Berlin am Corona-Osterwochende: Ein bisschen aneinanderrücken
Am Ostersonntag war mehr los in Berlin als an den Wochenenden zuvor. Bei vielen Verstößen drückte die Polizei ein Auge zu.
Wer postet nur überall diese Bilder einer leeren Stadt? Der Bürgerpark in Pankow war am Ostersonntag jedenfalls fast so voll wie in den vergangenen Jahren. Die Rasenflächen waren gut gefüllt, auch Vierergruppen waren keine Seltenheit.
Das gleiche Bild im Volkspark Friedrichshain. Wer genau hinschaute, bemerkte, dass sich im Vergleich zu den Wochenenden zuvor die Disziplin in Sachen Distanzhalten lockerte: Des Öfteren saßen drei und mehr Menschen zusammen, die keine Familie bildeten, und nicht mehr nur Paare.
Zwei junge Radfahrer, dank ihrer gelben Warnwesten ausgewiesen als Mitarbeiter des Ordnungsamts Friedrichshain-Kreuzberg, fuhren entspannt über die Wiesen, ermahnten hier und da, ohne aber Verbote wirklich durchsetzen zu wollen. Die Stimmung: entspannt. Und statt Fußball zu sechst wurde eher Federball zu zweit gespielt.
Am nördlichen Stadtrand dominierten die Radfahrer. Entlang des Mauerwegs von Pankow zum Tegeler Fließ war jede Menge los. Und bei Gegenverkehr war auch der Abstand von 1,50 Meter kaum einzuhalten. Auch hier schritten die Ordnungsbehörden nicht ein. Im benachbarten brandenburgischen Schildow patrouillierte ein Polizeiwagen entlang der Liegewiesen – ohne dabei anzuhalten.
Dennoch zog die Polizei eine positive Bilanz. Trotz sommerlicher Temperaturen hätten sich die meisten Berlinerinnen und Berliner am Ostersonntag an die Corona-Regeln gehalten. Die Parks und Grünanlagen seien gut besucht gewesen, die meisten Menschen hätten jedoch auf den Mindestabstand von eineinhalb Metern geachtet, sagte eine Polizeisprecherin am Sonntag und sprach von einer entspannten Lage. Bei Temperaturen bis zu 24 Grad hatten rund 500 Polizeibeamte die Einhaltung der Maßnahmen zur Eindämmung des Virus kontrolliert.
Am Karsamstag war es nachmittags noch zu zwei Zwischenfällen gekommen. Bei einer Demonstration von Verschwörungstheoretikern gegen die Aussetzung der Grundrechte am Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte sei es zum Zweck der Identitätsfeststellung zu „vorübergehenden Freiheitsbeschränkungen“ gekommen, teilte die Polizei mit. Eine Kundgebung am Leopoldplatz in Wedding für einen besseren Schutz Geflüchteter vor dem Virus war zuvor ähnlich verlaufen.
Tagsüber waren am Samstag rund 670, nachts etwa 200 Polizisten im Stadtgebiet unterwegs. Sie hätten 27 Objekte sowie 1.784 Menschen überprüft, hieß es. So beendeten die Beamten etwa Partys in Schöneberg und Moabit mit jeweils 14 Feiernden. Unter dem Strich standen bei den Kontrollen schließlich neun Strafanzeigen und 105 Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten. Insgesamt sei es in der Nacht zu Sonntag aber eher ruhig geblieben. Seit dem Inkrafttreten der Kontaktsperre am 23. März registrierte die Polizei 1.392 Ordnungswidrigkeiten als Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz.
Neben den Kirchen waren Ostern auch die Bahnen weitgehend leer. Die Deutsche Bahn hat für die Ostertage nur knapp 300.000 Buchungen im Fernverkehr registriert. Im Vorjahr waren es demnach 1,5 Millionen Buchungen. Weniger Arbeit haben dem Bericht zufolge auch die Pannenhelfer vom ADAC. Sie wurden am Gründonnerstag 8.753 Mal gebraucht, am Karfreitag 3.951 Mal. Das ist ein Rückgang von jeweils 41 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Vielleicht halten sich in den nächsten Tagen aber wieder mehr an das „social distancing“. Schon am Ostermontag fiel das Thermometer auf 11 Grad. Und auch am Dienstag bleibt es kalt.
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