Antisemitismus-Vorwurf gegen Hotel: Wegen Davidstern abgewiesen?
„Pack deinen Stern ein“: Musiker Gil Ofarim berichtet, er habe in einem Hotel wegen seiner Kette mit jüdischem Symbol nicht einchecken dürfen.
In dem Video sitzt Ofarim – sichtlich aufgelöst – vor dem Hotel Westin nahe dem Leipziger Haupbahnhof und erzählt, wie er am Montag versuchte, in das Hotel einzuchecken. „Ich bin sprachlos, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll“, sagt der 39 Jahre alte Musiker.
Empfohlener externer Inhalt
Er berichtet: Aufgrund von Computerproblemen sei die Schlange lang gewesen. Immer wieder seien Personen vorgezogen worden, während er warten müsste. 15 Minuten später sei er schließlich an der Reihe gewesen und habe den Mitarbeiter am Check-in gefragt, was los sei, wieso andere Personen vorgezogen worden seien.
Der Mitarbeiter, den der Musiker im Video „Herr W.“ nennt, behauptete Ofarim zufolge, er wollte die Schlange entzerren. Ofarim wiederum erklärte, dass auch er in der Schlange stehe. „Dann ruft irgendjemand aus der Ecke: ‚Pack deinen Stern‘ ein“, sagt Ofarim. Daraufhin habe auch der Hotelmitarbeiter gesagt: „Packen Sie Ihren Stern ein.“ Erst dann dürfe er einchecken.
Während der Musiker diese Aussage wiedergibt, hat er Tränen in den Augen. Zu dem Video schreibt Ofarim: „Warum haben wir denn nichts aus der Vergangenheit gelernt? Es ist nicht das erste mal, aber irgendwann reicht es.“ Das Westin Hotel wollte sich gegenüber der taz nicht zu dem Vorfall äußern, im Laufe des Tages werde das Hotel zu den Vorfällen Stellung beziehen, sagte eine Mitarbeiterin am Telefon. Gegenüber der dpa sagte ein Sprecher des Hotels, dass man sehr besorgt über den Bericht sei und die Angelegenheit extrem ernst nehme. Das Unternehmen versuche, Ofarim zu kontaktieren, um herauszufinden, was passiert sei.
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes twitterte: „Das ist ein unfassbarer Fall von Antisemitismus und in der Tat ein Verstoß gegen das AGG. Eine rasche Antwort des Hotels ist überfällig. Aus unserer Sicht kann das nicht folgenlos bleiben“.
Auch sächsische Politikerinnen und Politiker äußerten sich. Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU) hofft darauf, dass der Musiker Anzeige erstattet, damit man den Vorgang polizeilich untersuchen könne. „Sachsen ist ein weltoffenes Land“, betonte Wöller.
Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) schrieb bei Twitter, es mache ihn wütend, was Ofarim widerfahren sei. Er spreche für die übergroße Mehrheit der Menschen in Sachsen, wenn er sich stellvertretend für die antisemitische Demütigung entschuldige. „Wir haben noch viel zu tun in Sachsen!“ Auch Umweltminister Wolfram Günther (Grüne) zeigte sich bei Twitter bestürzt. „Antisemitismus darf keinen Platz haben. Nicht offen, nicht verdeckt. Nicht in Sachsen, nicht in Deutschland, nirgendwo.“ Das Bündnis „Leipzig nimmt Platz“ kündigte für den Abend eine Solidaritätsversammlung vor dem Hotel an.
Ofarim ist Sohn des israelischen Musikers Abi Ofarim und wuchs in München auf. Ofarim berichtete bereits zuvor von seinen Erfahrungen mit Antisemitismus in Deutschland. „Für mich war es Alltag, an mit Maschinengewehren ausgestatteten Polizisten in den Kindergarten zu gehen. Es gab Hakenkreuze auf der Schulbank und Hundekot im Briefkasten. Das tat sehr weh und hat mich sprachlos gemacht“, sagte Ofarim 2018 in der ARD-Sendung hart aber fair.
Aktualisiert am 5. Oktober 2021 um 17:42 Uhr.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Schraubenzieher-Attacke in Regionalzug
Rassistisch, lebensbedrohlich – aber kein Mordversuch