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Essay zum Angriff der HamasEinfach weitermachen ist unmöglich

Seine genozidale Botschaft unterscheidet den 7. Oktober von früheren Angriffen auf Israel: Sie steht in direktem Zusammenhang mit dem Holocaust.

Angehörige beim Begräbnis von Albert Miles, einem Opfer der Angriffe vom 7. Oktober Foto: Bernat Armangue/ap

Am 7. Oktober 2023 wurde etwas zum unauslöschlichen Teil israelischer Erfahrung, das sinnbildlich für das Leben außerhalb Israels gestanden hatte: Bilder entgrenzter und demütigender Gewalt und Begriffe wie Pogrom oder Massaker, die das Gesehene und Erlittene dennoch nicht annähernd fassen konnten. Viele Einwohner des Landes waren am Morgen mit Sirenenalarm aufgewacht. Schnell war klar, dass dieser Angriff aus dem von der Hamas kontrollierten Gaza-Streifen anders war als frühere Auseinandersetzungen.

Es folgten Nachrichten von Terroristen, die durch den mit neuester Sicherheitstechnologie ausgestatteten Grenzzaum eingedrungen waren. Handelte es sich dabei um einzelne, potenzielle Selbstmordattentäter wie jene, die seit Mitte der 1990er Jahre Israel mit willkürlichen Terroranschlägen überzogen hatten? Schnell wurde klar, dass dieses Mal hunderte Terroristen gefolgt von weiteren, überwiegend männlichen, Palästinensern aus Gaza nach Israel eindrangen und nicht nur völlig überraschte und erschreckend schlecht ausgestattete israelische Militärposten überrannten, sondern zahlreiche Ortschaften und ein Musikfestival angriffen.

Zielstrebig und mit militärischer Genauigkeit machten die Terroristen Sicherheitsanlagen unschädlich, durchkämmten Straßen, durchsuchten Häuser, zerstörten, plünderten und legten Feuer. Sie töteten nicht allein möglichst viele Bewohner, neben Juden auch Araber, Beduinen sowie thailändische und nepalesische Arbeiter, sondern verübten bis dahin zumindest in diesem Konflikt unvorstellbare Grausamkeiten, die der israelische Historiker Dan Diner als eine „Gewaltorgie“ beschrieb. Die unter Zuhilfenahme von Bodycams, Livestreams und einer wahren Flut von demütigenden Selfies und Videos verstärkte Gewalt vermittelte eine eindeutige Botschaft. Diese „genozidale Botschaft“, so Diner, verstanden die Israelis sofort.

Seit vielen Jahren beschäftigen wir uns mit der Geschichte des Holocaust, ihren Folgen und ihrer Vermittlung. Wir arbeiten mit Lehrenden, Jugendlichen und Studierenden, sowohl in Deutschland als auch in Israel. Noch immer sind wir geschockt, wenn wir uns die Gräueltaten vergegenwärtigen, die die Hamas am 7. Oktober begangen hat.

Die Autoren

Deborah Hartmann ist Direktorin der Gedenk- und Bildungsstätte Haus der Wannsee-Konferenz in Berlin.

Tobias Ebbrecht-Hartmann ist Professor für Medienwissenschaft und deutsche Kulturgeschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem.

Was uns, die wir diesen Tag außerhalb Israels, in Deutschland, erlebten, aber am meisten überraschte und noch immer zutiefst beunruhigt, ist, dass viele Menschen, insbesondere kritische Intellektuelle, nicht einen Moment innehielten, sondern erstaunlich schnell zur Tagesordnung des israelisch-palästinensischen Konflikts übergingen. Sie mahnten zur Verhältnismäßigkeit, verwiesen darauf, dass ein Massaker kein anderes rechtfertige, und dass die palästinensische Bevölkerung in Gaza nicht den Preis für die Verbrechen der Hamas bezahlen solle – über die sie aber erstaunlich schnell hinweggingen, während wir noch dabei waren, die Bilder und Geschichten von Ermordeten, Überlebenden, Verschleppten und Rettern zu verarbeiten.

Hatten sie denn die erniedrigenden Filmaufnahmen nicht gesehen und die Bilder von Hunderten unschuldiger Israelis, Juden und Nichtjuden, jeden Alters, die an diesem Tag nach Gaza entführt wurden? Hatten sie denn nicht die Berichte der Überlebenden des Massakers beim Supernova-Musikfestival gelesen, in denen junge Menschen beschrieben, wie sie sich unter Leichen versteckten, während sie Zeuge von Vergewaltigungen und willkürlichem Morden wurden?

So viele Menschen wie möglich töten

Die Gräueltaten vom 7. Oktober waren anders als die teilweise sehr brutalen Angriffe und Attentate von Palästinensern und Juden vor der Gründung des Staates Israel. Sie unterscheiden sich von Gräueln, die im Rahmen der israelisch-arabischen Kriege geschehen sind. Sie unterscheiden sich auch von den schrecklichen Selbstmordattentaten, mit denen palästinensische Terroristen willkürlich israelische Zivilisten ermordeten, und sind nicht mit den Entführungen und Geiselnahmen der 1970er Jahre zu vergleichen.

Das bedeutet nicht, dass diese Gewalt weniger grausam gewesen wäre, und es schmälert auch nicht den Wert unschuldiger Menschen, die auf israelischer wie palästinensischer Seite ihr Leben verloren haben. Jedes getötete Leben ist einzigartig, und jede Form von Gewalt hat unterschiedliche Folgen. Was jedoch am 7. Oktober geschah, war anders. Dokumente, die bei getöteten und gefangen genommenen Terroristen gefunden wurden, enthielten den Befehl, so viele Menschen wie möglich zu töten, und belegen gezielte Angriffe auf Schulen.

Allem Anschein nach sollten diese abscheulichen Verbrechen die israelische Bevölkerung ganz ausdrücklich an den Holocaust erinnern. Hamas-Führer Yahya Sinwar und andere an der Planung und Durchführung der Massaker beteiligte Terroristen hatten viele Jahre in israelischen Gefängnissen verbracht, sich intensiv mit der israelischen Gesellschaft auseinandergesetzt und waren sich sicher auch der besonderen Bedeutung des Holocaust für das Selbstverständnis und die Identität der in Israel lebenden Juden bewusst.

Bei den durch die Gräueltaten evozierten Assoziationen handelte es sich also nicht um die eher zufällige Beschwörung der Vergangenheit wie in Entebbe 1974, als palästinensische und deutsche Terroristen jüdisch-israelische Geiseln separierten. Der 7. Oktober sollte der israelischen Öffentlichkeit ganz explizit und unmittelbar vermitteln, dass sich ein neuer Holocaust jederzeit wiederholen kann.

Zerstörung des individuellen und kollektiven Gefühls von Sicherheit

Die neue Qualität und das Ausmaß dieser Massaker sollten zu einer völligen Zerstörung des individuellen und kollektiven Gefühls von Sicherheit führen, wozu auch das Versagen der politisch Verantwortlichen in Israels rechter Regierungskoalition und der Sicherheitsorgane beitrug. Neben dem massenhaften Töten, neben der Erniedrigung, dem Sadismus und der Unmenschlichkeit, zielten die Verbrechen auf den Kern des menschlichen Grundvertrauens, sich in der Welt sicher zu fühlen – eine Erfahrung, die Dan Diner einmal im Zusammenhang mit der Shoah als „Zivilisationsbruch“ bezeichnet hat.

Der israelische Soziologe Natan Sznai­der sieht diesen Tag nicht nur als Zäsur in der israelischen Geschichte, sondern als „Teil des globalen jüdischen Schicksals.“ Es ist unmöglich, nach den Ereignissen des 7. Oktober einfach weiterzumachen, ohne – zumindest für einen Moment – über die Bedeutung und das Wesen dieser Verbrechen nachzudenken.

Die leider allzu oft praktizierte Form öffentlicher Rede, in einem Satz die israelischen Opfer zu benennen und die Hamas zu verurteilen, nur um gleich darauf die israelische Reaktion anzuprangern und die zivilen Opfer in Gaza zu betrauern – wie es beispielsweise der slowenische Philosoph Slavoj Žižek bei der Buchmesse in Frankfurt getan hat – negiert diese Bedeutung des 7. Oktober.

Moment des Innehaltens

Selbstverständlich braucht es einen Ort und eine Zeit, um Mitgefühl für die unschuldigen Opfer in Gaza zu zeigen, die durch israelische Militärschläge gegen die Hamas und verirrte Raketen der beteiligten Terrororganisationen sterben oder verletzt werden. Es muss auch Platz und Zeit für die kritische Auseinandersetzung mit der Verantwortung der israelischen Regierung geben. Es sollte geben und gibt viel Raum für Kritik an der israelischen Besatzung und dem Schicksal der Palästinenser. Aber all dies sollte an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit geschehen als in diesem Moment des Innehaltens, um über die neue Qualität dieses erneuten Zivilisationsbruchs nachzudenken.

Den Schmerz anderer zu begreifen, kann nicht bedeuten, die schmerzhaften Erfahrungen der einen dadurch auszublenden, dass man im nächsten Atemzug reflexhaft auf das Leiden der anderen umschwenkt. Wer sich nicht einen Moment vor Augen führen kann, was den 7. Oktober von den vielen anderen schrecklichen Daten des israelisch-palästinensischen Konflikts unterscheidet, sondern sogleich mit den Gedanken abschweift, um sich seines universellen Humanismus durch den Hinweis auf die Opfer unter der palästinensischen Zivilbevölkerung zu vergewissern, verkennt den fundamentalen Angriff, den die Gräuel dieses Tages auf jeden Humanismus und jede Form menschlicher Emanzipation bedeuteten.

Das Verständnis für den Schmerz der anderen sollte nicht dazu führen, solche Verbrechen und die dadurch ausgelöste Erschütterung jeglicher Gewissheit einfach in den Kontext einer langen Geschichte von Konflikten und Gewalt einzufügen und so unsichtbar zu machen.

Spezifische Qualität von Unmenschlichkeit

Eine solche Form der Kontextualisierung führt zum glatten Gegenteil eines universellen Humanismus und ist schließlich nicht mehr in der Lage, die spezifische Qualität von Unmenschlichkeit zu unterscheiden. In diese Richtung weist „Der Kompass der Trauer“, mit dem die US-amerikanische Phi­lo­so­phin Judith Butler die Gräueltaten der Hamas in eine Geschichte unterschiedsloser Gewalt einordnet. Das Traktat, das die von der Hamas verübte Gewalt „ohne Einschränkung“ verurteilt, um dann in langen und sehr explizit gehaltenen Abschnitten die Untaten Israels aufzuzählen, ist eine philosophische Anleitung dafür, sich gerade nicht mit den existenziellen und erkenntnistheoretischen Folgen des 7. Oktober zu befassen und schnell zu den alten Koordinaten des israelisch-palästinensischen Konflikts zurückzuführen.

Kontextualisierung der Gräueltaten vom 7. Oktober, die nicht in Relativierung mündet, sollte sich zunächst die ideologischen Grundlagen der Hamas und ihrer staatlichen und nichtstaatlichen Unterstützer bewusst machen und diese als solche benennen. Trotz der offenen Bekenntnisse der Hamas, beispielsweise in ihrer berüchtigten Charta, wird hierzulande ungern von ihrem Antisemitismus, der Verhetzung und Propaganda gesprochen, oder aber – wie in der völlig deplatzierten Formulierung des israelischen Verteidigungsministers, der von der Hamas als „menschliche Tiere“ sprach – die Essenz der Verbrechen derealisiert.

Es waren eben keine menschlichen Tiere, keine Barbaren, die solche Taten begingen, sondern hochideologisierte, gut ausgebildete menschliche Täter, die ihre Mission des systematischen Mordens, Folterns und Erniedrigens von Jüdinnen und Juden und anderen Bewohnern im Süden Israels aus voller Überzeugung und ohne Zögern durchführten.

Außerdem bedeutet Kontextualisierung anzuerkennen, dass die Geschichte des Holocaust keine ferne Erinnerung ist, sondern dass die Bezüge zur NS-Vergangenheit zum explizit eingesetzten Bestandteil einer neuen genozidalen Gewalt geworden sind. Die daraus resultierenden Analogien sind daher nicht einfach strategisch eingesetzte Instrumente im politischen Diskurs des Vergleichens oder der Gleichsetzung, sondern werden performativ durch die praktizierte Form der Unmenschlichkeit, Demütigung und verheerenden Gewalt in Kfar Aza, Be'eri, Nir Oz und anderen Orten in Südisrael bewusst evoziert.

Daher handelt es sich nicht lediglich um eine weitere Runde in einem anhaltenden Konflikt. Der 7. Oktober markiert einen Bruch, der dadurch charakterisiert ist, dass den Menschen, die an diesen Orten lebten und starben, jede Möglichkeit der Emanzipation und der universellen Gerechtigkeit genommen wurde. Als Manifestation der neuen Qualität genozidaler Gewalt im 21. Jahrhundert macht es der 7. Oktober daher unmöglich, einfach weiterzumachen.

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58 Kommentare

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  • Skatelefants , Moderator

    Vielen Dank für Eure Beiträge, wir haben die Kommentarfunktion geschlossen.

  • Versucht man den Essay in wenige Worte zu fassen, so lese ich, dass das jahrhundertelange Unrecht, das unsere Vorfahren den Juden (!) angetan haben, Intellektuellen erstens den Israelis (!) nach einem (hier besonders schlimmen) Terrorangriff eine Kurzzeit-Flatrate für eigene Kriegsverbrechen an an der



    Shoah unbeteiligten Dritten zubilligt und zweitens alle Intellektuellen weltweit untersagt, in dieser Flatratezeit darüber zu reden.

    Für eine deutsche Gedenkstättenverwalterin mag so ein verengter Blick noch als Betriebsblindheit durchgehen, aber für einen Professor der Medienwissenschaft finde ich das inakzeptabel.

    • @Sonntagssegler:

      Ich habe mich soeben registriert nur um Ihnen für diese Kommentar zu danken.

    • @Sonntagssegler:

      Einspruch! Die Autoren des Essays wenden sich ja nicht grundsätzlich gegen eine Kontextualisierung der Geschehnisse vom 7. Oktober.



      Grundsätzlich ist es legitim, den unfassbaren Terror der Hamas, den zugrunde liegenden Hass und die Gewalt gegen jüdische Menschen in den historischen Kontext des Nahost-Konflikts zu stellen. Es ist (aus sozialpsychologischer Sicht) ebenso wichtig, in dem (posttraumatischen kollektiven) Schmerz der Palästinenser, ihrer eigenen Verlusterfahrung der Nakba eine der Ursachen für deren antijüdischen, antizionistischen Hass zu sehen. Denn aus ihrer Sicht ist ihnen dieses “Unrecht” von Juden zugefügt worden.



      Es kommt eben auf die Art und Weise der Kontextualisierung und die damit verbundenen Intentionen an, für uns als Deutsche - als Tätervolk der Shoa - geht es natürlich auch um die Möglichkeit und die Grenzen (!) der Perspektiven-Übernahme, sowohl gegenüber den Palästinensern als auch gegenüber den Juden und dem israelischen Staat.



      Hier kann von deutscher Seite eine “neutrale” Äquidistanz - wie sie der UN-Generalsekretär vielleicht noch einnehmen kann - nur schwerlich aufrechterhalten werden. Die deutsche Stimmenthaltung zur aktuellen Nahost-Resolution ist genauer Ausdruck des Dilemmas, in dem wir uns in dieser Sache befinden. Allen wohl und niemand wehe.



      On which side of people do you stand on when walking with them? Why?

    • @Sonntagssegler:

      Ihre Zusammenfassung müssten Sie erklären.

      Ich lese das so gar nicht raus.

      Zudem haben die Autoren niemandem etwas untersagt.

      Entweder habe ich den Artikel nicht verstanden oder Sie.

      Mit welchen Terxtstellen des Artikels belegen Sie Ihre Interpretation?

    • @Sonntagssegler:

      👍👍🫵

  • ...bleibt Gewalt nicht Gewalt - unabhängig ihrer Motivation, unabhängig von - wenn einer Religion angehörig - welcher. Gewalt gehört auf das Schärfste verurteilt und wird durch nichts gerechtfertigt. Religion rechtfertigt keine Gewalt und Religionen von Machthabern für ihre Interessen einzusetzen ist nichts neues in der Geschichte der Menschheit.

    • @Alex_der_Wunderer:

      Na, dann müssten Sie in letzter Konsequenz ja auch so etwas wie ein staatliches Gewaltmonopol in Frage stellen. Sowie das grundsätzliche legitime Recht auf Selbstverteidigung.



      Und dass der Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern nichts mit „Religion“ zu tun hat, sollten Linke eigentlich wissen. Es sei denn, man bezeichnet den Kampf um Ressourcen als „Religion“. Oder man setzt Religion mit Ideologie gleich (womit ich noch einverstanden wäre, unter gewissen Umständen).

    • @Alex_der_Wunderer:

      Gewalt gilt in unserer Gesellschaft in bestimmten Situationen durchaus als gerechtfertigt, z. B. in der Gefahrenabwehr und in der Selbstverteidigung.

      Das ist einer der Existenzgründe der Polizei.

      Israel dagegen rechtfertigt den Militäreinsatz in Gaza nicht religiös.

      Selbst die Analogie mit den Amalekitern war eher historistisch.

      Eine Argumentation, Gott wolle, dass die Hamas ausgelöscht wird, äußerte Netanjahu dagegen nicht.

  • "Seine genozidale Botschaft unterscheidet den 7. Oktober von früheren Angriffen auf Israel"



    Wieso? Israel zu vernichten, ist seit Gründung Ziel der Hamas.

    • @Encantado:

      Natürlich, nur wurde bisher noch nicht in vergleichbarem Umfang versucht, dieses Ziel (an einem Tag!) so weit wie möglich in die Praxis umzusetzen.

      Auch wenn die Taten des 7. Oktober in vollem Einklang mit dem bisherigen Gebaren der Hamas sind, so bedeuten sie doch eindeutig eine Zensur.

      Zynischerweise hat die Hamas wohl genau das auch gewollt.

    • @Encantado:

      Ja, da hab ich mich auch gewundert.

      Was den O-7-Pogrom von den früheren Hamas-Angriffen unterscheidet, ist die brutale Zerstörung des israelischen Gründungsnarrativs, es gäbe nun einen Staat, in dem jüdische Menschen vor Pogromen sicher sind.

      Bei vorherigen Angriffen war es für Israelis - zumal die nach 1991 geborenen oder eingewanderten - möglich, die Illusion aufrechtzuhalten.

      Nun aber kennen fast alle Menschen im Land eine Familie, die Angehörige verloren hat. Und dazu das schäbige Verhalten der Regierung, die diese Katastrophe billigend in Kauf nahm. Das "Haus Israel" wurde nicht nur von außen von massenmordenden Fanatikern angegriffen, sondern auch von innen, von korrupten Zynikern, die den Terroristen die Türen öffneten, und sich nun mit einem Verschwörungsnarrativ analog zu Trumps Wahlbetrugsmärchen aus der Verantwortung ziehen wollen.

      • @Ajuga:

        Das ist absolut zutreffend als knallharte politische Analyse. Jedoch haben Sie dann auch ein gewisse Verantwortung dafür, dass eine solche Analyse nicht in den „falschen (antisemitischen) Hals“ gerät. Wie eine solche „Argumentationslinie“ dann aussieht, muss ich Ihnen nicht erzählen, das können Sie sich selber ausmalen.

  • Der Kommentar kritisiert: „Eine solche Form der Kontextualisierung führt zum glatten Gegenteil eines universellen Humanismus und ist schließlich nicht mehr in der Lage die spezifische Qualität von Unmenschlichkeit zu unterscheiden“, und spricht außerdem von einer für Israelis „...einmaligen „genozidale Gewalt“. Für Israel ist dies sicherlich der Fall, für die an Katastrophen gewöhnte Welt nicht. Genozidale Gewalt und „Zivilisationsbruch“ zeigten sich in der jüngeren Vergangenheit schon während des Völkermordes 1994 in Ruanda mit 1 Million Toten oder dem Völkermord 1995 in Srebreniza mit 8.000 Toten. Die Autoren fordern: „…Kritik … sollte an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit geschehen als in diesem Moment des Innehaltens, um über die neue Qualität dieses erneuten Zivilisationsbruchs nachzudenken“. Dazu die Frage: Hat die israelische Regierung innegehalten, um als Opfer des barbarischen Terroranschlags seine Toten zu beklagen und für die absolute Priorität der Sicherheit der Geiseln erstmal mit Verhandlungen zu beginnen? Oder hat nicht vielmehr Netanjahu den Rat Bidens missachtet, sich nicht allein von Rache leiten zu lassen? Die Rache Israels mit bisher 9.000 Toten Palästinensern unter eklatanter Verletzung des humanitären Völkerrechts (Flächenbombardierungen, Blockade von Wasser, Strom, Nahrung für 2 Millionen Zivilbevölkerung) hat dazu geführt, dass vor der Weltöffentlichkeit Israel plötzlich vom Opfer zum Täter wurde und sowohl innerhalb als auch außerhalb Israels eine Verarbeitung des Schmerzes sowie eine ruhige Planung des Vorgehens gegen die Hamas zu Nichte gemacht wurde. Diese schweren politischen Fehler der rechtsextremen Regierung Netanyahu fallen nun auf Israel als Nation zurück und stärken seine Feinde.

    • @Rinaldo:

      Das von den beiden Autoren gewünschte "Innehalten" bezog sich auf die von Ihnen seit dem 7.10. in Posts wieder und wieder vorgebrachte Reaktion: "Die leider allzu oft praktizierte Form öffentlicher Rede, in einem Satz die israelischen Opfer zu benennen und die Hamas zu verurteilen, nur um gleich darauf die israelische Reaktion anzuprangern und die zivilen Opfer in Gaza zu betrauern,..."

      • @Schalamow:

        Genau darauf zielte mein Beitrag ab: dass Israel sich selber gerade nicht ekn Innehalten in Traurr erlaubt hat sondern sich von Rachegedanken hat leiten lassen, die es in den Augen der Welt nun vom Opfer zum Täter gemacht haben. Das ist auch eine Tragödie Israels und gefährdet zudem massiv die Geiseln.

    • @Rinaldo:

      Ich teile die Kritik an Natanjahu, bezweifle aber, das eine anders zusammen gesetzte israelische Regierung in dieser Situation signifikant anders reagieren würde.

      Es geht für Israel um die existentielle Frage "Verteidigen oder Untergehen", darum ging es eigentlich mindestens seit 1948, aber so drastisch wie heute stand diese Frage selten im Mittelpunkt.

    • @Rinaldo:

      "Genozidale Gewalt und „Zivilisationsbruch“ zeigten sich in der jüngeren Vergangenheit schon während des Völkermordes 1994 in Ruanda mit 1 Million Toten oder dem Völkermord 1995 in Srebreniza mit 8.000 Toten."

      Das ist ein ganz wichtiger Hinweis, der erklärt, warum in weiten Teilen der Welt die deutsche Position nicht geteilt wird:



      Es ist nicht immer Antisemitismus. Vielen Menschen sind andere Zivilisationsbrüche schlicht und einfach näher. Das mag verstörend sein, aber es nicht anzuerkennen, ist eine kolonialistische Sichtweise, die das Leid von Menschen außerhalb des europäischen Aufmerksamkeitsradius für nichtig erklärt.

      Man sollte stattdessen um so mehr diejenigen als Positivbeispiel anführen, die über ihrem eigenen Leid das der Israelis nicht aus den Augen verlieren. In erster Linie sind hier die Ukrainer*innen zu nennen. Zumal deren Mitgefühl ein deutliches Zeichen ist, dass dieses Land sein Naziproblem ganz gut in den Griff gekriegt hat.

      • @Ajuga:

        Meinen Sie ernsthaft, dass Südamerikanern oder Chinesen Völkermord in Bosnien oder Ruanda näher ist?

        Können Sie das irgendwie belegen?

        Mein Eindruck ist ja, dass diese beiden Völkermorde dort genauso wenig interessieren.

        Den Afrikanern war Bosnien egal, den Türken Tuanda.

        Das Schicksal der Rohingya, das auch Züge von Völkermord aufwies, interessierte nicht mal ihre Glaubensbrüder. (Spannend wäre, warum nicht.)

        Zudem erregte gerade der Völkermord an den bosnischen Muslimen in den 90ern hier volle Aufmerksamkeit.

        Er war der Grund dafür, dass Deutschland bisherige außenpolitische Grundsätze über Bord warf.

        Allerdings sind beide Völkermorde 30 Jahre her und gelten als gelöst.

        Deshalb ist klar, dass die beiden Autoren die Kontextualisierung des Massakers am 7.10. wohl kaum mit dem Völkermord in Ruanda oder Bosnien in Verbindung bringen.

        Wo Sie da kolonialistische Sichtweisen konstruieren wollen, konnte ich nicht nachvollziehen.

        • @rero:

          Ich finde, Sie haben die Grenzen der Vergleichbarkeit verschiedener historischer Genozide gut herausgearbeitet.



          In einem Punkt muss ich allerdings widersprechen: wenn Sie mit Verweis auf die Völkermorde in Ruanda und Bosnien schreiben, dass diese „gelöst“ seien, entspricht das so leider nicht den Tatsachen.



          Die zugrundeliegenden ethnischen Konflikte Ex-Jugoslawiens sind bei weitem nicht gelöst, sie können jederzeit wieder aufbrechen und die Situation bleibt fragil, wie wir derzeit wieder im Kosovo sehen können. In Ruanda hat sich der ethnische Konflikt lediglich auf die Nachbarregion Ostkongo verlagert, dort besteht die reale - in Europa nicht wirklich wahrgenomme - Gefahr eines erneuten Genozids (teils mit anderen Akteuren).



          Bedenken Sie die - von der Sozialpsychologie angenommen - Folgen kollektiver, posttraumatischer genozidaler Erfahrungen ganzer Bevölkerungsgruppen sowie deren intergenerationelle „Vererbung“, kann auch nicht davon die Rede sein, dass es sich um irgendwie „gelöste“ Konflikte handelt.



          Die Reaktionen in Armenien auf die aserbaidschanische Annexion der armenischen Enklave Bergkarabach und die anschließende Fluchtwelle der dortigen Bevölkerung beispielsweise - von den Armeniern als „ethnische Säuberung“ angeprangert - zeigen, wie präsent die kollektiv-traumatische Erfahrung des Aghet (des osmanischen Völkermordes an den Armeniern in WK1) dort noch ist. Und wie leicht das möglicherweise ideologisch/politisch instrumentalisiert werden kann.



          Die gleichen Muster haben m.E. auch Gültigkeit für die Shoa und die Nakba, beides Ereignisse, die tief in das kollektive Gedächtnis beider Völker eingebrannt sind.

  • Eine klare Zurückweisung des in Deutschland grassierenden "bothsideism". Die Wahrheit liegt nicht in der Mitte. Die Hamas ist genozidal, Tsahal ist es nicht.

    • @Kurt Kraus:

      Und was ist mit den Kahanisten?

      Hamas sind Militante, die Tsahal ist ein Militär. Die zu vergleichen, ist ungefähr als würde man einen ukrainischen Armeesanitäter mit einem Shturm-Z-Kriminellen vergleichen, nur weil beide eine Uniform tragen.

      • @Ajuga:

        Die Aktion der Hamas steht doch aber in einem Kausalzusammenhang zu der Aktion des israelischen Militärs.

        Der "bothsideism" zieht genau diesen Vergleich.

        Wenn man die Äquidistanz kritisiert, kann man nicht mit Kahanisten um die Ecke kommen.

        Die haben thematisch gerade nichts mit der Situation zu tun.

  • 8G
    80410 (Profil gelöscht)

    Ist das wirklich nur Verdrängung? Wer die willkürlichen Morde und Vergewaltigungen einer islamistischen Terrororganisation an Zivilisten derart frenetisch als "Akt der Befreiung" feiert (ob biodeutsche "Linke" mit Gleitschirm-LOL-Memes auf Social Media, Thunberg mit dem Kommentar von einem "großen Tag" oder Samidoun-Anhänger mit Baklava in Neukölln), von dem fällt es mir einfach schwer zu glauben, dass ihm/ihr tatsächlich etwas am Leben, geschweige denn den Rechten von Frauen, queeren Menschen oder jeglichen unterdrückten Minderheiten dieser Welt liegt.

    Wo endet diese Art der linken "Verdrängungssolidarität" mit einer solchen Gruppierung, unter der ja auch die Palästinenser leiden? - Eine rhetorische Frage, denn da draußen laufen ja auch ernsthaft noch Stalinisten herum.

    Nein, ich finde auf Linke mit so viel kognitiver Dissonanz kann die Welt verzichten.

    • @80410 (Profil gelöscht):

      Sie schreiben von "Linken".

      Welche Linke meinen Sie damit. Die SPD? Die Grünen? Die Linkspartei? Die israelische Linke gar? Eben großer Stuss.

      Ich halte die vielen Artikel, die sich ch mit der "Linken" beschäftigen für Müll.



      Die Verurteilung der Terroranschläge der Hamas und die Solidarität mit Israel ist auch bei "den Linken" die bei weitem vorherschende Position.

      Das Linke nur RAF-geile, und antisemitische Terroristenfreunde seien, solche Debatten taugen nur was für AfD-Stammtische.

      • @Rudolf Fissner:

        Lesen Sie den Kommentar noch mal. "Linke mit so viel kognitiver Dissonanz" sind die, über die Stray spricht, und die sind leider international in der Mehrheit.

      • 8G
        80410 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Puuuh, okay ... lesen Sie einfach nochmal.

        Zum ersten Mal verwende ich den Begriff "Linke" hier:

        "[...] ob biodeutsche "Linke" mit Gleitschirm-LOL-Memes auf Social Media [...]"

        auf die ich mich dann hier erneut beziehe:

        "Wo endet diese Art der linken "Verdrängungssolidarität" [DIE OBEN ERWÄHNTE ART DER GLEITSCHIRM-MEME-POSTER, Anm. des Verfassers] mit einer solchen Gruppierung"

        und schließe mit:

        "ich finde auf Linke mit so viel kognitiver Dissonanz [WIE OBEN ERWÄHNT, Anm. des Verfassers] kann die Welt verzichten."

        Mehr kann ich Ihnen den Text nicht vorkauen.

        Daraus zu schließen, dass ich ALLGEMEIN ALLES WAS LINKS IST meinen würde erfordert schon absichtliches Missverstehen.

        Wo solidarisieren sich bitte (Zitat): "Die SPD? Die Grünen? Die Linkspartei? Die israelische Linke gar?" mit Hamas, wie von mir kritisiert?? Wie sollten die überhaupt unter die von mir beschriebenen Kritik fallen? Wo unterstellte ich, dass "die Linke" ein einheitliche Position zu diesem Thema hätte (zu überhaupt vielen Themen, so ein Blödsinn)



        Ich schrieb "links", da jene erwähnten Personen mit den Gleitschirm-Memes eben aus dem linken Spektrum stammen und daher auch ein Problem innerhalb des Spektrums darstellen.

        Mir für eine Kritik eines BRUCHTEILS dieses Spektrums sogar AfD-nähe zu unterstellen und Dinge wie (Zitat): "Das Linke nur RAF-geile, und antisemitische Terroristenfreunde seien" in den Mund zu legen ist weit mehr als nur "großer Stuss". Ich unterstelle jetzt einfach auch mal, und zwar, dass Sie genau wissen, was Sie da tun. Und bei so viel Boswillen vermeide ich lieber jeglichen weiteren Austausch mit Ihnen.



        Good bye.

    • 8G
      80410 (Profil gelöscht)
      @80410 (Profil gelöscht):

      Sollte @Jim Hawkins

  • Der Artikel bringt es sehr gut auf den Punkt!

  • Sehr guter Artikel.

    Ganz persönlich frage ich mich, wie antwortet man auf diese Tat der Dschihadisten?

    Klar, die Hamas ist nur eine Truppe des Iran, der ja schon so oft die vollständige Vernichtung Israels angekündigt hat. So Chameini 2015, als er die Auslöschung Israels bis 2040 postulierte. Seitdem zeigen auf den öffentlichen Plätzen in iranischen Großstädten Digitaluhren die verbleibende Zeit bis 2040 an.

    Mit dem 7. Oktober und der Vollendung der Atombombe, gleichzeitig dem mit Abstand größtem Raketenarsenal des Nahen Ostens ist Iran hervorragend im Zeitplan.

    Ganz persönlich hätte ich mir gewünscht, Israel hätte eine andere Strategie als die Bodenoffensive verfolgt, denn so folgen sie genau dem Kalkül Irans und dessen Hamas.

    Viele Tote, schreckliche Bilder, Eskalationen drohen.

    Leider weiß ich keinen Ausweg. Ein Nicht-Angriff durch Israel würde wieder als Schwäche ausgelegt, wie mehrmals in der Vergangenheit, wenn Israel nicht hart reagierte.

    Schade, Israel sitzt in der Falle.

    Volle Solidarität!

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    ""Als Manifestation der neuen Qualität genozidaler Gewalt im 21. Jahrhundert macht es der 7. Oktober daher unmöglich, einfach weiterzumachen.Als Manifestation der neuen Qualität genozidaler Gewalt im 21. Jahrhundert macht es der 7. Oktober daher unmöglich, einfach weiterzumachen.""

    ===

    Die im Artikel genannte ""neue Gewalt"" ist die Brutalität und Ausdruck der Gewalt, die zwischen 1933 und 1945 ihren Höhepunkt gegen Juden erreichte. Nach 80 Jahren knüpft der 7. Oktober an diesen Zivilationsbruch an.

    In der Bundesrepublik ist das Erkennen dieses Zusammenhangs fast unentschuldbar, da spätestens seit den 70ziger Jahren kein Jahr verging, indem nicht immer wieder neue Details, Ereignisse und Zusammenhänge ans Tageslicht kamen, um das Unfassbare ans Tageslicht zu bringen.

    Wenn Deborah Hartmann und



    Tobias Ebbrecht-Hartmann in der Lage sind, die Zusammenhänge authentisch zu beschreiben und die richtigen Schlüsse zu ziehen setzt es das Wissen über den Holocaust voraus und eine genauere Auseinandersetzung mit den furchtbaren Ereignissen des



    7. Oktobers in Israel.

    In vielen Ländern des Nahen Ostens wie auch im Iran, wird der Holocaust verleugnet und der schiitische Islamist Nasrallah, Anführer der Hizbollah in Libanon, verbreitete gestern Fake-news über die Schuldigen hinsichtlich der grausamen Mörder des 7. Oktober.

    Wenn es selbst in der Bundesrepublik sehr gut deutsch-sprechende Apologeten der ewig Gestrigen gibt, die den Holocaust verleugnen und mit einer rechtsradikalen Gesinnung öffentlich auftreten, trotzdem in Sekunden fast sämtliche Informationen durch Internet, Zeitungen und durch Bücher zur Verfügung stehen, welche die Wahrheit aufdecken. Wie mag dann der Informationsstand der Palästinenser oder der Araber im Nahen Osten aussehen, deren Wissensstand durch Terrororganisationen wie Hamas oder Hizbollah - oder durch die vorherrschenden Diktaturen im Nahen Osten im wesentlichen geprägt ist?

  • Danke für Ihren Essay. Die Terrorattacken sind selbstverständlich zu verurteilen.

    Ich frage mich aber wie man man ein Innehalten einfordern kann, während der Gazastreifen von einer rechten bis rechtsradikalen Regierung bombardiert wird. Das ist ein Luxus, den man sich erlauben kann, wenn man selektiv seinen Humanismus nur auf die Opfer der Terrorattacke der Hamas beschränkt und unschuldige Opfer des militärischen Gegenschlags auf palästinensischer Seite ignoriert. Es befinden sich auch noch 200-250 Geiseln in der Hand der Terroristen, dessen Schicksal wir auch nicht vergessen sollten und ein Innehalten für mich unmöglich macht. Wenn man sich für einen Waffenstillstand einsetzt tut man dies ja auch in der Hoffnung, dass die Chancen die Geiseln lebend zurückzubekommen bei einem Waffenstillstand höher sind. Ob dies der Fall ist oder nicht, ist sicher Ansichtssache, aber die Einschätzung, dass Menschen, welche auf das Leid der Zivilbevölkerung hinweisen, über die Terrorattacken achtlos hinwegsehen ist meiner Meinung nach unfair. Es ist eine Situation, auf welche man in welchem Ausmaß auch immer noch Einfluss nehmen kann, indem man sich für einen Waffenstillstand einsetzt, während man an der Terrorattacke auch nichts mehr ändern kann. Daher schätze ich den Einsatz für die Zivilbevölkerung in Gaza auch als zutiefst menschlich ein und stellt aber auch gleichzeitig einen Widerspruch dar, den man nur schwer aushalten kann, da man Rachegefühle Israels und die Ohnmacht der jüdischen Bevölkerung außerhalb Israels im Gesicht des jetzt grassierenden widerlichen Antisemitismus natürlich versteht.

    • @Harmo-Nie:

      Sie mal. Der Anführer der Hamas hat gesagt, dass sie diese Pogrome so lange wiederholen, bis Israel von der Landkarte verschwunden ist. Das ist der genozidale Kern der Forderung “vom Fluss bis zum Meer”.

      Es geht um Fantasien, die auf eine zweite Shoah hinauslaufen.

      Wie soll es da einen Waffenstillstand geben, so lange in Tunneln noch immer tausende Raketen lagern?

      Wie soll es einen Waffenstillstand geben, so lange Hamas nich die Mittel hat, weitere Pogrome zu starten?

      Und es ist eben nicht nur die Netnjahu-Regierung, die derzeit für die Kämpfe aus israelischer Seite die Verantwortung trägt. Sondern eine Regierung der nationalen Einheit, die eben eine zweite Shoah nicht zulassen werden.

      Netanjahu muss weg, denn er hat die Hamas bemutzt, um seine Politik in den besetzten Gebieten voran- und eine Zweistaatenlösung zu hintertreiben.

      Weder mit Hamas noch mit Netanjahu wird es Frieden geben. Aber so lange die Kämpfe andauern gilt für mich:

      “Nie wieder” ist jetzt.

  • Erst einmal danke für einen wirklich wichtigen Artikel!

    "Es sollte geben und gibt viel Raum für Kritik an der israelischen Besatzung und dem Schicksal der Palästinenser. Aber all dies sollte an einem anderen Ort und zu einer anderen Zeit geschehen als in diesem Moment des Innehaltens, um über die neue Qualität dieses erneuten Zivilisationsbruchs nachzudenken."

    Von den unmittelbar Betroffenen in Israel und Gaza ist das kaum zu erwarten.



    Aber von uns hier und an anderen Orten der Welt muss das eingefordert werden.

  • Es wird weiter gemacht. Das kann negiert werden,nur sollte auch anerkannt werden,das nicht innegehalten wird. Eins wird immer vergessen und das ist Anspruch. Anspruch an sich selbst. Die Hamas hat nicht den gleichen Anspruch an sich und andere. In einer Demokratie sieht das aber anders aus. Hier wird der Anspruch auf alle übertragen.



    Es geht auch um Mahnung, sich nicht gleich mit dem Gegner zu machen. Dieser Anspruch kann nicht an die Hamas gestellt werden,das sie ihn nicht an sich selbst hat. Wird das ignoriert,geht die Basis des gemeinsamen Anspruchs in die Brüche . Was dramatischer wäre,als schlechte Statements von Intellektuellen.

  • Was wäre aus Sicht aller die Israel kritisieren, der richtige Umgang mit den Tätern und Hintermännern dieses schrecklichen Überfalls? Man kann und darf angesichts dieser grauenvollen Taten nicht zur Tagesordnung übergehen.

    • @mwinkl02:

      Ganz richtig, Nichtstun war keine Option, egal wie die Vorgeschichte war.

      Eine weniger draufgängerische, weniger rechte Regierung hätte indessen, nach der Sicherung der Grenze und neben einer begrenzten "Vergältungsschlägen" für Raketenangriffe erst einmal den Rückhalt der arabischen Welt gegen Hamas (und Iran) zu gewinnen versuchen können und seinen Krieg gegen Hamas besser planen.

      Wenn die Palästinenser von Gaza etwas anderes gesehen hätten, als was sie jetzt erleben, hätte Shin Beth sicher Informanten gewinnen können, um die Tunnel oder gar Geiseln zu orten. Wenn jetzt die Bevölkerung durch die Energieblockade kurz vorm Erdursten ist (Entsalzungsanlagen laufen kaum), darf man wohl nicht viel Kooperation erwarten.

      Die Bombardiererei und die Blockade gehen einfach zu weit.

      Das "Innehalten" hätte ich mir auch gewünscht, aber weder Netanjahu noch das Militär wollten uns die Zeit dazu nicht lassen, vermutlich aus Angst vor der eigenen Bevölkerung.

    • @mwinkl02:

      Natürlich die Ausschaltung der Hamas, die ja nicht nur die Auslöschung Israels sondern laut Art. 7 ihrer Gründungscharta die Auslöschung aller Juden wollen.

      Leider nehmen die Hamas wie schon seit Jahrzehnten die Palästinenser als menschliche Schutzschilde.

  • "Hatten sie denn die erniedrigenden Filmaufnahmen nicht gesehen und die Bilder von Hunderten unschuldiger Israelis, Juden und Nichtjuden, jeden Alters, die an diesem Tag nach Gaza entführt wurden? Hatten sie denn nicht die Berichte der Überlebenden des Massakers beim Supernova-Musikfestival gelesen, in denen junge Menschen beschrieben, wie sie sich unter Leichen versteckten, während sie Zeuge von Vergewaltigungen und willkürlichem Morden wurden?"

    Sie haben es schon gesehen, deshalb haben sie auch für einen Moment den Mund gehalten.

    Mit der Zurückhaltung war es nach den ersten israelischen Reaktionen vorbei. Schnell war man beim allzu bekannten "Ja, aber".

    Sie haben die Bilder gesehen und dann haben sie sie verdrängt, genauso wie sie die Brutalität, den apokalyptischen Vernichtungshass der Hamas verdrängen. Sie verdrängen, dass die Frauen, die im Herrschaftsbereich der Hamas leben, extrem unterdrückt sind, sie verdrängen, dass die LGBTQ-Community in Gaza in ständiger Lebensgefahr ist. Sie verdrängen, dass das alles ohne den Iran gar nicht denkbar wäre.

    Man muss extrem viel verdrängen, um zu solchen Schlüssen zu kommen.

    • @Jim Hawkins:

      „Sie haben die Bilder gesehen und dann haben sie die verdrängt, genauso wie sie den apokalyptischen Vernichtungshass der Hamas verdrängen.“



      Also, ich will mich ja nicht dümmer stellen als ich sowieso schon bin. Aber solche Reaktionen, wie Sie sie beschreiben, kenne ich aus dem Teil meines Freundeskreises, der sich als links bezeichnet, eigentlich nicht. Nicht mal muslimische Bekannte denken so. Und dafür würde ich sogar meine Hand ins Feuer legen. Stattdessen beobachte ich viel Nachdenklichkeit auf allen Seiten, was ja nicht schaden kann angesichts der Zäsur vom 7. Oktober.



      Sprüche wie „Die Juden sind ja selbst schuld“ höre ich eher aus dem gutbürgerlichen biodeutschen Millieu. Dazu passt auch die Meldung, dass die zu beobachtenden zunehmenden antisemitischen Angriffe und Schändungen jüdischer Einrichtungen und KZ-Stätten überwiegend von rechtsextremen Tätern verübt würden - nicht von Migranten (!) - und mit steigenden Zustimmungswerten für die AfD korrespondieren.



      www.tagesschau.de/...kstaetten-102.html



      Natürlich hat der 7. Oktober da noch was zusätzlich losgetreten, die antisemitischen und faschistischen Ratten trauen sich jetzt halt aus ihren Löchern zu kriechen, nachdem sie von ihren islamo-faschistischen “Brüdern” - die ihren Judenhass offen auf der Straße ausleben - dazu ermutigt worden sind.



      Wir jedenfalls bleiben wachsam und beobachten genau, wie weit sich diese verschiedenen antisemitischen Millieus in Zukunft noch durchmischen bzw. zusammenwachsen. Im Kontext der Coronakrise mussten wir ja leider auch schon erleben, wie manche(r) “Genoss*in” plötzlicher auf der anderen Seite des Grabens stand und sich den Querschwurblern angeschlossen hatte.



      Das schlägt in meiner westdeutschen “Provinz” offenbar nur nicht so durch wie bei Ihnen in Berlin.😉

      • @Abdurchdiemitte:

        Freuen Sie sich, dass Sie offnebar wirklich noch in der "guten alten Zeit" leben.

        In Berlin konnte man bei den Pro-Palästinenser Demos viele offensichtlich Linke erleben.

        Es erstaunte sogar die Journalisten, die das hervorhoben.

        Bei der großen Israel-Solidaritätsdemo erlebte ich dagegen nahezu ausschließlich Publikum 45+, überwiegend bürgerliches Millieu.

        Iraner und Kurden waren zu sehen, linke Gruppen nicht.

    • @Jim Hawkins:

      Sie bringen da mächtig was durcheinander.

      Es sterben im Gaza keine Kinder infolge israelischer Luftangriffe, weil Israel quere Menschen schützen will und es sterben in Israel keine Kinder durch den Terror der Hamas weil die Hamas quere Menschen töten will.

      Die bald 10.000 Toten im Gaza mit der LGBTQ-Community in Gaza zu rechtfertigen halte ich für krank. Die Community in Gaza wird ihnen auch nichts anderes erzählen.

      • @Rudolf Fissner:

        Welche Community in Gaza?

        Ich weiß nicht, was Sie mit ihrem merkwürdigen Vorwurf meinen, sorry.

    • @Jim Hawkins:

      Man tut es aber gern, wenn man die alten Gut&Böse-Koordinaten (die man sich irgendwann mal mühsam erarbeitet hat - oder einfach vom Umfeld übernimmt) dadurch nicht ins Wanken bringt.

    • @Jim Hawkins:

      Danke!



      Wenn ich dann heute den Artikel hier lese, schnelle Einbürgerung würde Judenhass verhindern, möchte ich nur noch laut schreien.



      Mit fällt noch mehr dazu ein, aber dann werde ich nicht freigeschaltet!

      • @M. Dilsburg:

        Na ja, ein Formular ist schnell ausgefüllt, ein (Einbürgerungs)Test rasch absolviert, Bekenntnisse zu Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie gegen Antisemitismus gehen zügig von den Lippen.



        Wenn Sie nicht gerade der AfD, der Union oder der AfD anhängen, was haben Sie also gegen erleichterte Einbürgerungsverfahren? Etwa die Angst, dass Ihnen zu viele “alimentierte Messer-Männer” und “Kopftuch-Mädchen“ (Alice Weidel) ins Land kommen könnten? Die dann jüdische Mitbürger überfallen, Synagogen oder Gedenkstätten schänden? Irrtum, es verhält sich eher so:



        www.tagesschau.de/...kstaetten-102.html



        Ein erschwerter Einbürgerungstest für AfD-Mitglieder und andere Faschisten, biodeutsche wie migrantische (z.B. Graue Wölfe), DAFÜR könnte sich mein Herz erwärmen.

    • @Jim Hawkins:

      Sach mal so 🏴‍☠️ - ist es nicht erfreulich - auch ein wenig entwaffnend - hier in der taz endlich einen derartigen Beitrag zu lesen!



      Nachdem nur ein paar Blätter weiter!



      Ein glatt AfD-kompatibler Beitrag der Ungeheuerlichkeit - von der Redaktion durchgewunken worden ist!



      Und nicht nur der e-kommune entzogen - sondern unter ferner liefen eskamotiert aber taz-unkommentiert

      • @Lowandorder:

        Und welcher Beitrag soll das sein?

      • @Lowandorder:

        Ich vermute, es dieser Beitrag.

        taz.de/Antisemitis...ie-Hamas/!5967046/

        Richtig? Wenn nicht, bitte Link!

        • @Lindenberg:

          Guter Beitrag, danke für den Link. "Hier ist jetzt eure Heimat ... , also macht was draus", sagt Jan Feddersen. Ziemlich AfD-inkompatibel. Manche wollen wohl nicht verstehen.

        • @Lindenberg:

          leider ja - du packst dich an die Nase & denkst “du träumst“ - das kann - das darf dort nicht stehen! Newahr.



          Jedenfalls nicht in der taz - dem selbsternannten Linken Portal!



          Normal nich!

          Perfide stößt mir auf: Daß kurz nach meinem Post - die e-Kommune geschlossen wurde!



          Und! Der Beitrag aus der Zuordnung “Politik“ verschwand - so daß dieser unfaßbare Beitrag nur auffindbar ist - wenn frauman den Titel oder um den Autor weiß!



          Mag sich jeder seinen Reim drauf machen! Woll.



          &



          Vgl auch taz.de/Rede-zur-Staatsraeson/!5967949/



          Lovando heute 11:13

          • @Lowandorder:

            Was gefällt Ihnen denn daran konkret nicht?

            • @Petcat:

              ausführlicher => servíce

              Vgl auch taz.de/Rede-zur-Staatsraeson/!5967949/



              & zum Beitrag



              taz.de/Antisemitis...ie-Hamas/!5967046/



              => dort jeweils Lovando -



              …mit Gefallen - sorry - hat das nix zu tun! Gelle

              • @Lowandorder:

                Also noch mal - worüber genau regen Sie sich hinsichtlich dieses Beitrags auf? Was hat der mit der AFD zu tun (die garantiert nicht „macht was draus“ rufen würde, um bei @Dites-Moi zu bleiben)? Und was hat das Ganze mit dem ‚Unternehmen Barbarossa‘ zu tun?



                Fragen über Fragen…..

                • @TerryX:

                  Wennse mal versuchen wollen - das ganze nicht vom Schwanz aufzäumen zu wollen? - naja vllt schaffens dess ja?!

  • Danke.

    • @Philippo1000:

      anschließe mich - Innehalten - Einatmen - Ausatmen - Um grounding ringen - Um das Maß nicht zu verlieren - Um es neu als menschliches wiederzugewinnen. Hochachtung.



      - Quel homme both. Nochmals - Danke