Umweltschützer und Bauern gegen Özdemir

Der Agrarminister kommt Landwirten auf einer Demo gegen Subventionsstreichungen entgegen – und erntet vor allem Kritik. Greenpeace wirft dem Grünen Opportunismus vor

Sie tanken Diesel, für den der Staat Steuerrabatt gewährt: Traktoren bei der Bauerndemo am Montag vor der Berliner Siegessäule Foto: Jochen Eckel/Imago

Aus Berlin Jost Maurin

Bauer Claus Behrend ist sauer. Auf die Politik, die billigen Mais aus der Ukraine ins Land lässt, auf die Kampagnen gegen Fleischkonsum. Und jetzt besonders auf die Pläne der Ampelkoalition, den Energiesteuerrabatt für Diesel abzuschaffen, den landwirtschaftliche Fahrzeuge und Maschinen verbrauchen.

Rund 440 Millionen Euro jährlich wollen SPD, Grüne und FDP so einsparen wegen des Haushaltslochs, das nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse entstanden ist. Weitere 448 Millionen Euro soll bringen, dass die Land- und Forstwirtschaft künftig KfZ-Steuer für ihre Traktoren bezahlt. Deshalb ist Behrend aus seinem Heimatort Wittstock/Dosse am Montagmorgen zum Brandenburger Tor in Berlin gefahren, um dort mit nach Polizeiangaben etwa 6.600 anderen Menschen gegen die Sparpläne zu demonstrieren.

„Ich habe keine Lust mehr. Ich verkaufe“, sagt Behrend auf die Frage, ob die Streichung des Steuerrabatts auf Agrardiesel seinen Hof gefährden würde. 55.000 Euro Energiesteuer auf den Kraftstoff erstatte ihm der Staat pro Jahr. Der Betrieb mit 370 Hektar Land, 270 Kühen und 8 Mitarbeitern mache 1,3 Millionen Euro Umsatz. Trotzdem wolle sein Sohn den Hof nicht übernehmen, sagt der 75 Jahre alte Behrend. Wütend ist er vor allem „auf die Grünen und die Medien“. Dass der grüne Agrarminister Cem Özdemir sich auf der vom Bauernverband organisierten Demonstration gegen die Abschaffung der Steuervergünstigungen ausspricht, ficht Behrend und viele andere Landwirte nicht an. Als ein Redner der Protestbewegung „Landwirtschaft verbindet Deutschland“ Özdemir, der türkischer Abstammung ist, Politik „wie auf einem türkischen Basar“ vorwirft, lachen viele. Als der Minister das kritisiert, erntet er Pfiffe und Buhrufe. Später wird er wieder unterbrochen, ausgebuht, ausgepfiffen. Erst als Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied die Menge um Respekt und Fairness bittet, lässt sie ­Özdemir wieder zu Wort kommen.

Dabei versichert der Politiker den Bauern, im Kabinett für sie zu kämpfen. Es sei klar, dass nach dem Urteil des Verfassungsgerichts mehr gespart werden müsse – aber eben nicht überproportional in der Landwirtschaft. „Ich halte nichts von den Streichungen in diesem Umfang“, so Özdemir. Sie würden der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Bauern schaden. Sein Kompromissvorschlag könnte also sein, dass Steuervergünstigungen reduziert, aber nicht gestrichen werden.

Offenbar ist das vielen Bauern nicht genug – oder sie glauben Özdemir nicht. Denn 2015, als er Bundesvorsitzender der Grünen war, sprach sich deren Bundestagsfraktion klar dafür aus, den Agrardieselrabatt zu streichen.

Und vielen Landwirten geht es wie Claus Behrend ja nicht nur um die Steuerrabatte, sondern um die Agrarpolitik insgesamt. Sie haben es satt, dass der Staat immer mehr Umweltschutz für die Agrarsubventionen verlangt. Dafür machen sie vor allem die Grünen verantwortlich.

Özdemir bekommt für seine Haltung aber nicht nur Feuer von Bauern, sondern auch von Umweltschützern, die sonst eher Grünen-nah sind. „Özdemir hat keinen Arsch in der Hose“, sagt Martin Hofstetter, Agraringenieur bei Greenpeace, der taz. Der Minister sollte argumentieren, dass es keinen Berufsstand gebe, „der so am Subventionstropf hängt“. Stattdessen biedere sich Özdemir bei den Bauern und der CDU in Baden-Württemberg an, wo er als künftiger Ministerpräsident einer grün-schwarzen Koalition gehandelt wird. „Özdemir hat keinen Gestaltungswillen. Er ist eine Fehlbesetzung“, so Hofstetter.

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