. Die Depression ist ganz überwiegend eine Erkrankung mit guter Prognose. Die meisten Depressionen können durch konsequente kombinierte medikamentöse und psychotherapeutische Therapien gut in den Griff zu bekommen sein. Dies gilt auch, wenn die Depressionen periodisch wiederkehren. Suizidgedanken hingegen sind ein häufiges Symptom dieser Depressionen. Und ja, mir ist bewusst, dass es auch langjährige behandlungsresistente Depressionen gibt, aber auch in diesem Falle ist der Suizid keineswegs das zwingende Ergebnis dieser Erkrankung, sondern auch in diesem Falle kann man - wie bei jeder anderen Erkrankung auch - immer anstreben, das Maximum an Lebensqualität herauszuholen. Es kann doch nicht allen Ernstes diskutiert werden, dass das Versagen Deutschlands, für solche Leute eine angemessene therapeutische Versorgung sicherzustellen, jetzt mit der Tötung dieser Patienten zu beantworten.

    Wenn Sie dies hier lesen und Sie suizidale Gedanken haben: Suchen Sie sich bitte Hilfe. Die Wahrscheinlichkeit, dass Ihnen geholfen werden kann, ist sehr viel höher, als die Wahrscheinlichkeit, dass Ihnen nicht geholfen werden kann.

    • @Agarack:

      Ich habe selbst schon mein Leben lang Depressionen. Therapie hat in meinem Fall wenig gebracht da sie auf traumatische Erlebnisse in der Kindheit beruhen. Zum Glück hatte ich bis jetzt immer die Fähigkeit mir Dinge im Leben zu erschließen die mir Freude machen. Gerettet hat mich auch ein langer Aufenthalt in einer afrikanischen Großfamilie. Ich versuche alle zwei drei Jahre dort sechs Wochen symptomfrei zu verbringen, was eine unglaubliche Wohltat ist. Menschliche emotionale Zuwendung und Nähe bei kollektivistisch geprägten Menschen bringt mehr Linderung als seit über 20 Jahren tägliche Medikamente. Irgendwann kann ich mir diese Reisen aber nicht mehr leisten. Wenn dann das Leid zu groß wird, will ich selbstbestimmt und vor allem sauber abtreten. Mein Leben, meine Entscheidung.

      • @Andreas J:

        Danke für den Beitrag.



        Dass Sie sogar gänzlich symptomfrei sind, wenn Sie sich in einem freundlichen Umfeld befinden, sehe ich als Bestätigung meiner These, dass Depressionen bzw. ihre Schwere ganz wesentlich von den realen Lebensumständen abhängen. Und ich denke, wir könnten hier auch freundlicher miteinander umgehen, wenn es nur gewollt wäre.

        • @Eric Manneschmidt:

          Der Psychologe und Psychoanalytiker Arno Gruen hat zu dem Thema sehr interessante Ansätze gehabt. Vieles was er schrieb fand ich vor dem Hintergrund meiner Erfahrungen in Afrika sehr einleuchtend.

    • @Agarack:

      Danke. Aus dem dem eigenen Bekannten- und Familienkreis weiß ich, dass "unbehandelbare Depressionen" vielmals nur schlecht bis gar nicht behandelt werden, selbst wenn sich ein "Facharzt" verantwortlich zeichnet und insbesondere, wenn - wie die Studentin in diesem Fall - Mittellosigkeit hinzukommt.

    • @Agarack:

      "Die meisten Depressionen können durch konsequente kombinierte medikamentöse und psychotherapeutische Therapien gut in den Griff zu bekommen sein."



      Na ja, geht so. Die Erfolgsquote von medikamentöser und psychotherapeutischer Behandlung (wenn man denn einen Therapieplatz bekommt) liegt meines Wissens jeweils bei ca. 50% und steigt, wenn kombiniert angewandt, was aber längst nicht die Standardbehandlung ist, auf ca. 75%. Bedeutet also, dass etwa 1/4 der Erkrankungen therapieresistent ist und sich allenfalls mit unkonventionellen Therapien wie Ketamin oder Elektrokrampftherapie behandeln lassen. Zudem gelten diese Zahlen auch nur für Ersterkrankungen, bei einer rezidivierenden Depression sieht die Prognose schon deutlich schlechter aus und ab der dritten Episode muss man idR davon ausgehen, dass eine dauerhafte Genesung höchst unwahrscheinlich ist.



      "anstreben, das Maximum an Lebensqualität herauszuholen"



      Ob dieses Maximum dann aber auch lebenswert ist oder eben nicht, ist dennoch etwas das zu beurteilen nur den individuell Betroffenen zusteht.

      • @Ingo Bernable:

        Elektrokrampftherapie ist gar nicht sooo unkonventionell, ich stimme zu, dass eine Kombination von Psychiatrie inkl. Pharmakotherapie einerseits und Psychotherapie am besten hilft - und dass nicht immer alles hilft, leider.



        Nichtsdestotrotz hat hier ja nicht ein behandelnder Psychiater oder eine langjährige Hausärztin die Patientin in ihrer scheinbaren Alternativlosigkeit unterstützt, sondern ein Arzt i.R., der sich auf Suizidunterstützung spezialisiert hat. Äh, hat auch n Geschmäckle, finde ich.

        • @hierbamala:

          Viele Psychiater und Hausärzte werden aber einen großen Bogen um das Thema machen. Suizidunterstützung nebenher ist nicht gerade vertauensbildede Werbung für eine Praxis. Das können nur spezialisierte Ärzte machen.

    • @Agarack:

      Sie haben völlig recht.



      Die mir aus persönlichem Umfeld bekannten Selbstmörder taten dies in einer akuten persönlichen Ausnahmesituation, keiner entsprach dem Ideal des Freitodfanclubs, denn keiner war ein Seppuku begehender Selbstverwirklichungs-Samurai, der am Sichtumsende im Kreise seiner Angehörigen ein selbstbestimmtes Ende wählte.



      Es waren alles unnötige, nur Leid und bei Angehörigen Selbstvorwürfe hinterlassende Taten, weggeworfene Leben.



      30 Tage Bekanntschaft reichten dem vom Arzt zum Henker Umgesattelten aus um sich ein Urteil zu bilden? Wow - Da dauern sogar Prozesse in Arizona länger. Ich bin ja nicht gegen assistierten Suizid Moribunder, aber das entsetzt mich.

      • @Euromeyer:

        Stimme zu, möchte aber anmerken, dass "Selbstmord/Selbstmörder" eben ein falscher rwap. überkommener Begriff ist, der würde ja gerade volle Entscheidungsfähigkeit voraussetzen und hat zudem eine moralisierende Konnotation. Selbsttötung/Suizid ist wertungsfrei und sachlich.

        Diejenigen in meinem Umfeld, bei denen die Selbsttötung - glücklicherweise - nicht klappte oder die im letzten Moment nach Selbsteinweisung mit entsprechender Hilfe ihre Krankheit heilen konnten oder sie jetzt "in Schach halten", sind froh, dass sie dem Tod von der Schippe gesprungen oder gestolpert sind - unabhängig ob Depression, Anorexie, Schizophrenie oder bipolare Störung (oder eine Kombination) - da ist soviel Lebenslust und Erlebenswille im Menschen.

        Und ich unterstreiche ganz dick und fett deinen letzten Absatz! Wer bloß nen Hammer hat, sieht überall Nägel - wer für seine Suizidbegleitung bekannt und gesucht ist, sieht der dann überall Ausweglosigkeit?

      • @Euromeyer:

        Ich verstehe ihren 30 Tage Einwand nicht.



        Was glauben Sie, wieviel Zeit ein:e Gutachter:in in einem Strafverfahren hat, sich ein "vollumfängliches" Bild von einer/m Tatverdächtigen zu machen und die Entscheidung pro/kontra Maßregelvollzug fällt?



        Haben Sie schon einmal ein Gerichtsgutachten gelesen, welches über für und wider einer Anordnung zur Betreuung Auskunft geben soll?

        Hinweis: Die wenigsten dieser Gutachter:innen sehen ihre Patient:innen überhaupt.

    • @Agarack:

      anschließe mich •

      “Assistierter Suizid bei Depressionen: Wie frei entscheiden psychisch Kranke?

      Als einer der via schwerer Depression ua in Kölle auf der Zoobrücke gestanden hat! *



      Sage - das ist eine contra dictio in adjecto: Ein Widerspruch in sich •



      Eine freie Entscheidung ist in solchen Zuständen schlicht verbaut!

      unterm—-*



      Der “Weg bis dahin“ - basierte im Nachhinein betrachtet auf einer völligen Verkennung der realen Gegebenheiten!



      (Andere Beispiele bei Mitpatienten erspar ich mir hier.)

    • @Agarack:

      Danke für diesen Kommentar!



      Als Mensch, der Suizide im Bekanntenkreis erlebt hat, Freund*innen und Angehörige



      e mit verschiedenen psychischen Erkrankungen unterschiedlicher Schwere und selbst immer wieder mit leichten bis mittleren Depressionen lebt und ringt, kann ich voll zustimmen.

      Im Fall dieses Arztes halte ich es für mehr als fahrlässig und auch für ziemlich überheblich, sich quasi als Retter darzustellen, der es besser weiß als die behandelnden Psychiater*innen und Therapeut*innen, die doch die eigentlichen Fachleute sind. Oder sind Hausärzte i.R. neuerdings auch bei onkologischen, kardiologischen und viszeralchirurgischen Fragen allen Fachärzt*innen überlegen?



      Es regt mich auf!



      Bipolare Störungen können medikamentös und therapeutisch gut behandelt werden, v.a. sind depressive Episoden etwas Krankheitstypisches.



      Nein, man muss Menschen nicht beim Suizid helfen, wenn sie drohen, sich sonst anders zu töten, ruft man den Rettungsdienst und lässt den Menschen in eine Fachklinik einweisen.



      Puh, ko... mich die Hybris an, die aus dieser Geschichte spricht.

      Stattdessen braucht es mehr Therapeut*innen und mehr Fachärzte flächendeckend,damit man z.B. hier aufm Land nicht 50km fahren muss, wenn man vor 2024 einen Termin haben möchte...

      Sprecht mit euren Freund*innen und Angehörigen, wenn es euch psychisch schlecht geht, sprecht mit euren erkrankten Freund*innen und Angehörigen und seid da und holt euch Rat und Unterstützung bei Patientennetzwerken usw.

      • @hierbamala:

        SEHR GUTER HINWEIS

        - INANSRUCHNAHME VON NETZWERKRN, -

        sowohl für die Erkrankten, als auch für die Angehörigen - ohne Kontskte und Austausch mit Betroffenen, sind Psychische Erkrankungen kaum zu bewältigen und zu ertragen.

        Keine falsche Scham , offen und offensiv mit den Erkrankungen umgehen - hilft allen Menschen, besser zu verstehen und sich dementsprechend zu verhalten.

      • @hierbamala:

        " Es regt mich auf! "

        Mich regt auf, wenn offensichtlich der Artikel nicht gelesen oder nicht verstanden wurde.



        Eines von beiden muss es sein.



        Anders ist nicht zu erklären, dass nach 2 Wochen geschlossene Psychatrie und der innerhalb 1 Stunde genau geplante Ablauf bei Ihnen dazu führt, den Ruf nach Notarzt und erneuter Einweisung zu tätigen.

        Wenn die junge Frau nicht klar genug war, eigene Entscheidungen zu fällen, hätte man Sie gar nicht erst aus der Einrictung enlasssen dürfen.

        Hier sitzt in meinen Augen eindeutig der falsche auf der Anklagebank.

        • @meinTaz:

          ....auf jeden Fall sollte die " Einrichtung " und die dort involvierten Ärzte einmal in Augenschein genommen werden...



          - Behandlungsfehler



          - unterlassende Hilfeleistung

        • @meinTaz:

          Ich hab den Artikel sehr genau gelesen. Ich halte einen Hausarzt i.R., der sich auf Suizidunterstützung "spezialisiert" hat, schlicht für den falschen Ansprechpartner und ob seiner Grundüberzeugung für nicht ergebnisoffen in seinen Beratungen - das regt mich auf. Sein Job wäre es, zu _wissen_, dass Suizidalität zum Krankheitsbild verschiedener psychischer Erkrankungen gehört und ggf. nach Rücksprache mit den behandelnden Ärzten (z.B. durch Einsichtnahme in Behandlungsakten nach Schweigepflichtentbindung) und nicht ausschließlich nach wenigen Gesprächen mit der jungen Frau sich zu entscheiden.

          Oder umgekehrt zurückgefragt: Wst machste, wenn deine Freundin, Kollegin, Schwester, Klientin, Patientin... lange psychisch erkrankt ist, leidet und in besonders schlechten Phasen sagt, sie wolle wirklich nicht mehr leben? Ihr die Adresse dieses Arztes besorgen und sagen: Der hilft dir beim Suizidieren! - oder sagst du dich eher: Weißt du, du bist gerade raus, aber ich bring dich gern nochmal in die Klinik, dass du dir mehr Zeit nimmst.

          Jau, ich weiß, das ist auch ne moralische Frage, Leben und so, aber entbindet sein Status als vermeintlich objektiver Mediziner den Arzt von seiner Verantwortung fürs Leben?

          War das echt die Entscheidung der Frau oder hätten Gespräche mit einem _anderen_ Arzt/Mensch zu einem anderen Ergebnis geführt?

    • @Agarack:

      Danke.