Kommentar Giffeys Unterhaltsreform: Diese armen benachteiligten Väter!
Manche Ungerechtigkeiten sind schlimmer als andere. Danke, liebe Frau Giffey und liebe SPD für diese klare Prioritätensetzung.
W as wären wir nur ohne die Sozialdemokratie und ihren tapferen Kampf gegen die soziale Ungerechtigkeit? Franziska Giffey zum Beispiel. Sie sorgt sich als Familienministerin naturgemäß sehr um Kinderarmut, massenhaft ausbleibende Unterhaltszahlungen und die krasse steuerliche Benachteiligung von Alleinerziehenden.
Da wollen sie und ihre Partei ganz bestimmt irgendwann einmal etwas ändern, vielleicht in der übernächsten Legislaturperiode oder gleich danach. Aber bei einem Problem, der allerschlimmsten aller Ungerechtigkeiten, muss sofort gehandelt werden: Väter, und zwar die guten, die sich um ihre Kinder kümmern, werden benachteiligt. Unerträglich! Da kriegt eine SPD-Ministerin nachts kein Auge zu! Und Eile ist geboten, weil es einem schier das Herz bricht!
Worum geht’s genau? Ist die Betreuung der Trennungskinder 60:40 aufgeteilt, zahlt der 40-Prozent-Elternteil – meistens der Vater – trotzdem den vollen Unterhalt. Wäre es 50:50 aufgeteilt, würde er gar nichts zahlen müssen. Ist das ungerecht? Ja, auf jeden Fall. Kein Wunder, dass die betroffenen Elternteile, meist Väter, häufig versuchen, gerichtlich eine Kinderbetreuung zu gleichen Teilen einzuklagen.
Jetzt will Giffey die 40-Prozent-Eltern finanziell besser stellen. Für den anderen Elternteil, meist die Mutter, könnte die Einschränkung und Veränderung des Unterhalts zwar an die Existenz gehen. Häufig sind sie es, die in Elternzeit gegangen und danach nicht mehr voll in die Berufstätigkeit eingestiegen sind. Es könnte für manche eng werden, wenn es um den nächsten Urlaub oder den nächsten Kinobesuch geht. Aber hey, macht ja nichts, denn Ferien und Filme mit dem Vater, der als Mann ohnehin meist mehr verdient, macht ja einem Kind auch viel mehr Freude.
Und was das neuerdings so gehypte Wechselmodell – eine Woche bei der Mutter, eine beim Vater – für Trennungskinder angeht: Ich möchte mal die Erwachsenen sehen, die freiwillig bereit wären, jede Woche umzuziehen. Den Kindern wird es zugemutet, weil es für getrennte Eltern, die beide erziehen wollen, als gerechte Lösung erscheint. Und auch in diesem Fall würde selbst bei großem Einkommensunterschied kein Unterhalt gezahlt.
Kurzum: Manche Ungerechtigkeiten sind schlimmer als andere. Danke, liebe Frau Giffey und liebe SPD, für diese klare Prioritätensetzung. Man bedauert es fast, nicht Mitglied zu sein. Denn dann könnte man jetzt austreten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Verfassungsklage von ARD und ZDF
Karlsruhe muss die unbeliebte Entscheidung treffen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
CDU-Politiker Marco Wanderwitz
Schmerzhafter Abgang eines Standhaften