Kabinett beschließt Steuerreformen: Entlastungen für Besserverdiener
Die Bundesregierung beschließt Änderungen der Einkommenssteuer und eine Steuerklassenreform. Davon profitieren vor allem reiche Familien und Paare.
![Kinder spielen unter einem großen, bunten Tuch auf einer autofreien Straße Kinder spielen unter einem großen, bunten Tuch auf einer autofreien Straße](/picture/7139592/624/35872217-1.jpeg)
Kinder aus weniger gut verdienenden Familien sollten stärker berücksichtigt werden Foto: imago
BERLIN taz | Das Bundeskabinett hat am Mittwoch das zweite Jahressteuergesetz verabschiedet. Darin sind unter anderem Anpassungen des Grund- und des Kinderfreibetrags enthalten. Die Bundesregierung will zudem die für Ehepaare relevanten Steuerklassen drei und fünf abschaffen. „Insgesamt werden wir Menschen und Betriebe um 30 Mrd. Euro entlasten“, erklärte Bundesfinanzminister Lindner.
Damit das Existenzminimum steuerfrei bleibt, müssen neben dem Grundfreibetrag auch der Kinderfreibetrag angepasst werden. Der Grundfreibetrag soll in diesem Jahr um 180 Euro auf 11.784 Euro angehoben werden und bis 2026 schrittweise auf 12.336 Euro steigen. Der steuerliche Kinderfreibetrag hat sich in den vergangenen Jahren bereits erhöht und wird 2024 um 228 Euro auf 6.612 Euro weiter steigen.
Eltern bekommen nach automatischer Prüfung durch das Finanzamt entweder Kindergeld oder die Kinderfreibeträge bei der Einkommensteuer. 2025 soll dieser Betrag um weitere 60 Euro, 2026 noch einmal um 156 Euro auf 6.828 Euro angehoben werden.
Das Kindergeld steigt nicht so stark: Ab Januar 2025 sollen Familien pro Monat und Kind lediglich fünf Euro mehr Kindergeld bekommen, also 255 statt bisher 250 Euro monatlich. Von den Kinderfreibeträgen profitieren vor allem reiche Eltern, lautet eine gängige Kritik.
Durch die Anpassungen vergrößere „sich der maximale Vorteil durch den Kinderfreibetrag gegenüber den Kindergeldbeziehern noch einmal um 141 Euro“, sagte Julia Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit der taz. Auch Katharina Beck, finanzpolitische Sprecherin der Grünen Bundestagsfraktion, forderte, dass „Kinder aus weniger gut verdienenden Familien“ stärker berücksichtigt werden sollten.
Ehegattensplitting bleibt
Ein weiterer umstrittener Aspekt des Gesetzes ist die Aufhebung der Lohnsteuerklassen drei und fünf. Laut Koalitionsvertrag sollen diese in ein sogenanntes „Faktorverfahren“ überführt werden. Die beschlossene Änderung soll aber erst 2030 kommen. Verheiratete und Menschen in eingetragenen Partnerschaften können sich demnach für eine getrennte Besteuerung beider Partner*innen wahlweise in Steuerklasse vier oder „Steuerklasse vier mit Faktor“ entscheiden.
Nach dem alten Modell zahlte die Person aus Steuerklasse drei überproportional wenig Steuern und die Person aus Steuerklasse fünf überproportional viel. Dies begünstigte eine traditionelle Aufteilung von Care- und Lohnarbeit und viele Frauen erhielten in der Konstellation ein geringeres Nettoeinkommen.
Grünen-Abgeordnete Katharina Beck begrüßte diesen Schritt: „Eine Abschaffung der Steuerklasse fünf, die starke Anreize zur Nicht- oder Wenigarbeit setzt und damit Verarmung von Frauen und perspektivisch zu Altersarmut von Frauen beiträgt, war mehr als überfällig.“ Sie ermahnte die Regierung jedoch, die Neuregelung früher als 2030 umzusetzen.
Jirmann vom Netzwerk Steuergerechtigkeit bezeichnete die Abschaffung der Steuerklassen zwar als „Schritt für geschlechtergerechtere Besteuerung“, forderte aber, dass eine Überwindung des Ehegattensplittings folgen müsse. Auch mit Steuerklasse 4 mit Faktor gibt es weiterhin einen sogenannten Splittingvorteil.
Alois Rainer, CDU-Politiker und Finanzausschuss-Vorsitzender im Bundestag, begrüßte die Abschaffung der alten Steuerklassen „nicht uneingeschränkt“. Die Reform führe zu weniger Geld in den Familien, kritisierte er. Zudem kündigte er an, dass eine Abschaffung des Ehegattensplittings keine Mehrheit im Bundesrat finden würde.
Leser*innenkommentare
Eckhard Hanseat52
Aber mal Hallo. Die Reform dient eigentlich dazu, die kalte Progression abzumildern, da sonst Lohnerhöhungen "aufgefressen" werden. Das da auch die Reichen von profitieren hat mit der Steuertabelle zu tun. In Frankreich und anderen Ländern werden die Steuertabellen im Übrigen jedes jahr Inflationsbereinigt. So kann man das Problem dauerhaft lösen ohne jedesmal wieder auf er Verteilungsgerechtigkeit herumzureiten.
elektrozwerg
"Alois Rainer, CDU-Politiker und Finanzausschuss-Vorsitzender im Bundestag, begrüßte die Abschaffung der alten Steuerklassen „nicht uneingeschränkt“. Die Reform führe zu weniger Geld in den Familien, kritisierte er. Zudem kündigte er an, dass eine Abschaffung des Ehegattensplittings keine Mehrheit im Bundesrat finden würde."
Deshalb lacht sich Lindner ja krum, er bekommt zinslose Darlehen bis zur Steuererklaerung: Wenn beide bei ungleichem Einkommen in Steuerklasse 4 sind, fuehrt derjenige, der vorher in 5 war, zwar weniger Steuern ab, aber der Familie steht weniger Geld zur Verfuegung, jedenfalls bis zur Steuererklaerung.
Wer da jubelt hat es nicht anders verdient.
Was das Ehegattensplitting betrifft: Es ist irrelevant was der Bundesrat da denkt, das Bundesverfassungsgericht ist die entscheidene Instanz. Solang die Ehe von der Verfassung besonders geschuetzt ist, solang wird die gemeinsame steuerliche Veranlagung bleiben.
Janix
Wenn die Fee käme, könnte es sein, dass eine klar linke Mehrheit, die Fehlentwicklungen ändert, auf der Wunschliste wäre.
Freibeträge bevorteilen die Reicheren.
Solidarisch aber ist besser langfristig.
Frank Burghart
Das nennt man wohl Umverteilung von unten nach oben. Weil es denen da oben ja schon sooo schlecht geht.
Wieso wundern sich die Politiker, welche solche Politik machen, dass Menschen aus Protest dann AfD wählen, welche eigentlich auch die Oberen bevorzugt, aber dies nicht so zeigt.
Aurego
@Frank Burghart Geschickter wäre, bei solchen Ungerechtigkeiten die Linke zu wählen. Das ist praktisch die einzige Partei, die von oben nach unten umverteilen will.
Was die AfD machen würde, ist etwas ganz anderes: Die würden Steuergeld in die Taschen ihrer Kumpels umleiten. Ein solches Verhalten kann man bei fast jeder autokratisch veranlagten Regierung beobachten. Wer dadurch protestiert, dass er solchen Halunken seine Stimme anvertraut, ist ein Trottel.
Aurego
Passt doch! Die Besserverdienenden, also z. B. wir, also die Ü50-Boomer, bekommen mehr netto vom 6-stelligen Jahresbrutto. Brauchen wir ganz dringend! Vor allem, weil wir gerade wieder zu DINKS geworden sind. Wie sollen wir sonst das Studium der Kids in Oslo, Wien oder Zürich finanzieren? Die sind zwar schon aus dem Haus, aber dann kann man sie ja noch besser von der Steuer absetzen. Man überweist ihnen einfach einen Tausender pro Monat und deklariert das als "Unterstützung für das Studium", wenn sie z. B. den Master im Ausland machen.
Ja, da lebt sich's gut, so als Made im Speck. Ach ja, und ein paar Immobilien vermieten wir auch noch. Alles rosa, alles gut. Ab in den Urlaub!
rs1000
Ich würde mich freuen, wenn in Artikeln zum "Ehegattensplitting" nicht immer von einem (unfaire) Steuervorteil gesprochen wird. Diese Steuermechanik erkennt lediglich an, dass in Familien das Einkommen von zwei Personen zusammengelegt wird, um damit die Familie zu versorgen. Und dass sonst, bei ungleichen Einkommen, ein Steuernachteil für die Familie entstehen würde.
Man könnte zum Beispiel einmal den Unterschied zwischen Steuerklassen und der letztendlich Besteuerung des (Familien-) Einkommens erläutern. Die Abschaffung der Steuerklassen 3 und 5 ist aus Sicht der Geschlechtergleichberechtigung absolut zu begrüßen. Die Möglichkeit für Paare, ihr Einkommen zusammenzuveranlagen ist jedoch absolut notwendig, um oben erwähnte Ungerechtigkeit aufzulösen.