Gefahr für die Energiewende: Grüner Wasserstoff bleibt zu teuer

Analysen zeigen, dass Wasserstoff doppelt so teuer wird wie gedacht. Dabei will die Industrie doch mit dem Gas klimaneutral werden.

Ein mit Wasserstoff betriebener Müllwagen an einer Tankstelle

Wird teurer als gedacht: Wasserstoff-Müllwagen an einer Tankstellen in Herten (NRW) Foto: Jochen Tack/imago

Berlin TAZ Realismus rückt an die Stelle der Illusionen: Grüner Wasserstoff wird wohl doch nicht der billige Energieträger werden, von dem manches Unternehmen bislang träumte. „Deutlich teurer als gedacht“ werde das mit erneuerbaren Energien erzeugte Gas, berichtete dieser Tage das Handelsblatt aufgrund einer Analyse der US-Unternehmensberatung Boston Consulting Group. Statt mit rund 3 Euro pro Kilogramm müsse man voraussichtlich mit Preisen zwischen 5 und 8 Euro für grünen Wasserstoff rechnen, mit dem die Industrie klimaneutral werden will.

Das dürfte die Energiewende erschweren. Aber überraschend kommt diese Erkenntnis insofern nicht, weil für jedes Kilogramm Wasserstoff, das per Elektrolyse gewonnen wird, rund 55 Kilowattstunden Strom nötig sind. Der Preis des Wasserstoffs hängt entsprechend eng am Strompreis. Setzt man einen mittleren Strompreis von 7 Cent je Kilowattstunde an, belaufen sich alleine die Stromkosten auf fast 4 Euro pro Kilogramm. Hinzu kommen – so eine Faustregel – Kapitalkosten in Höhe von rund 2 Euro. Folglich wird heimischer Wasserstoff bei aktuellen Strompreisen kaum für weniger als 6 Euro zu bekommen sein.

Die Kosten für grünen Wasserstoff hängen am Preis für erneuerbare Energien

Entsprechend kommt auch das Beratungsunternehmen E-Bridge Consulting, das täglich einen Wasserstoffindex (Hydex Plus) errechnet, derzeit auf einen Vollkostenpreis von rund 6,20 Euro pro Kilogramm. Für hiesige Firmen liegt die Schmerzgrenze hingegen oft bei 4, maximal 5 Euro.

Deswegen rufen die Unternehmen derzeit nach Förderung gleich auf drei Ebenen: für die Erzeugung, für die Infrastruktur und für die Nutzung. Dieser Dreiklang der Förderwünsche bestimmte dann auch das Industrieforum der trinationalen Wasserstoff-Initiative 3H2 vor zwei Wochen in der Nähe von Freiburg.

Das Dilemma der Wasserstofferzeuger

Wasserstofferzeuger stehen nämlich vor einem Dilemma. Produzieren sie mit den Anlagen nur dann Wasserstoff, wenn es viel Strom aus erneuerbaren Energien gibt, können sie zwar billig Strom einkaufen, doch durch die geringe Laufzeit der Anlage schlagen die Kapitalkosten stark zu Buche. Läuft der Elektrolyseur hingegen rund um die Uhr (was auch energiewirtschaftlich gesehen absurd wäre), sind zwar die Kapitalkosten pro Kilogramm geringer, dafür müsste aber auch Strom in teuren Stunden eingekauft werden.

Parallel zur Eigenerzeugung blickt Deutschland längst ins Ausland – zumal angesichts des hiesigen Bedarfs ohnehin nur rund 30 Prozent aus heimischer Erzeugung zu decken sein werden. Doch auch der Importwasserstoff wird preislich auf ähnlichem Niveau liegen, wie der heimische. Das geht aus Berechnungen des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme ISE im Auftrag der Stiftung H2Global hervor.

Danach kostet die Erzeugung eines Kilogramms Wasserstoff in Brasilien, Australien und dem Norden Kolumbiens zwar nur zwischen 3,20 und 3,60 Euro, doch durch den Schiffstransport ergeben sich in Deutschland dann auch wieder Preise von knapp 6 Euro. Günstiger, so die Untersuchungen, ist nur der Transport per Pipeline: Algerien, Tunesien und Spanien könnten das grüne Gas durch eine auf Wasserstoff umgerüstete Erdgaspipeline für 4,56 Euro nach Deutschland bringen – aber selbst damit wären die von vielen Unternehmen erhofften 3 bis 4 Euro bereits überschritten.

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