AstraZeneca-Aus in der EU: Eine falsche Entscheidung
Lieferschwierigkeiten und ein Rechtsstreit – es gibt Gründe, den Vertrag mit AstraZeneca nicht zu verlängern. Trotzdem ist der EU-Entschluss falsch.
E ines hat die Europäische Union in der Pandemie gut hinbekommen: Sie hat das öffentliche Vertrauen in die Impfstrategie der Staatengemeinschaft und in die von der EU bestellten Impfstoffe gründlich erschüttert. Und sie hört damit nicht auf.
Brüssel hat angekündigt, den EU-Vertrag mit dem britisch-schwedischen Vakzinhersteller AstraZeneca nicht zu verlängern. Die Nachricht folgt einigem Hin und Her um die Zulassung des Impfstoffs, sie folgt großer Verunsicherung wegen schwerer Nebenwirkungen – und Beteuerungen, der Impfstoff sei sehr gut. Was er ja auch ist.
Doch nun, da die Mitglieder der EU je 100 Einwohner gerade mal halb so viele Dosen verimpft haben wie die USA oder Großbritannien, bekommt AstraZeneca wohl endgültig die Absage. Es ist ein falsches, ein verwirrendes Signal. Vor allem für die Geimpften und Impfwilligen, die sich mit dem Vakzin des Herstellers vor Covid-19 geschützt haben oder noch schützen wollen.
Es gibt natürlich rationale Gründe: Lieferverzögerungen und ein Rechtsstreit stehen einer Verlängerung des ersten, im vergangenen August von der Kommission unterzeichneten Vertrags für einen Pandemie-Impfstoff entgegen. Brüssel hatte bewusst auf AstraZeneca gesetzt, auf ein bewährtes Impfstoffkonzept statt auf die neuartigen mRNA-Impfstoffe. Doch die von AstraZeneca gelieferten Impfstoffmengen sind seit der Zulassung deutlich geringer ausgefallen als im Vertrag ausgemacht.
Zu viele neue Fragen
Trotzdem bleibt der Entschluss der Kommission falsch. Denn für die Bevölkerung in der EU wirft er zu viele neue, teils komplexe Fragen auf. Bekommen Erstgeimpfte ihre zweite Dosis überhaupt noch? Muss das Vakzin von AstraZeneca in Deutschland jetzt zurück in die Priorisierung? Sind Zweitimpfungen mit einem anderen Impfstoff sicher und wirksam? Hat die Entscheidung womöglich doch etwas mit Nebenwirkungen zu tun?
Das ist kein Signal, das die coronamüden Europäer:innen gerade benötigen. Sie brauchen Motivation, durchzuhalten – und noch dringender brauchen sie das Vertrauen, dass sie bald geimpft werden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Trumps Krieg gegen die Forschung
Bye-bye, Wissenschaftsfreiheit!
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Menschenrechtsverletzungen durch Israel
„So kann man Terror nicht bekämpfen“
Ungelöstes Problem der Erneuerbaren
Ein November voller Dunkelflauten
Altvordere sollen Linke retten
Hoffen auf die „Silberlocken“
Autobranche in der Krise
Kaum einer will die E-Autos