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Kriege im Nahen OstenImmer sind die anderen schuld

Essay von Hanna Voß

Das mantraartig vorgetragene Recht Israels auf Selbstverteidigung verschließt in Deutschland den Blick auf die brutale israelische Kriegsführung.

Systematische Entmenschlichung arabischen Lebens Illustration: Katja Gendikova
Inhaltsverzeichnis

E lf Mal sei sie im vergangenen Jahr in den Nahen Osten gereist, berichtet Außenministerin Annalena Baerbock in der ARD-Talkshow von Caren Miosga stolz. Davon neun Mal nach Israel. Weil es ihr Ansatz als Außenministerin sei, immer alle Perspektiven in den Blick zu nehmen. Dass sie damit genau die Unausgewogenheit ins Schaufenster stellte, die die Wahrnehmung der deutschen Haltung in meiner Wahlheimat Beirut und weiten Teilen der Region prägt, war ihr vielleicht gar nicht bewusst. Die nämlich, dass auch vor dem Hintergrund einer wertegeleiteten feministischen Außenpolitik das Leid der einen sehr wohl schwerer wiegt als das der anderen.

Natürlich war der Beistand gegenüber Israel nach den Hamas-Massakern am 7. Oktober richtig. Was dann aber folgte, war eine Vergeltung, die jede Verhältnismäßigkeit vermissen ließ: bislang mindestens 41.000 Tote in Gaza. Unzählige Kinder mit amputierten Gliedmaßen. Vergewaltigte und missbrauchte Häftlinge. Systematisches Aushungern. Immer wieder Vertreibung der Bevölkerung. Zerstörte Universitäten, Kirchen, Moscheen, Krankenhäuser und Schulen. Auslöschung von Kultur, Tradition und Identität. Ob das Völkermord ist, darüber wird der Internationale Gerichtshof entscheiden.

Und jetzt der Libanon. Es stimmt – die Hisbollah hatte am 8. Oktober 2023, als Israel bereits den Gazastreifen attackierte, die Front im Süden eröffnet. Sie schoss Raketen auf die Shebaa-Farmen, nach internationalem Recht illegal von Israel besetztes Land. Lange war es ein Balanceakt, dann lief die Situation immer mehr aus dem Ruder. Bis die Waffen in Gaza schwiegen, würde man weiterschießen, wiederholte Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah. Einen „eigenen“, allumfassenden Krieg mit dem Erzfeind wollte er nicht. Den Zusammenbruch dieses Kalküls bezahlte Nasrallah, der zuvor noch einer Waffenruhe zugestimmt haben soll, letztlich mit dem Leben. Seither tobt der Krieg völlig entfesselt auch im Libanon.

Täglich fliegt die israelische Armee IDF jetzt Luftangriffe auf Beirut. „Wir bomben euch zurück in die Steinzeit“, tönten israelische Politiker schon vor Monaten. Die Wucht des Krieges lässt wenig Zweifel daran, wie ernst das gemeint war: Innerhalb von 14 Tagen wurden 1.500 Menschen getötet, 2.100 seit vergangenem Oktober, darunter 130 Kinder, hunderte Frauen. Mal kommen Evakuierungsaufforderungen um 3, dann um 4 Uhr in der Nacht, mal bleiben sie aus. Eine große israelische Tageszeitung fragte noch am Tag des Beginns der Bodenoperation am 30. September, ob der Libanon nicht auch ein Teil Groß-Israels sei.

Hanna Voß

lebt in Beirut und arbeitet im dortigen Auslands­büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Sie war früher Redakteurin der taz.

In Deutschland dagegen haben weder die Zahlen aus Gaza noch die Eskalation im Libanon zu einem echten Umdenken geführt, zu einem veränderten Agieren gegenüber der israelischen Führung. Einer veränderten Sicht auf die Dinge. Alles wird weiter subsumiert unter Israels Recht auf Selbstverteidigung. Sowieso seien die Israe­li Defence Forces (IDF) die moralischste Armee der Welt. Kriegsverbrechen? Je­de*r Tote ein Opfer der Terroristen. Menschliche Schutzschilde? Israel habe keine Wahl, sei doch existenziell bedroht.

Jeder Hinweis auf Selbst­verteidigung, jedes Wort wie Hochburg, „Terrorist“, „menschlicher Schutzschild“ dient dazu, das Leiden der Menschen in Nahost für den Westen erträglich zu machen

Und wer über die bedauerlichen „Kollateralschäden“ hinausgeht, fantasiert gar von einer „Avantgarde des Westens“ (Welt-Chefredakteur Ulf Poschardt), die sich da Sturm bricht. Die Vernichtungslandschaft in Gaza wird so zu einem Triumph der „Kinder des Lichts“ auf ihrem Weg zum „totalen Sieg“ (Netanjahu) erklärt.

Das real existierende Israel wollen große Teile der politisch-medialen Elite in Deutschland weiterhin nicht wahrnehmen. Vielmehr ergeht man sich in der Wohlfühlprojektion der bunten Demokratie. Dabei wird das Land längst von einer breit verankerten, rassistischen Siedlerbewegung geprägt. Früher noch als „Irre“ abgetan, sitzen sie heute an den Schalthebeln der Macht.

Der Libanonkrieg ist äußerst populär im Land, auch die zionistische Linke trägt ihn mit. Dabei offenbaren sich schon jetzt Parallelen zur brutalen Kriegsführung in Gaza. In einer am Mittwoch auf seinem X-Account veröffentlichten Ansprache an das libanesische Volk stellt Netanjahu unumwunden klar: „Befreit“ ihr euch nicht von der Hisbollah, erwartet euch die gleiche Zerstörung, das gleiche Leid wie in Gaza – als sei das ganz automatisch so und er selbst daran im Grunde gar nicht beteiligt. Sie sind da, die Worte, doch wer hört hin?

Schweigen und Schulterzucken

Was ich von meinen libanesischen Freun­d*in­nen vernehme, was ich auf X lese, ist große Wut, aber auch tiefe Verletztheit. Darüber, dass sie Bilder hinaus in die Welt senden, von getöteten Frauen und Kindern, von ihrer geliebten Hauptstadt, auf die jetzt täglich Bomben fallen. Von 1,3 Millionen Vertriebenen, einem Sechstel der Gesamtbevölkerung – und dass das, was sie am anderen Ende erwartet, Schweigen ist oder Schulter­zucken, flankiert von Worten, die all das zu rechtfertigen scheinen: Terroristen, Hochburgen, gezielt, menschliche Schutzschilde, Recht auf Selbstverteidigung.

Die libanesische Autorin Lina Mounzer schreibt dieser Tage von der systematischen Entmenschlichung arabischen Lebens: „Die westliche Presse übersetzt uns in eine Sprache, die ihnen unsere Auslöschung erträglicher macht. Unsere Viertel sind nicht mehr die Orte, an denen wir spielten, aufwuchsen, Kinder großzogen und Freunde besuchten – sie sind Hochburgen.“ Die Leiber unserer Männer sind nicht mehr die geliebten Körper, an die wir uns schmiegten, die Hände, die uns hielten oder die starken Arme, die uns trugen, die weichen Lippen, die uns gute Nacht küssten. Sie sind „Verdächtige“, „Militante“, „Terroristen“, und ihr Tod ist immer gerechtfertigt, denn sie sind Männer, und unsere Männer sind Schurken – und so war es schon immer, so sind wir schon immer gewesen, für sie.“

Auch ich erwähne in diesem Text, wie mir dann bewusst wird, explizit die getöteten Frauen und Kinder, weil ich denke, dass getötete arabische Männer in Deutschland sowieso automatisch als Terroristen gelten. Die Großväter, Brüder und Onkel, die Apotheker, Taxifahrer und Tierärzte. Ich kann deshalb nur im Ansatz ahnen, was arabischstämmige Menschen in Deutschland immer wieder erleben. Wie abfällig und geringschätzig man sie beäugt, wie sie alle miteinander in einen Topf geschmissen werden, Antisemiten sowieso, sind die ja alle, Deckel drauf, fertig.

Bloß keine Auseinandersetzung, bloß kein Hinhören. Augen zu, Ohren zu – und den Mund besser auch geschlossen halten. Das mantraartig vorgetragene Recht Israels auf Selbstverteidigung, es funktioniert wie ein besonders elastisches Gummiband, das immer weiter um alles israelische Handeln gespannt wird. In der Logik der deutschen Staatsräson genügt es, wenn Benjamin Netanjahu referiert, die Hisbollah habe in praktisch jedem Haus im Libanon Raketen gelagert, in Küchen, Garagen, Wohnzimmern. Schulterzucken, tja, dann ist das wohl so, schon wieder eine Bombe und Dutzende zivile Opfer gerechtfertigt.

Im Libanon haben wir tagelang nur Witze gemacht, ob man heute schon seine Rakete geputzt habe. Das Gummiband hält auch dann, wenn Rettungsdienste, die nach den Luftangriffen zu den Einschlagsstellen rasen, um Tote und Verletzte zu bergen, bombardiert werden, mit der aberwitzigen Behauptung, darin würden Waffen für die Hisbollah transportiert. 40 Ret­tungs­sa­ni­tä­te­r*in­nen wurden an drei Tagen im Libanon getötet, zehn Feuerwehrleute an einem Tag allein. Sie sind da, die Bilder, doch wer sieht hin?

Systematische Entrechtung durch Israel

Jeder Hinweis auf Selbstverteidigung, jedes Wort wie „Hochburg“, „Terrorist“, „menschlicher Schutzschild“ dient dazu, das Leiden der Menschen in Nahost für den Westen erträglich zu machen, es, wie Mounzer schreibt, in gut verdauliche Portionen zu verpacken, nach denen man noch beruhigt schlafen gehen kann. Gott sei Dank sind wir die Guten und am Ende sind immer Hamas oder Hisbollah schuld, jaja, das ergibt schon Sinn. So richtig verstehen kann man dieses Leben da ja auch nicht, warum haben die so viele Kinder, die alle Mohammad oder Fatima heißen, ist es dann genauso schlimm, wenn eines stirbt, die lieben anders, nicht so wie wir, warum ist nicht alles ein bisschen mehr so wie bei uns – dann gelte denen ja auch unser Mitgefühl.

Und überhaupt, so ist eben Krieg, was soll Israel da machen, umringt von Feinden in diesem antisemitischen Loch namens Nahost. Als die Einzigen, die dort „unsere“ Werte verteidigen, ganz praktisch eigentlich, dass die den Kampf gegen den islamistischen Terror schön weit weg von uns führen. Ob es wohl auch und vielmehr um ein Ende von Besatzung, systematischer Entrechtung und Vertreibung geht? Das sei dahingestellt, bloß nicht vergessen, was wir Deutschen getan haben, denkt an Auschwitz, ihr alle, egal, wo, und auch egal, ob euch gerade Bomben auf den Kopf fallen und ihr eines eurer Kinder beerdigt.

Die wenigen Worte des Mitgefühls werden nie in Taten übersetzt. Die Aufrufe zur Mäßigung und Deeskalation verpuffen in der Luft. Oder explodieren gemeinsam mit der Ladung von 85 Tonnen Bomben über den Straßen von Beirut. Am Donnerstag kündigt Kanzler Olaf Scholz an, bald wieder Waffen an Israel liefern zu wollen. Zur gleichen Zeit, da Israel ein interkulturelles Begegnungszentrum, mehrere Gebäude mitten in Beirut und Stellungen der UN-Friedensmission im Libanon bombardiert.

Denn was man in Deutschland noch immer nicht wahrhaben will: Es gibt im Israel des Jahres 2024 keinen Plan für Frieden. Genügend Partner in der arabischen Welt fänden sich längst, wie auch der jordanische Außenminister jüngst noch einmal erhitzt und verärgert versichert hat. Man sei vor dem Hintergrund einer überfälligen Zweistaatenlösung bereit, die Sicherheit des jüdischen Staates zu garantieren, äußerte er.

Doch Netanjahu und seine messianischen Koalitionspartner wollen einen palästinensischen Staat verhindern. Die Politik in Israel verweigert sich ihrer Kernaufgabe, die es wäre, politische Lösungen anstelle von immer mehr Kriegen zu präsentieren. In Deutschland verscherzt man es sich aus falsch verstandener Solidarität langfristig mit den progressiven Akteuren in der Region, die die eigentlichen Partner beim Streben nach Frieden in Nahost sein sollten, die uns aber mit der Unterstützung einer ethno­nationalistischen israelischen Regierung nicht mehr über den Weg trauen.

Mounzer schreibt: „Fragt man heute einen Araber, was die schmerzhafteste Erkenntnis des vergangenen Jahres war, wird er sagen: Es ist die Entdeckung des Ausmaßes unserer Entmenschlichung – so tiefgreifend, dass es unmöglich ist, die Welt jemals wieder auf die gleiche Weise zu betrachten.“

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67 Kommentare

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  • Gideon , Moderator*in

    Vielen Dank für eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen. Die Moderation

  • Es ist ganz einfach: Wenn du nicht angegriffen werden willst - dann sorge dafür, dass nicht von deinem Staatsgebiet angegriffen wird. Wenn deine Regierung nicht in der Lage ist, das Gewaltmonopol gegen eine faschistische Terrorsekte durchzusetzen - dann wähle eine, die das kann. Und wenn du siehst, wie dein Terroristennachbar im Garten eine Abschussrampe baut - dann hau ihm eine rein! Ansonsten darfst du dich nicht wundern, wenn die Gegenseite irgendwann auch zurück schiesst. Bittedanke.

  • Ich mag es nicht das die Israelis immer extremer Radikalisierung leben. ABER es waren die Israelis die 40 Jahre lang um die Zweistaaten Lösung bettelten und die ganze islamische Welt kreischte kontinuierlich :" Genozid, Abschlachten, Genozid!" Jetzt sind es offiziell nur der Iran und seine Marionetten Hisbollah, Hamas, Houthis. Jedoch Saudi-Arabien spendet immer noch sehr viel Geld in diese Richtung und die ganzen anderen Nachbarn sagen es nicht mehr öffentlich aber agieren versteckt im stillen Kämmerlein immer noch so.

  • Der Artikel verzerrt die Verhältnisse. Die Kriegführung Israels wird in den deutschen Massenmedien (mit Ausnahme der Springer-Presse) ständig rauf- und runterkritisiert und als "unverhältnismäßig" gebrandmarkt. Heute in der Tagesschau wurde im Nahost-Teil als erstes über israelische Angriffe berichtet, und die andauernden Raketenangriffe der Hisbollah, durch die der Krieg begonnen wurde, wurden erst viele Sätze später in einem Nebensatz beiläufig erwähnt (und am Ende kam noch eine Eilmeldung über einen Drohnenangriff der Hisbollah auf israelische Zivilisten mit 40 Verletzten, übrigens ohne Vorwarnung).

    Und Baerbock? Die erhebt am laufenden Band Vorwürfe gegen Israel und hat dafür gesorgt, dass die mit der Hamas kooperierende UNRWA wieder Geld von Deutschland erhält und dass Waffenlieferungen an Israel gestoppt wurden.

    Und die Autorin bezeichnet das Vorgehen der IDF in Gaza als "Vergeltung", als gehe es nicht darum, die Hamas auszuschalten, gibt eine Zahl der in Gaza Getöteten an, ohne zu sagen, wie viele Hamas-Leute darunter waren, und wirft Israel kontrafaktisch "systematisches Aushungern" vor. Dass die von der Hamas genommenen Geiseln nicht erwähnt werden, rundet das Bild ab.

  • Zum einen ist das kein Essay, sondern ein Meinungsbeitrag. Zum anderen wirkt es im Text so, als sei die Hisbollah irgendwie da reingerutscht. Und das stimmt einfach nicht. Hamas und Hisbollah sind mitverantwortliche Kriegsparteien, ebenso wie die israelische Regierung. Nasrallah wollte einlenken? Scheint ein Gerücht zu sein, das müsste die Autorin zumindest einordnen. Aber sie tut das nicht und sie differenziert selbst auch nicht. Das ist ok, weil Meinungsartikel. Aber es ist eben kein Essay und keine politische Analyse. Und dadurch, dass der Artikel nicht sauber analysiert, sich aber den Anstrich eines logisch durchdachten Beitrags gibt, tappt er genau in die Falle, die die Autorin der Gegenseite vorwirft: Es gibt nur einen Schuldigen, aus dieser Sicht Israel. Bekommt der Schuldige keine Waffen mehr, ist das Problem gelöst. Bloß stimmt das eben nicht. Hisbollah ist Kriegspartei, die den Krieg wollte und die auch waffen aus dem Ausland bekommt. Lösen kann das weder Dt noch sonstwer, lösen können das nur die Kriegsparteien selbst. Aber dafür müsste man ja erstmal anerkennen, dass es sie gibt.

  • Ein kraftvoller, ein richtiger Text. Danke dafür. Und in der Tat, nirgendwo lese ich so oft Kommentare, die auf "ihr Tod ist immer gerechtfertigt" hinauslaufen wie in deutschen Publikationen.

  • Mittlerweile sehe ich in Unterhaltungen unter unbeteiligten Zivilisten nur noch drei Positionen.



    Die, die einen ganzheitlichen Einstaat in der Region möchten, egal für welche Seite, und die, die die Lage emotional berührt, die sich einfach nur Frieden für die Region wünschen.

    Ich bin definitiv für den Frieden. Es ist so und so ein schmerzhafter Prozess, aber besser z.B. auf Umsiedlungen setzen als Gräber zu schaufeln. Lieber Gelder in Aufbau als in Waffen investieren.

    Dieses ständige Rangeln, wer denn nun besser und gerechter oder gequälter sei, bedroht und tötet gerade Menschen.

  • Alle Klagen über Leiden und Opfer in dem Artikel sind gerechtfertigt, führt aber zu keiner Lösung des Konfliktes. Die Beteiligten werfen sich gegenseitig ihre Opfer vor und begründen damit ihren Krieg oder Terror anstatt dass die Täter angeklagt und bestraft werden. Terror heißt so, weil Menschen unabhängig von der tatsächlichen Verantwortung sondern basierend auf einer Zuschreibung angegriffen und getötet werden und ein Krieg kann nie ohne Kollateralschäden stattfinden, hat also immer ein Element von ungezielten Terror. Vor allem dann, wenn Gruppen wie Hamas oder Hisbollah sich in zivilen Strukturen verstecken. Die zu wenig gesehene Seite der unschuldigen Opfer benennt der Artikel richtigerweise, aber erst wenn die Taten und Täter bestraft werden, gibt es eine Chance für Ausgleich.



    Der Krieg kann aufhören, wenn Israel eine Waffenruhe auslöst und wenn dritte neutrale Parteien Hamas und Hisbollah entwaffnen, die Täter vor neutrale Gerichte kommen sowie die Siedlungen im Westjordanland aufgelöst und/oder die Siedler Bürger eines palästinensischen Staates mit Rechten wie alle werden und für ihre Taten angeklagt werden können. Das klingt utopisch, aber weiter machen wie bisher?

  • Vielen Dank für diesen beeindruckenden Kommentar. Der Westen, vor allem die USA und Deutschland, sollten sich schämen für ihre Heuchelei über "wertebasierte Aussenpolitik", "regelbasierte Weltordnung", ganz zu schweigen von Baerbocks angeblicher "Feministischer Aussenpolitik" , der mittlerweile Zehntausende von Frauen und Kinder durch deutsche und US-Waffen für Israels Kriegspolitik zum Opfer gefallen sind. Meinen Scholz, Baerbock und Habeck wirklich, die Wähler wären so doof, dass sie die Kriegsverbrechen Israels im Namen des "freien Westens" und ihre Heuchelei nicht sehen könnten? Es ist eine Schande und Armutszeugnis der deutsche Politik, sehenden Auges ganze Generationen arabischer Jugendlicher zu verlieren oder sogar in einen Rachezyklus zu treiben. Dies ist nicht meine Regierung!

  • Ich habe hier noch nie kommentiert- aber jetzt ist es soweit. Vielen Dank, Ihr Beitrag spricht mir aus dem Herzen.

  • Danke für diesen Beitrag!



    Die Empatielosigkeit gegenüber den Opfern der israel. Angriffe hier in Deutschland ist bestürzend und beschämend – und so absolut perspektivenlos.

  • Es wäre leichter, diesem Essay in seinen Forderungen nach Solidarität zu folgen, wenn es nicht denselben Fehler machen würde, den es in der Überschrift anprangert: Schuld sind auch hier wieder die Anderen. Wenn die Raketen der Hisbollah (und deren Unterstützung in der Bevölkerung) nur ein schlechter Witz wären, würden nicht ständig welche in Richtung Israel fliegen. Wenn nicht ausreichend palästinensische Männer, um solche Organisationen wie Hamas und Hisbollah mit stete Nachwuchs zu versorgen, Israel partout von der Landkarte fegen wollten, hätten auch die radikalsten Siedlungskolonialisten keine Zielscheibe für ihre übertriebene Rhetorik und die Angriffe der IDF.

    Soweit, so offensichtlich. Nur kommt das in dem Essay einfach nicht vor. Auch hier sind - wie umgekehrt laut der Rhetorik Netanjahus in Israel - Alle Opfer der bösen Anderen. Und dass Netanjahu nicht gerade der Goldstandard objektiver Politik zum Wohl aller Bewohner des Nahen Ostens ist, dürfte der Autorin eigentlich klar sein. Seriöse Argumentation geht anders.

    • @Normalo:

      Seriöses Textverständnis allerdings auch: der Kommentar ist keine Gesamtdarstellung des NO-Konflikts oder auch nur der gegenwärtigen Eskalation, sondern widmet sich einem spezifischen Aspekt: der Gleichgültigkeit der westlichen Öffentlichkeit gegenüber arabischen Opfern. Man versteht einen Text, indem man sich klarmacht, auf welche Frage er antwortet.



      Übrigens: haben Sie sich einmal Gedanken darüber gemacht, warum so viele palästinensische und libanesische Männer bereit sind, Raketen auf Israel zu schiessen? Einer Gewaltspirale wird man nicht unbedingt gerecht, wenn man an einem beliebigen Punkt zu erzählen anfängt.

      • @O.F.:

        "Einer Gewaltspirale wird man nicht unbedingt gerecht, wenn man an einem beliebigen Punkt zu erzählen anfängt."

        Genau mein Punkt. Nur ist das eben, was ich diesem Essay ankreide, weil es AUCH genau einen Punkt rauspickt und auf ihm einen Narrativ aufbaut, der das System von Aktion und Reaktion ignoriert, das am Werk ist. Wer vom Anderen erwartet der Situation "gerecht" zu werden, sich aber unfähig zeigt, selbst beide Seiten zu sehen, bleibt in der Einseitigkeit kleben, die er der Gegenseite vorwirft.

      • @O.F.:

        Kommentar? Darüber steht "Essay".

      • @O.F.:

        Danke für ihre berechtigte Antwort und Klärung.



        Es ist frustrierend, dass in Foren/Debatten (nicht nur) über diesen Krieg immer wieder Selbstverständlichkeiten einer seriösen Diskussion betont werden müssen.



        Vielen Foristen geht es nur um das ständige Wiederholen ihrer Grundsatzpositionen, ganz egal, welchen konkreten Aspekt ein Artikel behandelt.

    • @Normalo:

      Treffend formuliert!

  • Das liegt einzig und allein nur dran, dass die zwei Gruppen mit ausgeprägter Ideologie die Debatte dominieren und keine Grautöne zulassen. Für die einen ist Terror Freiheitskampf und für die Anderen ist im Verteidigungsfall so ziemlich alles erlaubt. Jede Kritik wird sofort mit Maximalvorwürfen und Totschalgargumenten gekontert. Beide haben Unrecht und bewegen sich mit der bewußten Vereinfachung dieses Konfliktes und seiner Auswüchse auf einer Ebene mit Populisten und Demagogen, mit denen sie selbst nicht in Verbindung gebracht werden wöllten.

    • @Deep South:

      Es ist "energiesparend", mit Israel = die Guten oder Palästina = die Guten (und die jeweils anderen = die Bösen) das Thema scheinbar abzuhaken. Findet sich teils auch hier.



      Man kann aber wirklich gegen das Hamas-Massaker sein und gegen die inzwischen von Netanyahu ebenso (Massaker hier als Gewalt gegen Zivilisten, um einzuschüchtern und Angst zu verbreiten).

      Es dauert etwas länger, doch man kann sich sehr gut zum Thema tief einlesen: UN-Resolutionen, Primärquellen, Monografien, mal zionistische, revisionistische wie palästinensische Perspektiven aufgreifen.



      Wenn man die Zeit dazu nicht hatte, auch gut. Nur muss man dann eigentlich mal keine "energiesparende" Nur-Meinung herausposaunen.

  • Ich kann mich für diesen eindringlichen Artikel nur bedanken, auch wenn ich fürchte, dass er auf taube Ohren fallen wird. In all dem schwingt eine bittere Ironie mit: der Postkolonialismus ist ja im Zuge dieses Krieges zu einem Feindbild geworden, auf das man allen Hass projiziert, ohne sich ernsthaft mit dieser Denkschule und ihren durchaus heterogenen Akteuren befasst zu haben. Aber gleichzeitig bestätigt man, was Butler, Mbembe und andere über koloniales Denken geschrieben haben: die Entmenschlichung derjenigen, die zum Opfer der eigenen Hegemonial-Politik werden, und die selektiv kontextualisierenden Deutungsmuster, in denen jeder eigene Gewaltakt als legitime Selbstverteidigung gegen grundlos mordende Terroristen erscheint. All das ist altbekannt und wenn man irgendeine Hoffnung hatte, dass westliche Eliten sich seit Von Trotha oder George Anson weiterentwickelt haben, wurde auf den killing fields von Gaza eines Besseren belehrt. In hiesigen Parlamenten und Redaktionen bemerkt vielleicht nicht, wie sehr man die eigenen Phrasen von einer wertegeleiteten Außenpolitik ad absurdum führt – dem Rest der Welt entgeht diese Verlogenheit nicht. Und das wird uns noch heimsuchen.

    • @O.F.:

      Grau ist alle Theorie und eng wird es für sie meistens wenn sie auf die Praxis trifft. Der finanziellen Unterstützung der wesentlichen "Eliten" ist es zu verdanken, dass die Palästinenser sich versorgen können. Die hält nämlich den Laden am laufen. Nicht die arabischen Nachbarn. Israelische Siedler liefern den Palästinensern im Westjordanland ihre Ernteerzeugnisse. Die produzieren nämlich so gut wie nichts. Im Gegenteil, 2006 hat man in Gaza als erstes die Gewächshäuser abgerissen, waren ja von Israelis erbaut.

      Wenn sie schon einmal im Westjordanland gewesen sind, werden ihnen zwei Dinge auffallen. Die Abwesenheit von Industriebetrieben und die Villen der Funktionäre. Und eine Unterhaltung mit hiesigen Palästinensern wird ihnen einige Illusionen rauben. Die berichten ihnen von Korruption, unternehmerischer Unfähigkeit und Indoktrinierung der Hamas Ideologie im Schulunterricht.

      Es ist weder die Schuld der westlichen Staaten noch Israels, dass die Zustände in den Palästinenser Gebieten gelinde gesagt, rückständig sind.

      Und das der Postkolonialismus zum "Hassobjekt" geworden ist, hat er sich durch Boykottaufrufe und antisemitische Äußerungen seiner Vordenker selbst zuzuschreiben

  • Michaela Dudley , Autorin , Journalistin/Kabarettistin

    Die Entmenschlichung der arabischen Gesellschaft fängt innerhalb der arabischen Gesellschaft an.

    Mit welchem Recht gedenken Hamas und Hisbollah, ihre eigene jeweilige Zivilbevölkerung systematisch dazu zu verdammen, als Kanonenfutter zu dienen und als Kollateralschaden elendig zu sterben?

    Bereits 2005 kritisierte Amnesty International den Einsatz von Kindern als Soldat:innen und Selbst­mord­at­ten­tä­te­r:innen seitens palästinensischer Milizen. Heutzutage preisen von der UNRWA finanzierte Kinderbücher in Gaza den Märtyrertod. So ist der Dschihad längst zum Leistungsfach in der Schule.

    Ob man es wahrhaben möchte oder nicht, kämpft die israelische Demokratie gegen einen Todeskult. Das ist schlimm genug für alle Beteiligten.

    „Frieden wird kommen, wenn die Araber ihre Kinder mehr lieben, als sie uns hassen“, so Golda Meir.

    • @Michaela Dudley:

      Meir liebte die israelischen Kinder offenbar nicht genug, um ihnen Frieden zu verschaffen. Etwa durch einen Rückzug von den illegal besetzt gehaltenen Gebieten. Ergebnis: Krieg von 1973. Ob sie arabische Menschen also evtl. mehr hasste?

      Bitte unterlassen Sie gerade als "Journalistin" die Unterstellung von "Entmenschlichung". Ergänzen Sie auch die zunehmende Militarisierung der jüdisch-israelischen Seite, was leider schon zu entsprechenden Handlungen im Krieg führte. Shalömchen!

    • @Michaela Dudley:

      Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Völlig richtig. Leider.

  • Wer sind bitte konkret die "progressiven Akteure[...] in der Region"? In diesem Konext bezieht sich der Begriff ja auf gesellschaftspolitische Entwicklungen und nicht auf technischen Fortschritt.

  • „Wir bomben euch zurück in die Steinzeit“



    Davon träumten in den Sechzigerjahren auch schon amerikanische Generäle in Bezug auf Vietnam. Man erinnert sich, wie der Krieg ausging.



    Einen asymmetrischen Krieg zu gewinnen, in dem eine Seite zivile Infrastruktur nutzt, um sich dahinter zu verstecken und Zivilisten als menschliche Schutzschilde missbraucht, ist nicht zu gewinnen.



    Das endlich einzusehen und politische Auswege aus dem Desaster zu suchen wäre die Aufgabe verantwortlicher Politik, und zwar aller direkt und indirekt beteiligten Seiten. Dazu gehört meiner Meinung nach, den politischen und wirtschaftlichen Druck auf Iran weiter zu erhöhen (Revolutionsgarden!), aber eben auch den auf eine israelische Regierung, die seit Jahrzehnten die illegale Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten vorantreibt und damit versucht, Tatsachen zu schaffen. Außerdem, Verbündete unter den gesprächsbereiten arabischen Staaten zu suchen (was ja in Teilen schon geschehen ist).



    Leider bin ich wenig optimistisch, zumal die Chancen für eine andere Politik derzeit gering sind. Die USA als Vermittler sind ein Totalausfall mindestens bis zu den Wahlen, wenn es schlecht läuft, auch darüber hinaus.

  • Danke. Der Beitrag war längst überfällig. Wer Augen hatte zu sehen, sah das freilich längst.

  • Dass es kein Mitgefühl für "arabische Menschen" in der westlichen Welt, in ihrer Presse und in Deutschland geben soll sehe ich überhaupt nicht. Vielmehr steht Israel weltweit am Pranger (und das schon vor dem 7. Oktober). Natürlich sind nicht alle Zivilisten "menschliche Schutzschilde" und "Terrorunterstützer", das Gegenteil ist aber auch nicht wahr.



    Weder Israel noch die Hamas oder die Hizbollah nehmen groß Rücksicht auf die Zivilisten der Gegenseite (wobei Israel wohl doch versucht, die Bevölkerung zu warnen).



    Doch versucht Israel, seine eigene Zivilbevölkerung effektiv zu schützen. In Gaza wurde der Beton jedenfalls nicht zum Bau von Bunkern, sondern für Festungstunnel verwendet.

    • @Kai Ayadi:

      Ja, die westlichen Medien sind voller Mitgefühl mit den Arabern, und zwar immer dann und nur dann, wenn man Israel die Schuld in die Schuhe schieben kann. Verletzen die palästinensische Autonomiebehörde, die Hamas, die Hisbollah oder der libanesische Staat die Menschenrechte von Arabern, ist das den meisten westlichen Medien keine Zeile wert. Dass zu den Opfern der Hamas-Massaker und -Geiselnahmen sowie der Hisbollah-Raketenangriffe auch israelische Araber gehören, bleibt ebenfalls meist unerwähnt; da wird die Empathie für Araber dann wieder auf das übliche Maß zurückgesetzt.

      Und wenn Israel nicht ein mehrheitlich jüdischer, sondern ein arabischer Staat wie die anderen in der Region wäre, dann würden die meisten westlichen Medien sich - ceteris paribus - über getötete Zivilisten in Gaza oder im Libanon nicht mehr aufregen, als sie es in Bezug auf Zivilisten tun, die z. B. in Gaza von der Hamas getötet oder gefoltert werden.

    • @Kai Ayadi:

      Es geht auch hier in beide Richtungen. I Israel werden rechtsradikale Siedler aktiv sowie passiv unterstützt, Palästinenser unrechtmeässig zu vertreiben. Gewalt gegen diese, bis hin zu Tötungen, werden stillschweigend akzeptiert und nicht wirklich effektiv geahndet.

  • Beistand "für", jemanden, nicht "gegenüber".



    Der inflationäre und falsche Gebrauch dieser klobigen Präposition nervt!

    Ansonsten: wichtiger Essay.

  • Ich halte derart einseitige Kommentare angesichts der Ernsthaftigkeit der Lage für vollkommen unangemessen. Den wichtigen Fragen wird dabei aus dem Weg gegangen - was ist denn eine angemessene Reaktion auf dauerhaften Raketenbeschuss aus dem Ausland? Ist es wirklich angemessen, von einer "systematischen Entmenschlichung arabischen Lebens" zu sprechen, wenn der ganze Konflikt mit einem Anschlag begann, dem eine völlige Entmenschlichung jüdischen Lebens zugrundelag? Und ist die Erhebung des Vorwurfs ungezielten Tötens spezifisch und nur Israel gegenüber wirklich angemessen, wenn die auf Israel abgeschossenen Raketen inhärent nicht zwischen Zivilisten und militärischen Zielen unterscheiden?

    • @Agarack:

      "Ist es wirklich angemessen, von einer "systematischen Entmenschlichung arabischen Lebens" zu sprechen, wenn der ganze Konflikt mit einem Anschlag begann, dem eine völlige Entmenschlichung jüdischen Lebens zugrundelag?"



      Der Konflikt begann nicht mit der Barbarei am 7.Oktober, die Entrechtung der Palästinenser begann Jahrzehnte vorher, und die "systematische Entmenschlichung arabischen Lebens" in der europäischen und amerikanischen Presse ist spätestens seit 2001 zu beobachten, die menschenverachtende Flüchtlingsdebatte hat dies noch weiter verstärkt und jetzt erleben wir einen neuen Höhepunkt.



      Sie haben natürlich recht, dass die meisten Vorwürfe, die man Israel wegen ihrer Kriegsführung macht auch an Hamas und Hisbollah gerichtet werden müssen, aber auf diese Weise die "moralischste Armee der Welt" neben radikale Islamisten stellen zu müssen zeigt doch schon die Schwierigkeiten das Vorgehen der IDF immer noch irgendwie zu legitimieren und als Verteidigung umzudeuten.

  • Die Berichterstattung zum Thema in der deutschen Medienlandschaft ist doch recht eindimensional. Ausser pro und contra Positionen ist der Informationensgehalt relativ dürftig. Die Lektüre englischsprachiger Medien dient eher dazu die Gesamtsituation zu betrachten anstatt nur einzelne Lager.

    Das die Extremisten auf beiden Seiten zu finden sind, dürfte keine neue Erkenntnis sein. Aber das beide Lager auch auf massive Unterstützung für ihr Vorgehen aus der Zivilbevölkerung bauen können, wird hierzulande nur am Rande erwähnt. Zivilisten sind hierzulande in der Berichterstattung meist die Opfer, dabei sind sie auch häufig unter den Tätern, Mittätern oder Unterstützern zu finden. So ist es hierzulande nur eine Randnotiz das seit dem 7.10 über 600 Palästinenser von jüdischen Siedlern im Westjordanland umgebracht wurden. Wenig analysiert wird auch der große Zuspruch der palästinensischen Bevölkerung am 7. Oktober. Einiges ist gut dokumentiert wie die Plünderungen anderes nicht wie die Feierlichkeiten mit "Volksfestcharakter" (NY Times) in Gaza anlässlich des Massakers. Gleiches gilt für die Schiiten im Libanon und ihre Hisbollah Verflechtung.

    Fazit: Es ist die gesamte Region die krankt!

    • @Sam Spade:

      "seit dem 7.10 über 600 Palästinenser von jüdischen Siedlern im Westjordanland umgebracht wurden"

      Das ist nicht wahr. Von Siedlern sind etwa 12 getötet worden. Die überwiegende Mehrheit kam bei Kämpfen mit isr. Sicherheitskräften um.

    • @Sam Spade:

      Le monde diplomatique, der taz beiliegend, informiert immer wieder deutlich tiefer und gut aufbereitet (Karten, Hintergrund).

      • @Janix:

        Zeitungen wie die NY Times oder Washington Post haben einfach einen ganz anderen Zugang zu den Quellen und mehr Mittel hinsichtlich der Recherche. Das spiegelt sich im Ergebnis wieder. Zudem ist die angelsächsische Berichterstattung objektiver.

        Hierzulande wird die Berichterstattung doch größtenteils vom Lagerdenken dominiert. Artikel wie die in der taz, die beiden Seiten Räume bieten sind selten in der hiesigen Medienlandschaft.

  • @AUREGO

    Es ist... komplizierter. Die Feinde der Zweistaatenlösung sind eben auch z.T. in Israel.

    Netanjahu selbst (wie auch seine weitaus unangenehmeren Kumpels wie Smotrich et al) [1] haben immer die Hamas als indirekten strategischen Partner "benutzt", um die Palestinian Authority zu schwächen, und somit die Zweistaatenlösung zu erschweren.

    Was Sie tun (den Fokus auf Hamas und Hisbollah zu richten) ist genau das, was der Artikel zu Recht!) anprangert. Die 40000 Tote in Gaza, das leid, das jetzt über Libanon kommt fallen einfach hinten runter.

    Und das darf eben auch nicht sein.

    [1] www.timesofisrael....n-up-in-our-faces/

    • @tomás zerolo:

      Ich habe geschrieben, dass "die Chance auf einen palästinensischen Staat ... regelmäßig von Extremisten mit Gewalt vom Tisch gewischt" wurde.



      Ich habe weder geschrieben, wer diese Extremisten waren, noch, welche Beweggründe sie hatten.



      Wer sich mit der Geschichte der Bestrebungen der Gründung eines israelischen und eines palästinensischen Staates beschäftigt, wird im 19. Jahrhundert, nicht erst im Jahr 1945 mit der Recherche beginnen müssen.

    • @tomás zerolo:

      Ich denke, die Genannten sind eher für die Einstaatenlösung. Aber möglichst ohne Palästinenser*innen (bzw. mit einer überschaubaren Minderheit).

  • Danke für die treffende Einordnung des nicht enden wollenden Schreckens, den der permanente Nahostkonflikt darstellt!

  • Ich kann das ganze Essay nicht zerlegen, dafür habe ich keine Zeit. Aber weil ich gerade, nach dem ich den Artikel gelesen habe, mir das Video angeschaut habe:

    "In einer am Mittwoch auf seinem X-Account veröffentlichten Ansprache an das libanesische Volk stellt Netanjahu unumwunden klar: „Befreit“ ihr euch nicht von der Hisbollah, erwartet euch die gleiche Zerstörung, das gleiche Leid wie in Gaza"

    Wo hat er das gesagt? Wo hat er gesagt, dass er mit der gleichen Zerstörung droht? Er spricht, davon dass das Land mal schön war, und dass es auch wieder schön werden wird und dass die Menschen die Chance haben die Hisbolla herauszuwerfen. Auch, dass Israel auf jeden Fall gewinnen wird. Aber nirgendwo, dass er "droht" oder von vergleichbaren Zerstörungen redet oder andeutet.

    Es gibt weitere Stellen in dem Essay, wo ich kurz inne halten musste und am liebsten noch mal die Quellen dafür haben möchte. Denn bei sehr vielen wird nur nebulös gesagt wer es war (Große Tageszeitung), oder nicht erwähnt, dass es Hamas Zahlen sind (41.000 Tote), und dementsprechend unklar ist wie wahr diese sind.

    • @Wayko:

      Das Netanjahu-Zitat hat u.a. AFP weitergegeben. Es soll sich um eine Videobotschaft an das libanesische Volk vom 8.10. handeln.

    • @Wayko:

      Er hat faktisch gesagt, daß wenn die Libanesen die Hisbollah nicht selbst ausschalten, wird er es tun. Und was das bedeutet, sieht man in Gaza und der bisherigen Vorgehensweise im Libanon. Da muss er nicht explizit werden

    • @Wayko:

      "You have an opportunity to save Lebanon before it falls into the abyss of a long war that will lead to destruction and suffering like we see in Gaza."

      www.gov.il/en/pages/spoke-lebanon081024

      • 6G
        617922 (Profil gelöscht)
        @Harmo-Nie:

        Danke für den Link! Nach Durchlesen finde ich wichtig, folgenden vorausgehenden Appell nicht zu verschweigen: "There is a better way. A better way for your children, for your cities, for your villages, for your country. You deserve to restore Lebanon to its days of tranquility; you deserve a Lebanon that is different. One Country – One Flag – One People. Don't let these terrorists destroy your future any more than they've already done. Stand up and take your country back. You have an opportunity that hasn't existed in decades."



        Die Autorin interpretiert Netanjahus Ansprache ausschließlich negativ-bedrohlich, passt er doch in das Narrativ des „Aggressors Israels“. Allerdings lese ich hier auch einen Aufruf zur Partizipation im Kampf gegen Hisbollah heraus, denn letztendlich kann eine Überwindung der Terrororganisation Hisbollah doch nur durch Mittragen des libanesischen Volkes gelingen und nicht durch Israel allein.

  • Wie wahr, leider.



    Es ist möglich, Empathie nicht nur einer Seite zukommen zu lassen.



    Ebenso wie Kritik.



    Es ist nicht der schlimmste Krieg aller Zeiten, aber gerade Netanyahu und seine Schergen hätten die Möglichkeit, ihn nicht immer weiter zu eskalieren, aus recht offensichtlich eigennützigen Motiven. Universalismus sind wir unserem Gewissen schuldig, und das heißt gerade, dem derzeitigen Eskalateur Netanyahu _deutlich seine Grenzen aufzuzeigen - und, siehe ersten Satz, den 7.10.23 nicht zu exkulpieren.



    Es geht. Scholz, übernehmen Sie!

  • Danke. Wir erleben wirklich die beschämendste Stunde der BRD und dies wird die Welt auch nicht vergessen.

    • @Harmo-Nie:

      Das ist für Sie die beschämendste Stunde der BRD?

      Weil gerade die nahöstliche Welt nicht am deutschen Wesen genesen muss, sondern sich Araber und Israelis selbst einigen müssen?

      Echt jetzt?

    • @Harmo-Nie:

      Genau!

  • Die Chance auf einen palästinensischen Staat war in der Geschichte der Region mehrmals vorhanden, sogar mit den Händen greifbar. Sie wurde regelmäßig von Extremisten mit Gewalt vom Tisch gewischt.



    Der Anschlag vom 7. Oktober 2023 war für Israel der Anlass, massiv gegen die beiden Terrororganisationen vorzugehen, die seit Jahrzehnten versuchen, durch Raketenangriffe, Terroranschläge und Ähnliches die Bürger Israels zu töten.



    Ich behaupte mal: Wenn Hamas und Hisbollah eine Chance hätten, Israel und seine Bürger auszulöschen, würden sie es tun. Gnadenlos! Ohne Gefangene! Sie würden alle umbringen, einschließlich Frauen und Kindern. Beim Massaker vom 7. Oktober 2023 haben wir genau das gesehen.



    Hamas und Hisbollah werden vom Iran unterstützt, finanziert und ausgebildet. Daher denkt Israel jetzt über einen Angriff auf den Iran nach.



    Mit Mitgefühl und Unverhältnismäßigkeit zu argumentieren, ist zwar menschlich richtig, führt aber in der Logik dieses Konfliktes zu keinem anderen Ergebnis, als Hamas und Hisbollah darin zu bestärken, einfach weiterzumachen. Genau das will Israel verhindern und bekämpft beide Terrororganisationen jetzt bis zu ihrer Vernichtung.

    • @Aurego:

      Dass der Kampf gegen Terror nicht zu gewinnen ist, müsste inzwischen klar sein.



      Das Vorgehen Israels ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung wird erst recht dazu führen, dass Hamas und Hisbollah Nachwuchs ohne Ende zuströmt.



      Dazu gibt es bereits einige Dokumentationen, in denen kleine palästinensische Jungen sagen, sie dächten nicht über einen Beruf nach, sie könnten es nicht abwarten, selbst zu kämpfen.



      Außerdem verlässt zunehmend die sekuläre Intelligenz das Land, die Israel auf dem Weg in einen national-religiösen Staat à la Iran sehen (siehe Artikel im aktuellen Spiegel).



      Böse Ironie der Geschichte.

    • @Aurego:

      Das Problem in Ihrer Argumentation ist- neben dem Völkerrechtlichen (möglicher Völkermord, Verhältnismäßigkeit) ist, dass Israel sich die nächste Generation Feinde schafft. Hisbollah gäbe es nicht, wäre Israel nicht im Libanon einmarschiert.



      Das Mullah-Regime gäbe es nicht, wenn die USA nicht Mossadegh gestürzt hätten, der mit den Öleinnahmen soziale Probleme beseitigen wollte.



      Hamas gäbe es eventuell nicht, wenn man die PLO gestärkt und einen eigenen Staat gegeben hätte.



      Was aber sicher ist: Wenn Israel nicht alle umbringt, so wird es bei den Überlebenden Hass säen, der Generationen bestehen bleibt.



      Und das wird wiederum Israels Sicherheit beinträchtigen.



      Und noch eines: Wer hat Rabin ermordet, den Friedenspremier?



      Ach ja, ein radikaler Israeli.



      Auch das gehört zur Wahrheit dazu...

    • @Aurego:

      Vor der Hamas und der Hisbollah gab es andere und nach ihnen werden auch wieder andere kommen. Aus der politischen PLO die das Existenzrecht Israels 1993 anerkannt hat, ging die Entwicklung hin zu islamistischen Gruppen. Die Hisbollah entstand durch den Einmarsch Israels in den Südlibanon 1982. Die Hamas entwickelte sich mit Netanjahus Segen von einer unbedeutenden Gruppierung zu dem was sie heute ist um die Palästinensische Autonomiebehörde zu schwächen. Aus politischen Wiederstand wurde islamistischer. Israel sorgt gerade mit seiner Unverhältnismäßigkeit für die nächste Generation im Wiederstand und es wird sich immer ein Machthaber oder Staat finden der sie finanziert. Alle militärischen Konflikte in der Region haben zu mehr Chaos geführt.

    • @Aurego:

      Die Angebote waren niemals gut.



      Weiterhin nur weil sie abgelehnt haben, heißt das nicht, dass man demnach auch ihre Menschenrechte ablehnen muss.



      Das ist keine Entweder oder Sache.



      Sie ignorieren auch all die Versuche der Palestinenser auf Israel zuzugehen und fairere Verhandlungen zu führen.

      • @Jessica Blucher:

        „Die Angebote waren niemals gut.“

        Hätten die mal so ein Angebot angenommen, eine Generation lang nicht angegriffen und ihre Energien auf andere Dinge gerichtet, dann könnten die doch jetzt ganz anders auftreten.

        Das Angebot der Hamas war in den 90ern nicht Frieden, sondern 100 Jahre Waffenstillstand. Wenn ich das richtig erkenne.

        Wann hat denn die arabische bzw. palästinensische Seite mal was „angeboten“, über das man ernsthaft hätte nachdenken sollen?

      • @Jessica Blucher:

        Welches Zugehen der Palästinenser meinen Sie?

        • @rero:

          Am prominentesten ist sicher die Sicherheitskooperation zwischen der PA und Shin Beth, die seitens Israels aber nicht mit Schritten hin zu einem eigenen Staat für die Palästinenser*innen belohnt wurde.

    • @Aurego:

      Verhandlungen scheitern, weil sich beide Seiten nicht einig werden. Sie machen es sich zu einfach, wenn Sie die israelische Position („die Palästinenser wollte nicht“) kritiklos wiederholen, statt zu recherchieren, warum bisherige Angebote aus palästinensischer Sicht unannehmbar erschienen (dafür gab es nämlich konkrete Gründe, z.B. ein weiterhin geplantes Netz aus Kontrollpunkten, das den eigenen Staat in de facto-Bantustans verwandelt hätte). Dieses selektive Wahrnehmen ist nicht nur sachlich falsch, sondern zeugt auch von einer ungleichen Bewerten von Rechten (auch dem simplen Recht zu leben) entlang ethnisch-religiöser Bruchlinien. Und genau darum geht es in dem Artikel…

      • @O.F.:

        Ich habe nicht geschrieben "die Palästinenser wollten nicht". Das ist Ihre Interpretation.

        • @Aurego:

          Sie weichen dem Punkt aus, wenn Sie sich an der Hyperbel abarbeiten: dass die Verantwortung für das Scheitern früherer Verhandlungen allein auf palästinensischer Seite gesucht wird, statt zu fragen, was man ihnen überhaupt angeboten hat.

  • Israel wird sich sicher nicht von Deutschland sagen lassen wie es zu reagieren habe.



    Trotzdem hat Deutschland aus historischer Verantwortung heraus Israel beizustehen. Daran ändert auch eine wertegeleitete feministische Außenpolitik nichts. Daran ändern auch nicht die massiven Fehler die Israel macht. Und ach nicht das massenhafte Töten unschuldiger Zivilisten. Der Eckpfeiler isch schlicht unverrückbar und bei der Außenpolitik zu berücksichtigen.

    Deswegen muss man aber auch nicht beim Beistehen (Waffenlieferungen) die israelische Politik gutheißen und die berechtigten palästinensischen Proteste verdammen.

    Vor allem beim letzten Punkt verlange ich da mehr Verständnis seitens der Politik. Gar nicht mal vom deutschen Außenministerium, das eine besondere diplomatische Position hat, mehr von der Politik allgemein.

    • @Rudolf Fissner:

      Es herrsche also die Staatsräson, möge auch die Welt darüber zu Grunde gehen.



      Ihr Vorschlag also: weiter Waffen liefern, im Wissen, dass mit ihnen Verbrechen begangen werden. Im Umkehrzug aber nicht so harsch gegen die Demos der Opfer dieser Verbrechen vorgehen? Damit ist allen geholfen.

    • @Rudolf Fissner:

      Ihre Antipathie gegen Frau Baerbock, die ich hier spüre, ist wohl irrelevant.

      Deutschland hat Juden beizustehen (ungleich Israel, wie wir ja alle eigentlich wissen) und auch Israel wie jedem anderen Staat auch, in seinen völkerrechtlichen Grenzen.



      Sicher nicht: einem Besatzungsregime beizustehen, permanenten Angriffen und Eskalationsversuchen außerhalb des Staatsgebiets sogar noch zu sekundieren.

      Bei der Ukraine stehen wir übrigens dem Angegriffenen und dem Besetzten bei.



      Hier ist es komplexer, gewiss, aber nur mal als Denkanstoß.

    • @Rudolf Fissner:

      Mit Waffenlieferungen heisst man die israelische Politik gut, denn man unterstützt diese. Damit klebt das Blut Unschuldiger auch an unseren Händen. Und eine wertegeleitete Aussenpolitik ändert schon etwas daran, wenn man nämlich die Werte, wie z.B. das Völkerrecht, ernst nimmt. Dann heisst das, daß man einem guten Freund durchaus sagen kann, daß es falsch oder zumindest unklug ist was er tut, oder ihn auch davon abzuhalten sich selbst und der gesamten Region langfristig grossen Schaden zuzufügen.

    • @Rudolf Fissner:

      Also Sie wollen, dass Waffen geliefert werden für eine Politik, die Sie nicht gut finden?