Unterstützung der Ukraine: Es ist längst auch unser Krieg

„As long as it takes“ klingt im Krieg wie eine politische Phrase. Doch die Durchhalteparole ist mehr und gilt nicht nur der ukrainischen Bevölkerung.

Aufstellung von Politikern beim Nato-Gipfel

Noch stärken die westlichen Staaten der Ukraine, wie hier beim Nato-Gipfel in Vilnius, den Rücken Foto: Pavel Golovkin/AP/dpa

Achtzehn Monate tobt er schon, Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Selbst Ex­per­t*in­nen werden, nach Prognosen befragt, schmallippig, und das zu Recht. Die Bilder von Toten, Verletzten, Flüchtenden sowie zerbombten Städten und Dörfern sind, erschreckend genug, schon zur Routine geworden. Das Gleiche gilt für den Po­li­ti­ke­r*in­nen­sprech „As long as it takes“ – solange es braucht. Diese Beschwörungsformel vermag kaum zu verschleiern, dass niemand sagen kann, wie lange das alles noch dauern wird. Sicher ist nur, es wird dauern.

Kyjiw hat seine Kriegsziele eindeutig definiert: die Wiederherstellung der Souveränität und territorialen Integrität in den Grenzen von 1991 sowie der Abzug aller russischen Truppen aus den völkerrechtswidrig besetzten Gebieten, einschließlich der Halbinsel Krim. Demgegenüber belassen die westlichen Un­ter­stüt­ze­r*in­nen ihre Absichten im Vagen. Was Sätze wie: Russland dürfe diesen Krieg nicht gewinnen, aber die Ukraine ihn nicht verlieren, bedeuten, liegt im Auge der Be­trach­te­r*in­nen und Entscheider*innen. Die Ukraine so weit aufrüsten, dass ihre Ziele erreicht werden? Oder ihr nur so lange beistehen, um sie in eine starke Position für künftige Verhandlungen zu bringen? Wobei dann immer noch zu klären bliebe, worüber genau verhandelt werden soll.

Weit rätselhafter ist die Motivation des Kremls, diesen Krieg fortzusetzen, zumal nennenswerte Erfolge auf dem Schlachtfeld derzeit ausbleiben. Dennoch profitiert zumindest noch Wladimir Putin, und zwar im Sinne des eigenen Machterhalts. Das wahnwitzige Kriegsabenteuer ist perfekt geeignet, um von innenpolitischen Problemen abzulenken, Repressionen gegen Andersdenkende zu rechtfertigen und die sogenannte Elite bei der Stange zu halten. Das lässt nicht wirklich auf einen baldigen Marschbefehl rückwärts des Kremlchefs schließen.

„As long as it takes“ ist auch als Durchhalteparole zu lesen, verbunden mit der Frage, wie lange die Solidarität mit der Ukraine noch anhalten wird – und das nicht nur militärisch. Die Ukrai­ne­r*in­nen sind entschlossen, durchzuhalten, die überwiegende Mehrheit (laut jüngsten Umfragen 90 Prozent) ist nicht bereit, auch nur einen Zentimeter Boden abzutreten und ihre Menschen, die jetzt unter russischer Besatzung leben müssen, aufzugeben.

Schon seit anderthalb Jahren läuft der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Am Donnerstag begeht die Ukraine nicht nur ihren Unabhängigkeitstag, vor nun genau 18 Monaten am 24.2.22 hatte Russland die Ukraine attackiert. Die Ukrai­ne­r:in­nen haben sich gewehrt, ein Ende der Kämpfe ist nicht abzusehen. US-Präsident Joe Biden hatte auf die Frage, wie lange der Westen die Ukraine unterstützen würde, geantwortet: „As long as it takes“. So lange es notwendig ist. Zum Jahrestag fragt die taz in einem Dossier: Was heißt das eigentlich genau? Wie lebt es sich in der Ukraine mit dem Krieg? Wie wirken die Sanktionen in Russland? Wie ist die militärische Lage im Land? Und wie sieht es mit der Unterstützung der aus der Ukraine Geflüchteten in Deutschland aus?

In demokratisch verfassten Staaten gilt es, den Souverän bei (Geber-)Laune zu halten, besonders wenn Wahlen anstehen. Doch die Unterstützung scheint zu bröckeln, das Verständnis und die Geduld vieler, und das nicht nur in Deutschland, scheinen schon jetzt endlich zu sein. Kriegsmüdigkeit, Unsicherheit und Verteilungskämpfe nehmen zu. Vor allem auch ukrainische Geflüchtete bekommen das bereits zu spüren.

Zweifellos: Dieser Krieg mag viele hierzulande und in anderen westlichen Staaten an die Grenze ihrer Belastbarkeit bringen. Für die Ukrai­ne­r*in­nen hingegen geht es um das nackte Überleben. Genau deshalb müssen wir diese vermeintlichen Zumutungen aushalten. Denn es wird nicht nur über das Schicksal der Ukraine als Staat entschieden, sondern auch darüber, ob künftige Genera­tionen auf dem europäischen Kontinent in Freiheit und Sicherheit werden leben können. Das geht alle an. Das ist nicht unser Krieg, heißt es immer wieder. Von wegen. Genau das ist er. Schon längst.

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Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

Wir alle wollen angesichts dessen, was mit der Ukraine derzeit geschieht, nicht tatenlos zusehen. Doch wie soll mensch von Deutschland aus helfen? Unsere Ukraine-Soli-Liste bietet Ihnen einige Ansätze fürs eigene Aktivwerden.

▶ Die Liste finden Sie unter taz.de/ukrainesoli

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