piwik no script img

Pro und Contra AusgangsbeschränkungenÜbertrieben oder solidarisch?

Nina Apin
Simone Schmollack
Kommentar von Nina Apin und Simone Schmollack

Sind die Ausgangsbeschränkungen zu hart? Darüber wird auch innerhalb der taz viel gestritten. Ein Pro und Contra.

Bei Corona schwer zu verbinden: individuelle Freiheit und Solidarität Foto: dpa

D as Wetter ist wunderbar und Ostern steht vor der Tür. Alle wollen raus, klar. Aber wo endet das Mindestmaß an Solidarität mit Älteren oder Vorerkrankten? Kurz: Sind die Ausgangsbeschränkungen übertrieben?

Ja, sagt Simone Schmollack

Die Ostseeinseln sind abgeriegelt, der brandenburgische Landkreis Ostprignitz-Ruppin hatte ursprünglich ein Einreiseverbot ausgerufen, es gilt ein Betretungsverbot für Berge in Bayern. Ausflüge ins Hamburger Umland sind ebenso verboten wie Parken an Ausflugsorten in Rheinland-Pfalz. Die Liste der Bewegungseinschränkungen und Verbote lässt sich fortsetzen, jedes Bundesland hat seine eigenen Grenzen gesetzt, die mal mehr, mal weniger eng sind. Dennoch gelten im ganzen Land mittlerweile äußerst strenge Regelungen.

Doch sind sie in dieser Krassheit gerechtfertigt? Helfen sie tatsächlich, die Zahl der Infektionen rasch einzudämmen? Vor allem: Sind sie politisch klug?

Derzeit sind 72 Prozent der Bevölkerung laut dem ARD-Deutschlandtrend mit dem Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung zufrieden. Das ist ein sensationeller Zuspruch für Merkel und Co., den es so sonst nicht gibt. Das heißt also, die Menschen halten die Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote für legitim und richtig. Ebenso halten sich die allermeisten Menschen auch daran. In den Supermärkten und auf den Straßen sind die Menschen auf Abstand.

Schon klar, es sollen keine Viren von A nach B getragen werden. Aber nirgendwo sind Menschen geschützter und schützender als allein auf einem Zeltplatz, am weiten Strand, im Wald

Aber das könnte sich ändern: Wenn die Verbote allzu heftig werden und die Maßnahmen den Alltag stark einschränken, vor allem während der Osterfeiertage, wenn die Familien, die Homeoffice-Überdrüssigen, die Singles endlich mal wieder die Sonne spüren wollen. Einige Menschen entwickeln bereits Abwehrreaktionen gegen die restriktiven Maßnahmen, sie erkennen schlicht den Nutzen dahinter nicht mehr.

Warum darf die allein lebende, von Kurzarbeit betroffene Frau, die in Berlin seit einem Monat brav zu Hause hockt, jetzt nicht – weiterhin allein – vor ihrem Campingwagen in Brandenburg in der Sonne sitzen? Warum ist es dem älteren Ehepaar in Sachsen verboten, in den Wald zu gehen, weil der sich außerhalb des „Umfelds seines Wohnbereichs“ befindet? Wieso kann der hart arbeitende Krankenhausmanager aus Niedersachsen an seinem ersten freien Wochenende keinen Tagesausflug an den Strand machen?

Schon klar, es sollen keine Viren von A nach B getragen werden. Aber nirgendwo sind Menschen geschützter und schützender als allein auf einem Zeltplatz, am weiten Strand, im Wald. Anderen Spaziergänger*innen kann dort weiträumig aus dem Weg gegangen werden. Einen gefürchteten Massentourismus gibt es schon allein wegen der geschlossenen Hotels, Restaurants und Cafés ohnehin nicht. Stattdessen werden sich in den Städten die Parks füllen. Dort dürfte das Ansteckungsrisiko um ein Vielfaches höher sein. Oder werden die Parks dann auch geschlossen, weil sich zu viele Jogger*innen, Familien und Spaziergänger*innen zu nahe kommen könnten? Kommt es so wie in Paris, wo Sporttreiben tagsüber draußen bereits verboten ist?

Das ist absurd und kontraproduktiv. Man kann's auch übertreiben.

Nein, sagt Nina Apin

Die Sonne scheint, die Temperaturen steigen und bald ist Ostern. Leider fällt die geplante Fahrt zu den Großeltern aus – Reisebeschränkung. Mit den Kindern oder Freunden zusammen in den Biergarten oder zum Eisessen? Geht auch nicht. Da hat man schon ein paar Tage frei – und dann soll man noch nicht mal mit dem eigenen Auto raus aufs Land dürfen, an den See oder ins Sommerhäuschen? Ist das nicht alles völlig überzogen? Befolgen wir nicht alle seit Wochen so brav die Corona-Regeln, dass sich die berühmte Verdopplungszeit bereits auf stattliche 16 Tage gesteigert hat? Da wird so eine kleine österliche Landpartie doch auch mal drin sein – unter Einhaltung der Hygieneregeln selbstverständlich.

Ja, die Kontaktbeschränkungen zur Eindämmung des Coronavirus sind eine Zumutung. Immerhin sind Versammlungs-, Bewegungs- und Reisefreiheit Grundrechte, und es fühlt sich sehr, sehr falsch an, dass Polizisten in Uniform einem neuerdings vorschreiben dürfen, wohin man gehen darf und wohin nicht. Und ja, es ist absurd, dass jemand mit einer Datsche in Brandenburg nicht daran gehindert wird, diese anzusteuern – während Menschen mit einem Bungalow an der Mecklenburgischen Seenplatte oder mit Verwandtschaft am Chiemsee zum Umkehren gezwungen werden, weil die betreffenden Regionen sich abgeschottet haben.

Aber jetzt, in Woche vier des gesamtgesellschaftlichen Stillstands, da müsste auch klar sein: Die Solidarität der Jungen und Gesunden mit den Älteren und Vorerkrankten darf sich nicht auf Homeoffice-Arbeit beschränken. Solidarität heißt eben auch, freiwillig den Bewegungsradius klein zu halten, auf die kleinen Extras zu verzichten, im Sinne der Allgemeinheit.

Aber je mehr Menschen sich eine Ausnahme von den Corona-Verboten genehmigen in diesen schönen Tagen, desto größer wird die Ansteckungsgefahr für alle

Nur wenn sich möglichst viele möglichst wenig bewegen, kann die Ausbreitung des Virus verlangsamt werden. Deshalb sind Landtrips jetzt keine gute Idee: denn wenn man Wasser vergessen hat oder die Milch alle ist, geht man eben doch in den Laden, Kontakt und Ansteckungsmöglichkeit inklusive. Und es kann selbst bei kurzen Aufenthalten passieren, dass man sich den Fuß bricht. Und dann? Verstopft man eben doch das örtliche Krankenhaus.

Es fühlt sich an wie eine Bestrafung, sicher. Aber je mehr Menschen sich eine Ausnahme von den Corona-Verboten genehmigen in diesen schönen Tagen, desto größer wird die Ansteckungsgefahr für alle. Das Virus ist noch da und noch immer gibt es weder ein Medikament noch einen Impfstoff dagegen. Deshalb ist es jetzt ein dringend nötiges Zeichen der Solidarität, wenn Menschen, die über ein Privileg wie ein Wochenendhaus verfügen, auf dieses Privileg noch ein paar Wochen verzichten. Damit für diejenigen, die null privilegiert sind, die ohne Arbeit, ohne Garten, vielleicht auch ohne Internetzugang zum Recherchieren der Hausaufgaben oder ohne einen Partner zu Hause festsitzen und eine richtig miese Zeit haben, diese unerträgliche Situation möglichst bald aufhört.

Wenn jetzt Leute ernsthaft damit argumentieren, dass sie sich eine Extraportion Lockerung und Erholung verdient hätten, weil sie ja immerhin arbeiteten, dann sollten sie darüber nachdenken, wie das bei denen ankommt, die laut der jetzt geltenden Krisenlogik nicht „systemrelevant“ sind. Aber sich trotzdem an die Regeln halten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Nina Apin
Redakteurin Meinung
Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.
Simone Schmollack
Ressortleiterin Meinung
Ressortleiterin Meinung. Zuvor Ressortleiterin taz.de / Regie, Gender-Redakteurin der taz und stellvertretende Ressortleiterin taz-Inland. Dazwischen Chefredakteurin der Wochenzeitung "Der Freitag". Amtierende Vize-DDR-Meisterin im Rennrodeln der Sportjournalist:innen. Autorin zahlreicher Bücher, zuletzt: "Und er wird es immer wieder tun" über Partnerschaftsgewalt.
Mehr zum Thema

53 Kommentare

 / 
  • "Damit für diejenigen, die null privilegiert sind... ...und eine richtig miese Zeit haben, diese unerträgliche Situation möglichst bald aufhört."

    Naja, je effektiver man wirklich jede Ansteckung verhindert, desto länger wird es dauern bzw. wird die Kurve bei jeder Lockerung wieder steiler nach oben steigen und erneute Einschränkungen nötig machen.

    Außerdem kann man sich genauso im Haushalt die Füße oder sonst was brechen, weil man vor lauter unbefriedigtem Tatendrang unbedingt auf die Leiter steigen musste, um die Vorhänge zu waschen, und nicht nur bei einem Ausflug.

    Und natürlich werden die Parks eher zur Ansteckungszone, wenn man den Städtern verbietet, aus der Stadt raus zu fahren.

    Das Problem mit dem vergessenen Wasser, das die Städter dann doch in die ländlichen Supermärkte bringen könnte, könnte man mit einer Pflicht zur Bedeckung von Mund und Nase beim Betreten eines Ladens begegnen, wie in Österreich.

    Aber man muss sich schon über Verhältnismäßigkeit Gedanken machen, und auch sehen, dass das Gefühl überzogener Regeln mittelfristig deren Akzeptanz erodieren lässt.

    Ganz abgesehen davon, dass Bewegungs- und Lichtmangel das Immunsystem schwächt.

    Auch gut gemeinte (Über-)Steuerung kann nach hinten losgehen.

  • Die derzeitigen Maßnahmen haben nichts mit einer Solidarität der Jungen mit den Risikogruppen zu tun. Wer das behauptet, öffnet erst die Tür der Spaltung zwischen Jungen undAlten, Kranken und Gesunden.

    Es geht doch in erster Linie darum, dass durch einen langsamen Anstieg der Infektion genügend Reserven in den Kliniken zur Verfügung stehen sollen. Das ist aber allgemeine Daseinsfürsorge, von der immer in erster Linie die Schwächeren profitieren.

    Nach meiner Wahrnehmung gibt es keine wirkliche Solidarität mit den Alten. Zumal dann nicht, wenn diese in Alten- und Pflegeheimen mit viel zu wenig und dazu noch schlecht bezahltem Personal betreut und gepflegt werden. Viel zu viele RentnerInnen in Armut bestätigen das.

  • Ich sach's mal so: Wenn man den Zustand eines unzureichenden Gesundheitssystems zur maßgeblichen Grundlage des alltäglichen Lebens aller macht, dann wird man schon recht bald keine Lebensgrundlage mehr haben.

  • Wenn es allein darum geht, ob Einzelne einzelne Elemente der jetzt geltenden Regelungen für weniger sinnvoll und wenig zumutbar halten, muss auch bedacht werden, dass eine Einhaltung der Regelungen auch entsprechend kontrolliert werden kann.



    Natürlich wäre nichts dagegen einzuwenden, wenn Eltern mit ihren Kindern mal auf den Spielplatz gehen, wenn dort sonst keine anderen Personen sind.



    Aber wie soll das geregelt werden, ohne dass der Sinn der Maßnahme, nämlich eine Verbreitung des Virus zu mindern, konterkariert wird?



    Von 9:00 - 10:00 Uhr alle Kinder, deren Vornamen mit A-C beginnt usw.?



    Sollen dann an allen Spielplätzen Ordnungskräfte stehen, die -ja was denn? Geburtsurkunden?- kontrollieren?



    In den einsamen Wald dürfen von 9:00 - 11:00 nur Paare, von denen mindestens einer der Vornamen mit A-F beginnt usw? Stehen dann auf allen Wegen Ordnungskräfte usw.?



    Das wird sich nicht umsetzen lassen und wollen können wir derart enge Kontrollen auch nicht wirklich. Mich jedenfalls graust es davor.



    Auch wenn es unbequem und einschränkend ist, aber in den allermeisten Bundesländern sind die Regelungen schon recht sinnvoll, nachvollziehbar, einfach einzuhalten und im Zweifel auch recht einfach ohne ein Heer von Ordnungskräften zu kontrollieren.

  • Angesichts der Leichenberge in Italien, in denen die Toten mit Armee-Lastwagen abtransportiert wurden ist Vorsicht ratsam.

    Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß diese Zustände uns noch bevorstehen - wenn wir unklug handeln.

    Der bisherige eher moderate Entwicklung in Deutschland kann - neben der Wirksamkeit von Containment - auch damit zusammenhängen, daß in Deutschland zuerst die Jungen infiziert wurden:

    "Laut Hans-Georg Kräusslich, Leiter der Virologie der Uniklinik Heidelberg, hätten sich viele - und zwar junge Leute - in den österreichischen und italienischen Skigebieten angesteckt. ‘Es begann als eine Epidemie von Skifahrern’, sagte Kräusslich der "New York Times".



    www.tagesspiegel.d...-ist/25726578.html

    Es kann also nicht ausgeschlossen werden, daß die Welle massiver Infizierung der Älteren Deutschland noch bevorsteht - dann könnten wir auch italienische Zustände bekommen, Kollaps des medizinischen Systems inklusive, auch wenn wir ein paar Notfallbetten mehr haben als die anderen.

    Aber dort zeigte sich auch, daß es schließlich kein Freipaß ist, jung zu sein.

    Um noch einmal Roberto Cosentini, Chefarzt der Notfallmedizin in Bergamo zu zitieren:



    "Die ersten, die das Virus befiel, waren alte Menschen mit etlichen Krankheiten. Jetzt greift es auch die Jungen und Gesündesten an, die die es am längsten zu Hause ausgehalten und sich mit den bekannten Arzneien zu kurieren versucht haben. Wir haben es nicht mehr mit leichter Grippe zu tun, wir sind bei schwersten Lungenentzündungen angelangt."



    www.tagesspiegel.d...632790.html?98998=



    Die bisherige relativ günstige Entwicklung in Deutschland sollte nicht verspielt werden. Jede Woche, die wir gewinnen, bringt uns einem Impfstoff und Medikamenten näher. Es wird intensiv geforscht und getestet. Das Wannsee-Bad könnte u.U. etwas zurückstehen.

  • Maskenpflicht für alle, Auffinden und Absondern der Infizierten und Absagen aller großen Veranstaltungen und man könnte wieder zu einer relativen Normalität zurückkehren. Leider suhlt sich die Masse derzeit im Denunziantentum und einer Obrigkeits- und Fachwelthörigkeit, die nur noch bizarr ist und die nicht einmal im Mittelalter möglich gewesen wäre.

    • @Anne klein:

      Ziemlicher Unsinn, zumal man viele der Infizierten gar nicht absondern kann da man sie als solche gar nicht erkennt. Infektiös sind sie trotzdem.

  • Auch ich bin es ziemlich leid, mir immer das Gejammere um persönliche Freiheit und "Grundrechte" anzuhören/zu lesen. Dabei wird immer so getan, als ginge es rein um "Solidarität" mit vermeintlichen Risikogruppen. Es sterben auch junge Menschen, auch Kinder sind wohl schon gestorben, ohne bekannte Risikofaktoren, und das Virus zu überleben heißt auch nicht unbedingt, keine bleibenden Schäden davon zu tragen. Ich lebe in Bayern und kann mich im verantwortlichen Rahmen völlig frei bewegen. Ich kann einkaufen und mich in der Landschaft rum treiben, solange ich möchte, wenn ich den Mindestabstand beachte, was ich zum eigenen Wohl und dem anderer gerne tue. Dazu bin auch ich von Kurzarbeit, mit allen ihren möglichen Folgen, bedroht finde aber, wir haben es hier, im Vergleich mit den europäischen Nachbar*innen noch durchweg gut erwischt. Darum fände ich etwas weniger Larmoyanz, derer, die sich scheinbar immer noch in Sicherheit wiegen, durchaus angebracht.

    • @Fezi:

      Auch wenn ich der Meinung bin, dass viele der gegenwärtigen Freiheitseinschränkungen notwendig sind und daher auch akzeptiert werden müssen, möchte ich dennoch davor warnen, den Ruf nach persönlicher Freiheit als "Gejammer" abzutun.

      Es sind nun mal die stärksten Einschränkungen der persönlichen Freiheit, die wir in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg hatten. Daher sollten auch notwendige Maßnahmen trotzdem von einer kritischen Debatte begleitet werden. Nur dadurch wahrt die Gesellschaft auch in der Krise ihren demokratischen Charakter.

      Die "Arroganz der Vernunft" nützt letztlich nur den Populisten.

  • Ich gebe Simone Schmollack Recht.

    Solidarisch ist nicht, den Bewegungsradius zwanghaft kleinzuhalten oder auf die "kleinen Extras zu verzichten". Solidarisch ist, sich und seine Mitmenschen vor Ansteckung zu schützen.

    Denn schließlich geht es um rationale Maßnahmen gegen eine real existierende Pandemie und nicht darum, eine Herrgottsstrafe durch ein Ritual bigotter Selbstkasteiung hinwegzuzaubern.

    Wenn man im direkten Umkreis der eigenen Wohnung vor dem Lebensmittelmarkt Schlange steht, setzt man sich eher einer Ansteckungsgefahr aus, als wenn man irgendwo nur mit der eigenen Familie auf eine Kayak- oder Radtour fährt.

    Man sollte bedenken: Der Kampf gegen die Pandemie ist ein Marathon und kein Sprint. Es geht darum, das ggf. auch noch etliche Wochen durchzuhalten. Da sollte es Möglichkeiten der Erholung geben, damit die Leute auch über eine längere Zeit rational und vernünftig bleiben. Die psychische Stabilität der Bevölkerung aufrechtzuerhalten ist absolut systemrelevant (um mal einen derzeit oft gebrauchten Terminus zu verwenden). Und wo ist Erholung ohne Kontakt zu Menschenmassen besser möglich als in der freien Natur?

    • @Florian K.:

      Wie gut der Solidaritätsgedanke in einer individualistisch organisierten Gesellschaft funktioniert, zeigt exemplarisch das Beispiel Ischgl. Obwohl Ende Februar vom RKI und der Bundesregierung bereits Beschränkungen für Einreisende an Flughäfen bekannt gegeben und über weiter reichende Maßnahmen im Zusammenhang mit Covid-19 diskutiert wurde, waren noch genug Menschen der Ansicht, problemlos in Ski-Hochburgen fahren zu können - war ja bis dahin auch nicht verboten. Die individuelle Risikoeinschätzung schlägt erstaunlich oft zu Gunsten des Egos aus. Ähnlich wird es laufen, wenn wir jetzt unüberlegte Lockerungen zulassen. Schon im Supermarkt lässt sich beobachten: es gibt die Rücksichtsvollen und es gibt die "Rambos", die "mir-egal"-TypInnen, wahlweise auch die "ich-war-zuerst-hier!"-FrohlockerInnen. Eine Rücknahme der Beschränkungen überlässt dann den individuellen Gesundheitsschutz dem Gesetz der Stärkeren.

      • @Edward:

        Die Unvernunft der Leute manifestiert sich vor allem dort, wo viele Menschen aufeinanderhängen, beispielsweise in Supermärkten oder in den überfüllten Stadtparks der Großstädte.

        Ich sprach nicht davon, Après Ski Parties wieder zu erlauben, sondern davon, den Leuten Sport an der freien Natur unter Wahrung der Sicherheitsdistanz zu ermöglichen.

    • @Florian K.:

      "...als wenn man irgendwo nur mit der eigenen Familie auf eine Kayak- oder Radtour fährt."

      Und das tun Sie natürlich in Sibirien, wo man niemanden begegnet. Und Sie fassen auch nichts an...

      Ist es wirklich soooo schwer, mal ein paar Wochen (China, Österreich ca. 6 Wo.) zu Hause zu bleiben bis wir die Infektionskette einiger Maßen im Griff haben?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        Im Wald wandern oder Kayak fahren tue ich für gewöhnlich tatsächlich dort, wo nicht alles überlaufen mit Menschen ist. Da muss ich nicht nach Sibirien.



        Und natürlich fasse ich Dinge an. Beispielsweise den Lenker meines Fahrrades oder das Paddel meines Kayaks. So what? In welcher Form geht dadurch nun eine Infektionsgefahr aus?

        Ich bin für Beschränkungen dort, wo sie Sinn machen. Und es macht keinen Sinn, wenn die Leute ihre Momente der Erholung in überfüllten Stadtparks der Ballungszentren suchen anstatt, dass sich die Leute verteilen.

        Und ob die Bevölkerung wirklich aushält, im Rahmen einer Ausgangssperre wochenlang an ihre Wohnung gefesselt zu sein? Ich habe da meine Zweifel. Nach Einschätzung vieler Experten geht es hier nicht um noch 1-2 Wochen, sondern um Monate.

        Die AfD poltert ja jetzt schon für eine Aufhebung ALLER Beschränkungen und zwar auch derer, die sinnvoll sind. Muss man diesen Leuten Nährboden geben? Oder lockert man lieber dort, wo die Lockerung möglichst wenig gefährlich ist und erhält die Beschränkungen dort aufrecht, wo Beschränkungen zum Schutze aller absolut sinnvoll sind?

        • @Florian K.:

          Die Vorgaben sind ganz eindeutig. Bleiben sie zu Hause. Gehen sie so wenig wie möglich raus. Die Politik setzt dabei auf die, offensichtlich nicht überall vorhandene, Vernunft der Bürger.

          Touristische Unternehmungen (wander, Kajak fahren) sind jedenfalls das Gegenteil von zu Hause bleiben. Und es zeigt eine Einstellung. Nämlich die, alles auszureizen. Begründet wird das dann damit, dass man ja selbst viel, viel besser einschätzen kann, was vernünftig ist. Und Einschränkungen sind ja so und so "nicht auszuhalten". Komischer Weise hält die Bevölkerung anderer Länder stärkere Beschränkungen schon länger aus. Nur in D scheint der Anteil der Weicheier enorm zu sein.

          Letztlich steht aber hinter all der Meckerei vor allem ein enormes Ego. Der vollkommene Unwille, sich mal einzuschränken. Und ein Stück weit wohl auch die Unfähigkeit, sich auf neue Situationen einzustellen.

          • @warum_denkt_keiner_nach?:

            Es geht hier nicht darum "eine Einstellung zu demonstrieren". Das ist dem Virus nämlich völlig egal.

            Es geht darum zu evaluieren und zu entscheiden, welche eindeutigen Vorgaben rational betrachtet sinnvoll sind und welche nicht. Die Vorgabe "alle müssen zu Hause bleiben" ist rational betrachtet nicht vernünftig, weil sie für viele nicht in der erforderlichen Langfristigkeit durchzuhalten ist.

            Und natürlich sollten sich die Bürger in einem demokratischen Staat auch an der Diskussion darum beteiligen, welche Maßnahmen vernünftig sind und nicht obrigkeitsgläubig alles unbesehen hinnehmen, was ihnen Politik und Experten vorsetzen.

            Außerdem ist es ja schön und gut, dass Du und meinetwegen auch ich das aushalten können ggf. noch monatelang. Arrogant ist es aber, jeden Menschen, der das nicht aushält als "Weichei" abzutun.

            Es gibt nicht nur Corona-Risikogruppen, sondern auch psychische Risikogruppen, beispielsweise Menschen, die unter Depression oder Burnout leiden. Und es gibt Personen, die sich zum Beispiel als fünfköpfige Familie eine 3-Zimmer-Wohnung teilen und vielleicht noch weitere soziale Probleme haben.

            Daher gilt es, auch mit diesen Menschen solidarisch zu sein, Interessen und Risiken abzuwägen und dann längerfristig umsetzbare vernünftige Regelungen zu finden, anstatt stur das Mantra "stay at home" nachzublöken.

            • @Florian K.:

              „Es geht darum zu evaluieren und zu entscheiden, welche eindeutigen Vorgaben rational betrachtet sinnvoll sind und welche nicht.“

              Machen Sie das mit der StVO auch so?

              „Die Vorgabe "alle müssen zu Hause bleiben" ist rational betrachtet nicht vernünftig…“

              Doch ist sie. Weil jeder Gang nach draußen das Virus begünstigt. Es wird ja mit Hochdruck daran gearbeitet, mit anderen Maßnahmen die Situation so zu verbessern, dass die Vorgabe „zu Hause bleiben“ gelockert werden kann. Aber es dauert eben noch eine (überschaubare) Weile, bis z.B. genug Masken verfügbar sind.

              „Burnout“

              Ist da nicht Ruhe gut?

              „…fünfköpfige Familie eine 3-Zimmer-Wohnung…“

              Die geht nicht Kajak fahren. Überhaupt scheinen sich diejenigen, für die Sie zu sprechen vorgeben, am wenigsten zu beklagen. Es sind eher die Städter mit den besser gefüllten Brieftaschen, die laut weinen, dass sie ihrem „Lifestyle“ nicht mehr uneingeschränkt frönen können. Den Kennzeichen und den Autos nach, die hier vor meiner Nase parken, sind es nicht die Armen und Bedrückten, die unbedingt ausgedehnte Osterausflüge in den Schwarzwald unternehmen müssen, sondern die Freiburger Wohlstandsbürger.

              „…solidarisch zu sein…“

              …heißt eben nicht, dass eigene Ego über alles zu stellen und das gewohnte Leben um jeden Preis fortzusetzen; solidarisch sein heißt, sich mal für eine Weile einzuschränken.

              Kommentar gekürzt, bitte sachlich bleiben. Danke, die Moderation

               

              • @warum_denkt_keiner_nach?:

                „Es geht darum zu evaluieren und zu entscheiden, welche eindeutigen Vorgaben rational betrachtet sinnvoll sind und welche nicht.“

                Und die Experten wissen das natürlich nicht so gut, wie die Laien?

                • @warum_denkt_keiner_nach?:

                  Seltsam auch, wenn Du für Dich beanspruchst, genau zu wissen, was „die Experten“ sagen, wenngleich beispielsweise das Robert-Koch-Institut bisher KEINE Empfehlung herausgegeben hat, auf Sport im Freien gänzlich zu verzichten. Im Gegenteil: In der Orientierungshilfe für Bürgerinnen und Bürger von Seiten des RKI heißt es „achten Sie auf Ihre seelische Gesundheit, z.B. durch ausreichend Bewegung“.



                  Der Virologe Prof. Christian Drosten riet in seinem Podcast ausdrücklich dazu, weiter ins Freie zu gehen, jedoch natürlich unter Beachtung des Sicherheitsabstandes. Zitat von Prof. Drosten: „Wir müssen uns nicht zu Hause einschließen.“ Da kann ich also nur hoffen, dass die Politik auf die Experten hört und nicht auf die von Ihnen geäußerte Laienauffassung.



                  Denn nicht jeder Gang nach draußen „begünstigt das Virus“, sondern eben nur solche Gänge, bei denen ich mich und andere einer Ansteckungsgefahr aussetze.

                  Mir scheint, Dir geht es selbst eigentlich gar nicht um irgendwelche Expertenmeinungen, sondern vielmehr darum (ich zitiere Dich hier gerne) „eine Einstellung zu zeigen“ und den damit verbundenen Gestus moralischer Überlegenheit, der sich vor allem darin auslebt, den Anderen ihr angstfreieres Nutzen verbleibender Freiheiten zu missgönnen. Das ist aber weder progressiv, noch solidarisch, noch hilfreich in der Krise.

                • @warum_denkt_keiner_nach?:

                  Offensichtlich scheinst Du ja sehr genau zu wissen, dass Burnout-Betroffenen ein paar Wochen des Eingesperrtseins ganz gut täten (Zitat: „Ist da nicht Ruhe gut?“) und dass fünfköpfige Familien, die sich nur eine Drei-Zimmer-Wonung leisten können, eh nicht in die freie Natur gehen, um sich zu erholen.

                  Als „wissenschaftlich rational denkender Zeitgenosse“ reicht Dir da der anektdotische „Beweis“ der teuren Autos die da „vor Deiner Nase“ (welche Frechheit!^^) am Rande des Schwarzwaldes parken. Kann es sein, dass die Dir eigentlich schon immer ein Dorn im Auge waren und Du nun die Chance witterst, es ihnen dank Corona endlich mal so richtig schön verbieten zu können? Ich finde, Dein letzter Beitrag lässt tief blicken und steht für mich exemplarisch für so manchen autoritären Reflex, der sich in Krisenlagen manifestiert.

                  Interessant auch, wenn ein User mit dem vielsagenden Namen „Warum_denkt_keiner_nach?“ dafür plädiert, Expertenurteile und die daraus folgenden Maßnahmen der öffentlichen Diskussion und damit auch dem Nachdenken zu entziehen.



                  Was die von Dir angesprochene StVO betrifft, finde ich übrigens auch, dass diese der öffentlichen Diskussion zugänglich sein muss. Und nein… ich warte nicht an jeder roten Ampel, wenn gerade weit und breit kein Mensch ist.

                  Außerdem ist „zu Hause bleiben“ so oder so keine Vorgabe von Verordnungscharakter, sondern allenfalls eine Empfehlung, zumindest was die Situation in Deutschland betrifft. Es gibt lediglich bundesländerspezifische Kontakt- und Bewegungseinschränkungen, von denen keine einen generellen Hausarrest verordnet. Die Frage, die hier diskutiert wird, ist gerade, ob diese Einschränkungen angemessen sind. In einer Diskussion darüber, ob Vorgaben Sinn machen, auf einem rechtspositivistischen Standpunkt zu verharren („Verordnung ist nun mal Verordnung“), geht an der Sache vorbei und mutet dazu noch ziemlich reaktionär an.

  • So "eingesperrt" leben doch Millionen von Menschen seit Jahrzehnten hier in D schon seit Einführung der AlG2-Gesetze, der gesetzlich verordneten Armut.



    Aber diese Millionen (m. E. im zweistelligen Millionen-Bereich) sind halt "selbst schuld" … ??? … selbst schuld als:



    - arme Rentner*innen?



    - Alleinerziehende?



    - prekär Beschäftigte?



    - AlG2-Bezieher*innen?



    Aber auf jeden Fall wird auf hohem Niveau "gelitten" wegen der Ausgangssperre – halte ich für völlig überzogen.



    Was mir aufstößt, ist die Tatsache, dass die "großen" wieder im Vorteil sind, dass demokratische Veränderungen durch die Krise leider NICHT stattfinden werden, und dass kein Mensch von den "Normalos" auch nur den Hauch einer Ahnung haben WILL, was es heißt aufgrund von Armut eingesperrt zu sein. Ihr Normalos könnt nach der Krise wieder weiter so tun, als wäre hier alles In Ordnng, die Millionen Armen und geselllschaftlich bewusst Abgehängten aber nicht.



    Was ist denn sooo schlimm daran, die Ansteckung zu verlangsamen und so weit wie möglich zu verhindern?



    Da seht "ihr" jetzt mal für kurze Zeit, wie es ist, ständig so leben zu müssen – und ihr flippt schon nach drei Wochen aus.



    Und was für eine Demokratie meint "ihr" eigentlich?



    Die, in der Regierungen BVerfGs-Urteile seit Jahren ignorieren dürfen (z. B. die immer noch nicht mögliche, gesellschaftliche Teilhabe der AlG2-Bezieher bei den bestehenden Regelsätzen)?



    Die Bezieher von AlG2 trifft es auch noch besonders hart, denn Tafeln sind geschlossen, Discounter oft ausverkauft, etc., etc..



    Na dann, dann "suhlt" euch mal schön in eurem für mich nicht nachvollziehbaren Selbstmitleid.



    Aber wahrscheinlich ist euch nur sooo langweilig ohne Konsum, aber keine Bange, "Brot und Spiele" fängt schon noch früh genug wieder an.

    • @Frau Kirschgrün:

      Sauber über's Ziel hinaus geschossen! Ihre Fundamentalkritik lässt sich sehr leicht entkräften, aber in einem Punkt haben Sie vermutlich recht: es gibt ein hohes Potential an Wehleidigkeit in Dt.



      Dank eines Freiwilligendienstlers im eigenen Umfeld sehe ich, welche Leistungen -auch zur Teilhabe am öffentlichen Leben- vergünstigt oder kostenlos zur Verfügung stehen. Die meisten dieser Vergünstigungen gelten auch für ALG2-Empfänger. Wenn selbst Sarah Wagenknecht mal in einer Talkshow raushaut, dass 1000 € monatliches bedingungsloses Grundeinkommen zu wenig wären, weil das die ALG2-Empfänger dann schlechter stellen würde, zeigt doch, wie es um reale Armut und Armutsempfinden steht. Nicht vergessen: die 1000 (oder 700, 800, 900 €) müssen zuvor von anderen Menschen erwirtschaftet und als Steuern und Sozialabgaben dem Staat überlassen worden sein.

      • @Edward:

        Sorry, aber m. E. begreifen sie in keiner Weise worum es mir geht.



        Sie haben die kapitalistische Denke so verinnerlicht, dass es Ihnen unmöglich erscheint, sich vorstellen zu können, eine Gesellschaft aufzubauen, in der ALLE teilhaben können, in der es um Menschlichkeit, Liebe zur Arbeit und zu den Menschen geht, und nicht um Funtkionieren.



        Ein gutes und gerechtes Lebne hat so gar nichts mit Faulsein oder Schmarotzen zu tun.



        Wie wär's mit Jobs und Lebenseinstellungen, die dann nicht mehr auf Maximierung sowohl des Gewinns als auch auf Maximierung der Ausbeutung und Entfremdung der arbeitenden Menschen basieren?!



        Aber dazu müsste frauman die eigene Denke hinterfragen und selbst ans Denken und vor allem wieder ans Fühlen kommen können bzw. wollen.



        Einfach so weitermachen geht doch schlicht und einfach nicht, weil die Erde und ihre Ressourcen endlich sind. Das ist doch nichts Neues, oder?!



        Wir können nicht warten, bis alle Dinge neu "erfunden" sind (was soll überhaupt neu werden?).



        Die Natur kann der Mensch nicht nachmachen, die Natur ist und bleibt unerreicht und unersetzlich. Ein Eingriff läuft IMMER auf die Zerstörung des natürlichen Gleichgewichts hinaus. Das haben wir doch alle gelernt.



        Dieser mechanistische Ansatz hat Platz in Sci-Fi-Filmen, das war's dann aber auch schon.



        KEIN Mensch weiß, wie ein Ast oder ein Blatt von einem Baum "hergestellt" werden, die Verpuppung des Schmettwerlings ist (und wird es wohl auch bleiben) ein großes Geheimnis, kein Mensch kann Wasser herstellen … beliebig fortzusetzen.



        Vielleicht haben wir Menschen ja eine ganz andere Aufgabe, als zu konsumieren und unnützes "Zeuch" zu "verbrauchen" und dabei die Reichen immer reicher zu machen – die WOLLEN nämlich gar nichts abgeben, die brauchen zufriedene Sklaven, damit alles so bleiben kann.



        Wie wär's mit echter Menschlichkeit, echter Gerechtigkeit, wahrer und gleichberechtigter Information?



        NICHT zu arbeiten ist doch für niemanden eine Option, aber es muss ohne Zwang und gerecht zugehen!

  • "Schon klar, es sollen keine Viren von A nach B getragen werden."

    So ist es. Und je weniger man sich von A nach B bewegt, um so weniger Viren trägt man rum. Eigentlich logisch.

    Natürlich kann man Fälle konstruieren, in denen man in die Einsamkeit geht. Aber es sind konstruierte Fälle. So groß ist Deutschland nicht, dass man niemanden begegnet.

    "...endlich mal wieder die Sonne spüren wollen."

    Für mich der dümmste Satz der Woche. Als ob es eine Verordnung gäbe, die die Bürger zwingt, bei fest verschlossenen und dicht verhängten Fenstern zu hause zu bleiben. Jeder darf raus. Nur eben nicht überall hin. Ist es wirklich so schlimm, das mal ein paar Wochen durchzuhalten?

  • Gute Fragestellung, schwache Kommentare. Weil "diese unerträgliche Situation" eben nicht "möglichst bald aufhört", muss ein vertretbarer Mittelweg gefunden werden, denn das Virus wird uns noch über Jahre erhalten bleiben. Viele Menschen (nicht alle), die jetzt die "Solidarität" für sich entdeckt haben, hoffen doch nur, vom Virus verschont zu bleiben. Das ist aber ein Irrglaube. Zwar ist Covid-19 gefährlicher als eine Grippe, aber eben keine Seuche. Und bis ein Impfstoff da ist, vergehen ein bis zwei Jahre. In der Zeit muss das Leben lebenswert bleiben.

    • @Schapur Ahmadi:

      "diese unerträgliche Situation"

      Unerträglich ist vor allem das Gejammer...

  • Gibt es eigentlich irgendwelche Nachweise von Übertragungen im Park oder im Wald? Außer unter Paaren beim Knutschen? Mein Eindruck ist, dass die Draußen-Verbote, egal ob in Bayern, Brandenburg oder Spanien, hauptsächlich der Disziplinierung durch staatliche Machtausübung dienen. Unbeachtet bleibt das gute deutsche oder spanische Mehrfamilienhaus mit Treppenhaus und Aufzug. Und das Staatsversagen bei der Beschaffung von Masken, die bekanntlich zwar nicht so sehr den Träger, wohl aber die Mitmenschen vor Ansteckung schützt.

  • „Solidarisch“ wäre es dann, wenn alle, die älter als 20 Jahre und geistig noch dazu in der Lage sind, jetzt eine Patientenverfügung hinterlegen würden, dass sie auf eine intensivmedizinische Beatmung verzichten, sofern nicht für alle Patienten genug Beatmungsgeräte vorhanden sein sollten und es andere Patienten gibt, die objektiv bessere Überlebenschancen haben. Dann müsste niemand weiterhin sein Leben an einem völlig unvorbereiteten Gesundheitssystem und den Vorstellungen zur Planung unfähiger und heillos überforderter PolitikerInnen ausrichten. Boris Palmer hat leider furchtbar recht, wenn er sagt: „Egal was wir tun, es werden Menschen sterben.“



    Keiner von uns wird ewig leben können, auch wenn uns jeder Tag das Gegenteil zu beweisen scheint. Am Ende kann es doch nicht darauf ankommen, wie lange man gelebt hat, sondern dass man wirklich gelebt hat und einigermaßen glücklich mit sich und mit den anderen war.

  • Komisch, dass die jungen Gegner der Ausgangsbeschränkungen noch immer so tun, als würde Corona einen Bogen um sie machen oder Ingektionen immer milde verlaufen. Die vielen Fälle, in denen die Infizierten keindr Risilogruppe angehörten und die dennoch in der Intensivstation landeten,scheint man wohl zi verdrängen.

  • Nichts von beidem.



    Man hätte die Chance gehabt einen Infektionsschutz zu betreiben der die Demokratie leben lässt aber da bestand offenbar kein Interesse dran.

    Wir sind in der absurden Situation das jeder der sich für absolute basic Grundrechte einsetzt als jemand hingestellt wird der seine Oma opfern will.



    Aber wenn man bei gekürztem Takt nicht mal mehr in die S Bahn rein kommt weil sie so voll ist und an der Supermarktkasse nicht mal ein Spuckschutz hängt dann muss man sich fragen wieso dann derartig extreme Einschränkungen auf der anderen Seite legitim sein sollen.

    Man hat das geopfert was so wie so nur nervt (Demokratie, Grundrechte, Meinungsfreiheit) um das zu erhalten was wichtig ist (Macht, Profit)



    Bei der Liste dessen was erlaubt und was verboten ist ist die Prioritätenliste der Herrschenden auf jeden Fall klar zu erkennen

    • @Oskar:

      Wie hätte dieser "demokratiefreundliche" Infektionsschutz bei der Erkenntnislage zu Beginn der Ausbreitung Ihrer Meinung nach ausgesehen?

  • Es gibt manche Unbestimmtheit in den Länderverordnungen und auch so einige Merkwürdigkeiten, damit muss man jetzt leben, da ja die VOs super rasch zusammengestrickt wurden. Und manches wurde ja auch schon angepasst und korrigiert. Stutzig machte mich heute Spahns Aussage, dass "manches nie mehr so würde wie vorher"... ohne, dann aber konkret zu werden, was denn nie mehr so würde wie vorher.



    Was ich mir wünsche wäre aber bei manchen ein weniger paternalistischer Tonfall nach der Art "auf dieses oder jenes werden wir noch lange verzichten"...



    Als letzte Beobachtung und da hat die Kanzlerin Recht, man wird nachlässiger, zumindest kann ich dies bei mir und in meiner mittelhessischen Filterblase beobachten. Jedenfalls ist diese bleierne Ruhe von vor 2,5 Wochen weg und einer gewissen normalen Geschäftigkeit gewichen.

  • Ich bin zwar auch der Meinung, es wird übertrieben, aber gegen 72% lässt sich schlecht argumentieren.

    Die Regierungen des Bundes und der Länder machen offenbar, was die Mehrheit für sinnvoll hält. Das ist im Grunde auch deren Aufgabe, aber bisher eben im Rahmen der Verfassung, jetzt nicht mehr.

    • @Fabian Wetzel:

      Oder die Bevölkerung tut was Regierung, Opposition, NGOs, Konzerne und sämtliche Medien als die einzige und unumstößliche Warheit hinstellen.

      • @Oskar:

        Österreich hat strengere Maßnahmen und sie wirken offensichtlich. Reicht das nicht? Müssen wir wirklich mit Menschenleben experimentieren, nur weil einige Bürger so verwöhnt sind, dass sie ein paar Wochen Einschränkungen nicht ertragen?

  • Ob Menschen sich eine Ausnahme genehmigen, hängt davon ab, wie sinnvoll Einschränkungen sind.



    Wenn die Polizei sich zu Ostern in einen Zeppelin setzt und die Verbote am Bodensee von oben aus überwacht, ist das "big brother" und führt zu Widerstand und nicht zu Akzeptanz von Regeln.



    Wenn Überlingen und Ludwigshafen am Bodensee ihre gesamte Uferpromenade absperren, gehen alle zum oberhalb gelegenen Haldenhof und sitzen dort zu Hunderten auf einer kleinen Wiese.



    Wenn dagegen Konstanz seinen Uferbereich offen hält, übernehmen 90 % derer, die sich dort treffen, selber die Verantwortung, diesen Bereich nur zu zweit und mit entsprechendem Abstand zueinander zu nutzen.



    Merkel mag, indem sie ihr Unbehagen über freiheitseinschränkende Maßnahmen zum Ausdruck bringt, 72% Zustimmung bekommen. Subalterne, übereigfrige und obrigkeitshörige Beamte können das aber schnell zerstören.

    • @stph:

      "Wenn die Polizei sich zu Ostern in einen Zeppelin setzt und die Verbote am Bodensee von oben aus überwacht, ist das "big brother" und führt zu Widerstand und nicht zu Akzeptanz von Regeln."

      Nur bei denen, die zu bequem sind, sich mal ein paar Wochen an Regeln zu halten. Dem Rest ist er Zepelin egal :-)

  • Das Hauptproblem ist doch, dass wir nicht im geringsten wissen, wo denn nun die große Infektionsgefahr lauert. Die Präventionsmaßnahmen wurden, nach einer langen Zeit der völlig verantwortungslosen Verharmlosung und Leugnung der Gefahr, mit dem Holzhammer eingeführt. In manchen Bundesländern rabiater als in anderen (das kleine, beschauliche und anscheinend eher sehr gering covid19-betroffene Bremen kennt bspw. keine Regelung a la "Ausgang nur im Wohnumfeld" oder "Ausgang nur bei triftigen Gründen"), aber überall sehr tief in Grundrechte eingreifend. Abgesehen davon, dass hier Präzedenzfälle geschaffen worden sind, haben leider auch die meisten Medien vergessen, dass dies auch zum Test unserer Demokratie wird - nämlich wie trotz widrigster Umstände unsere politischen Institutionen mit uns, mit sich selbst und wir mit ihnen umgehen. Stattdessen wurde alles abgewälzt, projiziert auf "verantwortungs- und rücksichtsloses" Individualverhalten, auf die berüchtigten "Corona-Partys", von denen ja anscheinend eine kurze Zeit lang die gesamte Republik, landauf, landab heimgesucht worden zu sein scheint.



    Schwamm drüber, crazy times. Nun aber, wo sich zwar die Hysterie, leider jedoch noch nicht der Ernst der epidemiologischen Lage gelegt hat, müssen wir rational handeln. Welche uns vorliegenden Zahlen implizieren (oder besser noch: bedeuten nachweislich) was? Welche Grundrechtseingriffe können durch die Faktenlage, durch die Empirie gerechtfertigt werden? Wo und durch welche Methoden müssen die empirischen Befunde verbessert werden? Ratio und demokratische Kontrolle (durch Gremien wie durch die Zivilgesellschaft) sind gerade in Krisenzeiten wichtiger denn je. Von daher gruselt es mich, wenn (s. Hamburg) die Polizei nun selbständig "abwägen" kann, ob das Demonstrationsrecht von Menschen hochrangig genug sei oder Herr Schäuble in die Mottenkiste der Notstandsgesetze greift und ein "Notparlament" einrichten möchte.

  • „Aber dieses Gejammer, als wäre man zu mehrjähriger Einzelhaft verurteilt, geht mir zunehmend auf den Geist.“

    Sie sprechen sowas von aus der Seele. Vielen Dank!

    • @Lumpazivagabundus:

      So ne Haltung muss man sich eben auch leisten können.



      Wer ein Haus mit Garten oder ne riesen Altbauwohnung mit Innenhof und Balkon hat der mag noch ganz gut leben jetzt.

      Gilt bloß für große Teile der Bevölkerung nicht.



      Aber deren reine Existenz wird ja ganz gerne mal verdrängt bei der taz

      • @Oskar:

        Mein Wohnung mißt ca. 40 qm – zugegeben, mit Balkon. Von Haus mit Garten aber ziemlich weit entfernt …

  • Es gibt kein Betretungsverbot für Berge in Bayern. Nur ist es auf zu gut besuchten Gipfeln und Seepromenaden schwer den Mindestabstand einzuhalten und die Gruppenbildung zu vermeiden, und dafür gibt's dann Strafzettel. Aber einsame Wanderungen sind weiterhin erlaubt. Die (ungenaue) Beschränkung auf "im Umfeld des Wohnbereichs" gilt nur in Sachsen, nicht in Bayern.

  • Es ist mir ein Rätsel, was daran so schwer zu verstehen ist:

    Das Virus sollte sich langsam ausbreiten.

    Wer das nicht versteht, sollte sich die Bilder aus Italien oder New York vergegenwärtigen.

    Wenn jetzt jede und jeder anfängt, sich Ausnahmeregeln nach eigenem Gusto zu erteilen, dann ist wohl das Ende der Fahnenstange flugs erreicht.

    Campingplatz ist sicher, Motorboot auch, vielleicht auch Skateboard-Fahren. Keine Ahnung.

    Aber dieses Gejammer, als wäre man zu mehrjähriger Einzelhaft verurteilt, geht mir zunehmend auf den Geist.

    • @Jim Hawkins:

      Wir leben nun mal in einer Ich- und Spaß-Gesellschaft, in der das Wort Rücksichtnahme ein Fremdwort ist.

    • @Jim Hawkins:

      Der Virus breitet sich langsam aus, momentan sind 3000 Beatmungsplätze belegt, angeblich 10000 Plätze frei.



      Von Überforderung oder Panik in deutschen Krankenhäusern ist Gott sei Dank nichts zu spüren.

      Jetzt ist es an der Zeit über Möglichkeiten nachzudenken und Konzepte zu entwickeln wie ein Leben trotz Virus möglich ist, da uns dieses Thema noch mehrere Monate beschäftigen wird.

      Ich persönlich befolge gerne Regeln die sinnvoll sind. Warum ich im übervollen Aldi einkaufen darf, auch wenn dort der Mindestabstand nicht eingehalten wird, mir aber ein Treffen mit meinem Kumpel (ich wohne in Bayern) untersagt wird, auch wenn wir 2 Meter Abstand halten, geht mir nicht in den Kopf.

      Wie Sie schon sagten, es geht darum dafür zu sorgen, das sich der Virus langsam ausbreitet, über die Strategie sollte diskutiert werden dürfen.



      Das man momentan nicht mal mehr über Alternativen zur Ausgangsbegrenzung diskutieren darf, geht mit auch massiv auf den Geist.

      • @Aymen:

        "Der Virus breitet sich langsam aus, momentan sind 3000 Beatmungsplätze belegt, angeblich 10000 Plätze frei."

        Ja. Und damit das so bleibt, gibt es jetzt ein paar Einschränkungen...

        "Von Überforderung oder Panik in deutschen Krankenhäusern ist Gott sei Dank nichts zu spüren.

        Jetzt ist es an der Zeit über Möglichkeiten nachzudenken und Konzepte zu entwickeln..."

        ...wie man das schleunigst ändern kann. Ist doch nicht schön, in einem Land zu leben, in dem die Krankenhäuser noch nicht überfordert sind.

  • "Nur wenn sich möglichst viele möglichst wenig bewegen, kann die Ausbreitung des Virus verlangsamt werden."

    Stimmt das denn noch? Wenn das Virus sowieso schon überall vorhanden ist, dann macht es für die Ansteckungswahrscheinlichkeit doch keinen Unterschied mehr ob ich in Ort A oder Ort B einkaufe. Entscheidend ist wie vielen unterschiedlichen Personen man wie nahe kommt.

  • Hallo, ich schreibe euch aus Spanien. Ich lebe hier seit 25 Jahren. Morgen sind es vier Wochen, die wir in unseren Wohnungen eingesperrt sind. Meine Familie (wir haben eine Tochter von 15 Jahren) ist priveligiert, da wir eine Wohnung mit Balkon und einen Hund haben. So können wir neben dem Einkaufen auch dreimal am Tag kurz den Hund Gassi führen. Aber mehr ist nicht drin. Neulich wurde ich von der Polizei angehalten, weil ich " weiter als 200 m von meiner Wohnung entfernt war".



    Wenn ihr über die Ausgangsbeschrãnkungen diskutiert in Deutschland, dann seid bitte nicht so wehleidig, wenn ihr Mal nicht zum Urlaub an die Ostsee fahren dürft. Denkt an die Leute, die in einer spanischen Stadt in einer Wohnung mit Fenstern nur auf einen Innenhof lebt und zu viert nur 60 Quadratmeter haben ( was der Durchschnitt der Wohnungen ist hier).



    Auch das ist Solidarität, vielleicht auch über Grenzen hinweg.

    • @Christina Jurcic:

      Vielen Dank, hoffentlich nordet sich so mancher Sauertopf hier mal wieder ein angesichts der von Ihnen geschilderten Lage. Bleiben Sie gesund und halten Sie durch, mit besten Wünschen!

    • @Christina Jurcic:

      Nur weil es woanders noch schlimmer ist, darf ich ja trotzdem einen Teil der Maßnahmen in Bayern nicht sinnvoll finden.



      Ich könnte mir vorstellen, das es auch in Spanien noch andere Möglichkeiten gäbe, den Virus oder dessen Ausbreitung einzudämmen bzw. zu verlangsamen.



      Das drüber nicht einmal diskutiert werden soll/darf, macht mich traurig. Es gibt eigentlich immer Alternativen bzw. mehrere Möglichkeiten.

    • @Christina Jurcic:

      Danke für Ihren Beitrag.

      Hierzulande jammert man gern auf hohem Niveau.

  • Genau den Fehler hat die DDR-Regierung auch gemacht: Sie hat unter „Solidarität“ verstanden, mit Gewalt allen etwas wegzunehmen, damit sich niemand (außer ihr) privilegiert fühlen kann. Politisch war das ein Totalreinfall.

    Die Leute haben zum Schluss einfach nicht mehr kapiert, wozu es gut sein soll, wenn niemand reisen darf und niemand kaufen kann, was als begehrenswert beworben wird. Wieso wurden auch die eingesperrt, die gar nicht in den Westen wollten? Wieso haben Kinder von ehemaligen Arbeitern, deren Väter (mühsam genug) studiert hatten, einen Nachteil gehabt bei der Bewerbung auf einen Studienplatz? Warum hat die zentrale Plankommission entschieden, was importiert wurde und was nicht, und nicht die angeblich herrschende Arbeiterklasse? Solche und ähnliche Fragen haben den Bonzen politisch das Genick gebrochen, weil die darauf keine Antworten geben konnten/wollten.

    Solidarität kann man einfach nicht von oben verordnen. Und mit Gewalt kriegt man sie schon gar nicht organisiert. Solidarisch sind Menschen allenfalls freiwillig. Wenn sie den Sinn einer Maßnahme nicht begreifen, weil eine Lösung angeblich so richtig ist wie jede andere und keine davon vernünftig begründet wird, ist es bald aus mit jeder Solidarität. Dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, dass sich der Egoidmus wieder durchsetzt. So bald die Angst verschwindet, das nächste Opfer zu sein, siegt die Hoffnung, besser weg zu kommen als die anderen.

    Freiwillig zu tun, was die Regierenden verordnen, mag solidarisch sein mit den Regierenden. Solidarisch mit den Schwächsten in der Gesellschaft ist es allerdings, sich die Verordnungen im Einzelnen anzuschauen und zu fragen: „Wem nutzt das eigentlich?“ Den “Bewegungsradius klein zu halten“ und „auf die kleinen Extras zu verzichten“, ist nur dann „im Sinne der Allgemeinheit“, wenn die Schwächsten dabei mich allein oder den Egoisten und Halsabschneidern überlassen werden, die sich einen Dreck um ihre wirklichen Bedürfnisse kümmern.

    • @mowgli:

      Natürlich kann man Solidarität von oben verordnen. Es gibt beispielsweise saftigste Strafen für Raser, die meinen mit Höchsttempo über rote Ampeln fahren zu müssen. Das wurde auch in Ossiland verstanden.