Abschiebepläne der AfD: Nichts ist normal
Es habe auch schon früher Pläne gegeben, Migrant:innen massenhaft auszuweisen, sagen manche. Damit normalisiert man einen rechtsextremen Diskurs.
S eit bekannt ist, wie die AfD und Konsorten mit Menschen umgehen wollen, die ihren völkischen Vorstellungen nicht entsprechen, ist der Protest groß. Das ist wunderbar. Endlich, endlich. Denn viel zu lange haben wir, denen die Hetze der AfD zuwider ist, gewartet, haben gar zugelassen, dass das Gift der Rechten unser Denken vernebelt. Selbst jetzt noch.
Da kommt es mir nicht hilfreich vor, dass ich in etablierten Medien detailliert erklärt bekomme, dass die Pläne der AfD doch schon lange bekannt seien. Was die Rechten bezwecken mit dem, was sie verharmlosend als „Remigration“ bemänteln, konnte man ja schon lange in ihren Programmen nachlesen, wird mir gesagt. Die AfD habe nie einen Hehl daraus gemacht.
Und ohnehin hätten schon frühere Regierungen sich die Köpfe zerbrochen, wie sie Ausländer*innen loswerden. Mit Rückkehrprämien zum Beispiel. Die einen also mit Geld, die AfD jetzt mit Zwang. Wird mir aber gesagt, dass CDU und SPD früher nichts anderes taten, heißt das im Umkehrschluss erstens: alles halb so schlimm. Und zweitens: dass ich eine Politik, wie sie die AfD entwirft, längst akzeptiert habe.
Mir helfen solche Analysen nicht. Sie führen fort, was die Rechten mit ihrer verharmlosenden Sprache selbst tun, sie lullen ein, sie verharmlosen den Protest sogar.
Die Rechten sind sehr gut darin, ihre Ideen in den Köpfen und im Sprachgebrauch der Bürger*innen zu verankern und normal und gefällig erscheinen zu lassen. Statt Deportation also „Remigration“ – das klingt so unverfänglich. Genauso unverfänglich wie „irreguläre Migration“. Der Wahlslogan der AfD, der derzeit in Berlin rumhängt, bringt diesen schleichenden Angriff auf unsere Wahrnehmung auf den Punkt: „Deutschland, aber normal“.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Wir müssen wach bleiben
Nein, nichts ist normal. Schon seit Jahren diktiert die AfD das politische Geschehen und treibt die anderen Parteien vor sich her. Warum? Es mag mehrere Gründe geben. Einer ist: weil aus der Bevölkerung kaum Protest kam gegen das völkische Denken, das immer auf jemanden deutet, der Schuld an der eigenen Misere haben soll.
Anstatt gegen dieses Geschwätz der Rechten aufzustehen, haben die, die eine offene Gesellschaft wollen, auf die Sonntagsfragen gestarrt. Und trauten ihren Augen nicht. So viele, die der simplen Rhetorik der AfD-Hetzer und -Hetzerinnen verfallen, die Rache- und Wutgedanken haben, sich am Jetzt-erst-recht-Rechtswählen erfreuen und die geschichtsvergessen von einer Bedeutung träumen, die ihnen auch die AfD nicht geben wird.
Aber jetzt sind wir, die wir eine zivile, tolerante, bunte, friedliche, nachhaltige Gesellschaft wollen, aufgewacht. Und wir müssen wach bleiben.
Denn schon wieder wirkt die innere Zersetzung. Ich lese und höre immer wieder, dass das Rumstehen vor dem Reichstag doch nichts bringe. Ganz ehrlich, ich vermute, das sind von den Rechten lancierte Bots, also falsche Identitäten, die solche Nachrichten verbreiten. Was sie schreiben, ist falsch.
Vielmehr ist es genau jetzt unsere Aufgabe, in Massen rumzustehen und zu zeigen, dass wir da sind, dass wir mehr sind, dass wir die Hetze der Rechten satt haben und dass wir Verantwortung für eine friedliche Gesellschaft übernehmen wollen. Wir können in großen Städten im Meer der Gleichgesinnten baden, das ist der erste Schritt. Der zweite: den Protest dort unterstützen, wo sich einzelne schon lange mit dem Rücken zur Wand gegen die Rechten wehren.
Luisa Neubauer hat recht, wenn sie sagt, „die Demonstrationen sind der Ort, wo Mut und Kraft gesammelt wird, um die demokratische Arbeit zu machen, die es jetzt braucht“. „Mut wächst aus der Gemeinschaft“, sagt sie. Das finde ich auch.
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