Flucht über Belarus und Polen: Einfach aufnehmen
Statt auf Minsk zu schimpfen, sollte man auf die Zivilgesellschaft hören. Kommunen und Städte sind zur Aufnahme von Menschen in Not bereit.
E s ist ein deutlicher Erfolg der Zivilgesellschaft: Für das Wochenende hatten Neonazis einer Kleinstpartei angekündigt, mit illegalen sogenannten Grenzgängen Menschen auf der Flucht daran zu hindern, aus Polen nach Brandenburg einzureisen. Die Polizei griff im Grenzgebiet rund 50 teils bewaffnete Aktivisten auf. Doch der Zulauf zur Gegenveranstaltung war deutlich größer:
Um die 120 Demonstrant:innen kamen zur Mahnwache eines Bündnisses für das Recht auf Asyl in die recht abgelegene Grenzstadt Guben im südlichen Brandenburg. Schon am Freitag hatten sich zahlreiche Menschen an einem Protest in Potsdam beteiligt. Sie alle machten sich stark für Bewegungsfreiheit und gegen die Gewalt, die auf der Flucht zum Alltag gehört.
Die Politik sollte gut auf diesen Protest hören. Nicht umsonst formiert er sich seit Jahren in Bündnissen wie Seebrücke oder Welcome United, und nicht umsonst sagen Kommunen und Städte seit Jahren, dass sie sichere Häfen sein wollen und bereit wären, Flüchtende aufzunehmen. Bundesinnenminister Horst Seehofer, der nur noch auf absehbare Zeit im Amt sein wird, setzt trotzdem weiter auf Kontrolle und Abschottung.
Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen sprach zuletzt sogar von „hybrider Kriegsführung“ des belarussischen Autokraten Alexander Lukaschenko. Einen Krieg führen können nur zwei Staaten, die sich dazu erklären. Niemand ist gezwungen, die „Kriegserklärung“ anzunehmen. Die Bundesrepublik könnte die Menschen einfach aufnehmen. Die Kapazitäten sind da. Und die Sichere-Hafen-Städte könnten zeigen, wie ernst es ihnen mit dem Schutz für Menschen in Not ist.
Anders als im Falle von Moria, wo die Chancen klein waren, dass wirklich jemand kommt, stehen sie ja nun schon fast vor der Tür. Wer da von hybrider Kriegsführung des Lukaschenko-Regimes redet, lenkt nur ab. Und zwar davor, dass die Politik die Toten an der Grenze zwischen Belarus und Polen derzeit in Kauf nimmt, rein aus der Angst heraus, dass sich eine neue Fluchtroute etabliert. Das sollte die Zivilgesellschaft auf keinen Fall zulassen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen